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JORDANIEN
Aus Nr. 12 - 2006

Interview mit Khalid Touqan, jordanischer Minister für Erziehung und wissenschaftliche Forschung.

Erinnerung an eine schöne Schulzeit



Interview mit Khalid Touqan von Gianni Valente


Der 52jährige Ingenieur und dreifache Vater Khalid Touqan leitete bis zum Jahr 2000 das Erziehungsministerium. Ein einzigartiger Fall politischer Langlebigkeit in den jordanischen Regierungsetagen. 2005 war er auch Minister für höhere Bildung und wissenschaftliche Forschung. In seinem mehr als ansehnlichen Lebenslauf (er ist auch Präsident der jordanischen Atomenergiekommission) sind auch Doktortitel und Spezialisierungen in wissenschaftlichen Disziplinen an namhaften amerikanischen Universitäten aufgelistet. Auch sein bemerkenswerter menschlicher und beruflicher Werdegang begann in den christlichen Schulen Jordaniens: als Kind hat er – der angeblich ein gewisses Interesse für den Sufismus hegt – am „Heilig Land“- College der Franziskaner die Schulbank gedrückt.

Der jordanische Erziehungsminister 
Khalid Touqan mit Pater Rashid Mistrih, Leiter des „Heilig Land“-College.

Der jordanische Erziehungsminister Khalid Touqan mit Pater Rashid Mistrih, Leiter des „Heilig Land“-College.

Sie sind heute Bildungsminister für alle Schulen Jordaniens. Ihre Schulzeit haben Sie bei den Franziskanern verbracht…
KHALID TOUQAN: Das „Heilig Land“-College ist eine Schule mit einem ausgezeichneten Ruf. Man geht dort mit der Zeit. Es ist nach wie vor eine der seriösesten und namhaftesten Schulen Jordaniens, mit einem Niveau, das internationalen Standards in nichts nachsteht. Aber seine Bildungstradition ist auch in unserer Gesellschaft, deren Werten, Tradition und Kultur verwurzelt. Der Lehrkörper hat ein beachtliches Niveau und ist sehr darum bemüht, daß die Schüler optimale Resultate erzielen.
Die Beziehungen der Schüler untereinander sind freundschaftlich, von gegenseitigem Respekt und Sympathie geprägt. Ich erinnere mich noch heute gern an dieses positive Klima. Lehrer und Schüler vertrauten und respektierten einander und waren sich ihrer gemeinsamen Verantwortung bewußt. Die Lehrer hielten die Schüler stets dazu an, sich gut zu benehmen, die moralischen Werte hochzuhalten und gute schulische Leistungen zu bringen.
An meine Schulzeit – und ganz besonders diese Schule – denke ich noch heute gerne zurück.
Wie beurteilen Sie die Rolle der christlichen Schulen in der jordanischen Gesellschaft?
TOUQAN: Die christlichen Schulen sind wesentlicher Bestandteil der Privatschulen unseres Landes. Sie sind in die Bildungsphilosophie Jordaniens vollkommen integriert. Alle Schulen des haschemitischen Königreichs Jordanien richten sich natürlich nach dem jordanischen Bildungsprogramm, das den Bildungsinstituten auch die Möglichkeit gibt, zusätzliche Schulbücher einzuführen. Welche Texte in den Schulen gebraucht werden, wird vom Bildungs- und Unterrichtsrat festgelegt. Und das gilt sowohl für die christlichen Schulen als auch für die anderen jordanischen Schulen. Die christlichen Schulen sind die respektvollsten und diszipliniertesten; sie leisten einen überaus positiven Beitrag. Sie tragen nicht nur die Verantwortung für die Ausbildung der Schüler, sondern gewährleisten auch eine moderne gesellschaftliche Ausbildung, verwurzelt in den Werten des Wohlergehens aller Menschen und der Liebe gemäß der Botschaft Christi – der Friede sei mit Ihm – und aller Propheten der Menschheit.
Wie beurteilen Sie die Lage der christlichen Minderheiten in Jordanien?
TOUQAN: Unsere Christen sind Kinder Jordaniens und tragen dieselbe Verantwortung der gemeinsamen Bürgerschaft wie alle anderen Jordanier auch. Die wertvolle Bildung, die sie erhalten, hat ihnen ermöglicht, Identität und Tradition ihres Heimatlandes zu assimilieren, auf das sie stolz sind und mit dem sie sich verbunden fühlen. Die Tatsache, daß sie eine Minderheit sind, schmälert nicht die Rechte, die die Verfassung ihnen wie auch allen anderen Mitbürgern garantiert.
Wie Sie wissen, beinhaltet die christliche Religion einen auf die Transzendenz hin offenen Blick, den Edelmut der Seele, Werte wie Vergebung und gegenseitigen Respekt. Und all das spiegelt sich im Geist und im Wirken der Bildungseinrichtungen der christlichen Schulen wieder, sowohl unter den Lehrern als auch unter den Schülern. Man ist darum bemüht, die vielen Gemeinsamkeiten zwischen muslimischer Religion und Christentum herauszustellen, und das gewährleistet ein Zusammenleben in Frieden, Liebe und Brüderlichkeit.
Im Laufe der Jahrhunderte hat sich in der Geschichte des Islam immer wieder gezeigt, wie wichtig uns Begegnung, Frieden und Kollaboration sind. Im Dialog versucht man, eventuell strittige Fragen zu klären und Meinungen auszutauschen. Das alles stets höflich und weit davon entfernt, auf den eigenen Meinungen zu beharren, im gegenseitigen Respekt für die Überzeugungen des anderen und in der geteilten Sorge um das Wohl des Vaterlandes.
Die Christen des Orients haben schon immer mit Völkern der Region zusammengelebt, konnten in den Genuß von deren religiösen und bürgerlichen Rechten gekommen. Sie sind Kinder dieses Teils der Erde, haben dieselben Probleme und vertreten dieselben Interessen wie ihre Heimatländer.
Warum schicken so viele muslimische Eltern ihre Kinder auf christliche Schulen?
TOUQAN: Normalerweise wählen Eltern, die ihre Kinder einschulen lassen wollen, die Schule nach deren akademischem Niveau und Bildungssystem aus. Die christlichen Schulen in Jordanien haben einen guten Ruf und ein hohes Bildungsniveau. Und deshalb sind sie natürlich auch dementsprechend gefragt, unabhängig von der Religion der Antragsteller.
Eltern, die ihre Kinder auf christliche Schulen schicken, tun das wegen des guten Rufs der Schule und wegen des Vertrauens, das diese Schulen bei den Familien genießen. Für die christlichen Eltern ist vielleicht auch die religiöse Bildung, die die christliche Schule gibt, ein entscheidender Faktor. Ihnen ist an einer traditionell christlichen Erziehung gelegen, weil sie wollen, daß ihre Kinder Gläubige sind.


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