25 JAHRE PONTIFIKAT. Begegnung mit dem Präfekten der Kongregation für den Klerus.
„Er gibt sich selbst ganz hin, bis zum letzten Blutstropfen“
Interview mit Kardinal Darío Castrillón Hoyos: „Diese Phase ist eine sehr reiche Phase des Pontifikats. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist dieser Papst nämlich das Zeugnis eines Mannes, der keine persönlichen Interessen verfolgt, nichts tut, um Macht zu haben.“
von Gianni Cardinale
Zur Feier des 25. Jahrestages des Pontifikats von Johannes Paul II. wurden alle Kardinäle und alle Präsidenten der Bischofskonferenzen der Welt nach Rom gerufen. Die Feierlichkeiten beginnen am Mittwoch, dem 15., den Höhepunkt stellt der 16. Oktober dar, der Tag, an dem Karol Wojtyla zum Papst gewählt wurde. Gedacht wird diesem denkwürdigen Augenblick in einer feierlichen Messe. Am Sonntag, dem 19. wird auf dem Petersplatz die Seligsprechung von Mutter Teresa von Kalkutta stattfinden. Die Feierlichkeiten werden sich dann mit dem Konsistorium vom 21. Oktober fortsetzen, bei dem 30 neue Kardinäle kreiert werden.
An diesen Feierlichkeiten wird auch er teilnehmen: Kardinal Darío Castrillón Hoyos. Der 74jährige Kolumbianer ist ein enger Mitarbeiter des Papstes in der Römischen Kurie. Der Purpurträger ist seit 1996 Präfekt der Kongregation für den Klerus, seit 2000 leitet er auch die Päpstliche Kommission „Ecclesia Dei“, das vatikanische Organ, das damit betraut ist, jene Kirchenmänner und Laien in die „volle kirchliche Gemeinschaft“ zurückzuführen, die mit der „von Msgr. Marcel Lefebvre gegründeten Bruderschaft verbunden sind“. Bevor Castrillón Hoyos in die Kurie kam, war er in Kolumbien Bischof von Pereira (1971-1992) und Erzbischof von Bucaramanga (1992-1996). Während seines kolumbianischen Episkopats war er auch im lateinamerikanischen Bischofsrat (CELAM) tätig, für den er von 1983 bis 1987 als Generalsekretär, und dann, von 1987 bis 1991, als Präsident wirkte. Seit 1998 ist er Kardinal.
Eminenz, wann haben Sie Karol Wojtyla persönlich kennengelernt?
DARÍO CASTRILLÓN HOYOS: Als ich Bischof von Pereira war, hatte ich Gelegenheit, Kardinal Karol Wojtyla im Haus seines Freundes Msgr. Andrzej Deskur zu treffen [Kardinal seit 1985, Anm.d.Red.], der hier in Rom in der Römischen Kurie arbeitete. Ich glaube, es war das Jahr, in dem der damalige Erzbischof von Krakau vor der Römischen Kurie die geistlichen Exerzitien predigte. Jedenfalls war es eine zufällige Begegnung, die nicht vertieft wurde. Ich las damals auch ein Buch, in dem die Kirche in Polen beschrieben und ein schönes Portrait Karol Wojtylas gezeichnet wurde: ein Bischof, der die Fähigkeit besaß, dem Regime zu trotzen, einen großen pastoralen Dynamismus hatte. Ich war sehr beeindruckt von ihm, aber wie hätte ich mir je denken sollen, daß er einmal Papst werden würde...
Und seine Wahl war ja wirklich eine Überraschung. Er war der erste nicht-italienische Papst nach fast fünfhundert Jahren. Wie haben Sie von dieser unerwarteten Wahl erfahren?
CASTRILLÓN HOYOS: Das war recht merkwürdig... Ich befand mich gerade in Kolumbien, wo ich an einer Begräbnisfeier teilnahm, als sich mir ein anderer Bischof näherte und mir zuflüsterte: „Darío, es ist ein neuer Papst gewählt worden, ein Afrikaner...“ „Gelobt sei der Herr,“ antwortete ich... Nach dem Gottesdienst erfuhren wir dann natürlich die ganze Wahrheit.
Wann sind Sie Johannes Paul II. zum ersten Mal begegnet?
CASTRILLÓN HOYOS: Ich arbeitete im CELAM, und hatte daher Gelegenheit, ihn bei der Vorbereitung der Generalversammlung des lateinamerikanischen Episkopats zu treffen, der 1979, wenige Monate nach seiner Wahl, im mexikanischen Puebla abgehalten wurde. Ich hatte sofort den Eindruck, daß er ein Mann des Glaubens war; jemand, der sehr weitblickend war und eine außergewöhnliche Weltanschauung hatte. Er beschloß sofort, persönlich beimTreffen von Puebla dabei zu sein, das – was sicher kein Zufall ist – einen Wendepunkt für die lateinamerikanische Kirche darstellte.
Inwiefern?
CASTRILLÓN HOYOS: Die lateinamerikanische Kirche war damals sehr dynamisch, unser Kontinent war damals schon der Kontinent der Hoffnung. Aber es war auch ein schwieriger Moment. Die Befreiungstheologie erlebte gerade ihre Blüte. Und der Papst war in dieser Phase ein Lichtstrahl, aber auch ein geschickter Steuermann. Man hörte die verschiedensten Meinungen, aber der Großteil der Bischöfe fand, daß er in einem heiklen Moment der Geschichte ein Sicherheit vermittelnder Leader war. Der ein oder andere behauptet, damals hätte die Möglichkeit eines Schismas bestanden, aber das stimmt nicht. Auch die sozusagen „ideologischeren“ Bischöfe, die in gutem Glauben meinten, daß das marxistische System etwas Gutes war, liebten die Kirche und den Papst, den Stellvertreter Christi, folgten seinen Anweisungen. Die Rolle von Johannes Paul II. war für die Einheit der lateinamerikanischen Kirche von allergrößter Bedeutung.
CASTRILLÓN HOYOS: Die lateinamerikanische Kirche hat dem Evangelisierungswerk der ersten Missionare, die aus Europa gekommen waren, besonders der iberischen Halbinsel, viel zu verdanken. Auch dank ihres Werkes ist Lateinamerika heute ein Kontinent mit einer beachtlichen Zahl von Gläubigen, einer gemeinsamen kulturellen Tradition, zweifelsohne westlicher Prägung. Die lateinamerikanische Kirche ist inzwischen „groß geworden“, zählt die Hälfte der Katholiken der ganzen Welt. Ohne die ständig größer werdende Zahl von Hispanos in einigen der größeren Diözesen Nordamerikas, wie Los Angeles, zu zählen. Die lateinamerikanische Kirche ist also eine Realität, die präsent ist, und nicht eine Hoffnung für die Zukunft. Nach einer Zeit der Krise können wir nun eine Zunahme der Priesterberufungen verzeichnen, so daß das Verhältnis Priester-Gläubige angesichts der Bevölkerungsdichte besser ist als in den Sechzigerjahren.
Kommen wir wieder auf das Papstjubiläum zurück. Welche Gesten und Ereignisse dieses Pontifikats haben Sie bisher besonders beeindruckt?
CASTRILLÓN HOYOS: Ich würde nicht von einzelnen Gesten sprechen, sondern vom Stil des gesamten Pontifikats. Die öffentliche Meinung tendiert dazu, die Kirche als eine Art soziale Einrichtung zu sehen, die im Rampenlicht steht und auch einen schönen Zweck verfolgt, eine interessante Lehre vertritt, eine bewundernswerte, wenn auch nicht geteilte, Moral. Wenn man den Papst von diesem Blickwinkel aus betrachtet, wird man weder Karol Wojtyla noch Johannes Paul II. jemals verstehen können. Die Liberalen, die Kommunisten, die Freimaurer, die nationalistischen oder universalistischen Politiker können in diesem Pontifikat Worte oder Gesten finden, die ihnen gefallen, oder nicht gefallen. Aber nur von einer Perspektive des Glaubens aus kann man dieses Pontifikat wirklich verstehen. Der Papst ist vor allen Dingen ein Mann Gottes, ein „von Gott besessener“ Kontemplativer. Und das sieht man auch in der Art und Weise, wie er mit seiner Krankheit umgeht. Welcher Leader der Welt würde seine Arbeit fortsetzen, wenn er so sehr leiden würde wie der Papst, würde so weiterarbeiten wie es Johannes Paul II. tut? Seine Arbeit ist es, die Botschaft Jesu darzulegen, dessen – wie er nur allzu gut weiß – Stellvertreter auf Erden er ist. Und er tut das mit einer absoluten Einfachheit, auf dieselbe Art wie Jesus, der auch durch Gesten sprach. So hat er beispielsweise den Koran geküsst, als Zeichen des Respekts für ein Volk, das einen Glauben hat. Gleichzeitig hat er jedoch, durch die Kongregation für die Glaubenslehre, mit der Dominus Iesus die heilsrelevante Einzigkeit Jesu Christi bekräftigt.
CASTRILLÓN HOYOS: Es ist keine heikle Phase, sondern eine sehr reiche Phase des Pontifikats. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist dieser Papst nämlich das Zeugnis eines Mannes, der keine persönlichen Interessen verfolgt, nichts tut, um Macht zu haben. Eines Mannes, der sich selbst hingibt, bis zum letzten Blutstropfen. Er ist der Stellvertreter Christi, warum wundert sich also alle Welt darüber, daß er gekreuzigt wird wie Jesus? Das Kreuz war der reichste Moment Jesu: jener Moment, in dem Er uns seine Mutter dargeboten hat, in dem er uns den Gedanken der Vergebung, den Gedanken des Gefühls des von Gott Verlassenwerdens, des vertrauensvollen Uns-dem-Willen-des-Vaters-Überantworten dargeboten hat... In dieser Phase arbeitet der Papst ganz besonders für die Einheit der Christen, ohne Machtansprüche, sondern nur damit Jesus die Kraft der Einheit der Kirche sein möge.
Sie glauben also nicht, daß der Papst jemals zurücktreten könnte...
CASTRILLÓN HOYOS: Ich halte diesen Gedanken nicht für schlimm, aber für absurd. Der Stellvertreter ist mit dem Herrn, bis ihn der Herr zu sich ruft. Wer meint, daß das Petrus-Charisma für die Leitung Seiner Kirche jemand anderem gegeben ist als dem Papst, ist im Irrtum. Der Papst hat das Petrus-Charisma. Und schließlich ist, wie bereits gesagt, der Appell Johannes Pauls II. für die Einheit der Kirche und den Frieden auf der Welt heute sehr viel stärker, sehr viel eindrucksvoller als vor 25 Jahren.
Eminenz, Sie haben vorhin mit besonderer Eindringlichkeit vom Moment des Leidens Jesu gesprochen. Hat Sie da vielleicht der Film Passion von Mel Gibson beeinflusst, den Sie bereits sehen konnten? Ein Film, der viel umstritten ist, ja sogar antisemitisch sein soll...
CASTRILLÓN HOYOS: Ich mag keine Polemiken. Der Film, den ich gesehen habe, schien mir gut gemacht zu sein, genau in der Rekonstruktion und der Evangeliumserzählung treu. Ich glaube nicht, daß man die Darstellung einer wahren Geschichte als allgemeine Anklage gegen ein Volk interpretieren kann. Im Film wird die Verantwortung für die Verurteilung Jesu korrekterweise einer bestimmten Gruppe von Personen in einer bestimmten Zeit zugeschrieben. Es ist klar, daß die Schuld der Väter nicht auf deren Kinder oder Kindeskinder zurückfallen kann. Auch unter meinen Vorfahren befanden sich beispielsweise Eroberer, die, als sie nach Lateinamerika kamen, Indios umgebracht haben. Und ich fühle mich nicht für deren Schuld verantwortlich, ärgere mich aber auch nicht, wenn mich jemand daran erinnert.
Hatten Sie Gelegenheit, den australischen Schauspieler und Regisseur zu treffen, der sich der Messe nach Pius V. besonders verbunden fühlt und mehrfach bezichtigt wurde, ein „Lefebvrianer“ zu sein?
CASTRILLÓN HOYOS: Ja, ich bin ihm persönlich begegnet. Ich hatte den Eindruck, daß er ein gläubiger Mensch ist, jemand, der glaubt, daß Jesus der Sohn Gottes ist. Für mich ist es kein Problem, wenn sich jemand, ein Gläubiger, einer tausendjährigen, respektablen, heiligen Tradition der Kirche besonders verbunden fühlt.
Kardinal Darío Castrillón Hoyos.
Eminenz, wann haben Sie Karol Wojtyla persönlich kennengelernt?
DARÍO CASTRILLÓN HOYOS: Als ich Bischof von Pereira war, hatte ich Gelegenheit, Kardinal Karol Wojtyla im Haus seines Freundes Msgr. Andrzej Deskur zu treffen [Kardinal seit 1985, Anm.d.Red.], der hier in Rom in der Römischen Kurie arbeitete. Ich glaube, es war das Jahr, in dem der damalige Erzbischof von Krakau vor der Römischen Kurie die geistlichen Exerzitien predigte. Jedenfalls war es eine zufällige Begegnung, die nicht vertieft wurde. Ich las damals auch ein Buch, in dem die Kirche in Polen beschrieben und ein schönes Portrait Karol Wojtylas gezeichnet wurde: ein Bischof, der die Fähigkeit besaß, dem Regime zu trotzen, einen großen pastoralen Dynamismus hatte. Ich war sehr beeindruckt von ihm, aber wie hätte ich mir je denken sollen, daß er einmal Papst werden würde...
Und seine Wahl war ja wirklich eine Überraschung. Er war der erste nicht-italienische Papst nach fast fünfhundert Jahren. Wie haben Sie von dieser unerwarteten Wahl erfahren?
CASTRILLÓN HOYOS: Das war recht merkwürdig... Ich befand mich gerade in Kolumbien, wo ich an einer Begräbnisfeier teilnahm, als sich mir ein anderer Bischof näherte und mir zuflüsterte: „Darío, es ist ein neuer Papst gewählt worden, ein Afrikaner...“ „Gelobt sei der Herr,“ antwortete ich... Nach dem Gottesdienst erfuhren wir dann natürlich die ganze Wahrheit.
Wann sind Sie Johannes Paul II. zum ersten Mal begegnet?
CASTRILLÓN HOYOS: Ich arbeitete im CELAM, und hatte daher Gelegenheit, ihn bei der Vorbereitung der Generalversammlung des lateinamerikanischen Episkopats zu treffen, der 1979, wenige Monate nach seiner Wahl, im mexikanischen Puebla abgehalten wurde. Ich hatte sofort den Eindruck, daß er ein Mann des Glaubens war; jemand, der sehr weitblickend war und eine außergewöhnliche Weltanschauung hatte. Er beschloß sofort, persönlich beimTreffen von Puebla dabei zu sein, das – was sicher kein Zufall ist – einen Wendepunkt für die lateinamerikanische Kirche darstellte.
Inwiefern?
CASTRILLÓN HOYOS: Die lateinamerikanische Kirche war damals sehr dynamisch, unser Kontinent war damals schon der Kontinent der Hoffnung. Aber es war auch ein schwieriger Moment. Die Befreiungstheologie erlebte gerade ihre Blüte. Und der Papst war in dieser Phase ein Lichtstrahl, aber auch ein geschickter Steuermann. Man hörte die verschiedensten Meinungen, aber der Großteil der Bischöfe fand, daß er in einem heiklen Moment der Geschichte ein Sicherheit vermittelnder Leader war. Der ein oder andere behauptet, damals hätte die Möglichkeit eines Schismas bestanden, aber das stimmt nicht. Auch die sozusagen „ideologischeren“ Bischöfe, die in gutem Glauben meinten, daß das marxistische System etwas Gutes war, liebten die Kirche und den Papst, den Stellvertreter Christi, folgten seinen Anweisungen. Die Rolle von Johannes Paul II. war für die Einheit der lateinamerikanischen Kirche von allergrößter Bedeutung.
Die lateinamerikanische Kirche hat dem Evangelisierungswerk der ersten Missionare, die aus Europa gekommen waren, besonders der iberischen Halbinsel, viel zu verdanken. Auch dank ihres Werkes ist Lateinamerika heute ein Kontinent mit einer beachtlichen Zahl von Gläubigen, einer gemeinsamen kulturellen Tradition, zweifelsohne westlicher Prägung...
Erlauben Sie mir eine Frage zur lateinamerikanischen Kirche. Wie sehen Sie ihre Zukunft?CASTRILLÓN HOYOS: Die lateinamerikanische Kirche hat dem Evangelisierungswerk der ersten Missionare, die aus Europa gekommen waren, besonders der iberischen Halbinsel, viel zu verdanken. Auch dank ihres Werkes ist Lateinamerika heute ein Kontinent mit einer beachtlichen Zahl von Gläubigen, einer gemeinsamen kulturellen Tradition, zweifelsohne westlicher Prägung. Die lateinamerikanische Kirche ist inzwischen „groß geworden“, zählt die Hälfte der Katholiken der ganzen Welt. Ohne die ständig größer werdende Zahl von Hispanos in einigen der größeren Diözesen Nordamerikas, wie Los Angeles, zu zählen. Die lateinamerikanische Kirche ist also eine Realität, die präsent ist, und nicht eine Hoffnung für die Zukunft. Nach einer Zeit der Krise können wir nun eine Zunahme der Priesterberufungen verzeichnen, so daß das Verhältnis Priester-Gläubige angesichts der Bevölkerungsdichte besser ist als in den Sechzigerjahren.
Kommen wir wieder auf das Papstjubiläum zurück. Welche Gesten und Ereignisse dieses Pontifikats haben Sie bisher besonders beeindruckt?
CASTRILLÓN HOYOS: Ich würde nicht von einzelnen Gesten sprechen, sondern vom Stil des gesamten Pontifikats. Die öffentliche Meinung tendiert dazu, die Kirche als eine Art soziale Einrichtung zu sehen, die im Rampenlicht steht und auch einen schönen Zweck verfolgt, eine interessante Lehre vertritt, eine bewundernswerte, wenn auch nicht geteilte, Moral. Wenn man den Papst von diesem Blickwinkel aus betrachtet, wird man weder Karol Wojtyla noch Johannes Paul II. jemals verstehen können. Die Liberalen, die Kommunisten, die Freimaurer, die nationalistischen oder universalistischen Politiker können in diesem Pontifikat Worte oder Gesten finden, die ihnen gefallen, oder nicht gefallen. Aber nur von einer Perspektive des Glaubens aus kann man dieses Pontifikat wirklich verstehen. Der Papst ist vor allen Dingen ein Mann Gottes, ein „von Gott besessener“ Kontemplativer. Und das sieht man auch in der Art und Weise, wie er mit seiner Krankheit umgeht. Welcher Leader der Welt würde seine Arbeit fortsetzen, wenn er so sehr leiden würde wie der Papst, würde so weiterarbeiten wie es Johannes Paul II. tut? Seine Arbeit ist es, die Botschaft Jesu darzulegen, dessen – wie er nur allzu gut weiß – Stellvertreter auf Erden er ist. Und er tut das mit einer absoluten Einfachheit, auf dieselbe Art wie Jesus, der auch durch Gesten sprach. So hat er beispielsweise den Koran geküsst, als Zeichen des Respekts für ein Volk, das einen Glauben hat. Gleichzeitig hat er jedoch, durch die Kongregation für die Glaubenslehre, mit der Dominus Iesus die heilsrelevante Einzigkeit Jesu Christi bekräftigt.
Die lateinamerikanische Kirche ist inzwischen „groß geworden“, zählt die Hälfte der Katholiken der ganzen Welt. Ohne die ständig größer werdende Zahl von Hispanos in einigen der größeren Diözesen Nordamerikas, wie Los Angeles, zu zählen. Die lateinamerikanische Kirche ist also eine Realität, die präsent ist, und nicht eine Hoffnung für die Zukunft.
Was empfinden Sie angesichts der jetzigen, so heiklen Phase dieses Pontifikats? CASTRILLÓN HOYOS: Es ist keine heikle Phase, sondern eine sehr reiche Phase des Pontifikats. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist dieser Papst nämlich das Zeugnis eines Mannes, der keine persönlichen Interessen verfolgt, nichts tut, um Macht zu haben. Eines Mannes, der sich selbst hingibt, bis zum letzten Blutstropfen. Er ist der Stellvertreter Christi, warum wundert sich also alle Welt darüber, daß er gekreuzigt wird wie Jesus? Das Kreuz war der reichste Moment Jesu: jener Moment, in dem Er uns seine Mutter dargeboten hat, in dem er uns den Gedanken der Vergebung, den Gedanken des Gefühls des von Gott Verlassenwerdens, des vertrauensvollen Uns-dem-Willen-des-Vaters-Überantworten dargeboten hat... In dieser Phase arbeitet der Papst ganz besonders für die Einheit der Christen, ohne Machtansprüche, sondern nur damit Jesus die Kraft der Einheit der Kirche sein möge.
Sie glauben also nicht, daß der Papst jemals zurücktreten könnte...
CASTRILLÓN HOYOS: Ich halte diesen Gedanken nicht für schlimm, aber für absurd. Der Stellvertreter ist mit dem Herrn, bis ihn der Herr zu sich ruft. Wer meint, daß das Petrus-Charisma für die Leitung Seiner Kirche jemand anderem gegeben ist als dem Papst, ist im Irrtum. Der Papst hat das Petrus-Charisma. Und schließlich ist, wie bereits gesagt, der Appell Johannes Pauls II. für die Einheit der Kirche und den Frieden auf der Welt heute sehr viel stärker, sehr viel eindrucksvoller als vor 25 Jahren.
Johannes Paul II. vor dem Bildnis der Seligen Jungfrau Maria beim Sanktuarium Unserer Lieben Frau vom Rosenkranz in Pompeji (7. Oktober 2003).
CASTRILLÓN HOYOS: Ich mag keine Polemiken. Der Film, den ich gesehen habe, schien mir gut gemacht zu sein, genau in der Rekonstruktion und der Evangeliumserzählung treu. Ich glaube nicht, daß man die Darstellung einer wahren Geschichte als allgemeine Anklage gegen ein Volk interpretieren kann. Im Film wird die Verantwortung für die Verurteilung Jesu korrekterweise einer bestimmten Gruppe von Personen in einer bestimmten Zeit zugeschrieben. Es ist klar, daß die Schuld der Väter nicht auf deren Kinder oder Kindeskinder zurückfallen kann. Auch unter meinen Vorfahren befanden sich beispielsweise Eroberer, die, als sie nach Lateinamerika kamen, Indios umgebracht haben. Und ich fühle mich nicht für deren Schuld verantwortlich, ärgere mich aber auch nicht, wenn mich jemand daran erinnert.
Hatten Sie Gelegenheit, den australischen Schauspieler und Regisseur zu treffen, der sich der Messe nach Pius V. besonders verbunden fühlt und mehrfach bezichtigt wurde, ein „Lefebvrianer“ zu sein?
CASTRILLÓN HOYOS: Ja, ich bin ihm persönlich begegnet. Ich hatte den Eindruck, daß er ein gläubiger Mensch ist, jemand, der glaubt, daß Jesus der Sohn Gottes ist. Für mich ist es kein Problem, wenn sich jemand, ein Gläubiger, einer tausendjährigen, respektablen, heiligen Tradition der Kirche besonders verbunden fühlt.