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JOHANNES PAUL I.
Aus Nr. 01 - 2007

Große und kleine Offenbarungen.

Die Marienheiligtümer helfen uns, zu beten



Ein Brief von Albino Luciani


Aus dem Brief an den Prior von Pietralba über die Bedeutung der Marienheiligtümer

Venedig, 15. August 1977

[…] Wer die Heiligtümer besucht, wird darauf hingewiesen, daß die Erfahrung der Marienerscheinungen immer von armen, einfachen Leuten gemacht wurde: Kindern wie in Lourdes und Fatima; einfachen Bauersleuten wie in Motta di Livenza und Pietralba. So mancher hat dafür nur ein Lächeln, ein Achselzucken übrig. Aufmerksamere Christen dagegen sehen in diesem Phänomen die Fortsetzung der Politik Gottes, denn, wie Maria bereits herausgestellt hat: „Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen“ (Lk 1, 52-53).
Das Heiligtum von Pietralba, Bozen.

Das Heiligtum von Pietralba, Bozen.

Diese Erscheinungen haben schon immer zur Diskussion angeregt: da ist einerseits eine andächtige „Rechte“, die einen übertriebenen Hang zu religiösen „Sensationen“ zeigt; überall dabei ist, wo eine Erscheinung angekündigt wird; jeden Bericht darüber nahezu verschlingt; unermüdlich das „Dritte Geheimnis“ von Fatima lüften will. Und die kommt durchaus auf ihre Kosten: von 1930 bis 1975 wurden 232 Marienerscheinungen gezählt! Eine hyperkritische katholische „Linke“ dagegen erklärt alles, was nicht Bibel ist, als unseriös, tendiert dazu, a priori alle Erscheinungen abzutun, die ohnehin äußerst selten sind bei so seriösen Leuten wie den Engländern, Nordamerikanern oder den Deutschen – obwohl es doch auch in englisch- und deutschsprachigen Gebieten zahlreiche Marienheiligtümer gibt. Oft sind sie den Erscheinungen Unserer Lieben Frau in Lourdes, Fatima, Caravaggio, usw. gewidmet.
Richtig ist die goldene Mitte zwischen diesen beiden Extremen. Vorgeschlagen haben sie u.a. Thomas von Aquin und Johannes XXIII. Ersterer schrieb, daß die „große“ Offenbarung zwar mit den Aposteln bereits vollbracht wurde, eine „kleine“ Offenbarung aber trotzdem auch nach den Aposteln, in der Zeit der Kirche, noch nützlich ist. „Nicht jedoch, um eine neue Lehre hervorzubringen, sondern um das menschliche Handeln zu lenken.“ Auf derselben Linie erklärte Papst Johannes am 18. Februar 1959 am Ende der 100-Jahr-Feier von Lourdes: „Den Päpsten […] obliegt die Pflicht, die Gläubigen immer dann, wenn sie es nach sorgfältiger Prüfung als dem Gemeinwohl zuträglich erachten, auf das übernatürliche Licht hinzuweisen, das Gott gewissen privilegierten Seelen so großzügig zu schenken beliebt. Nicht aber, um neue Lehren vorzuschlagen, sondern vielmehr als Verhaltensregel.“
Die „sorgfältige Prüfung“, von der der Papst hier spricht, gilt sowohl für die Betroffenen als auch für die Botschaft. Negativ ist es, wenn die vermeintlichen „Seher“ die Visionen herbeisehnen, sie „hinausposaunen“, sich selbst in Szene setzen, ja, sich gar widersprechen. […]
Für Papst Johannes ist die „Sensation“ nebensächlich: wichtig ist, daß uns die Muttergottes in Lourdes, Fatima, La Salette und anderswo der Erkenntnis einer Wahrheit zuführen will: dem Gebet und der Buße (also Umkehr). Sie wiederholt die Mahnung, die schon Jesus ausgesprochen hat: „Wenn ihr nicht Buße tut, werdet ihr zugrunde gehen […] Wir müssen immer beten.“ Immer. Die Heiligtümer helfen uns vor allem dabei, diese Lehre nicht zu vergessen. Deshalb sind sie so nützlich und tun uns so gut.


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