Der Appell des Bischofs von Lanzhou um Versöhnung.
Brief an meine Freunde
von Joseph Han Zhi-hai
Ich bin Bischof der Diözese Lanzhou, Nachfolger von Bischof Philip Yang. Ich gehöre der jüngeren Generation von Priestern an, die stets mit großer Bewunderung zu unserem verehrten Bischof Yang und den Priestern seiner Zeit aufblickte, die die Kirche in der schweren und kritischen Zeit vor, während und nach der Kulturrevolution leiteten. Wie Bischof Yang und die Priester seiner Zeit haben wir lange befürchtet, daß eine Gruppe chinesischer Bischöfe, Priester und Katholiken, vom Patriotischen Verband irregeführt, eine von der universalen Kirche und vom Papst entfernte, unabhängige katholische Kirche schaffen und somit in unserer Kirche ein Schisma auslösen würden. Wir haben uns geweigert, an ihren Eucharistiefeiern teilzunehmen und unseren Katholiken angeraten, dasselbe zu tun, weil es unsere Pflicht ist, die Einheit der Kirche mit der universalen Kirche und mit dem Heiligen Vater zu schützen. Das führte zu unserem tiefsten Bedauern zu Spaltungen innerhalb unserer chinesischen Kirche, aber es war uns lieber, diese Situation in Kauf zu nehmen als eine Trennung der gesamten Kirche von Rom.
In den vergangenen zwanzig Jahren konnten wir sehen, wieviele Bemühungen Papst Johannes Paul II. unternommen hat, um die Situation der chinesischen katholischen Kirche besser zu verstehen. Seine ermutigenden Worte gaben uns Kraft und Trost. Wie wir dann erfuhren, wurden einige der von der chinesischen Regierung ernannten offiziellen Bischöfe vom Heiligen Vater legitimiert und ernannt, nachdem diese darum angesucht hatten und besagtes Ansuchen überprüft und angenommen worden war. Das begann vor vielen Jahren, und zu Anfang waren wir sehr mißtrauisch, weil wir nicht viele Kontakte zu offiziellen Priestern oder Bischöfen hatten und damit auch keine Möglichkeit, die Wahrheit zu überprüfen. In der Zwischenzeit konnten wir die Kontakte zu diesen offiziellen Priestern jedoch ausbauen und in Erfahrung bringen, daß bereits der Großteil der offiziellen Bischöfe nun in Einheit mit dem Papst und der universalen Kirche steht. Zusammen mit den inoffiziellen Bischöfen stellen die legitimierten Bischöfe die überwiegenden Mehrheit der chinesischen Bischöfe dar.
In den letzten Jahren haben wir in unserer Diözese verschiedene Kontakte zu Priestern und Katholiken der offiziellen kirchlichen Gemeinschaft angeknüpft. Offizielle und inoffizielle Priester der benachbarten Diözese Tianshui haben die Eucharistie konzelebriert. Sie haben das getan, weil sie wiederholt gehört haben, daß der Heilige Vater uns chinesische Katholiken ermutigt, die Versöhnung voranzutreiben und die Einheit in der chinesischen katholischen Kirche wiederherzustellen, gemäß dem Wunsch Unseres Herrn Jesus Christus, der betete: „Heiliger Vater, bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins sind wie wir“ (Joh 17,11). Seit dem Moment, in dem ich (inoffizieller) Bischof der Diözese Lanzhou geworden bin, ist diese Frage stets in meinen Gedanken und in meinem Herzen: unsere Kirche muß geeint werden, ganz wie es dem Gebet Unseres Herrn Jesus und dem ausdrücklichen Wunsch des Heiligen Vaters entspricht. Aber was ist der rechte Zeitpunkt und die rechte Weise, das zu tun?
Ich muß zugeben, daß mein Herz noch von Zweifeln geplagt wird. Immerhin gibt es noch so manchen Bischof, der nicht mit dem Papst in Einheit steht. Die Haltung des Patriotischen Verbands ist zweideutig, wenn es um die Einheit mit dem Hl. Stuhl geht, die für uns wesentlich ist. Diese Zweideutigkeit ist der Grund dafür, daß verschiedene Mitbrüder im Bischofsamt der inoffiziellen kirchlichen Gemeinschaft keine große Bereitschaft zeigen, auf eine Versöhnung hinzuarbeiten, und ich kann dieses Zögern auch sehr gut verstehen. Selbst unsere Katholiken würden sich schuldig fühlen, wenn sie an einer Eucharistiefeier einer offiziellen kirchlichen Gemeinschaft teilnähmen. Einige offizielle Kirchendokumente – die „13 Punkte“ und die „8 Punkte“ – haben die inoffiziellen Katholiken in ihrer Haltung bestärkt.
Aber in den letzten Jahren hat sich viel geändert. Eine große Ermutigung ist für mich der Umstand, daß die überwältigende Mehrheit unserer Bischöfe, Priester und Katholiken derselbe Glaube mit dem Papst vereint. Aber dann wäre da noch der andere, für unsere Kirche sehr schädliche Umstand, daß wir immer noch in eine „offizielle“ und in eine „inoffizielle kirchliche Gemeinschaft“ aufgespalten sind, und getrennt die Eucharistie feiern, wo doch die Eucharistie genau der Moment ist, in dem unsere Einheit geschaffen und gefeiert wird. Darin liegt ein Widerspruch.
Ich bin immer mehr davon überzeugt, daß wir das Gebet unseres Herrn Jesus „damit sie eins sind wie wir“ nicht länger beiseite schieben können. Als Bischof, Hirt der Herde der Diözese Lanzhou, komme ich nicht umhin, folgenden Appell an meine Mitbrüder im Bischofsamt zu richten: laßt uns die chinesischen Katholiken von dieser zweideutigen Situation der Spaltung befreien. Der oft wiederholte Wunsch des Papstes – beispielsweise anläßlich des 400. Jahrestages der Ankunft von Matteo Ricci in Peking –, uns zu vereinen, zeigt, daß frühere Kirchendokumente, in denen von gemeinsamen Eucharistiefeiern inoffizieller und offizieller Katholiken abgeraten wurde, keine Gültigkeit für unsere Gläubigen mehr haben, wenn sie an der von einem Bischof oder Priester zelebrierten Eucharistiefeier teilnehmen, der seine Einheit mit dem Heiligen Vater und der universalen Kirche erklärt hat, da es die Eucharistie ist, die Einheit fördert. Wir müssen zugeben, daß sich für die Kirche in China eine neue Situation herauszukristallisieren beginnt, wir neue Initiativen ergreifen müssen. Ich schlage daher meinen Mitbrüdern im Bischofs- und Priesteramt – der inoffiziellen wie auch der offiziellen kirchlichen Gemeinschaften – vor, konkretere Schritte in Richtung der Einheit in der chinesischen katholischen Kirche zu unternehmen.
Lassen Sie uns alle – Bischöfe und Priester – unserer Gemeinschaft von Gläubigen klarmachen, daß wir in Glaubenseinheit mit dem Heiligen Vater und der universalen Kirche stehen, damit unmißverständlich klar wird, wo wir stehen. Dann können wir friedvoll, aber mutig fortfahren, einander zu begegnen und in der Eucharistie unsere Einheit in Christus und in dem einzigen Vater aller zu feiern. Das ist es, worum der Herr Jesus Christus gebetet hat und was der Heilige Vater von uns allen erwartet.
Zuversichtlich glaube ich, daß es in der chinesischen Kirche zu einer Erneuerung kommen wird, wenn wir mutig und bereitwillig genug sind, das zu tun. Unsere Einheit im Glauben wird der Liebe zu unserem Land keinen Abbruch tun, sondern wird, ganz im Gegenteil, unsere Fähigkeit stärken, mit vereinten Kräften am Aufbau und der Modernisierung unseres Landes mitzuarbeiten.
Bischof Jospeh Han Zhi-hai
Bischof von Lanzhou (Gansu)Juli 2003
In den vergangenen zwanzig Jahren konnten wir sehen, wieviele Bemühungen Papst Johannes Paul II. unternommen hat, um die Situation der chinesischen katholischen Kirche besser zu verstehen. Seine ermutigenden Worte gaben uns Kraft und Trost. Wie wir dann erfuhren, wurden einige der von der chinesischen Regierung ernannten offiziellen Bischöfe vom Heiligen Vater legitimiert und ernannt, nachdem diese darum angesucht hatten und besagtes Ansuchen überprüft und angenommen worden war. Das begann vor vielen Jahren, und zu Anfang waren wir sehr mißtrauisch, weil wir nicht viele Kontakte zu offiziellen Priestern oder Bischöfen hatten und damit auch keine Möglichkeit, die Wahrheit zu überprüfen. In der Zwischenzeit konnten wir die Kontakte zu diesen offiziellen Priestern jedoch ausbauen und in Erfahrung bringen, daß bereits der Großteil der offiziellen Bischöfe nun in Einheit mit dem Papst und der universalen Kirche steht. Zusammen mit den inoffiziellen Bischöfen stellen die legitimierten Bischöfe die überwiegenden Mehrheit der chinesischen Bischöfe dar.
In den letzten Jahren haben wir in unserer Diözese verschiedene Kontakte zu Priestern und Katholiken der offiziellen kirchlichen Gemeinschaft angeknüpft. Offizielle und inoffizielle Priester der benachbarten Diözese Tianshui haben die Eucharistie konzelebriert. Sie haben das getan, weil sie wiederholt gehört haben, daß der Heilige Vater uns chinesische Katholiken ermutigt, die Versöhnung voranzutreiben und die Einheit in der chinesischen katholischen Kirche wiederherzustellen, gemäß dem Wunsch Unseres Herrn Jesus Christus, der betete: „Heiliger Vater, bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins sind wie wir“ (Joh 17,11). Seit dem Moment, in dem ich (inoffizieller) Bischof der Diözese Lanzhou geworden bin, ist diese Frage stets in meinen Gedanken und in meinem Herzen: unsere Kirche muß geeint werden, ganz wie es dem Gebet Unseres Herrn Jesus und dem ausdrücklichen Wunsch des Heiligen Vaters entspricht. Aber was ist der rechte Zeitpunkt und die rechte Weise, das zu tun?
Ich muß zugeben, daß mein Herz noch von Zweifeln geplagt wird. Immerhin gibt es noch so manchen Bischof, der nicht mit dem Papst in Einheit steht. Die Haltung des Patriotischen Verbands ist zweideutig, wenn es um die Einheit mit dem Hl. Stuhl geht, die für uns wesentlich ist. Diese Zweideutigkeit ist der Grund dafür, daß verschiedene Mitbrüder im Bischofsamt der inoffiziellen kirchlichen Gemeinschaft keine große Bereitschaft zeigen, auf eine Versöhnung hinzuarbeiten, und ich kann dieses Zögern auch sehr gut verstehen. Selbst unsere Katholiken würden sich schuldig fühlen, wenn sie an einer Eucharistiefeier einer offiziellen kirchlichen Gemeinschaft teilnähmen. Einige offizielle Kirchendokumente – die „13 Punkte“ und die „8 Punkte“ – haben die inoffiziellen Katholiken in ihrer Haltung bestärkt.
Aber in den letzten Jahren hat sich viel geändert. Eine große Ermutigung ist für mich der Umstand, daß die überwältigende Mehrheit unserer Bischöfe, Priester und Katholiken derselbe Glaube mit dem Papst vereint. Aber dann wäre da noch der andere, für unsere Kirche sehr schädliche Umstand, daß wir immer noch in eine „offizielle“ und in eine „inoffizielle kirchliche Gemeinschaft“ aufgespalten sind, und getrennt die Eucharistie feiern, wo doch die Eucharistie genau der Moment ist, in dem unsere Einheit geschaffen und gefeiert wird. Darin liegt ein Widerspruch.
Ich bin immer mehr davon überzeugt, daß wir das Gebet unseres Herrn Jesus „damit sie eins sind wie wir“ nicht länger beiseite schieben können. Als Bischof, Hirt der Herde der Diözese Lanzhou, komme ich nicht umhin, folgenden Appell an meine Mitbrüder im Bischofsamt zu richten: laßt uns die chinesischen Katholiken von dieser zweideutigen Situation der Spaltung befreien. Der oft wiederholte Wunsch des Papstes – beispielsweise anläßlich des 400. Jahrestages der Ankunft von Matteo Ricci in Peking –, uns zu vereinen, zeigt, daß frühere Kirchendokumente, in denen von gemeinsamen Eucharistiefeiern inoffizieller und offizieller Katholiken abgeraten wurde, keine Gültigkeit für unsere Gläubigen mehr haben, wenn sie an der von einem Bischof oder Priester zelebrierten Eucharistiefeier teilnehmen, der seine Einheit mit dem Heiligen Vater und der universalen Kirche erklärt hat, da es die Eucharistie ist, die Einheit fördert. Wir müssen zugeben, daß sich für die Kirche in China eine neue Situation herauszukristallisieren beginnt, wir neue Initiativen ergreifen müssen. Ich schlage daher meinen Mitbrüdern im Bischofs- und Priesteramt – der inoffiziellen wie auch der offiziellen kirchlichen Gemeinschaften – vor, konkretere Schritte in Richtung der Einheit in der chinesischen katholischen Kirche zu unternehmen.
Lassen Sie uns alle – Bischöfe und Priester – unserer Gemeinschaft von Gläubigen klarmachen, daß wir in Glaubenseinheit mit dem Heiligen Vater und der universalen Kirche stehen, damit unmißverständlich klar wird, wo wir stehen. Dann können wir friedvoll, aber mutig fortfahren, einander zu begegnen und in der Eucharistie unsere Einheit in Christus und in dem einzigen Vater aller zu feiern. Das ist es, worum der Herr Jesus Christus gebetet hat und was der Heilige Vater von uns allen erwartet.
Zuversichtlich glaube ich, daß es in der chinesischen Kirche zu einer Erneuerung kommen wird, wenn wir mutig und bereitwillig genug sind, das zu tun. Unsere Einheit im Glauben wird der Liebe zu unserem Land keinen Abbruch tun, sondern wird, ganz im Gegenteil, unsere Fähigkeit stärken, mit vereinten Kräften am Aufbau und der Modernisierung unseres Landes mitzuarbeiten.
Bischof Jospeh Han Zhi-hai
Bischof von Lanzhou (Gansu)Juli 2003