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ITALIENISCHE BISCHÖFE
Aus Nr. 02 - 2007

ITALIEN. Begegnung mit dem neuen Präsidenten der CEI.

„Dem Ruf des Papstes muss man Folge leisten...“


Angelo Bagnasco, Erzbischof von Genua, erzählt den Lesern von 30Tage seine Geschichte: die eines Priesters, der in wenigen Monaten Bischof seiner Heimatstadt und Präsident des gesamten italienischen Episkopats wurde. Interview.


Interview mit Angelo Bagnasco von Gianni Cardinale


Erzbischof Angelo Bagnasco

Erzbischof Angelo Bagnasco

Am 7. März ernannte Benedikt XVI. den neuen Präsidenten der italienischen Bischofskonferenz. Nachfolger von Camillo Ruini, der die CEI 16 Jahre lang leitete, wurde Erzbischof Angelo Bagnasco. Erst vor wenigen Monaten hatte er den neuen Kardinal-Staatssekretär Tarcisio Bertone an der Leitung der Diözese von Genua ersetzt.
Die Ernennung erfolgte zwei Wochen nach dem ersten Hirtenbrief von Erzbischof Bagnasco zur Osterzeit: Perseverare nella preghiera [zu Deutsch: Ausharren im Gebet]. „Ohne das Gebet,“ schreibt Bagnasco in diesem Brief, „sind wir hektisch, aber ohne effizient zu sein. So als wollten wir alles allein tun, ohne ihn, der das wachsen lässt, was wir säen.“
Und wenn man etwas gewiss nicht sagen kann, dann, dass Mons. Bagnasco „hektisch“ darauf reagiert hätte, in Genua und an der Leitung der CEI der Nachfolger zweier großer Persönlichkeiten der italienischen Kirche zu sein. Aber die Wahl des Papstes ist nun einmal auf ihn gefallen, und „dem Ruf des Papstes muss man Folge leisten…“; wie Bagnasco selbst des Öfteren gesagt hat.
30Tage hat Erzbischof Bagnasco gebeten, unseren Lesern seine Geschichte zu erzählen: die eines Priesters, der im Laufe von wenigen Monaten Bischof der Kirche seiner Heimatstadt und Präsident des gesamten italienischen Episkopats wurde.

Exzellenz, Sie sind ein waschechter Genuese, geboren wurden Sie aber woanders…
ANGELO BAGNASCO: Ja, als ich 1947 geboren wurde, hatte sich meine Familie im Heimatort meiner Mutter, bei meinen Großeltern, niedergelassen: in Robecco d’Oglio, Provinz Cremona. Zur Welt brachte mich meine Mutter Rosa jedoch in Pontevico, wo sich das nächste Krankenhaus befand. Obwohl es nur zwei Kilometer entfernt war, gehörte es schon zur Provinz der Diözese Brescia. Dort wurde ich getauft. Wir zogen dann allerdings sofort nach Genua um, wo meine dreieinhalb Jahre ältere Schwester Anna und ich aufgewachsen sind.
Wann verspürten Sie zum ersten Mal die Berufung zum Priesterdienst?
BAGNASCO: Als ich sechs Jahre alt war, diente ich als Ministrant in meiner Pfarrei in der Altstadt von Genua, an der Piazza Sarzano. Mein Priester war zunächst Abt Giovanni Battista Gazzolo, dann Mons. Carlo Vacava. Dessen Vize war wiederum der junge Pfarrer Don Gianni Camiti, der uns Kinder nachmittags in der Pfarre betreute. Die beiden letzteren sind übrigens noch am Leben und haben sich sehr darüber gefreut, dass ihr ehemaliger Ministrant heute ihr Erzbischof ist! Der Wunsch, Priester zu werden, entstand bei mir gerade damals, in meiner Grundschulzeit. Aber das habe ich niemandem anvertraut. Danach ging ich auf die Mittelschule, und diesen brennenden Wunsch hatte ich noch immer...
Erzbischof Angelo Bagnasco 
und Bendikt XVI.

Erzbischof Angelo Bagnasco und Bendikt XVI.

... was Sie aber niemandem anvertrauten. Wie lange?
BAGNASCO: Nach der dritten Mittelstufeklasse musste ich entscheiden, was ich in der Oberstufe tun wollte. Meine Eltern wollten eigentlich, dass ich Buchhalter wurde. Der Rektor hatte nämlich versprochen, die Bücher zu besorgen, was für meine alles andere als wohlhabende Familie eine große Erleichterung war. Mein Vater Alfredo arbeitete in einer Backwarenfabrik – bis zu seinem 78. Lebensjahr. Meine Mutter war Hausfrau. Der Gedanke, einen Sohn zu haben, der Buchhalter wurde, gefiel meinen Eltern sehr.Nach den Sommerferien nahm ich aber endlich all meinen Mut zusammen und erzählte meiner Mutter, dass ich beschlossen hatte, ins Seminar einzutreten.
Wie war ihre Reaktion?
BAGNASCO: Sie war sehr erstaunt und überrascht darüber. Meine Eltern fürchteten auch, dass mir das Leben im Seminar nicht zusagen könnte, zu hart für mich wäre. Mein Pfarrer und sein Vize konnten sie dann aber doch beruhigen, und so trat ich ins Knabenseminar von Genua ein. Nach der Gymnasialzeit besuchte ich das Priesterseminar in der Via Porta d’Archi, im Herzen Genuas, wo ich drei Jahre lang aufs klassische Gymnasium ging. Es war eine sehr schwere, aber auch schöne Zeit. Jahre voller Frohsinn, Enthusiasmus, Zuversicht. Nachdem ich das Schlussexamen gemacht hatte, begann ich die Theologiekurse zu besuchen. Die Priesterweihe empfing ich am 29. Juni 1966 von Kardinal Giuseppe Siri.
Welche Erinnerung haben Sie an die damaligen Professoren?
BAGNASCO: Am Gymnasium waren besonders strenge, aber gerechte Lehrer. Wie der für Naturwissenschaften, Mons. Rebora, oder der Lateinlehrer, Mons. Gazzo. In den Theologie-Jahren hatten wir besonders kompetente Lehrer, die uns nachhaltig prägten: den Dogmatik-Professor Mons. Giulio Adamini, einen der ganz großen, noch lebenden Lehrer; den für Heilige Schrift, Mons. Alessandro Piazza, später 25 Jahre lang Bischof von Albenga-Imperia; oder Mons. Pesce, einen der Sekretäre Siris, der uns in Kunstgeschichte unterrichtete. Aber das sind nur einige von vielen erinnerungswürdigen Namen.
Und wer war der Rektor?
BAGNASCO: Mons. Luigi Roba, ein einfacher und zutiefst priesterlicher Mann, der unsere Ausbildung in besonderer Weise prägte. Er hatte einen großen Gehorsam der Kirche gegenüber und einen tiefen Glauben: ein wahres Vorbild!
Welche Erinnerung haben Sie an Kardinal Siri?
BAGNASCO: Man kann sagen, dass Kardinal Siri nicht nur meine, sondern unser aller Ausbildung begleitet hat. Er kam jede Woche zu uns ins Seminar. Dort hielt er die so genannten „Zirkel“, setzte sich mit den Seminaristen zusammen und beantwortete deren Fragen. Immer ganz spontan, nie gab es ein vorbereitetes Thema. Jeden Mittwoch. Der Kardinal war auch bei allen Festen dabei, die wir im Seminar veranstalteten. Und wie positiv sich seine regelmäßige Präsenz auf unsere Ausbildung ausgewirkt hat, kann ich noch heute bei meinen Seminarskollegen sehen.
Erzbischof Bagnasco mit Kardinal Tarcisio Bertone in Genua.

Erzbischof Bagnasco mit Kardinal Tarcisio Bertone in Genua.

Nach Ihrer Priesterweihe übergab man Ihnen pastorale Ämter; Ihre Zeit war aber auch mit anderen Dingen ausgefüllt…
BAGNASCO: Ich habe immer schon viele verschiedene Dinge getan… Der Kardinal schickte mich als Kaplan nach San Pietro und Santa Teresa del Bambino Gesù, eine Stadtpfarre. In der Zwischenzeit studierte ich an der Staatlichen Universität Genua Philosophie. Nach Abschluss meines Studiums begann ich meine Lehrtätigkeit: 25 Jahre lang an der theologischen Fakultät, sieben Jahre am Gymnasium des Seminars. Während der ganzen Zeit habe ich meine Arbeit in der Pfarrei natürlich nie aufgegeben.
Was unterrichteten Sie?
BAGNASCO: Ich gab den Seminaristen Italienisch-Unterricht. An der theologischen Fakultät unterrichtete ich von 1980 bis 1998 Metaphysik und zeitgenössischen Atheismus. Im Rahmen dieser langjährigen Lehrtätigkeit konnte ich mich auch mit damals brennenden kulturellen Themen befassen und hatte einen positiven, stimulierenden Kontakt zu den Jugendlichen.
Sie kamen damals auch mit der [italienischen Vereinigung katholischer Studenten] FUCI und den Pfadfindern in Berührung.
BAGNASCO: Ja, ich war 15 Jahre lang – neben meinen anderen Tätigkeiten – Assistent der FUCI: ab 1980, auf Ernennung von Kardinal Siri. 25 Jahre lang betreute ich die Pfadfindergruppe meiner Pfarrei. Eine wichtige Erfahrung, weil es sich dabei um eine für groß und klein sehr schöne, einschneidende Erziehungsmethode handelt.
Welchen Rat würden Sie heute geben?
BAGNASCO: Dass man nicht auf die christliche Bildung vergessen sollte, die ganz besonders wichtig ist. Das ist eine Methode, die ich heute allen Jugendlichen auf der Welt empfehlen kann.
Konnten Sie die Kontakte zur FUCI weiter Aufrecht erhalten?
BAGNASCO: Nein, weil ich als Bischof andernorts eingesetzt wurde. Ich habe allerdings jetzt, wo ich nach Genua zurückgekommen bin, viele der damaligen Studenten wieder getroffen. Die meisten haben inzwischen Frau und Kinder.
1985 ernannte Sie Kardinal Siri zum Leiter des Katechistenbüros der Diözese. Hat sich mit der Ankunft des neuen Erzbischofs Giovanni Canestri 1987 daran etwas geändert?
BAGNASCO: 1985 übergab mir Siri auch die Aufgabe – in Zusammenarbeit mit dem Hl. Stuhl –, ab imis das Institut für Religionswissenschaften zu gründen. Entstanden war es im Anschluss an die Revision des Konkordats von 1984, um die adäquate Ausbildung der Religionslehrer in den Schulen zu gewährleisten. Canestri bestätigte mich in allen Ämtern, die mir von Siri übertragen worden waren. 1990 ernannte er mich zum Verantwortlichen für das Büro der Ständigen Ausbildung katholischer Religionslehrer, und, in den letzten drei Jahren seines Aufenthalts in Genua, auch zum Leiter des liturgischen Apostolats. Besonders letzteres war ein wahrer Ruhm für die Kirche Genuas, eine Kirche, die große Persönlichkeiten hervorbrachte; beispielsweise Mons. Moglia, Mons. Cavalleri, Kardinal Giacomo Lercaro, oder Kardinal Siri. Persönlichkeiten, die schon vor dem II. Vatikanischen Konzil die Notwendigkeit einer liturgischen Erneuerung erkannt hatten.
Wenn auch mit unterschiedlicher Sensibilität.
BAGNASCO: Ja, das stimmt. Aber sie alle hatten erkannt, dass eine größere Beteiligung des Gottesvolkes an der Liturgie vonnöten war.
1995 übernahm Erzbischof Dionigi Tettamanzi die Leitung der Erzdiözese Genua.
BAGNASCO: Kurz nach seiner Ankunft ernannte er mich zum Bischofsvikar und spirituellen Vater des Seminars. Von allen anderen Ämtern entband er mich. So ließ ich also die Pfarrei, die Büros der Kurie und die FUCI hinter mir und konzentrierte mich ganz aufs Seminar, wo ich wie zuvor unterrichtete. Bis 1998.
Militärbischof Mons. Bagnasco spendet einem Soldaten in Nassiriya bei der Christmette 2005 das Sakrament der Firmung.

Militärbischof Mons. Bagnasco spendet einem Soldaten in Nassiriya bei der Christmette 2005 das Sakrament der Firmung.

Am 3. Januar 1998 ernannte man Sie zum Bischof von Pesaro, das im März 2000 Erzdiözese wurde. Damals machten Sie in den Zeitungen des Öfteren von sich reden, waren bekannt dafür, gegen den Strom zu schwimmen. Wie im November 2001, als Sie kritisierten, dass ein Vater bei der Entscheidung einer Mutter, abzutreiben, kein Mitspracherecht habe …
BAGNASCO: Ja, der ein oder andere Beitrag fand in der Presse besondere Beachtung, aber das lag eben auch an den Umständen. In der Frage der Abtreibung kann die Kirche – können die Katholiken, und nicht nur sie – nicht schweigen. Das Leben hat vom Moment der Empfängnis an alle Rechte eines menschlichen Wesens, weshalb der Gedanke, dass es ausgelöscht werden kann, ganz einfach absurd ist. So erinnert uns ja auch das II. Vatikanische Konzil, unter Nr. 51 der Gaudium et spes: „abortus necnon infanticidium nefanda sunt crimina.“
Im November 2002 sind Sie dann gegen die Halloween-Mode ins Feld gezogen …
BAGNASCO: Im Kielwasser von Allerheiligen und dem Gedenken der Toten hatten damals zum ersten Mal solche Modetendenzen entstehen können. Es war eine eindeutig nordische, heidnische, an die Fabeln angelehnte Mode, die nicht Teil unserer Kultur ist, und nach der wir ganz bestimmt kein Bedürfnis hatten. Es stimmt zwar, dass wir uns nicht gegen neue Beiträge verschließen dürfen, aber sie müssen unsere Gesellschaft bereichern, nicht sie ärmer machen. Im Falle von Halloween scheint mir keine Öffnung vorzuliegen, sondern ein Nachgeben Modetendenzen gegenüber, die eher kommerzieller denn kultureller Art sind. Daher ist ein warnendes Wort auch angebracht, ohne hier gleich zum Kreuzzug aufrufen zu wollen. Das Problem unserer kulturellen Identität, die für uns klare religiöse und christliche Wurzeln hat, ist heute gewiss eine sehr wichtige Frage. Und das sehen wir immer deutlicher.
In der Zwischenzeit wurden Sie – 2001 – auch Präsident des Verwaltungsrates der Zeitung der italienischen Bischöfe, Avvenire.
BAGNASCO: Ja, meine Ernennung erfolgte auf Vorschlag der CEI-Präsidentschaft. Eine zweifellos schöne, interessante und bereichernde Erfahrung, die mich mit der Welt der Presse, der guten Presse, in Berührung brachte. Und schließlich setzt sich ja auch der Verwaltungsrat aus Personen mit sehr hohem Niveau zusammen.
Am 20. Juni 2003 wurden Sie zum Militärbischof ernannt.
BAGNASCO: Ja, und damit hatte ich wirklich nicht gerechnet. Das Ganze ereignete sich innerhalb weniger Tage. Die Ernennung hatte mich überrascht, eigentlich auch ein wenig befangen gemacht. Immerhin war die Welt des Militärs für mich eine vollkommen neue. Und dann handelte es sich auch um eine sehr große Diözese, die das gesamte nationale Territorium abdeckt, ja, mit unseren Soldaten in Auslandsmission noch darüber hinausgeht. Ganz abgesehen davon, dass das Ordinariat mehr als 200 Priester hat, die ebenfalls über ganz Italien, ja, die ganze Welt, verstreut sind.
Hatten Sie denn gar keine pazifistischen Bedenken?
BAGNASCO: Nein, keineswegs! Auch, weil ich sicher kein Kriegshetzer bin – wie meiner Meinung nach niemand in Italien. Schließlich sind die Soldaten ja auch die letzten, die einen Krieg wollen.
Ihre Ernennung erfolgte kurz vor dem Massaker der italienischen Soldaten im Süden des Irak.
BAGNASCO: Ich fing im Juni an; das grauenhafte Blutbad von Nassiriya war im November. Ich wurde damals direkt mit der grausamen und dramatischen Realität des Terrorismus konfrontiert. Der, wie wir in den letzten Jahren gesehen haben, nach wie vor hinterhältig und feige alle trifft, ohne Unterschied.
Erzbischof Bagnasco vor der Kathedrale San Lorenzo in Genua.

Erzbischof Bagnasco vor der Kathedrale San Lorenzo in Genua.

Die Toten von Nassiriya waren nicht die einzigen, die Sie begraben mussten.
BAGNASCO: Ja, das stimmt leider. Auch nach Nassiriya musste ich noch viele Trauerfeiern halten. Aber ich muss auch sagen, dass ich inmitten von all diesem Leid, Schmerz der Angehörigen, der Kollegen und Freunde, doch eine Realität erkennen konnte – die der Streitkräfte – die sich durch eine große Demut und Güte auszeichnet. Eine Welt mit einem großen religiösen Sinn, einem tiefen Glauben. Und eines muss man sagen: unsere italienischen Soldaten, die zu 97% aus Mittel- und Süditalien stammen, haben einen starken Familiensinn und Religionsbezug. Der vielleicht manchmal nicht vollkommen praktiziert und gelebt wird, aber das ist Teil der menschlichen Natur.
Sie haben also zum Glück nicht nur Beerdigungen erlebt.
BAGNASCO: Gott sei Dank nein! Ich habe Kardinal Tettamanzi gesagt, dass niemand so viele Firmungen gespendet hat wie ich; nicht einmal er, der immerhin die größte Erzdiözese Europas leitet. Und ich habe sie in Italien, aber auch im Ausland gespendet: in Nassirya, Kabul, Sarajevo, im Kosovo und in Albanien. Und das war eine große Gnade. Weil diese jungen Menschen durch den Kontakt mit ihrem Militärkaplan und in einem Gemeinschaftskontext wie dem der Kaserne, der Basis oder des Schiffes, den Glauben wiederaufkeimen spüren und das Sakrament der Firmung erhalten wollen. Diese Feiern werden für sie selbst und für die ganze Militärgemeinschaft zu einem äußerst wichtigen Moment. Sie sind eine große Gelegenheit der Evangelisierung. In drei Jahren habe ich 45 Taufen von jungen Menschen im Alter zwischen 20 und 30 Jahren vornehmen können!
Am 29. August 2005 erfolgte Ihre Ernennung zum Erzbischof von Genua. Und dieses Mal war es vielleicht keine so unerwartete Ernennung wie die zum Militärbischof.
BAGNASCO: Papier ist bekanntlich geduldig und nicht alles, was in den Zeitungen steht, muss auch stimmen. Ich habe den Brief von der Apostolischen Nuntiatur in Italien am 22. August erhalten, sieben Tage vor der offiziellen Ankündigung. Und was die Zeitungen nun über meine Person gesagt haben mögen oder nicht: dass ich als Erzbischof in meine Heimatstadt Genua zurückkehren würde, kam für mich vollkommen unerwartet.
Mit Ihnen bekam Genua zum ersten Mal nach dem Rücktritt von Kardinal Siri wieder einen einheimischen Erzbischof.
BAGNASCO: Ja, da haben Sie recht.
Schon allein deshalb wurde die Nachricht allgemein positiv aufgenommen. Wenn es an Problemen auch nicht gefehlt hat. Am 24. September nahmen Sie die Diözese in Besitz. Schon wenige Wochen später, gegen Mitte Oktober, mussten Sie sich mit dem Problem der Moschee auseinandersetzen...
BAGNASCO: Der Gedanke, mitten im dicht bevölkerten Viertel Cornigliano eine Moschee zu bauen, war von meinem Vorgänger gekommen. Aber dabei war es auch geblieben. Dann schlugen die Franziskanerbrüder vom „Franziskanischen Lächeln“ der muslimischen Gemeinschaft ein weniger zentrales Gebiet vor. Das erschien allen als akzeptable Lösung – bis durchsickerte, dass hinter der muslimischen Gemeinschaft, die die Moschee bauen wollte, die UCOII stand [Union der islamischen Gemeinschaften und Organisationen in Italien, Anm.d.Red.], der nachgesagt wurde, fundamentalistische, harte Positionen zu vertreten. Somit zerschlug sich das Projekt dann.
Ende Oktober, beim Festival der Wissenschaften, stand in den Zeitungen zu lesen, dass Sie es wegen der allzu laizistischen und wissenschaftlichen Ausrichtung der Initiative vorgezogen hätten, dem Festival fernzubleiben.
BAGNASCO: Ich bin nicht hingegangen, weil es mir mein Terminkalender nicht gestattete. Meine Abwesenheit wurde dann als ideologische, polemische Ablehnung interpretiert. Natürlich hatte ich gehofft, dass das Festival der Wissenschaften – ein sehr interessantes kulturelles Ereignis – eine offenere Ausrichtung hätte, auch einen Dialog mit dem religiösen, christlichen, katholischen Gedanken einschließt. Als ich dann später die Organisatoren getroffen habe, konnte ich feststellten, dass sie diesbezüglich mit mir vollkommen einer Meinung waren.
Mitte Januar dieses Jahres konnte dann ein wichtiger Vertreter der Kurie im Verwaltungsrat der Sparkasse von Genua Einzug halten. Nicht gerade etwas Alltägliches...
BAGNASCO: Die Stiftung der Carige [Sparkasse Genua] musste den Verwaltungsrat erneuern und alle Komponenten des „Consiglio di indirizzo“ – der von verschiedenen lokalen Einrichtungen Genuas und des Westens Liguriens ernannt wurde. Und da ist man an mich herangetreten und hat mich gefragt, ob ich dem Verwaltungsrat als Person super partes und als Zeichen der Dankbarkeit der Kirche Genuas gegenüber beitreten könnte. Ich wägte das Angebot lange ab, und habe es dann schließlich, da es sowohl von politischer als auch gesellschaftlicher Seite kam, angenommen. Natürlich konnte ich nicht selbst beitreten, und so habe ich an meiner Stelle Mons. Giorgio Noli delegiert, den Bischofsvikar für den Dienst und das Zeugnis in der Liebe.
Bagnasco mit den Stahlarbeitern der Ilva in Genua.

Bagnasco mit den Stahlarbeitern der Ilva in Genua.

Ist das nicht ein bisschen ungewöhnlich?
BAGNASCO: Nein, eigentlich nicht. Die Stiftung ist ein Organismus, der durch erkleckliche Geldzuwendungen wohltätige Werke im Bereich der Kultur, des Sozialwesens und der Wohlfahrt unterstützt. Und hier hat die Kirche schließlich immer eine Hauptrolle gespielt.
Vom 29. Januar bis 3. Februar waren Sie in Rom zum ad-limina -Besuch der ligurischen Bischofskonferenz. Haben Sie dabei mitbekommen, dass man Sie zum Präsidenten der CEI machen würde?
BAGNASCO: Nein, keineswegs. In journalistischen Kreisen, und nicht nur dort, waren andere Namen im Gespräch.
Und doch war in journalistischen Kreisen schon am 19. Februar davon die Rede, dass die Wahl auf Sie fallen würde. Die Zeitung Secolo XIX berichtete am 21. Februar, dass Sie am 13. Februar alle für die nächsten zwei Tage geplanten Treffen abgesagt hätten, um sich für eine Reise nach Rom bereit zu halten...
BAGNASCO: In diesen zwei Tagen hat sich offensichtlich einiges getan. Und, wie ich bereits gesagt habe: dem Ruf des Papstes muss man Folge leisten...
Am 7. März gab das vatikanische Presseamt offiziell den Namen des Kirchenmannes bekannt, der die CEI in den nächsten fünf Jahren leiten wird.
BAGNASCO: Womit sich die in den Massenmedien angehäufte Spannung endlich gelöst hat.
Nicht ganz, würde ich sagen. Ihre Ernennung kam schließlich in einem Moment heikler politisch-kultureller Debatten in Italien: die geplante Gesetzgebung zu den so genannten DICOS, die Hypothese einer „verbindlichen“ Erklärung für die katholischen Politiker, der „Family Day“...
BAGNASCO: Wie ich bereits mehrfach sagte, hat niemand das Bedürfnis nach einem Gesetz wie dem über die DICOS [Paare ohne Trauschein, die gewisse Rechte und Pflichten verbrieft haben wollen] verspürt: die Probleme, die damit gelöst werden sollen, kann man sehr gut im privaten Rahmen lösen. Es als christlichen Modus der Gesetzgebung zu deklarieren, mutet ein wenig lächerlich an. Was die angekündigte „verbindliche“ Erklärung betrifft, so wird sie im nächsten Ständigen Rat der CEI diskutiert werden [das Interview wurde vor dem Ständigen Bischofsrat vom 26.-29. März 2007 geführt, Anm.d.Red]. Und zum so genannten „Family Day“ ist zu sagen, dass die katholischen Laien, sollten sie einhellig beschließen, ihn voranzutreiben und zu organisieren, und zwar in einer respektvollen und angemessenen Weise, ganz gewiss nicht von den Bischöfen daran gehindert werden. Sie haben unsere ganze Zustimmung und Unterstützung.


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