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REPORTAGE AUS DER...
Aus Nr. 03 - 2009

Die Bischöfe von Bukavu


Munzihirwa wurde ermordet, Kataliko ins Exil geschickt, Mbogha erlitt am Tag seiner Amtseinsetzung einen Schlaganfall. Die Geschichte der letzten drei Bischöfe der Erzdiözese Bukavu.


von Davide Malacaria


Die Kathedrale von Bukavu. Im Vordergrund, das Grab von Msgr. Christophe Munzihirwa. [© Reuters/Contrasto]

Die Kathedrale von Bukavu. Im Vordergrund, das Grab von Msgr. Christophe Munzihirwa. [© Reuters/Contrasto]

In Bukavu gibt es einen Ort, der viele Erinnerungen birgt. Er befindet sich – ein bisschen abseits – auf dem Platz vor der Kathedrale. Hier liegen, eines neben dem anderen, die Gräber der letzten drei Erzbischöfe von Bukavu. Ein diskreter Ort, der einen kontinuierlichen, stillen Pilgerstrom anzieht. „Ich glaube nicht, dass es noch eine andere Diözese in Afrika, ja auf der ganzen Welt gibt, wo in nur 12 Jahren vier Bischöfe aufeinander gefolgt sind,“ sagt Don Justin Nkunzi, Verantwortlicher der Kommission für Gerechtigkeit und Frieden in Bukavu. Und damit meint er den Tribut, den die Erzdiözese an den Krieg entrichten musste. Die außergewöhnliche Geschichte der Vorgänger des derzeitigen Erzbischofs ist es wert, erzählt zu werden. Zumindest ansatzweise.
Dass die Lage im Oktober 1996 mehr als gespannt war, erfahren wir von Pater Sebastiano Amato, dem damaligen Ökonom der Diözese Bukavu. Msgr. Christophe Munzihirwa versuchte mit allen Mitteln, die erhitzten Gemüter zu beruhigen, Menschen, deren Leben in Gefahr war, in Sicherheit zu bringen. In der Öffentlichkeit nahm er kein Blatt vor den Mund, wenn es darum ging, auf die blutige Tragödie aufmerksam zu machen, die sich mit dem Krieg im Kongo abzuzeichnen begann. An jenem Tag hatte es Flächenbombardierungen gegeben, die sogar nachts weitergingen. Aber auch das konnte Msgr. Munzihirwa nicht einschüchtern, ihn nicht zum Schweigen bringen. Einige Tutsi-Schwestern hatte er bereits in Sicherheit gebracht. Am Morgen des 29. Oktober wurde Bukavu von den Ruandesen eingenommen. Msgr. Munzihirwa war wieder einmal unterwegs; wollte seinen Pfarrmitgliedern Trost spenden. Sein Auto wurde an einer Straßenabsperrung angehalten; er stieg aus, das Kruzifix in der Hand. Die Soldaten zögerten. Augenzeugen berichten, dass einer von ihnen in ein Funkgerät sprach, als würde er um Instruktionen bitten. Dann führten sie den Bischof zu einem Tor. Sie zwangen ihn, niederzuknien – und streckten ihn mit einem Kopfschuss kaltblütig nieder. Das Tor ist immer noch dort, an diesem Platz, den man nach Munzihirwa benannt hat. Sie haben auch ein schönes Foto des Bischofs dort angebracht. Es zeigt ihn mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen.
Im Mai 1997 wurde Emmanuel Kataliko zum Erzbischof von Bukavu ernannt. Als er sein Amt antrat, war der Krieg gerade auf dem Höhepunkt. Msgr. Kataliko musste seine Stimme laut erheben, um den Waffenlärm zu übertönen, die Welt wissen zu lassen, welche Gräueltaten sein Volk erdulden musste. Besonders in seinen Briefen ging er unbarmherzig mit den Mächtigen dieser Welt ins Gericht, flehte um Hilfe und ermahnte die Seinen, zu Jesus zu beten, auf ihn zu vertrauen. Besonders die Instrumentalisierung des ruandischen Völkermords als Rechtfertigung für die Invasion des Kongo wird in seinen Schriften immer wieder scharf verurteilt. So schrieb er in einem Brief an den Episkopat der Vereinigten Staaten, kurz vor Weihnachten 1998: „Das Regime von Kigali versucht unentwegt, aus dem Völkermord [in Ruanda, Anm.d.Red.] Kapital zu schlagen, indem es der westlichen Welt ihre Untätigkeit, ihr nicht erfolgtes Eingreifen vorhält.“ Und weiter: „Wir fragen uns, ob nur die Sieger das Recht haben, sich als Opfer eines Völkermords zu bezeichnen. Oder gesteht man auch den Besiegten das Recht zu, sich gegen derartige Gewaltakte zu verwehren? Müssen wir erst das Ende des Massakers abwarten, bis wir von Völkermord sprechen dürfen? Aber da der Völkermord an den Tutsi ja als der einzig wirklich wichtige betrachtet wird, sollten wir uns zumindest darüber einig werden, wer von uns denn nun objektiv die direkte und indirekte, externe und interne Verantwortung dafür trägt, bevor wir die Gruppe unterstützen, die die Exklusivrechte auf den Völkermord für sich beansprucht. Man darf auch nicht vergessen, dass es ein Völkermord war, der alle betroffen hat – die Ruandesen genauso wie die Hutu und die Tutsi. Die internationale Gemeinschaft sollte in der Lage sein, zu verhindern, dass ein Völkermord – etwas, das sich heute gar so gut verkauft – geplant oder toleriert wird, um Profit daraus schlagen zu können.“ An einer anderen Stelle beklagt er den Umstand, dass die internationale Gemeinschaft oft taub zu sein scheint: „Die Welt will nicht hören, dass eine Ideologie in Umlauf gebracht wurde, die alles andere relativ erscheinen lässt. Der ‚ideologisch‘ gewordene Völkermord funktioniert wie ein Blankoscheck, den die derzeitige US-Administration für Ruanda und Uganda ausgestellt hat, damit alle umliegenden Gemeinschaften tun und lassen können, was sie wollen und ungestraft davonkommen.“
Er nahm kein Blatt vor den Mund, dieser Kirchenmann, der auch des Öfteren darum bat, dass doch Klarheit gemacht werde über das, was in Ruanda tatsächlich passiert ist. So erinnerte er beispielsweise daran, dass die Resolution vom 27. April 1994 gerade von den USA gewollt war. Eine Resolution, die praktisch das Ende der UNO-Mission bedeutete und die Hutu-Schlächter ungestört schalten und walten ließ. Dann, im Oktober 1999, stets im Zusammenhang mit der tatsächlichen Verantwortung für die Morde in Ruanda, schrieb er: „Niemand darf den Völkermord rechtfertigen, der Ruanda 1994 in die Knie gezwungen hat. Die wahren Verantwortlichen sind immer noch nicht ausfindig gemacht worden. Niemand will sagen, wer den Zündknopf betätigt hat: diejenigen, die Habyarimana ermordet haben [den Präsidenten Ruandas, der am 6. April 1994 ermordet wurde, Anm.d.Red.].“ In diesem Zusammenhang, und hier beziehen wir uns nicht mehr auf die Briefe Katalikos, sondern auf die Strafgerichtshöfe, hat die französische Staatsanwaltschaft unlängst Rose Kabuye verhaftet, eine enge Mitarbeiterin des ruandischen Präsidenten Paul Kagame.
Ein anderes, von Kataliko immer wieder angesprochenes Thema waren die hinter diesem Krieg steckenden ausländischen Interessen, insbesondere die der Amerikaner. Und die Ausbeutung der Naturschätze seitens multinationaler Konzerne. Zu Weihnachten 1999 schrieb er: „Ausländische Mächte organisieren mit Hilfe einiger kongolesischer Brüder und Schwestern Kriege um die Ressourcen unseres Landes. Diese Ressourcen, die eigentlich für unsere Entwicklung genutzt werden sollten, für die Ausbildung unserer Kinder, für die Behandlung unserer Kranken; kurzum: damit wir ein besseres und menschenwürdigeres Leben führen können, werden dazu benutzt, uns zu töten.“
Über die immer mehr überhand nehmenden Morde auch an Kirchenmännern schrieb er im Mai 1999, dass die Kirche zur „Zielscheibe“ geworden sei und sich eine „Strategie“ ausbreite, „die darauf abzielt, all das zu zerstören, was dem afrikanischen Volk heilig ist.“ Eine Feststellung, die auch in seinem dramatischsten Brief wiederkehrt. Dem, den er am Heiligen Abend 1999 geschrieben hat: „Unsere Kirche wurde nicht verschont. Zahlreiche Pfarreien und Klöster wurden geplündert. Priester, Ordensmänner und –frauen wurden misshandelt, gefoltert und getötet, weil sie zu der himmelschreienden Ungerechtigkeit, die unser Volk erdulden muss, nicht schweigen können, Aussöhnung und Vergebung vorantreiben wollen, nicht Gewalt.“ Und weiter, am Schluss: „Mutig und entschlossen, fest im Glauben, stehen wir den Unterdrückten zur Seite, wenn es sein muss, sind auch wir bereit, unser Blut zu vergießen [...]. Das Evangelium lasse uns den Weg der Waffen und der Gewalt als Ausweg aus dem Konflikt ablehnen. Unser Leid und unsere Gebete mögen uns die Schlacht der Freiheit führen lassen; sie werden auch unsere Unterdrücker zur Vernunft bringen und sie die innere Freiheit erlangen lassen.“ Ein rührendes, unmissverständliches Zeugnis des Glaubens. Das von jenen, die sich so gut aufs Manipulieren verstehen, als etwas ganz anderes ausgelegt wird: Msgr. Kataliko wird bezichtigt, Hass zu schüren und zu einem neuen Völkermord anzustacheln. Die Autorität des RCD erklärt ihn zur unerwünschten Person. Am 12. Februar 2000 geht der Bischof ins Exil.
Der Trauergottesdienst für Msgr. Emmanuel Kataliko. [© Associated Press/LaPresse]

Der Trauergottesdienst für Msgr. Emmanuel Kataliko. [© Associated Press/LaPresse]

Für die Diözese ein schwerer Schlag. Die Priester, die Bevölkerung und die Missionare versammeln sich jede Woche, machen auf die vielen Fälle von Verletzungen der Menschenrechte ie Wege des Herrn sind wirklich unergründlich. Ein paar Tage nach seiner Rückkehr wurde Kataliko nach Rocca di Papa, nahe Rom, gerufen, wo er an der Bischofssynode für Afrika teilnehmen sollte. Am 4. Oktober erlitt er einen tödlichen Herzinfarkt.
Es ist schwierig, in Bukavu jemanden zu treffen, der tief in seinem Herzen nicht glaubt, dass der Bischof vergiftet wurde. Doch auch hier können wir leider nur Vermutungen anstellen. Beweise gibt es nicht. Eines können wir jedoch mit Sicherheit sagen: die erlebten Tragödien und das lange Exil haben der Gesundheit des Kirchenmannes sicher nicht gut getan. Wie sollte man also die vielen – um nicht zu sagen; alle – Gläubigen der Diözese nicht verstehen, die ihn ebenso als Märtyrer betrachten wie Msgr. Munzihirwa.
Ein nicht weniger trauriges Schicksal ereilte Msgr. Charles Mbogha Kambale, der im März 2001 zum Nachfolger Katalikos berufen wurde. Eine düstere Fügung des Schicksals wollte es, dass er gerade am Tag seines Einzugs in die Diözese Bukavu einen Schlaganfall erlitt. Weshalb es ihm auch praktisch bis zu seinem Tod im Oktober 2005 nicht mehr möglich war, sich um seine Gläubigen zu kümmern.
Geschichten, die von einem schlimmen Schicksal berichten, von einer besonderen Vorliebe, den Plänen Gottes gemäß, die – wie Pater Brentegani sagt – nicht die unsrigen sind.


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