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ERINNERUNG AN BEGEGNUNGEN
Aus Nr. 01/02 - 2009

Zum 4. Todestag von Don Luigi Giussani (15. Oktober 1922 – 22. Februar 2005)

Er nimmt sich einer Sache an, die ein Nichts ist, und rettet sie



von Rose Busingye


Don Luigi Giussani und Rose Busingye.

Don Luigi Giussani und Rose Busingye.

Persönlich kennen gelernt habe ich Don Giussani im Sommer 1990. Ich war nach Corvara gereist, und als ich ins Hotel kam, sah ich dort einen Mann, der betete. Es war Luigi Giussani, aber ich kannte ihn damals noch nicht. Wir haben gemeinsam den Aufzug betreten und er drehte sich um und sagte zu mir: Du bist doch Rose! Darauf folgte eine lange und herzliche Umarmung; die Aufzugtür öffnete und schloß sich, ohne dass jemand den Knopf gedrückt hätte, um ihn wieder in Bewegung zu setzen.
Ich hatte damals in 30Giorni einen Artikel gelesen, in dem Don Giussani von den Memores Domini sprach. Er sagte, dass Christus jeden Moment des Lebens und alle Aspekte des Lebens annehmen könne. Da sagte ich mir, dass Jesus, wenn er nur wollte, auch meine Wenigkeit, meine Unfähigkeit annehmen könnte, so wie sie war. Man hatte mich schon gewarnt, dass ich erst nach 10 Jahren Noviziat Mitglied der Memores Domini werden könnte. „Mein lieber Jesus, wie lange dauert es nur, zu Dir zu kommen!“ dachte ich mir. Als mir Don Gius dann eröffnete, dass ich sofort eintreten könnte, hatte ich Bedenken. „Weißt Du eigentlich, wie alt ich bin? Ich weiß nicht einmal, wer diese Memores sind,“ sagte ich. „Aber Jesus liebst Du doch?“, fragte mich Giussani. „Ja, das schon…,“ antwortete ich. „Und Du willst ihm Dein Leben geben?“ „Ja, mein Leben... In meinem Leben gibt es zwar nichts von Bedeutung, was ich Jesus geben könnte, aber wenn er das will, dann will ich ihm dieses Nichts gerne geben.“ Da erhob sich Giussani und rief aus: „Auf was wartest Du dann noch? Geh hinaus und sag es allen! Einfach allen! Alle denken nämlich, dass sie Jesus etwas von Bedeutung zu geben haben, und dann ist es so, als würden sie das ganze Leben lang auf die Belohnung warten. Wo doch er es ist, der eine Sache, die keine Bedeutung hat, annimmt und sie rettet.“
So war er, Don Gius. Ich trinke keinen Wein, und er forderte mich trotzdem jedes Mal auf: „Trink doch ein bisschen Wein, Du wirst sehen, wie gut er schmeckt! Weißt Du denn überhaupt, wie Wein gemacht wird?“. Und dann erklärte er dir alles über Reben, Weinlese, Fässer, Weinkeller – und zuletzt hast du dann doch Wein getrunken… Es war schön, so seine Mahlzeiten einzunehmen, Dinge zu essen und zu trinken, die man noch nie gegessen oder getrunken hatte.
Don Gius ließ dich alles ausprobieren. Und er sprach mit dir nicht über Gott. Es war nicht notwendig, von Gott zu sprechen. Er sagte immer, dass ein Kind keine Schwierigkeiten dabei hat zu beschreiben, wie sein Papa ist: es weiß, wie er Grimassen schneidet, die Muskeln anspannt... Und es muss ihn auch gar nicht beschreiben. Man muss sich einfach nur das Kind ansehen und sagt dann: es ist ganz der Vater! Es verhält sich auf eine Weise, die der des Vaters ähnelt. Giussani sagte, dass wir nicht in Christus versunken sind, und dass wir aus diesem Grund soviel, so unerträglich viel, über Christus reden. Wer dagegen von Christus ergriffen ist, der ist verändert. Man sieht, wie er die Dinge berührt, wie er isst und trinkt, und denkt sich: wie isst er nur! Auch ich würde gerne so essen wie er. Die Dinge so tun, wie er sie tut.
Einmal bin ich zu ihm gegangen, und da hat er mir etwas über die Muttergottes gesagt. Dass wir es nämlich der Muttergottes zu verdanken hätten, dass wir besser verstehen, wie die Menschlichkeit Christi wirkt, der vielleicht, wenn er einen Bettler oder eine Hure angesehen hat, darum bat, dass sich deren Schicksal erfüllen möge. Die Muttergottes hat getan, worum Gott sie gebeten hatte. Genau das. Sie hat nicht allen Predigten gehalten. So hätten wir uns nicht verhalten. Wenn uns passiert wäre, was ihr passiert ist, hätten wir es sicher gleich überall ausposaunt, allen erzählt: Der Engel des Herrn ist zu mir gekommen und hat zu mir gesprochen! Don Gius sagte mir: „Wenn Du wirklich willst, dass die Menschen gerettet werden, dann tritt einen Schritt zurück und bitte darum, dass es passiert. Denn am Ende kannst Du nur den, der Dich retten kann bitten, dass er, wenn er will, auch die rettet, die Dir am Herzen liegen.“
Wie dem auch sei: wann immer du Don Giussani getroffen hast, hast du gleich gemerkt, wie schön es war, mit ihm zusammen zu sein. Und auch wenn du nichts verstanden hast, so doch zumindest eines: wie gern du wieder kommen wolltest, morgen und übermorgen gleich wieder! Wenn sie ihn zum Ausruhen auf sein Zimmer brachten, sagte er immer zu mir: „Geh nicht weg, warte noch auf mich. Bis später.“ Wir haben uns nie voneinander verabschiedet. Die letzten Worte waren immer die gleichen: bis später. Einmal rief er mich an. „Kommst Du nicht nach Italien?“. „Gius, ich bin hier, in Kampala, ich habe eigentlich nicht vor, zu kommen.“ Und er: „Nun komm schon! Komm doch her!“. Und schon setzte ich mich ins Flugzeug und fragte mich während der ganzen Reise, was er mir wohl sagen wollte. Dann kam ich an, wir begrüßten uns und er meinte nur: „Es gibt nichts Besonderes. Ich wollte Dich einfach nur sehen.“
Für meine Freundinnen vom „Meeting Point“ ist er wie ein Vater. Sie haben ihre Kinder Luigi genannt, wissen gar nicht, was dieser Name bedeutet. Sie tun es nicht, weil er mein Freund ist: was mir gehört, gehört auch ihnen, und deshalb ist Don Gius auch ihr großer Freund geworden. Sie würden sein Bild am liebsten an alle Bäume Afrikas hängen.
Er fehlt mir sehr. Doch dafür sieht er das, was wir brauchen, jetzt schon vorher – noch bevor wir uns selbst dessen bewusst werden.


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