Uganda. Der im Norden tobende Krieg droht zum Völkermord auszuarten.
Ein Wahnsinn aus Magie und Macheten
Drei Viertel der Bevölkerung wurden vertrieben. Die Rebellen der LRA kommen, töten, stehlen, legen alles in Schutt und Asche. Auch die Missionen. Der ugandischen Armee, einer der mächtigsten Afrikas, gelingt es nicht, sie aufzuhalten. Und das, obwohl sich die vom Visions-Wahn des Joseph Kony dirigierte LRA aus Minderjährigen zusammensetzt, die mit Gewalt „eingezogen“ wurden.
von Davide Malacaria

Eine Razzia der ugandischen Polizei in einem Dorf von Pabo, in der Nähe von Gulu
Internationale Hilfe: ein Muß
Von ugandischer Seite hat man mehrfach die Regierung des Sudan bezichtigt, die LRA zu finanzieren. Wie man hört, soll es auch Beweise dafür geben. Der Sudan wiederum wirft Kampala vor, die SPLA, die Volksbefreiungsarmee des Sudan, zu unterstützen, die seit 1983 mit der Regierung von Khartoum im Clinch liegt. Bilanz: mehr als zwei Millionen Tote. Im vergangenen Jahr schlossen die beiden Staaten ein Abkommen ab, das es der ugandischen Armee erlaubte, sudanischen Boden zu betreten, um die Stützpunkte der LRA im Süden zu zerstören. Aber die Operation erwies sich als Fehlschlag, und so war wieder alles beim Alten, um nicht zu sagen: schlimmer. „Bestehen bleibt die Tatsache,“ fährt Pater Albanese fort, „daß es keine Erklärung dafür gibt, warum eine Armee vom Kaliber der ugandischen – eine der mächtigsten Armeen Afrikas, deren Truppen in den vergangenen Jahren in der Demokratischen Republik Kongo kämpften – machtlos zu sein scheint gegen ein Heer von fünftausend Kindern, nicht in der Lage ist, der Bevölkerung ein Mindestmaß an Sicherheit zu garantieren. Sie hat zwar Garnisonen in den bewohnten Gebieten des Nordens, aber lächerlich kleine Kontingente, und wenn die Rebellen angreifen, sind sie die ersten, die die Flucht ergreifen. Als der derzeitige Präsident Yoweri Museveni im Januar 1986 die Macht übernahm, war das eine Macht, die bis dato eine Regierung innegehabt hatte, die vor allem im Norden – acholischer Ethnie – stark war. Auch an diesem Umstand läßt sich die Haltung erklären, die die Regierung in diesem Konflikt eingenommen hat.“ In der Hauptstadt ist vom Krieg tatsächlich so gut wie gar nichts zu spüren. Pater Pietro Tiboni, Comboni-Missionar, erläutert, daß in Kampala fast gar nichts von dem durchsickert, was im Norden vor sich geht: „Die der Regierung nahestehenden Zeitungen berichten wenig oder überhaupt nicht davon. Ihr Interesse wird nur dann geweckt, wenn von einer Verwicklung des Sudan die Rede ist. Die Regierung hat auch geschwiegen, als man von dem Befehl erfuhr, die Missionare zu töten. Kurzum: in Kampala hat man den Eindruck, daß gar nichts vor sich geht, die wenigen Nachrichten, die dort verbreitet werden, kommen von den Missionaren oder Leuten, die im Norden Verwandte haben.“
Aber nicht nur Kampala unterschätzt das sich im Norden abspielende Drama. „In der UNO wurde nie über diesen Konflikt gesprochen,“ bestätigt Pater Albanese. „Es ist eine interne Angelegenheit, sagt man in Kampala, und niemand stellt das in Frage. In Wahrheit ist Museveni doppelt an den Westen gebunden, an die USA, und insbesondere an England, dessen Protektorat Uganda einst war. Museveni ist ein geschickter Politiker. Vor dem Fall der Berliner Mauer konnte er mit der – auch finanziellen – Unterstützung der Nicht-Alliierten rechnen. Als der schwedische Ministerpräsident Olof Palme 1986 ermordet wurde, wurde in Kampala Staatstrauer verhängt. Seit dem Fall der Berliner Mauer war Museveni auf der Suche nach neuen Bündnissen, die er in den USA gefunden hat. Die westliche Unterstützung erreichte im Jahr 1994 ihren Höhepunkt, als die gegen die Regierung agierende ruandische Patriotische Front mit Hilfe der ugandischen Kräfte in Ruanda das Ruder der Macht übernehmen konnte. Und nun ging es erst richtig los: zu den großen geopolitischen Ereignissen, die dieses immense Gebiet Afrikas erschüttern, kamen noch der Sturz Mobutus im Kongo (1997), die Katastrophe der Großen Seen (1994, 800.000 offizielle Tote) hinzu. Museveni träumt von einem großen Tutsi-Imperium (eine der zahlenreichsten afrikanischen Ethnien), das sich seinen Vorstellungen nach vom Süd-Sudan bis Burundi erstrecken müßte, unter Einschluß auch eines Teils des Kongo, insbesondere der Regionen Ituri (wo seit Anfang Juni eine von der EU gesandte Friedenstruppe im Einsatz ist) und Kivu – jene Gebiete mit den reichsten Erzlagern, die noch immer von dem nicht enden wollenden Krieg in Mitleidenschaft gezogen sind. Und schließlich darf man auch nicht vergessen, daß Museveni jahrelang vom Internationalen Währungsfonds und der Weltbank als „Musterschüler“ betrachtet wurde: immerhin hat er es verstanden, alle von diesen internationalen Organismen ersonnenen Wirtschaftsrezepte auch wirklich in die Tat umzusetzen. Und diese werden auf ihren Musterknaben wohl kaum Druck ausüben...“ Aber diese Situation könnte sich schon bald ändern – was ist in der Politik schon sicher? US-Präsident George Bush wollte Uganda in die Liste der afrikanischen Länder einschließen, die er bei seiner auf Anfang Juli anberaumten Tour zu besuchen gedenkt. Es ist leicht denkbar, daß das auf einen gewissen, von Museveni ausgeübten „Druck“ hin geschehen ist, der sich bei der neuen US-Administration akkreditieren will. Gewiß, Präsident Bush hat sich mit Leib und Seele der Suche nach einer Lösung der Nahost-Frage verschrieben. Es ist nicht auszuschließen, daß er das in Uganda wiederholen möchte.
ýnd wenn die internationale Lage bisher auch keine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Bürgerkrieg erlaubt hat, der seine blutige Spur durch den Norden Ugandas zieht, so sind dort doch mehrere internationale Organisationen im Einsatz und bemühen sich darum, der geplagten Bevölkerung unter die Arme zu greifen. Pater Carlos Rodríguez Soto, Verantwortlicher des Büros „Gerechtigkeit und Frieden“ der Diözese Gulu, meint dazu: „Die internationalen Organisationen in dieser Zone sind nur sehr wenige; es gibt ein UNO-Büro, einige NGOs, aber im Vergleich mit anderen krisengeschüttelten Gebieten ist das sehr, sehr wenig. Die Wahrheit ist, daß diese Zone Afrikas keine großen Reichtümer zu bieten hat und daher auch niemanden wirklich interessiert. Aber hier gibt es viele Kinder Gottes, die leiden, und das ist es, was die Kirche interessiert.“ Wir kontaktieren ihn, während er sich gemeinsam mit dem Bischof von Gulu, John Baptist Odama, und anderen anglikanischen religiösen Leaders anschickt, die Kinder aufzusuchen, die nachts auf den Straßen der Stadt ein wenig Schutz und Sicherheit suchen: Er und seine Gesinnungsgenossen haben am 22. Juni damit begonnen, bei den Kindern auf der Straße zu schlafen. Pater Rodríguez erzählt von der ersten Nacht, von der Schießerei in ihrer unmittelbaren Nähe, von den angstvoll zusammengedrängten Kindern: „Auch ich hatte Angst,“ gesteht er am Telefon, berichtet von seiner großen Sorge um diese Kinder, die seit Januar jede Nacht unter solch unmenschlichen Bedingungen zubringen müssen.
Der Krieg hat bisher 40.000 Menschen das Leben gekostet. Aber die Dunkelziffer ist wahrscheinlich weitaus höher. Zuverlässigen Schätzungen zufolge soll sich die Zahl auf 100.000 belaufen. Von 1994 bis heute wurden von der LRA mindestens 20.000 Kinder entführt. Pater Josef Gerner, ein deutscher Comboni-Missionar, ist seit 1996 Pfarrer in Kitgum und kennt das Leid seines Volkes nur allzu gut. „Wir befinden uns in einer katastrophalen Situation,“ erklärt er am Telefon. „So etwas hat es nie zuvor gegeben. Wir sind derzeit von den Rebellen regelrecht umzingelt. Sie sind überall und könnten jeden Moment angreifen. Die Leute suchen bei uns Verpflegung und Unterschlupf, vor allem die Kinder, die Angst davor haben, der LRA in die Hände zu fallen. Wir können derzeit siebenhundert Personen aufnehmen, aber langsam wird es etwas eng. Das Krankenhaus ist vollkommen überbelegt, das Personal am Ende seiner Kräfte. Jede Nacht finden ca. 5.000 Menschen hinter diesen Mauern Schutz. Angesichts dieser Tragödie suchen sie Zuflucht im Gebet, wie wir auch. Hier in Kitgum wurden die Märtyrer Daudi und Jildo getauft, die beiden 1918 ermordeten Katechisten; hier ruhen ihre Reliquien. Die Leute fühlen sich ihnen verbunden, verehren sie sehr. Aber hier, an diesem Ort, leidet die Kirche, unser Volk leidet, und die Kirche mit ihm.“ Dann fährt er mit erschütterter Stimmt fort: „Jedes Jahr werden Tausende von Kindern entführt – und die europäischen und amerikanischen Medien nehmen einfach keine Notiz davon. Tausende von ihren Eltern entrissenen Kindern, die gezwungen werden, zu töten oder die selbst getötet werden, eine Form von Sklaverei, die es in Afrika nie zuvor gegeben hat – und das soll nicht einmal eine Zeitungsmeldung wert sein?“.
Die Situation in Kitgum unterscheidet sich nicht sehr von der in anderen Städten des Nordens. Das ganze umliegende Land ist in der Hand der Rebellen. Es gibt keine Straße, auf der man nicht Gefahr läuft, überfallen zu werden. Auch die internationalen Hilfen müssen auf dem Luftweg herangeschafft werden, was natürlich entsprechend viel kostet. „Ein Drama, das noch zu anderen hinzukommt,“ meint Pater Albanese und fährt fort: „Um der Bevölkerung wirklich helfen zu können, müssen sichere Kommunikationswege gefunden werden. Bei meiner letzten Reise nach Uganda hat man mir allgemein zu verstehen gegeben, daß es das Wichtigste ist, die Sicherheit der Bevölkerung und der Zone hier zu gewährleisten, und daß es erst dann möglich wäre, Nahrungsmittel und andere dringend notwendige Hilfsmittel auszugeben. Wir brauchen unbedingt eine internationale Kraft, die diese Sicherheit garantieren kann. Geschehen kann das auf die unterschiedlichste Art und Weise. Aber alle sind sich darin einig, daß man das nicht auf die lange Bank schieben darf, wenn man kein humanitäres Drama riskieren will.“

Ein Kindersoldat wird „angelernt“
In der Zwischenzeit und in der Hoffnung, es mögen bald bessere Zeiten kommen, versuchen die wenigen, hier präsenten internationalen Organisationen wie Pam und Avsi, die Situation so gut wie möglich in Griff zu bekommen. Doch der Empfang und die Verteilung dieser Hilfen wäre ohne Menschen vor Ort, vor allem die Missionare, aber auch Laien und Schwestern, ein Ding der Unmöglichkeit. Menschen, die in einem Gebiet bleiben, das auf dem besten Weg ist, vom Wahn Konys in ein Schlachthaus verwandelt zu werden. In der Region sind ca. 60 westliche Missionare vertreten, weitere 20 afrikanische Missionare, Priester der Kongregation der Apostles of Jesus, sowie einige Priester des hiesigen Klerus. Kleine Schimmer der Hoffnung und des Trostes in einem Meer von Bosheit und Leid. Eine unschuldige Präsenz, die sich nicht darauf beschränkt, der Bevölkerung jede nur erdenkliche Hilfe zukommen zu lassen. Die Kirche hat stets versucht, Wege zu finden, die zum Frieden führen. Der Bischof von Gulu, Msgr. John Baptist Odama, soll, wie man hört, alle Hebel in Bewegung setzen. Und wird manchmal auch vom Erfolg gekrönt. So konnte er die ARLPI (Acholi Religious Leaders Peace Initiative) gründen, diese gemeinsam mit den Anglikanern und Muslimen ins Leben gerufene Friedensinitiatýve, die eine Zeitlang zwischen Regierung und Rebellen vermittelt hat. Aber jetzt scheinen die Türen des Dialogs verschlossen. Was bleibt, sind die heimlich aufrechterhaltenen Kontakte, dank derer es manchmal möglich ist, der LRA den ein oder anderen Kindersoldaten zu entreißen. Pater Rodríguez erzählt von fünf Kindern, deren Befreiung er in den vergangenen Tagen erwirken konnte. Kinder, die fünf Jahre lang das Schicksal der „Olum“ geteilt hatten. Jugendliche, die Unglaubliches erlebt haben und deren Wiedereingliederung in ein normales Leben beträchtliche Probleme aufwirft.
Wenn die Kirche dieses Meditationswerk in die Tat umsetzen kann, dann sicher auch wegen der Beliebtheit, die sie bei der Bevölkerung genießt. Schon aus diesem Grund hätte man es nie für möglich gehalten, daß sie jemals von den Rebellen ins Visier genommen werden könnte. Der Überfall auf das Seminar von Lacor am 10. Mai und die Entführung von ca. 40 Seminaristen hat auch im Westen für Aufsehen gesorgt. Fünf der Entführten wurden ermordet, einige konnten fliehen, dreißig befinden sich noch in den Händen der Rebellen. Eine weitere der unglaublichen Episoden im Kielwasser der Radiobotschaft des Massenverführers Kony und der zahlreichen Überfälle auf Missionen in den vergangenen Monaten: mehr als 12 Missionen und Kirchen sind diesem Wahnsinn bereits zum Opfer gefallen. Die Rebellen bringen, wie gehabt, Frauen und Kinder in ihre Gewalt, töten, wie gehabt. Und doch scheint das etwas Neues zu sein, etwas, das es vorher nicht gegeben hat. Ein unheilvolles Zeichen. So, als wollte der Wind, der über diesem Krieg weht, grausamer werden, diesen Krieg in einen neuen afrikanischen Völkermord verwandeln. „In der letzten Zeit sind ganz einfach zu viele Missionen überfallen worden,“ stellt Pater Albanese fest: „Namokora, Pajule, Madi Opei, Anaka wurden wiederholt überfallen. In der Diözese Soroti waren einige Pfarreien gezwungen, ihre Pforten zu schließen und zwei Missionen, Amuria und Katine, wurden evakuiert. In Alito gingen die Rebellen soweit, auf den Tabernakel zu schießen, die Hostien auf den Boden zu werfen und darauf herumzutrampeln. Auch in Madi Opei wurde in der Kirche geschossen, bis alle Fenster zu Bruch gegangen sind.“ Diese Art Überfälle haben viele Missionare erlebt. Und damit nicht genug: zwei von ihnen hat das sogar das Leben gekostet: den von den Rebellen 1990 ermordeten Pater Egidio Biscaro und Pater Raffaele Di Bari (Oktober 2000). An dieser Stelle möchten wir die Geschichte von Ponziano Velluto erzählen, einem 73jährigen Comboni-Missionar, seit 43 Jahren in Uganda, dessen erste Station die Mission von Opit war, südlich von Gulu, wo er seit 1993 tätig ist. Pater Velluto erzählt uns von seinem Garelli-Moped, das es ihm ermöglicht, jeden Tag die 40km zurückzulegen, um die vielen, über das immense Gebiet verstreuten Kapellen zu besuchen, die 35.0ý0 ihm anvertrauten Seelen. Dort feiert er dann Messe, nimmt die Beichte ab, versucht, seiner armen Herde Trost zu spenden. Im Moment ist er der einzige in der Mission von Opit. Doch da sind noch seine Katechisten – ca. fünfzig –, die ihm hilfreich zur Seite stehen und dorthin gehen, wo es ihm unmöglich ist. Pater Velluto sagt über sie: „Sie sind unsere Hände, unsere Augen, unser Mund... ohne sie wären wir verloren.“ Worte voller Dankbarkeit, die an jene schlichte Geste von Paul VI. erinnern, der bei seiner Reise nach Uganda im Jahr 1969 (die erste Reise eines Papstes nach Afrika) 20.000 Dollar für die Arbeit der Katechisten zur Verfügung stellen wollte... Und nun müssen Pater Velluto und seine Katechisten neben den täglichen Sorgen der Pastoral auch noch diesem blutigen Konflikt Rechnung tragen. Pater Velluto ist zweimal in die Hände der Rebellen gefallen. An das zweite Mal kann er sich noch allzu gut erinnern: „Ich wurde zusammen mit einem anderen Pater und einigen Zivilisten entführt, die bei uns in der Mission Unterschlupf gefunden hatten. Es war am 14. September vergangenen Jahres, Fest der Kreuzerhöhung... und dieser Zufall hat es mir leicht gemacht, Jesus dieses Leiden anzubieten, daran zu denken, daß das alles eine Bedeutung hätte, dazu beitragen könnte, den Frieden im Land wiederherzustellen. Als sie uns wegbrachten, habe ich den Rosenkranz gebetet, und die Rebellen sagten zueinander: ‚Der Pater betet‘. Niemand hat uns damals mißhandelt. Leider war all unser Flehen, man möge auch die anderen Gefangenen mit uns zusammen freilassen, umsonst. Die Rebellen ließen sich nur dazu überreden, einige der Mädchen freizulassen...“ In den vergangenen Monaten wurde seine Mission zweimal überfallen. Das erste Mal, als er in Gulu war, das zweite Mal, als er gerade an Malaria erkrankt war. Er kann sich noch haargenau an jeden dieser Überfälle erinnern. „Beim ersten haben sie 84 Hütten niedergebrannt, beim zweiten 56. Ich kam damals früh am Morgen, um zu sehen, was passiert war. Die niedergebrannten Hütten rauchten noch, und die Dorfbewohner waren starr vor Angst, konnten nichts anderes tun als ungläubig auf diesen Rauch zu starren, der ihnen alles genommen hatte: Kleidung, Nahrungsmittel, Hausrat... ich wußte nicht, was ich sagen sollte. Aber ich war dort, bei ihnen. Und das war ihnen genug. Jeden Tag suchen Hunderte von Menschen bei uns Zuflucht. Den Frauen öffnen wir die Pforten der Kirche, die anderen bringen wir unter, wo gerade Platz ist. Viele der Kinder ziehen es vor, im hohen Gras zu schlafen, und das, obwohl sie so Gefahr laufen, an Malaria zu erkranken...“
Viele Geschichten ranken sich um die Missionen. Auch die der Kindersoldaten, die den Rebellen entkommen konnten und sich von den Ordensleuten ein wenig Schutz erhoffen. Pater Albanese zeigt uns ein Foto. Zwei Kinder mit lebhaften Augen und bunten T-Shirts. Das Foto zeigt sie beim Verzehren einer der einfachen Mahlzeiten, die die Patres der Mission unter den Vertriebenen austeilen konnten. Sie mögen wohl um die 10 Jahre alt sein. Auf dem nächsten Foto dagegen ist ein anderes Kind mit traurigen Augen zu sehen. Es liegt in einem Krankenhausbett. Seine Lippen wurden ihm mit Machetenhieben abgetrennt, vielleicht auf ewig ein groteskes Lächeln auf dieses bemitleidenswerte Gesicht zeichnend. Verantwortlich dafür sind die beiden Kinder auf dem ersten Foto. Jetzt haben das Opfer und die beiden Schlächter, bzw. die drei Opfer – Ironie des Schicksals – in ein- und derselben Mission Aufnahme gefunden. In den Armen der Kirche. Pater Gerner erzählt uns von anderen Tragödien, von Kindern, denen Ohren und Hände amputiert, die Lippen abgetrennt wurden – Bilder des Leidens, die man nur schwer vergessen kann. Bilder eines Alltags des Grauens, den ein unheilbringender Hexenmeister vom Altar der afrikanischen Geopolitik aus verordnet.
Wir sagen Pater Gerner, daß wir mit dem bescheidenen Beitrag unseres Artikels Interesse an dem bekunden wollen, was in Afrika vor sich geht. Daß wir hoffen, ein wenig helfen zu können: „Sagt allen, für uns zu beten,“ läßt sich die Stimme am anderen Ende der Leitung vernehmen, und dann, in gesetztem, fast schon gerührtem Ton: „In der gegenwärtigen Situation können wir Menschen nämlich gar nichts tun. Ohne das Eingreifen des Herrn haben wir keine Hoffnung.“