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VATIKAN
Aus Nr. 08 - 2008

BEGEGNUNGEN. Der neue Sekretär der Kongregation für die Glaubenslehre.

Ein Jesuit im ehemaligen Heiligen Offizium


Nach zwei Salesianern ist nun ein Sohn des hl. Ignatius Sekretär der wichtigsten Kongregation der Römischen Kurie. Interview mit Erzbischof Luis Francisco Ladaria Ferrer.


Interview mit Luis Francisco Ladaria Ferrer von Gianni Cardinale


Nach zwei Salesianern hat die Kongregation für die Glaubenslehre nun einen Jesuiten zum Sekretär. Am 9. Juli ernannte Benedikt XVI. den Spanier Luis Francisco Ladaria Ferrer zur Nummer 2 des Dikasteriums, das von 1981 bis 2005 vom damaligen Kardinal Joseph Ratzinger geleitet wurde. Ladaria Ferrer (64) stammt aus Manacor, nach Palma der zweitgrößten Stadt der Baleareninsel Mallorca.
Ladaria tritt an die Stelle des Salesianers Angelo Amato, des neuen Präfekten der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse. Auch Amato ist der Nachfolger eines Sohnes von Don Bosco: des heutigen Kardinalstaatssekretärs Tarcisio Bertone, der Ladaria am 26. Juli dieses Jahres in St. Johann im Lateran zum Bischof geweiht hat.
30Tage traf den neuen Sekretär im Palazzo des Heiligen Offiziums nach seiner Rückkehr aus den größtenteils in der Heimat verbrachten Ferien. Auf unsere Feststellung, wie wenig braungebrannt er doch wäre, antwortete Msgr. Ladaria lächelnd: „Das hängt wohl damit zusammen, dass ich zwar das Meer liebe, nicht aber die Sonne…“. Auf seine Herkunft angesprochen, erklärte uns Mons. Ladaria, dass seine Familie zwar seit Generationen auf den Balearen lebt, seine Vorfahren aber vielleicht aus dem ehemaligen Königreich Neapel stammten, genau genommen dem Golf von Policastro. Aber genug geplaudert. Das Interview kann beginnen.


Benedikt XVI. empfängt Msgr. Ladaria Ferrer in Castel Gandolfo in Audienz 
(10. September 2008). [© Osservatore Romano]

Benedikt XVI. empfängt Msgr. Ladaria Ferrer in Castel Gandolfo in Audienz (10. September 2008). [© Osservatore Romano]

Exzellenz, wie kam es zu Ihrer Berufung, und warum haben Sie gerade die Gesellschaft Jesu gewählt?
LUIS FRANCISCO LADARIA FERRER: „Gewählt“ ist vielleicht nicht das richtige Wort. Ich habe nicht gewählt, sondern einen Weg vor mir gesehen und diesen eingeschlagen. Diesen Weg, den der Berufung, konnte ich eigentlich schon erkennen, als ich das Jesuiten-Kolleg in Palma de Mallorca frequentierte, und dann auch in der Zeit meines Jurastudiums in Madrid. Ich studierte zwar Recht, aber eigentlich war mir klar, dass es nicht das war, was ich wollte. Ich wollte Priester werden und mir gefiel die Gesellschaft Jesu, die ich kennen gelernt hatte. Es hatte sich also ein Weg vor mir aufgetan, den ich fast schon selbstverständlich eingeschlagen habe.
War Ihre Familie sehr religiös?
LADARIA FERRER: Ja, ziemlich.
Gibt es einen Priester, der Sie besonders beeindruckt hat?
LADARIA FERRER: Ja, sicher. Die Patres des Kollegs, das ich besuchte – das alte, 1561 gegründete Kolleg von Monte Sion. Aber es war eigentlich das ganze Ambiente, das Klima, das dort herrschte, was mich letztendlich dazu veranlasst hat, mich ganz dem Herrn zu widmen.
1968 haben Sie Ihr Ordensgelübde abgelegt. Welche Erinnerungen haben Sie an dieses – zumindest außerhalb Spaniens – so turbulente Jahr?
LADARIA FERRER: Es war auch in Spanien ein turbulentes Jahr. Aber ich ließ mich davon nicht stören, legte mein Gelübde ab, ohne groß auf diese Turbulenzen zu achten. Studieren machte mir Spaß, und so studierte ich eben.
Haben Sie nie die Faszination des 68er Jahres verspürt?
LADARIA FERRER: Ein bisschen hat uns das wohl alle beeinflusst, in meinem Fall hielt sich das allerdings in Grenzen.
Wer waren Ihre Lehrmeister?
LADARIA FERRER: Einige von ihnen möchte ich gerne nennen. In Frankfurt, wo ich Theologie studierte, waren meine Professoren der spätere Kardinal und große Dogmatiker Pater Grillmeier; Pater Otto Semmelroth und Herman Josef Sieben, der damals am Anfang seiner akademischen Laufbahn stand, aber einer der wichtigsten Experten des Konzils werden sollte. In Rom promovierte ich bei Pater Antonio Orbe, einem bedeutenden Patrologen;meine Professoren dort waren die Patres Juan Alfaro und Zoltan Alszeghy.
Sie haben auch in Deutschland studiert. Sind Sie nie Professor Ratzinger begegnet?
LADARIA FERRER: Nicht persönlich. Aber ich habe seine Werke kennen gelernt. Besonders die Einführung in das Christentum, sein damals bekanntestes Werk, und sein Buch über das neue Volk Gottes. An unserer Fakultät zirkulierten auch Vorlesungsskripten von Professor Ratzinger.
Und wann haben Sie unseren heutigen Papst persönlich kennen gelernt?
LADARIA FERRER: 1992, als ich Mitglied der Internationalen Theologenkommission wurde. Ich denke noch heute gern an die lebhaften Diskussionen zum Thema der Beziehungen zwischen Christentum und den anderen Religionen zurück. Die Beiträge Kardinal Ratzingers waren immer sehr präzise und tiefgründig, das Niveau der Diskussion ausgesprochen hoch. Die Arbeit dieser Kommission war sehr interessant, und nicht nur wegen der von ihr behandelten, ausnahmslos wichtigen Themen, sondern auch wegen des internationalen – und katholischen –Klimas, das dort herrschte.
Waren Sie in irgendeiner Form an der Abfassung von Dominus Iesus beteiligt?
LADARIA FERRER: Nein.
Sie haben an der Gregoriana mit einer Habilitationsschrift über Hilarius von Poitiers promoviert. Warum diese Wahl, was hat Sie an diesem Heiligen fasziniert?
LADARIA FERRER: Das Thema wurde mir von Pater Orbe vorgeschlagen, der sich für diesen Kirchenvater interessierte. Und ich hatte Glück: über Hilarius gab es nämlich keine reichhaltige Bibliographie, und so konnte ich mich gleich auf die Originaltexte 1224599083634">LADARIA FERRER: Wir sollten nicht soviel Energie darauf verschwenden, die Aktualität der Kirchenväter finden zu wollen. Wenn wir sie einfach nur mit Genuss lesen, finden wir nämlich viel leichter den Zugang zur Frische der Botschaft des Evangeliums, zu Jesus. Und das ist ein bleibender Wert, der mehr als aktuell ist. Ein Wert, der schon von seinem Wesen her facettenreich ist, sich von Minute zu Minute ändert. Die Kirchenväter sind eine Quelle, die zu einer Zeit entspringt, die nicht weit von der Zeit der Apostel entfernt ist. Und das macht sie allzeit aktuell.
Pater Orbe war nicht nur ein Experte in Sachen Irenäus, sondern auch in Sachen Gnostik…
LADARIA FERRER: Ja, er war tatsächlich einer der größten Experten hierzu. Er hat auch viele Bücher zu diesem Thema geschrieben, die ehrlich gesagt oft recht kompliziert sind, weil es eben ein schwieriges Thema ist.
Sie haben lange an der Gregoriana unterrichtet, waren auch Vizerektor. Was haben Sie in diesen Jahren gelernt?
LADARIA FERRER: Dass ich acht Jahre lang Vizerektor war, hat nicht viel zu sagen. Das, was zählt, waren der Unterricht, die Betreuung der Doktoranden. An der Gregoriana habe ich gelernt, mich in einem internationalen Umfeld zu bewegen, mit Studenten aus mehr als 100 Ländern, verschiedenen Sprachen, Rassen und Kulturen. Alle vereint durch die Liebe zum Studium, vor allem aber zum Herrn und seiner Kirche. An einer wahren Universität lernen nicht nur die Studenten von den Professoren, sondern auch umgekehrt. Und ich habe viel von meinen Studenten gelernt.
Als Ihre Ernennung bekannt wurde, hat John Allen jr. vom National Catholic Reporter bei einigen Ihrer Kollegen Meinungen über Sie eingeholt. Man hat Sie als freundlich und umgänglich beschrieben…
LADARIA FERRER: Das versuche ich natürlich zu sein, ob es mir aber immer gelingt, müssen die anderen beurteilen…
Von einigen wurden Sie aber auch als gemäßigt-konservativ und als theologischer Zentrist bezeichnet. Erkennen Sie sich in diesen Definitionen wieder?
LADARIA FERRER: Dazu muss ich sagen, dass ich keine Extreme liebe, weder progressiver noch traditionalistischer Art. Ich glaube, dass es da einen Mittelweg gibt, nämlich den, den der Großteil der Theologieprofessoren hier in Rom und die Kirche allgemein eingeschlagen haben. Und der scheint mir der richtige zu sein, auch wenn ein jeder von uns seine Besonderheiten hat, weil wir uns ja Gott sei Dank nicht wiederholen, keine Klone sind.
In traditionalistischen Kreisen stieß Ihre Ernennung auf Missfallen. In Spanien warf der Theologe und Priester José María Iraburu Ihrem Werk Teologia del peccato originale e della grazia vor, nicht mit der Lehre der Kirche im Einklang zu stehen. In der Zeitschrift Sì sì No no stand sogar geschrieben, dass Ihr Buch Antropologia teologica „vollkommen abseits der katholischen Dogmentradition steht.“ Bereiten Ihnen diese Urteile Sorgen?
LADARIA FERRER: Ein jeder kann urteilen und kritisieren, wie er will. Wenn Sie mich aber fragen, ob ich mir Sorgen mache, kann ich nur sagen, dass mich diese Urteile nicht besonders berühren. Und wenn man mich für mein jetziges Amt ernannt hat, darf ich wohl annehmen, dass meine Werke solche Urteile nicht verdienen.
Sie haben eine gewisse Bekanntheit erlangt, als die Theologenkommission das Dokument über die Heilshoffnung für Kinder veröffentlichte, die ohne Taufe sterben. Wurde der Limbus darin endgültig „vor die Tür gesetzt“?
LADARIA FERRER: Die Internationale Theologenkommission kann nichts und niemanden „vor die Tür setzen.“ Obwohl die Mitglieder der Theologenkommission keine Privatmänner sind, sondern vom Papst ernannt wurden, haben ihre Beschlüsse keinen lehramtlichen Wert. Das fragliche Dokument bekräftigt, dass die Lehre vom Limbus, die Jahrhunderte lang in der theologischen Reflexion vorherrschend war, nie dogmatisch definiert wurde und folglich auch nie Teil des unfehlbaren Lehramtes war. Wer aber auch weiterhin vom Limbus sprechen will, steht dennoch keineswegs außerhalb der katholischen Kirche. Das einmal gesagt, hat die Theologenkommission jedoch – in Anbetracht der Gesamtheit der geoffenbarten Fakten und des universalen Heilswillens Gottes und der universalen Mittlerschaft Christi – geschrieben, dass es angemessenere Wege gibt, die Frage des Schicksals der Kinder zu behandeln, die ohne Taufe sterben und für die eine Heilshoffnung nicht ausgeschlossen werden kann. Um die Wahrheit zu sagen, sind diese Schlussfolgerungen nichts Neues. Obwohl sie zur Zeit des Konzils entstanden sind, sind sie auch Frucht eines heute weitgehenden theologischen Konsenses.
Wie fühlt man sich als erster Jesuit, der dieses Amt innehat?
LADARIA FERRER: Dieses Problem habe ich mir eigentlich nicht gestellt. Obwohl es ganz so aussieht, als wäre dieses Amt tatsächlich noch nie von einem Jesuiten ausgeübt worden. Ich glaube, dass sich der Heilige Vater nicht für mich entschieden hat, weil ich Jesuit bin, sondern weil ich ihm für dieses Amt am geeignetsten erschien.
Msgr. Ladaria Ferrer. [© Osservatore Romano]

Msgr. Ladaria Ferrer. [© Osservatore Romano]

Wie haben Sie von Ihrer Ernennung erfahren?
LADARIA FERRER: Es war eine große Überraschung. Nie hätte ich gedacht, dass das mein Schicksal sein würde. Und damit war ich nicht allein: immerhin wurde mein Name auch in der Presse nie erwähnt… Bis mir am Abend des 24. Juni dann eröffnet wurde, dass mir der Hl. Stuhl dieses Amt zu übertragen gedachte. Ich habe dann dargelegt, wie ich selbst zu dieser Aussicht stand, aber keinen Zweifel an meinem Willen gelassen, die Entscheidung des Heiligen Vaters anzunehmen.
Mussten Sie als Jesuit nicht erst auch Ihren General um Erlaubnis fragen?
LADARIA FERRER: Ja, wir Jesuiten haben ein Gelübde, das es uns verbietet, Bischofsämter anzunehmen, es sei denn des Gehorsams halber. Und der General hat mir gesagt, dass ich den Willen des Papstes akzeptieren müsste.
Adolfo Nicolás, seit Januar Jesuiten-General, ist Spanier wie Sie. Kennen Sie ihn gut?
LADARIA FERRER: Ich hatte schon von ihm gehört, kannte ihn dem Namen nach, aber nicht persönlich. Zum ersten Mal bin ich ihm am Tag nach seiner Wahl begegnet, am 20. Januar. Danach habe ich ihn dann in der Frage meiner Ernennung aufgesucht.
Ein anderer bekannter Spanier ist der Weihbischof von Madrid, Antonio Martínez Camino, der erste Bischof in Spanien, der ein Jünger des hl. Ignatius ist. Kennen Sie ihn?
LADARIA FERRER: Ja, natürlich. Er war mein Schüler und daher kenne ich ihn sogar sehr gut. Wir sind gute Freunde.
Sie leben praktisch seit 1979 in Rom. Was halten Sie vom heutigen Spanien? Erkennen Sie sich darin wieder?
LADARIA FERRER: Spanien hat sich zweifelsohne sehr verändert, und zwar nicht nur, was die politische Ordnung angeht, sondern auch die religiöse, kulturelle und wirtschaftliche. Ich muss aber sagen, dass ich mich, wenn ich zur Erholung in meine Heimat fahre, nicht mit großen lehrmäßigen oder politischen Fragen beschäftige. Ich fahre zu meiner Familie, meinen Freunden, in meine gewohnte Umgebung, und die hat sich ehrlich gesagt nicht sehr verändert.
Ihr Vorgesetzter, Kardinal Levada, hat sich kürzlich bei einer Konferenz in Spanien bitter darüber beklagt, dass die Regierung Zapatero eine Liberalisierung des Abtreibungsgesetzes angekündigt hat…
LADARIA FERRER: Ja, in Fragen der Ethik hat Spanien tatsächlich einen besorgniserregenden Kurs eingeschlagen.
Wofür interessieren Sie sich – außer Theologiebüchern – noch?
LADARIA FERRER: Ich höre gern Musik. Am liebsten klassische, besonders Johann Sebastian Bach. Mir gefallen aber auch andere Komponisten.
Haben Sie auch sportliche Interessen?
LADARIA FERRER: Nein, ich nehme zwar an den großen Ereignissen teil, aber nur aus weiter Ferne.
Der Papst hat Sie und Kardinal Levada am 10. September in Castel Gandolfo in Audienz empfangen: Ihre erste Audienz als Sekretär der Glaubenskongregation. Was können Sie uns dazu sagen?
LADARIA FERRER: Es war eine schöne Erfahrung. Der Heilige Vater war herzlich und zuvorkommend wie immer.
Welche sind die wichtigsten Fragen, mit denen sich die Kongregation beschäftigen muss?
LADARIA FERRER: Ich kann sagen, dass unsere Kongregation mit der Förderung und dem Schutz des katholischen Glaubens befasst ist. Zuerst mit der Förderung und dann, wenn nötig, mit dem Schutz. Aber ich kann nicht ins Detail gehen. Unsere Kongregation ist sehr diskret und äußert sich daher ausschließlich durch ihre Dokumente.


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