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MODERNE CHRISTLICHE KUNST
Aus Nr. 01 - 2008

Die Predigt Pauls VI. an die Künstler aus dem Jahr 1964, und die Vorstellung der Sammlung moderner religiöser Kunst 1973.

„Wir brauchen euch“



von Paolo Mattei


Paul VI., in Begleitung seines Sekretärs, bei der Vorstellung der Sammlung moderner religiöser Kunst, Vatikanische Museen (23. Juni 1973).

Paul VI., in Begleitung seines Sekretärs, bei der Vorstellung der Sammlung moderner religiöser Kunst, Vatikanische Museen (23. Juni 1973).

„Wir brauchen euch“. Mit diesen Worten wandte sich Paul VI. 1964 bei der Messe zum Hochfest Christi Himmelfahrt an die Künstler in der Sixtinischen Kapelle. Eine Predigt voll bewegender Worte, bei der der Papst die Schuld der Kirche eingestand, die zugelassen hatte, dass es im Laufe der Zeit zu einem Bruch mit den Künstlern gekommen war. Und um Vergebung bat: „Wir haben euch manchmal bleierne Hemmschuhe angelegt und können nur sagen; vergebt uns!“. Auf diese Weise wollte der Papst einen neuen Kontakt anknüpfen zu diesen „so schaffensfreudigen Männern voller Ideenreichtum“; ein Band, das sich gelockert hatte, weil – wie er erklärte –„ihr nicht unsere Schüler, Freunde und Gesprächspartner wart und wir so einander nicht kennen konnten.“
Diese Worte hat Papst Montini ein Jahr nach Sacrosanctum Concilium geäußert, der Konzilskonstitution über die heilige Liturgie, die sich im 7. Kapitel mit dem Thema der sakralen Kunst befasst. Das Dokument tritt für die volle Freiheit der Kunst in der Kirche ein, will aber gleichzeitig auch die edle Schönheit dem bloßen Prunk bevorzugt wissen. Sie setzt auch eine Reihe von Regeln und Ratschlägen für die Künstler fest, die sich mit sakraler Kunst befassen, wie auch für die Bischöfe und das Personal, das mit der Überwachung und Kontrolle der Arbeiten betraut ist.
Die aus der Predigt Montinis herausklingende Hoffnung auf einen erneuerten Dialog sollte 1965 in der Konstitution Gaudium et spes Niederschlag finden, in der es heisst, dass „durch angestrengtes Bemühen erreicht werden soll, dass die Künstler das Bewußtsein haben können, in ihrem Schaffen von der Kirche anerkannt zu sein, und dass sie im Besitz der ihnen zustehenden Freiheit leichter zum Kontakt mit der christlichen Gemeinde kommen.“
Vor 35 Jahren, im Juni 1973, setzte Paul VI. noch eine andere Geste der Öffnung der Kunst gegenüber, als er in den Vatikanischen Museen die Sammlung moderner religiöser Kunst vorstellte, 800 Kunstwerke italienischer und internationaler Maler und Bildhauer, zu denen von den achtziger Jahren bis heute noch ca. 400 weitere Stücke kamen.
In der Kirche der Nachkonzilszeit konnten sich Tendenzen herauskristallisieren, die andere Anschauungen hatten im Bezug auf Funktion und Wert der sakralen Kunst. Die immer erdrückendere Bilderflut, der wir ständig ausgesetzt sind – sei es nun durch Fernsehen, Kino oder Werbung – hat verschiedene Reaktionen ausgelöst. Beispielsweise die Sehnsucht nach den Darstellungen des 19. Jahrhunderts im so genannten Saint-Sulpice-Stil (der stereotypisierte Andachtsbilder in bildlichen Schemen multipliziert) oder die Forderung nach einer Art bilderloser Kultform, nach einer bildlichen Stille, die – so die wenigen Vertreter dieser Strömung – wirksames Zeugnis eines den Werten gegenüber aufmerksamen Christentums sei. Neben „traditionalistischen“ Tendenzen (auch das große Interesse, das die westliche Welt an den Ikonen der russischen und griechischen Kirche hat – was in gewissen orthodoxen Kreisen übrigens gar nicht so gern gesehen wird – ist, wie einige meinen, ein deutliches Zeichen dieser Nostalgie) gibt es auch Tendenzen gegensätzlicher Art, die wiederum für den Gebrauch des modernen Instruments der Bilder-Kommunikation für die Übermittlung der christlichen Botschaft plädieren.
Und schließlich ist da auch die Tendenz, sich weder von einer übertriebenen Heute-Gestern-Dialektik noch einer Haltung beeinflussen zu lassen, die sich unserer entchristlichten Welt entgegenstellen will. Dort, wo man dieses Bedürfnis verspürt, hofft man auf eine fruchtbare Begegnung zwischen den lokalen christlichen Gemeinschaften und den Künstlern und auf eine Aufwertung der Beziehung zu Bildhauern und Malern, die vielleicht unbekannt sind, aber dafür die Geschichte und die Tradition der Ortskirchen kennen.


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