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EDITORIAL
Aus Nr. 07 - 2003

Sie sagen es durch die Blume


Während die Diskussion (deren Bedeutung ich beileibe nicht schmälern will) darüber noch im Gang ist, wie man die christlichen Wurzeln Europas herausstellen kann, hatte ich Gelegenheit, über einen einschneidenden religiösen Brauch nachzudenken, der in einem malerischen Ort der Castelli Romani gepflegt wird, wo es nicht an Spuren der Kontraste fehlt, die die zeitliche Macht der Päpste kennzeichneten.


Giulio Andreotti


Während die Diskussion (deren Bedeutung ich beileibe nicht schmälern will) darüber noch im Gang ist, wie man die christlichen Wurzeln Europas herausstellen kann, hatte ich Gelegenheit, über einen einschneidenden religiösen Brauch nachzudenken, der in einem malerischen Ort der Castelli Romani (Albaner Berge, in der Nähe Roms) gepflegt wird, wo es nicht an Spuren der Kontraste fehlt, die die zeitliche Macht der Päpste kennzeichneten. Ich meine damit die „Infiorata“ („Blumenschmuck“), die seit zwei Jahrhunderten in Genzano Fronleichnam zu einer herrlichen Manifestation volkstümlicher Kunst macht, mit sich über zweitausend Quadratmeter erstreckenden Blumenteppichen – den ganzen Weg bis zur Kirche, wo die Prozession mit dem Allerheiligsten ihren Ausgang nimmt, zu dessen Ehren dieser außergewöhnliche Dekor angelegt wurde.
Jedes Jahr zum Fronleichnamsfest wird in Genzano bei Rom eine Veranstaltung abgehalten, die „Infiorata“ genannt wird: ein riesiger, aus 13 Bildern bestehender Blumenteppich, der sich über ca. 2000 Quadratmeter erstreckt und über die zentrale Via Italo Belardi in Richtung der Kirche Santa Maria della Cima verläuft. Das diesjährige Thema der Veranstaltung lautete: „Frieden, Freiheit, Aufnahme und menschliche Werte.“

Jedes Jahr zum Fronleichnamsfest wird in Genzano bei Rom eine Veranstaltung abgehalten, die „Infiorata“ genannt wird: ein riesiger, aus 13 Bildern bestehender Blumenteppich, der sich über ca. 2000 Quadratmeter erstreckt und über die zentrale Via Italo Belardi in Richtung der Kirche Santa Maria della Cima verläuft. Das diesjährige Thema der Veranstaltung lautete: „Frieden, Freiheit, Aufnahme und menschliche Werte.“

Die zu recht stolzen Bürger der Stadt erklären, wie diese Bilder entstehen; angefangen bei der Auswahl der Entwürfe, die auf den Boden gemalt und den „Blumenmeistern“ anvertraut werden. Viel Geduld ist notwendig bei der Auswahl der 350.000 Blumen (und der pflanzlichen Essenzen), die in den Grotten der Stadt gelagert werden, wo man in mühsamer Kleinstarbeit die Blätter von den Stengeln trennt.
Und schließlich gibt es so manchen Bericht über diese außergewöhnliche Veranstaltung, die selbst das Interesse von Literaten wie Gogol und Andersen geweckt hat, wie auch das von Persönlichkeiten wie Massimo D´Azeglio und Garibaldi, der, als ihn die genzanischen Behördenvertreter aufforderten, über den Blumenteppich zu gehen, sich mit folgenden Worten weigerte: „Gewisse göttliche Dinge soll man nicht mit Füßen treten.“
Dieses beeindruckende Erlebnis der vergangenen Tage – gekrönt von der Einweihung einer ständigen historischen Ausstellung zur „Infiorata“ – bestätigt mich in der Überzeugung, daß das neue wirtschaftlich-soziale nationale Entwicklungsprogramm an das künstlerische Erbe Italiens (das laut UNESCO-Schätzungen mehr als die Hälfte aller Malerei-, Bildhauer- und architektonischer Kunstwerke der Welt ausmacht) gebunden sein muß, und nicht nur an seine Landschaft, Traditionen, historischen Monumente.
Den großen Kunstkritiker Federico Zeri habe ich einmal gebeten, ein solches Projekt zu entwerfen, aber er weigerte sich, weil die Landschaft seiner Meinung nach bereits ohnehin sichtlich ruiniert wäre. Er war müde, und es stand nicht genug Zeit zur Verfügung, um ihn überreden zu können. Ich bleibe jedenfalls bei meiner Meinung und hoffe, daß auf internationaler Ebene oder auf Initiative einiger Regionen die notwendigen Maßnahmen ergriffen werden. In diesen Tagen jährt sich der 100. Jahrestag der Geburt des verehrten Ezio Vanoni, dem wir das so weitblickende Entwicklungsschema der Fünfzigerjahre zu verdanken haben.
Das von mir erhoffte touristische Italien (par excellence) wird vor allem in der Lage sein, sich den Schwierigkeiten zu stellen, die den internationalen Wettbewerb im Produktionsbereich zunehmend härter gestalten. Die FIAT-Krise zu bedauern und die Alarmglocken zu läuten, ist nur recht und billig. Aber wenn man keine neuen konstruktiven Wege beschreitet, besteht die Gefahr, sich in einen Teufelskreis ziehen zu lassen.
Ich bin den Genzaner Bürgern dankbar, mir den Anreiz gegeben zu haben, mich in einer Überzeugung zu bestärken, die meiner Meinung nach nicht nur begründet ist, sondern zu der es auch keine Alternativen gibt.


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