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ORTHODOXE
Aus Nr. 09 - 2003

ORTHODOXE. Wie der Dialog zwischen Patriarchat von Moskau und Rom wiederaufgenommen werden kann.

Was bleibt, ist die Hoffnung


Interview mit Kyrill, Metropolit von Smolensk und Kaliningrad: „Trotz der unveränderten Position der russisch-orthodoxen Kirche sind unsere Beziehungen heute wieder auf den Stand vor dem II. Vatikanischen Konzil zurückgefallen.Es bleibt uns nichts anderes übrig, als zu hoffen, zu beten und daran zu arbeiten, daß die Rückkehr zu den guten Dingen, die es in unseren Beziehungen bereits gegeben hat, nicht in allzu ferner Zukunft erfolgt.“


von Gianni Valente


Kyrill Gundjaev, Metropolit von Smolensk und Kaliningrad.

Kyrill Gundjaev, Metropolit von Smolensk und Kaliningrad.

Dýs Barometer der Beziehungen zwischen Rom und Moskau scheint unwiderruflich auf Sturm zu stehen. Die neuen Kontraste in der ersten Hälfte des Jahres 2003 haben die Mauer der Unzufriedenheit noch undurchdringlicher gemacht, die in den vergangenen 10 Jahren zwischen Hl. Stuhl und dem Patriarchat steht, das die zahlenmäßig und politisch bedeutendste Kirche der Orthodoxie leitet. Und in den jüngsten Querelen mit dem schon seit längerem gesundheitlich angeschlagenen Alexej II. kam der Abteilung für Äußeres des Patriarchats von Moskau eine entscheidende Rolle zu. Von dort kamen nämlich die schärfsten Kritiken an der jüngsten „Rußlandpolitik“ des Vatikans. Wie die beiden, am 19. Mai gleichzeitig veröffentlichten Noten, mit denen gegen die Errichtung zweier neuer katholischer Diözesen in Kasachstan protestiert und ein klares „niet“ zu als „erstaunlich“ bezeichneten Gerüchten ausgesprochen wurde, nach denen der Papst bei einer eventuellen Reise in die Mongolei, wo er der orthodoxen Kirche die Kopie der in der Papstwohnung aufbewahrten Ikone von Kazan zurückgeben wolle, in Rußland Halt machen werde.
Kyrill Gundjaev, Metropolit von Smolensk und Kaliningrad, ist der deus ex machina des einflußreichen Dikasteriums der orthodoxen Kirche. Er spielt seine Rolle sehr geschickt, knüpft in aller Welt Kontakte an und inspiriert alle vom orthodoxen Patriarchat ergriffenen bedeutenden öffentlichen Initiativen.
In dem folgenden Interview lassen viele Antworten das Gefühl wachwerden, daß sich der ökumenische Dialog in den letzten Jahren festgefahren hat, in einer „Sackgasse“ befindet. Aber zwischen den Zeilen zeichnen sich auch neue Aspekte ab (z.B. das Vertrauen zu dem neuen vatikanischen Repräsentanten in Rußland), die in nicht allzu ferner Zukunft bewirken könnten, daß sich das Blatt doch noch wendet.

Bei den Polemiken um die Errichtung von katholischen Diözesen auf russischem Territorium im vergangenen Jahr wurde von katholischer Seite auch auf die Bürgerrechte und die Freiheit der Selbstverwaltung verwiesen, die ein demokratisches System den verschiedenen religiösen Gemeinschaften gewährleisten muß. Wie beurteilen Sie derart „rechtliche“ Argumente in den Beziehungen von Schwesterkirchen?
KYRILL: Ich will keinen Hehl daraus machen, daß wir über eine derartige Argumentationsweise von katholischer Seite perplex waren und es immer noch sind. Was haben juridische Normen dort zu suchen, wo man von Dialog zwischen den Kirchen spricht, oder, besser gesagt, der Negation der Prinzipien des Dialogs? Die Tatsache, daß der Vatikan die Entscheidung getroffen hat, eigene Diözesen auf unserem Territorium zu errichten, wo die Orthodoxen die konfessionelle Mehrheit bilden, und das ohne jegliche Rücksprache mit der russisch-orthodoxen Kirche, muß uns ganz einfach daran zweifeln lassen, daß Rom wirklich an einer Verbesserung der zwischenkirchlichen Beziehungen interessiert ist. Nachdem man eine derartige Unfähigkeit bei den Beziehungen mit der „Schwesterkirche“ an den Tag gelegt hat, erscheint jeder Verweis auf den „juridischen Aspekt“ des Problems oder die „Menschenrechte“ wie eine Mystifizierung, ein Versuch, die Diskussion irrezuführen.
Ich bin fest davon überzeugt, daß unsere Kirchen einen offenen und ehrlichen Dialog führen müssen. Und es steht zweifelsohne fest, daß jede Gemeinschaft von Gläubigen das Recht hat, sich frei im Einklang mit den Bürgerrechten des einen oder anderen Landes zu bilden. Der Eindruck, der bei uns allerdings bei der Errichtung der katholischen Diözesen entsteht, ist ein ganz anderer als der, den wir gewinnen, wenn sich buddhistische, muslimische oder protestantische Gemeinschaften herausbilden. Der Vatikan selbst hat mehrfach betont, die orthodoxe Kirche als eine „Schwester“ zu betrachten, nicht die Absicht zu haben, mit ihr zu konkurrieren, sondern mit ihr zusammenarbeiten zu wollen. Nach der Interpretation des Protokolls, das von Repräsentanten des Hl. Stuhls und des Patriarchats von Moskau bei den bilateralen Verhandlungen in Genf 1992 unterzeichnet wurde, bedeutet das, daß die wichtigsten Entscheidungen, die sowohl für die Katholiken als auch die Orthodoxen von Interesse sind, nach gegenseitiger Absprache getroffen werden. Vor nicht allzu langer Zeit hat der Vatikan zwei neue Diözesen in Kasachstan geschaffen, eine davon ist eine zentrale Erzdiözese, was die Schaffung einer zentralisierten parallelen Kirchenstruktur zur analogen Struktur des Patriarchats von Moskau bedeutet. Obwohl sich die vatikanischen Entscheidungsträger doch eigentlich hätten denken müssen, daß es von orthodoxer Seite zu einer negativen Reaktion kommen würde, hat man sich diesbezüglich nicht mit uns abgesprochen, genau wie das schon letztes Jahr bei der Errichtung der Diözesen in Rußland der Fall war.
Bischof Jerzy Mazur, der im Kielwasser der Polemik um die neuen katholischen Diözesen nicht mehr nach Rußland einreisen durfte, wurde die Leitung einer Diözese in Polen übertragen. Über ein Jahr lang hat der Hl. Stuhl darauf beharrt, daß man ihm gestatten sollte, in seine Diözese in Sibirien zurückzukehren. Meinen Sie nicht, daß seine Versetzung nach Polen ein Zeichen dafür ist, daß der Hl. Stuhl den Wunsch hat, die jüngsten Kontraste mit der russischen Kirche ad acta zu legen?
KYRILL: Die Frage der für ausländische Bürger von russischen Behörden ausgestellten Visa hat mit der orthodox/katholischen Problematik nicht das Geringste zu tun, und kann folglich auch bei der Diskussion zwischen unseren Kirchen kein Thema sein. Die russisch-orthodoxe Kirche hat in keinster Weise Druck ausgeübt, damit katholischen Priestern keine Visa ausgestellt werden. Soviel ich weiß, handelt es sich dabei vielmehr um Probleme, die einzelne Personen mit dem russischen Gesetz haben. Wir vertreten die Auffassung, daß die Versetzung von Bischof Jerzy Mazur von einem Sitz auf einen anderen eine interne Angelegenheit des Vatikans ist, die nichts mit den Beziehungen zwischen den beiden Kirchen zu tun hat.
In den letzten Monaten hat sich wieder die Möglichkeit ergeben, daß der Papst der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche den Rang eines Patriarchats zuerkennt. Wie beurteilen Sie diese Hypothese?
KYRILL: Wir sind natürlich gut informiert über die Pläne der griechisch-katholischen Gläubigen, da diese offen propagiert werden. Bei ihren Feiern gedenken sie jetzt schon Kardinal Husars als ihrem „Patriarchen“. Ich möchte gleich klarstellen, daß die russisch-orthodoxe Kirche strikt gegen solche Pläne ist. Die überwiegende Mehrheit der Gläubigen der Ukraine gehört unserer Kirche an. Die griechisch-katholischen Gläubigen stellen in diesem Land nur eine konfessionelle Minderheit dar. Und leben überdies in drei Regionen der Ukraine, in Lemberg, Ternopol und Ivano-Frankivsk. So gesehen ist es auch unverständlich, warum die Leitung der griechisch-katholischen Kirche die Absicht hat, sich nach Kiew zu verlegen, in den orthodoxen Osten der Ukraine, wo es entweder überhaupt keine griechisch-katholischen Gläubigen gibt, oder doch nur sehr wenige. Aufgrund ihres rein lokalen Charakters kann die griechisch-katholische Kirche nicht den Anspruch auf den Status einer nationalen ukrainischen Kirche stellen.
Nicht weniger Perplexität löst der Wunsch der griechisch-katholischen Gläubigen aus, in der Ukraine einen Patriarchen zu haben. Die Ukraine ist ein vorwiegend orthodoxes Land, hat also bereits einen Patriarchen, der der historische Erbe des Oberhaupts der Kirche von Kiew ist: und das ist der Patriarch von Moskau und ganz Rußland. Da fragt man sich unweigerlich, welchen Zweck die Schaffung eines sogenannten Parallel-Patriarchats in der Ukraine verfolgt; wir sehen in diesen Plänen die Absicht der griechisch-katholischen Gläubigen, sich als eine Art „nationale“ Kirche zu präsentieren, als Alternative also zur ukrainischen orthodoxen Kirche. Was dem Geist widerspricht, den der Vatikan der als „Schwester“ verstandenen orthodoxen Kirche gegenüber proklamiert. Das Ergebnis eines solchen Schrittes wäre unweigerlich die katastrophale Verschlechterung der Beziehungen zwischen unseren Kirchen.
Die Errichtung eines eigenen Patriarchats in Kiew, wo 988 die „Taufe der Rus’“ erfolgte, wäre für die griechisch-katholischen Ukrainer die Bestätigung der Kontinuität mit dem „ersten Sitzes“ des Christentums in Osteuropa, auf den auch das Patriarchat von Moskau seine historische und kanonische Legitimierung zurückführt. Welche Konsequenzen hätte diese Art „Erbstreit“?
KYRILL: Ich bin davon überzeugt, daß die derzeitigen Bemühungen der griechisch-katholischen Gläubigen gerade diesen Zweck verfolgen: der expansionistische Charakter ihrer Pläne ist offensichtlich. Und wird auch von den kontinuierlichen Versuchen deutlich, die unierte Ostkirche in den östlichen und südlichen Regionen der Ukraine zu installieren, wie auch in Rußland und in Kasachstan, wobei sie sich für diesen Zweck oft orthodoxer Proselyten bedienen, die schon von sich aus kompromittiert sind.
Es scheint die ukrainischen Uniaten nicht sonderlich zu kümmern, daß ihre Interessen jeder historischen Grundlage entbehren. Der einzige Erbe des historischen Sitzes Kiew ist das Patriarchat von Moskau. Gemäß Beschluß des Patriarchen von Konstantinopel, Jeremias II, und dann später von den anderen Patriarchen des Ostens bestätigt, wurde der russischen Kirche 1589 der neue Status eines Patriarchats verliehen, ihrem Oberhaupt dagegen der Titel des Patriarchen von Moskau und ganz Rußland. Der Begriff „ganz Rußlands“ setzt die Jurisdiktion über das Gebiet der derzeitigen Ukraine und Weißrußlands voraus. Ich will daran erinnern, daß die Union von Brest, die einige westrussische Bischöfe eigenmächtig mit Rom geschlossen haben, auf das Jahr 1596 zurückgeht, also sieben Jahre nach den eben ausgeführten Ereignissen. Nach Unterzeichnung der Union wurde sie von der Mehrheit der Priester und Gläubigen Westrußlands negativ beurteilt. Sie hatte von Anfang an einen lokalistischen, ortsbezogenen Charakter und wurde mit roher Gewalt aufgezwungen. Kein griechisch-katholischer Bischof hat jemals einen parallelen Titel zu dem des Patriarchen, dem Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, gehabt. Das Aufkommen eines derartigen Parallelismus im 21. Jahrhundert ist vollkommen unverständlich. Und kann nur als Versuch verstanden werden, die Ekklesiologie der Zeit der Kreuzzüge wieder aufleben zu lassen, als bekanntlich im Osten zu den orthodoxen Patriarchaten parallele katholische Patriarchate errichtet wurden.
Msgr. Antonio Mennini, Repräsentant des Hl. Stuhls bei der Russischen Föderation, begrüßt Patriarch Alexej II. (20. Febr. 2003).

Msgr. Antonio Mennini, Repräsentant des Hl. Stuhls bei der Russischen Föderation, begrüßt Patriarch Alexej II. (20. Febr. 2003).

Gibt es katholische Sektoren oder einzelne Kirchenmänner, die Ihrer Meinung nach der russisch-orthodoxen Kirche gegenüber besonders voreingenommen sind?
KYRILL: Ich möchte mich hier nicht allzu sehr über jene auslassen, die unseren Beziehungen Schaden zufügen, sondern vielmehr betonen, daß viele katholische Hierarchen, Theologen und Priester unter dem, was vorgefallen ist, genauso leiden wie wir und trotz allem der Linie des II. Vatikanischen Konzils treubleiben.
Sowohl Sie als auch der Patriarch haben den neuen Repräsentanten des Hl. Stuhls bei der Russischen Föderation, Antonio Mennini, empfangen; etwas, das unter Ihren unmittelbaren Vorgängern nicht vorgekommen ist. Wie beurteilen Sie die ersten Monate seiner Mission?
KYRILL: Der neuernannte Repräsentant des Hl. Stuhls in der Russischen Föderation, Erzbischof Antonio Mennini, hat von Anfang an zu verstehen gegeben, sich für die Verbesserung der Beziehungen zwischen der russisch-orthodoxen Kirche und der römisch-katholischen Kirche einsetzen zu wollen. Wir würden nur allzu gerne an die Ehrlichkeit seiner Erklärungen glauben und hoffen, daß er alles in seiner Macht Stehende tut, damit sich die Situation zum Guten wendet.
ýn der letzten Zeit haben verschiedene russische, aber auch ausländische Politiker, wie der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi, bekräftigt, sich für eine Aussöhnung zwischen dem Patriarchat von Moskau und dem Hl. Stuhl einsetzen zu wollen. Wie beurteilt man in Ihrem Land solche aus der Politwelt kommenden „Vermittlungsangebote“?
KYRILL: Wenn man nicht aufgrund dessen urteilt, was die Presse in der letzten Zeit allzu sehr breitgetreten hat, sondern aufgrund der effektiven Erklärungen, kann man feststellen, daß es die russischen Behördenvertreter den Kirchen überlassen, die unter ihnen aufgetretenen Mißverständnisse zu bereinigen. Ich denke, daß die Sache in Italien ähnlich liegt. Die russisch-orthodoxe Kirche und die römisch-katholische Kirche sind keine Repräsentanten zweier, miteinander im Clinch liegender Staaten. Wir haben mehr als adäquate Kanäle für unsere Beziehungen, die auf offizieller Ebene niemals abgebrochen wurden. Wenn es jedoch darum geht, die gegenseitigen Verpflichtungen einzuhalten, müssen wir leider sehen, daß die katholische Gegenseite zweigleisig fährt: eine Sache sagt, aber dann etwas vollkommen anderes tut. Ich finde, daß eine positive Lösung der derzeitigen Probleme nicht so sehr davon abhängt, die ein oder andere staatliche Struktur in den Verhandlungsprozess miteinzubeziehen, sondern vor allem von dem ehrlichen Willen der katholischen Seite, die bestehenden Schwierigkeiten auszuräumen.
Die Repräsentanten des Patriarchats von Moskau haben ihre Teilnahme am Symposium über den Primat des Nachfolgers Petri in letzter Minute abgesagt. Das Symposium war im Mai vom Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen organisiert worden. Welche Form der Ausübung des Primats Petri könnte der Einheit zwischen katholischer Kirche und orthodoxen Kirchen förderlich sein?
KYRILL: Anfänglich war bei diesem Symposium auch die Teilnahme einiger unserer Repräsentanten vorgesehen gewesen, nachdem der Vatikan aber am 17. Mai die Schaffung neuer Diözesen in Kasachstan angekündigt hat, ohne vorherige Absprache mit der russisch-orthodoxen Kirche, hatten die Leaders der russisch-orthodoxen Kirche beschlossen, dem Forum fernzubleiben. Wir können nicht die Illusion „guter Beziehungen“ schaffen, wenn diesen Beziehungen schwerer Schaden zugefügt wird.
Die Handlungen der Leiter der römisch-katholischen Kirche haben die orthodoxe Herde unserer Kirche schwer verletzt und zutiefst enttäuscht. Und die Rolle des Papstes sollte meiner Meinung nach in der Fähigkeit bestehen, diese Wunden tatkräftig zu heilen. Es sind Anstrengungen nötig, die unseren Gläubigen zeigen, daß der Vatikan kein Feind ist, daß seine Appelle für einen Dialog ehrlich gemeint sind.
Bevor man Entscheidungen trifft, die eine Veränderung des administrativen Status der katholischen Strukturen in allen Ländern der GUS bedeuten, sind präventive Rücksprachen mit der russisch-orthodoxen Kirche vonnöten. Es muß eine Kontrolle der religiösen Orden in diesen Ländern geben, so daß deren Präsenz den tatsächlichen pastoralen Erfordernissen entspricht. Die Praxis, in der Orthodoxie getaufte Kinder und Jugendliche für katholische Organisationen, Jugendherbergen oder andere Strukturen zu „rekrutieren“, wo man sie an katholischen Messen, an der Kommunion und am geistlichen Beistand des katholischen Klerus teilnehmen läßt, ist vollkommen unzulässig. Absolut notwendig ist eine unmißverständliche Stellungnahme des Vatikans zur Ausweitung der Mission der griechisch-katholischen Gläubigen auf den zentralen und östlichen Teil der Ukraine, Regionen, wo die griechisch-katholische Kirche nie existiert hat, ebenso wenig wie in Rußland und Kasachstan. Und schließlich müssen auch die Rechte der Gläubigen der kanonischen orthodoxen Kirche in der Westukraine garantiert sein, auch wenn es notwendig sein sollte, den russenfeindlichen nationalistischen Politikern und den schismatischen Pseudo-Orthodoxen entschieden auf den Schlips zu treten. Das wären konkrete Schritte, die es ermöglichen würden, die tatsächlichen Absichten des Vatikans zu beurteilen und das Eis zum Schmelzen zu bringen, das sich, nicht durch unsere Schuld, im Bereich der Beziehungen zwischen Orthodoxen und Katholiken gebildet hat.
In seiner jüngsten Enzyklika, Ecclesia de Eucharistia, hat der Papst bekräftigt, daß es unter besonderen Umständen legitim ist, orthodoxen Gläubigen bei katholischen Riten das Sakrament der Eucharistie zu spenden, und umgekehrt (eucharistische Gastfreundschaft). Wie beurteilen Sie diese Anerkennung der grundlegenden Einheit zwischen katholischer Kirche und orthodoxen Kirchen in den wesentlichen Dingen des Glaubens?
KYRILL: In der Enzyklika Ecclesia de Eucharistia ist in der Tat davon die Rede, daß es in Situationen besonderer Notwendigkeit erlaubt ist, das Sakrament der Eucharistie und der Buße Personen zu spenden, die nicht in voller Gemeinschaft mit der römisch-katholischen Kirche stehen. Derselbe Gedanke findet sich auch in der Enzyklika Ut unum sint, und noch zuvor beim II. Vatikanischen Konzil. Die Enzyklika stellt nicht die Aufmerksamkeit für die gegenseitige Gastfreundschaft von Katholiken und Orthodoxen heraus – in ihr wird nur allgemein von „Kirchen oder kirchlichen Gemeinschaften, die nicht in der voller Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehen“ (4,45) gesprochen. Diese Fakten bedeuten ganz und gar nicht die Anerkennung der Fülle und der Gültigkeit der Sakramente in den nicht-katholischen kirchlichen Gemeinschaften. Das wahre Sakrament der Eucharistie wird, gemäß der traditionellen katholischen Darlegung, nur in Gemeinschaften in sakramentaler Gemeinschaft mit dem römischen Sitz vollzogen. Die Eucharistie selbst wird als Sakrament der Gemeinschaft mit dem Nachfolger des Apostels Petri verstanden, wie es in der Enzyklika Ecclesia de Eucharistia heißt. Ich würde also nicht von wirklichen Fortschritten im theologischen Bereich bezüglich der orthodoxen Kirche sprechen. Die jüngste Enzyklika bestätigt die katholische Auffassung von der „Zweitrangigkeit“ der Kirchlichkeit in der Orthodoxie.
Gewiß, in den Sechziger- und Achtzigerjahren des 20. Jahrhunderts haben wir einen langen gemeinsamen Weg zurückgelegt, der es uns ermöglicht hatte, die positiven Elemente in einer jeden unserer verschiedenen kirchlichen Traditionen zu schätzen, besonders die je nach Region unterschiedlichen Kompetenzen in der pastoralen Sorge. Heute dagegen sind unsere Beziehungen trotz der unveränderten Position der russisch-orthodoxen Kirche wieder auf den Stand vor dem II. Vatikanischen Konzil zurückgefallen.
Es bleibt uns nichts anderes übrig, als zu hoffen, zu beten und daran zu arbeiten, daß die Rückkehr zu den guten Dingen, die es in unseren Beziehungen bereits gegeben hat, nicht in allzu ferner Zukunft erfolgt.


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