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KIRCHENGESCHICHTE
Aus Nr. 05 - 2003

Die Päpste und die kleine Theresia vom Kinde Jesus


Alle Päpste des 20. Jahrhunderts waren von dem einfachen Glauben der Heiligen aus Lisieux beeindruckt. Einem auf der absoluten Notwendigkeit der Gnade basierenden.


von Giovanni Ricciardi


Theresia vom Kinde Jesus

Theresia vom Kinde Jesus

Am 20. November 1887 begegnete die hl. Theresia vom Kinde Jesus – sie war damals 15 Jahre alt – Papst Leo XIII. (1878-1903) im Rahmen einer von der Diözese Lisieux organisierten Wallfahrt. Sie bat den Papst unverfroren, vor Erreichung des vorgeschriebenen Alters in den Karmel eintreten zu dürfen. Worauf dieser lapidar geantwortet hatte: „Nun gut. Tretet ein, so Gott will.“ Der alte Papst konnte nicht ahnen, daß gerade dieses Mädchen die Pontifkate seiner Nachfolger so nachhaltig prägen sollte. Alle Päpstý des 20. Jahrhunderts sind nämlich, auf die eine oder andere Weise, von der „Berührung“ mit Theresia geprägt. Zuallerst einmal Pius XI., der sie 1923 selig- und zwei Jahre später heiligsprach, sie 1927 zur Patronin der Missionen erklärte. Die Geschichte Theresias ist auch eng mit der Papst Montinis verknüpft, der am Todestag der kleinen Schwester aus Lisieux getauft wurde. Aber die erste Intution davon, wie außergewöhnlich Theresia war, hatte zweifellos Pius X. (1903-1914), der Papst, dessen Wahl genau vor 100 Jahren stattgefunden hat (4. August).

Pius X.: „Die größte
Heilige aller Zeiten“
Es waren kaum 10 Jahre seit dem Tod Theresias vergangen, als Pius X. die französische Ausgabe der Histoire d´une âme geschenkt wurde und, drei Jahre später, 1910, die italienische Übersetzung der Autobiographie der Heiligen. Eine Übersetzung, die damals schon in zweiter Auflage erschien. Pius X. hatte keinerlei Bedenken, was Theresia anging, und beeilte sich, den Seligsprechungsprozess voranzutreiben, der eine der ersten Handlungen seines Pontifikats sein sollte. Aber schon einige Jahre zuvor, als er einem Bischof begegnet war, der ihm ein Bildnis Theresias schenkte, hatte der Papst festgestellt: „Das ist die größte Heilige unserer Zeit!“. Ein Urteil, das gewagt erscheinen mochte, und das schon allein deshalb, weil Theresia, damals wie auch heute, nicht immer ungeteilte Bewunderung auslöst. Über die Einfachheit ihrer geistlichen Lehre, die einfach nur von der absoluýen Notwendigkeit der Gnade durchdrungen war, konnten viele Kirchenmänner nur die Nase rümpfen. Im Klima eines vom Jansenismus durchdrungenen Katholizismus erschien eine Spiritualität, die ganz im Zeichen des Vertrauens auf und die geduldige Hingabe an die Barmherzigkeit Gottes stand, als Kontrast zur Strenge einer auf Verzicht und Selbstaufopferung konzentrierten Askese. Diese „Zweifel“ an der Lehre Theresias kamen auch dem Papst zu Ohren. Der dem einmal mit Nachdruck entgegnete: „Ihre extreme Einfachheit ist das Außergewöhnlichste an dieser Seele, das, was am meisten Aufmerksamkeit verdient. Nehmt euch eure Theologie wieder vor!“
Pius X. war u.a. besonders von einem Brief beeindruckt, den Theresia am 30. Mai 1889 an ihre Cousine Maria Guérin geschrieben hatte, die, weil sie gewisse Bedenken hatte, nicht zur Kommunion ging: „Jesus ist dort im Tabernakel gerade für dich, für dich allein, sehnt sich danach, in dein Herz einzudringen [...]. Empfange oft die Kommunion, sehr oft. Das ist das einzige Heilmittel, wenn du genesen willst.“ Viele Menschen hatten damals übertriebene Bedenken, die Eucharistie zu empfangen, und die Antwort Theresias erschien dem Papst als Ermutigung, dagegen vorzugehen. Es ist leicht möglich, daß die beiden Dekrete von Pius X., Sacra Tridentina Synodus über die häufige Kommunion, und Quam singulari über die Kinderkommunion, von der Lektüre der Schriften Theresias beeinflußt waren.

Benedikt XV.: „Gegen die Anmaßung, mit menschlichen Mitteln einen übernatürlichen Zweck erreichen zu wollen“
Pius X. blieb nicht die Zeit, den iter des Seligsprechungsprozesses zu verfolgen. Sein Nachfolger, Benedikt XV. (1914-1922), trieb ihn deutlich voran. Am 14. August 1921 verkündete er das Dekret über die heroischen Tugenden der kleinen Theresia, und zum ersten Mal sprach ein Papst, auf die „Lehre“ der Heiligen aus Lisieux bezogen, von einer „geistlichen Kindschaft“. „Die geistliche Kindschaft,“ meinte der Papst, „ist aus Gottvertrauen und dem blinden Sich-in-seine-Hände-Geben gemacht. [...] Es ist nicht schwer, die Vorzüge dieser geistlichen Kindschaft auszumachen, sowohl nach dem, was sie ausschließt, als auch nach dem, was sie voraussetzt. In der Tat schließt sie ein übertriebenes Selbstwertgefühl aus, die Anmaßung, mit menschlichen Mitteln einen übernatürlichen Zweck erreichen zu wollen und auch die, sich selbst in der Stunde der Gefahr und der Versuchung genug sein zu wollen. Auf der anderen Seite setzt sie den lebendigen Glauben an die Existenz Gottes voraus. Setzt praktische Ehrerbietung an Seine Kraft und Barmherzigkeit voraus; das zuversichtliche Vertrauen auf die Vorsehung dessen, von dem wir die Gnade erhalten, alles Böse vermeiden und alles Gute erlangen zu können [...]. Hoffen wir darauf, daß das Geheimnis der Heiligkeit Schwester Theresias vom Kinde Jesus niemandem verborgen bleibt.“

Pius XI.: „Der Stern
in meinem Pontifikat“
Pius XI. (1922-1939) hegte, mehr als jeder andere Papst, sein ganzes Leben lang, schon bevor er Papst wurde, eine tiefe Verehrung für die kleine Theresia. Als er noch Apostolischer Nuntius in Warschau war, lag das Büchlein Storia di un´anima immer griffbereit auf seinem Tisch; und daran änderte sich auch nichts, als er Erzbischof von Mailand geworden war. Unter seinem Pontifikat kam es schon bald zur Heiligsprechung Theresias. Theresia wurde am 29. April 1923 selig-, am 17. Mai des Heiligen Jahres 1925 heiliggesprochen; am 14. Dezember 1927 wurde sie, zusammen mit dem hl. Franz Xaver, zur universalen Patronin der katholischen Missionen erklärt. Sowohl die Selig- als auch die Heiligsprechung waren die ersten des Pontifikats von Achille Rattý. Bereits am 11. Februar 1923, bei der Ansprache anläßlich der Anerkennung der für die Seligsprechung notwendigen Wunder, stellte er fest: „Ein Wunder der Tugend in dieser großen Seele, das uns mit den Worten des Göttlichen Dichters ausrufen läßt: ‚was vom Himmel auf die Erd’ gekommen ist, uns Wunder zu zeigen‘ [...]. Die kleine Theresia ist selbst zu einem Wort Gottes geworden [...]. Die kleine Theresia vom Kinde Jesus will uns sagen, daß es durch das Gebet ein Leichtes ist, an den allergrößten und heroischen Werken des apostolischen Eifers teilzuhaben.“ Zu den französischen Pilgern, die zur Seligsprechung Theresias nach Rom gekommen waren, sagte er: „Da steht ihr nun im Licht dieses Sterns – wie wir sie so gerne nennen –, den die Hand Gottes am Beginn unseres Pontifikats erstrahlen lassen wollte, Vorbote und Versprechen eines Schutzes, den wir erfahren durften.“
Der Fürsprache Theresias schrieb Papst Ratti in der Folge einen besonderen Schutz in den wesentlichen Momenten seines Pontifikats zu. 1927, in einem der dunkelsten Momente der Verfolgung der katholischen Kirche in Mexiko, vertraute er dieses Land dem Schýtz Theresias an: „Wenn die Religion in Mexiko wieder ausgeübt werden kann,“ schrieb er an die Bischöfe, „wünsche ich, daß die hl. Theresia vom Kinde Jesus als Vermittlerin des religiösen Friedens in eurem Land anerkannt wird.“ Von ihr erflehte er die Lösung der starken Kontraste zwischen Hl. Stuhl und faschistischem Regime im Jahr 1931, denen die italienische Katholische Aktion um ein Haar zum Opfer gefallen wäre: „Meine kleine Heilige, mach’, daß bis zum Fest der Madonna alles wieder ins Lot kommt.“ Der Streitfall wurde noch am 15. August desselben Jahres beigelegt. Bereits gegen Ende des Heiligen Jahres 1925 hatte Papst Ratti an den Rand eines seiner Fotos, das er nach Lisieux geschickt hatte, geschrieben: „Per intercessionem S. Theresiae ab Infante Iesu protectricis nostrae singularis benedicat vos omnipotens et misericors Deus.“ Und dann, im Jahr 1937, in den letzten Jahren seines Pontifikats, dankte er öffentlich, „derjenigen, die auf so geschätzte und offensichtliche Weise dem Papst zu Hilfe gekommen ist und immer noch geneigt scheint, ihm helfen zu wollen: die hl. Theresia von Lisieux.“ Er konnte sich den Wunsch nicht mehr erfüllen, sich in den letzten Monaten seines Lebens nach Lisieux zu begeben. Kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde Pius XII. sein Nachfolger (1939-1958), der die kleine Heilige nur allzu gut kannte und schätzte.

Pius XII.: „Vor Gott die geistliche Armut eines sündigen Geschöpfes
geltend machen“
„Als Tochter eines vorbildlichen Christen hat Theresia auf dem Schoß ihres Vaters sitzend die Schätze der Vergebung und des Mitgefühls kennengelernt, die im Herzen des Herrn verborgen sind! [...] Gott ist ein Vater, dessen Arme stets offen sind für seine Kinder. Warum sollen wir nicht auf diese Geste antworten? Warum sollen wir ihm nicht ohne Unterlaß unsere große Furcht entgegenrufen? Man muß auf das Wort Theresias vertrauen, wenn sie sowohl den Erbärmlichsten als auch den Vollkommensten einlädt, vor Gott nichts anderes geltend zu machen als die radikale Schwäche und die geistliche Armut eines sündigen Geschöpfes.“ So beschrieb Papst Pacelli in der Radiobotschaft vom 11. Juli 1954, anläßlich der Weihe der Basilika von Lisieux, das Wesen des von Theresia aufgezeigten „Weges der geistlichen Kindschaft“. Sein Briefkontakt mit dem Karmel von Lisieux riß sein ganzes Leben lang nicht ab. Begonnen hatte diese Korrespondenz im Jahr 1929, als er apostolischer Nuntius in Berlin war und nach Lisieux einen Brief schickte, in dem er sich für die erste deutsche Ausgabe der Autobiographie Theresias bedankte. Er wurde dann von Pius XI. mehrfach beauftragt, den Karmel Theresias aufzusuchen, um einige besondere Gottesdienste für ihn zu leiten. Als er 1934 in seiner Eigenschaft als Päpstlicher Legat zum internationalen eucharistischen Kongress nach Buenos Aires reiste, hatte er eine Reliquie Theresias dabei, der er seine Mission anvertraute. Während der gesamten Zeit seines Pontifikats hielt er den Kontakt zu Schwester Agnes und Schwester Celine aufrecht, den Schwestern Theresias, die noch im Karmel von Lisieux lebten.
Johannes XXIII

Johannes XXIII

Johannes XXIII.: „Die kleine Theresia führt uns ans Ufer“
Theresia die Große [Teresa von Avila, Anm.d.Red.] liebe ich sehr... aber die Kleine: die führt uns ans Ufer [...]. Wir müssen ihre so notwendige Lehre predigen.“ So Johannes XXIII. (1958-1963) zu einem Priester, der ihm eine Sammlung von Gemälden der kleinen Theresia geschenkt hatte. Angelo Roncalli begab sich fünfmal nach Lisieux, vor allem in seiner Zeit in der Nuntiatur von Paris, aber auch, als er Apostolischer Delegat von Bulgarien war. Als Papst sprach er lange über Theresia bei der Generalaudienz vom 16. Oktober 1960: „Groß war Theresia von Lisieux, weil sie es verstanden hatte, in der Demut, in der Einfachheit, in ständiger Entsagung, zu den Unterfangen und dem Wirken der Gnade beizutragen, zum Wohl von zahllosen Gläubigen. Dazu will der Heilige Vater eine Episode erzählen, die er im Hafen von Konstantinopel selbst beobachten konnte. Dort kamen riesige Frachtschiffe an, die sich wegen der geringen Wassertiefe aber nicht dem Ufer nähern konnten. So konnte man dann neben jedem Frachter ein kleines Schiffchen beobachten, das auf den ersten Blick überflüssig zu sein schien, in Wahrheit aber überaus wertvoll war: denn seine Aufgabe war es, die Ladung sicher ans Ufer zu bringen.“

Paul VI.: „Ich wurde
der Kirche an dem Tag geboren, an dem die Heilige dem Himmel geboren wurde“
Während eines Ad-limina-Besuches des Bischofs von Sées, der Diözese, in der Theresia geboren worden war, sagte Papst Montini (1963-1978): „Ich wurde der Kirche an dem Tag geboren, an dem die Heilige dem Himmel geboren wurde. Daran läßt sich erkennen, welches besondere Band mich mit ihr verbindet. Meine Mutter hat mir die hl. Theresia vom Kinde Jesus nahegebracht, die sie sehr liebte. Ich habe die Histoire d´une âme oft gelesen, zum ersten Mal in meiner Jugendzeit.“ Schon 1938 schrieb er an die Nonnen des Karmels von Lisieux und gestand, „schon seit geraumer Zeit und mit regem Interesse die Entwicklung des Karmels von Lisieux zu verfolgen.“ Und fügte hinzu, „die hl. Theresia tief zu verehren“, „eine kleine Reliquie von ihr auf seinem Arbeitstisch“ zu haben.
Das allein erklärt schon das innige Band, das zwischen Paul VI. und Theresia bestand. Als Papst äußerte er sich wiederholt zu Gestalt und Lehre der Heiligen aus Lisieux. Im Jahr 1973, anläßlich des hundertsten Jahrestages der Geburt der Heiligen, schrieb er einen Brief an Msgr. Badré, damals Bischof von Bayeux und Lisieux, in dem er auf wenigen Seiten zusammenfaßte, was er über Theresia dachte. Der Realismus und die Demut Theresias sind die von Papst Montini am meisten herausgestellten Konzepte. „Theresia vom Kinde Jesus und vom Heiligen Antlitz lehrt, nicht auf uns selbst zu bauen, weder, was die Tugend, noch die eigenen Grenzen betrifft, sondern auf die barmherzige Liebe Christi, die größer ist als unser Herz und uns vereint mit dem Opfer seines Leidens und der Dynamik seines Lebens.“ Das Leben Theresias, die die menschlichen und kulturellen Grenzen des Klosters akzeptierte, lehrt uns Paul VI. zufolge, daß „die realistische Einfügung in die christliche Gemeinschaft, in der man gerufen ist, den gegenwärtigen Augenblick zu leben, als eine für unsere Zeit zutiefst wünschenswerte Gnade erscheint.“ Theresia lebte ihren persönlichen Weg der Heiligkeit inmitten vieler Beschränkungen. Und doch „erwartete sie nicht, um ihr Handeln beginnen zu können, eine ideale Lebensweise, ein vollkommeneres Zusammenleben: sie hat vielmehr sozusagen damit begonnen, von innen her zu verändern. Die Demut ist der Raum der Liebe. Ihre Suche nach dem Absoluten und die Transzendenz ihrer Nächstenliebe haben es ihr ermöglicht, die Hindernisse zu überwinden, bzw. ihre Grenzen verklärend umzuwandeln.“
Paul VI. hatte das Thema der Demut bei Theresia bereits in seiner Audienz vom 29. Dezember 1971 angesprochen: „Eine Demut, die umso angebrachter ist, je mehr das Geschöpf etwas ist, weil alles von Gott abhängt und der Vergleich aller unserer Maße mit dem Unendlichen dazu verpflichtet, die Stirn zu beugen.“ Diese Demut ist in Theresia nicht von einer „Kindschaft voller Vertrauen und Hingabe“ getrennt.
In der Ansprache, die der Papst am 16. Februar 1964 in der Pfarrei San Pio X hielt, legte er mit großer Klarheit dar, was die hl. Theresia vom Kinde Jesus bezüglich des Vertrauens, das wir in die Güte Gottes haben müssen, selbst gelebt und gelehrt hat, vollkommen auf seine barmherzige Vorsehung bauend: „Ein namhafter Schriftsteller der Moderne schließt eines seiner Bücher mit den Worten: alles ist Gnade. Von wem stammt dieser Satz? Nicht etwa von besagtem Schriftsteller selbst, nein, er hat – wie er auch zugibt – aus einer anderen Quelle geschöpft. Die hl. Theresia vom Kinde Jesus hat diesen Satz geprägt. Er steht in ihren Tagebüchern geschrieben: „Tout est grâce.“ Alles kann sich in Gnade auflösen. Außerdem tat auch die heilige Karmelitin nichts anderes als einen wunderschönen Satz des Paulus zu wiederholen: „Diligentibus Deum omnia cooperantur in bonum.“ Unser ganzes Leben kann sich zum Guten wenden, wenn wir den Herrn lieben. Und das ist es, was der Oberste Hirte all denen wünscht, die ihm zuhören.“

Johannes Paul I.: „Mit äußerster Einfachheit und auf das Wesentliche konzentriert“
Papst Luciani hatte in seinem nur 33 Tage dauernden Pontifikat nicht die Zeit, über Theresia zu sprechen. Was er allerdings schon bei zwei wichtigen Anlässen in seiner Zeit als Patriarch von Venedig getan hatte: am 10. Oktober 1973, als er einen Vortrag zum 100. Jahrestag der Geburt Theresias hielt, sowie in dem an sie geschriebenen Brief in dem Buch Illustrissimi. Darin berichtet Albino Luciani, zum ersten Mal die Storia di un´anima gelesen zu haben, als er 17 Jahre alt war: „Für mich war es Liebe auf den ersten Blick,“ schrieb er. Und berichtet, wie ihm Theresia geholfen hatte, als er, ein junger Priester, wegen einer schweren Tuberkulose ins Sanatorium eingeliefert worden war. „Ich schämte mich dafür, daß ich ein wenig Angst hatte,“ erinnerte sich Luciani. „Die 23jährige Theresia, die immer gesund und voller Vitalität gewesen war – sagte ich mir –, wurde von Freude und Hoffnung erfüllt, als sie zum ersten Mal Blut hustete. Und damit nicht genug: wenn der Anfall vorbei war, gelang es ihr mit Hilfe von Wasser und trocken Brot, das strenge Regime des Fastens durchzuhalten. Und du dagegen kannst deiner Angst nicht Herr werden? Du bist ein Priester, wach auf, benimm dich nicht wie ein Dummkopf!“. In seinem 1973 gehaltenen Vortrag sprach der zukünftige Johannes Paul I. über die Lehre Theresias: „Mit ihrem scharfen Verstand und ihren besonderen Gaben hat sie in den Dingen Gottes klar gesehen und hat sich auch mit größter Klarheit ausgedrückt, d.h. mit äußerster Einfachheit, und auf das Wesentliche konzentriert.“ Theresia suchte keine anderen Erfahrungen als die, die ihr das Christentum ihrer Zeit bot. Wie Pater Mario Caprioli schrieb, suchte sie nicht nach außergewöhnlichen Erfahrungen: „Beichte im Alter von sechs Jahren, Vorbereitung auf die Erstkommunion in der Familie, Wallfahrten – die für Theresia überaus lehrreich waren –, das Kloster, d.h. das religiöse Leben mit Gelübden, der Regel, der Enthaltsamkeit“ (M. Caprioli, I papi del XX secolo e Teresa di Lisieux, S. 349). Lucianis Kommentar dazu lautete wie folgt: „Unter dem Vorwand der Erneuerung neigt man heute manchmal dazu, all diese Dinge ihrer Werte zu entleeren. Damit wäre Theresia, wie ich meine, sicher nicht einverstanden.“


Johannes Paul II.: Theresia
von Lisieux Lehrerin der universalen Kirche
Als Johannes Paul II. Theresia von Lisieux 1997 zur Lehrerin der universalen Kirche erklärte – als dritte Frau nach Teresa von Avila und Katherina von Siena – trat er sozusagen das Erbe seiner Vorgänger an.
Die Aktualität dieser Geste kann mit den Worten ausgedrückt werden, die Don Luigi Giussani bei der Begegnung der kirchlichen Bewegungen am 30. Mai 1998 an den Papst richtete: „Auf die verzweifelte Bitte des Helden Brand in Ibsens gleichnamigem Drama (Antworte mir, o Herr, in der Stunde, in der mich der Tod verschlingt: ist denn der ganze Wille des Menschen nicht ausreichend, um nur einen Teil des Heils zu erlangen?) antwortet die einfache Positivität der hl. Theresia vom Kinde Jesus, wenn sie schreibt: ‚Wenn ich wohltätig bin, dann ist das nur Jesus, der in mir wirkt.‘“




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