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EDITORIAL
Aus Nr. 05 - 2009

Den Päpsten entgegen


Es stimmt zwar, dass Pius XII. und De Gasperi nicht immer einer Meinung waren, wer aber glaubt, dass es deshalb ernst zu nehmende Kontraste zwischen ihnen gegeben hätte, ist auf dem Holzweg.


Giulio Andreotti


Alcide De Gasperi im Vatikan (11. Febraur 1949, 20. Jahrestag der Unterzeichnung der Lateranverträge).

Alcide De Gasperi im Vatikan (11. Febraur 1949, 20. Jahrestag der Unterzeichnung der Lateranverträge).

Ich weiß nicht, ob die an Alcide De Gasperi ergangene Einladung, an der im privaten Rahmen organisierten Aufführung eines Theaterstücks von Paul Claudel teilzunehmen, vom Papst selbst oder vom Autor gekommen war. Gut erinnere ich mich aber daran, wie herzlich der Präsident im Apartment von Pius XII. empfangen wurde. Es stimmt zwar, dass Pius XII. und De Gasperi nicht immer einer Meinung waren, wer aber glaubt, dass es deshalb ernst zu nehmende Kontraste zwischen ihnen gegeben hätte, ist auf dem Holzweg. Ich erwähne diese Episode, weil ich selbst dabei war und bezeugen kann, wie herzlich besagte Begegnung verlaufen ist.
Es steht außer Zweifel, dass die Meinungen der beiden in einzelnen Themen auseinandergingen. Am meisten galt das wohl in der Frage der Kommunisten: der Papst, der in seiner Zeit in den Nuntiaturen in München und Berlin miterleben musste, zu welchen Gewaltakten die Kommunisten fähig waren, hatte eine instinktive Abneigung gegen sie. Und als der Zirkel von Franco Rodano – entstanden auf Initiative des Jesuitenpaters Prosperini – über das vernünftige Maß hinausging, reagierte der Papst mit der entsprechenden Härte. Ich habe bereits bei einer anderen Gelegenheit auf eine Initiative seinerseits hingewiesen, die man vielleicht sogar als gewagt bezeichnen könnte: als 1943 angekündigt wurde, dass der Papst eine Ansprache zu der Beziehung zwischen Katholiken und Kommunisten halten würde, erlaubte ich mir, ihm zu schreiben, dass er doch bitte nicht unsere Freunde erwähnen sollte (die im Gefängnis waren). Er sagte kein Wort, und fragte mich ein paar Tage später – ich war in der Gruppe, der er eine Audienz gewährte – mit ernstem Tom: „War alles gut so?“.
Wer diese Zeiten nicht selbst erlebt hat, kann vielleicht nicht verstehen, vor welchen Schwierigkeiten wir damals standen; wie orientierungslos auch die Aktivisten unter den Katholiken angesichts der vielen verschiedenen Gesichtspunkte waren, die auch in den eigenen Reihen vertreten wurden. Wir „Fucini“ [Vereinigung katholischer Studenten, Anm.d.Red.] legten sehr viel Wert darauf, uns von der politischen Opposition gegen den Kommunismus zu distanzieren – und mit dieser politischen Linie hatte der Papst Schwierigkeiten, was besonders für De Gasperi galt. Wenig hilfreich war dann noch, dass so manch einer den „Ungehorsam“ De Gasperis nur allzu gerne aufbauschte.
Der Präsident war damals eine leichte Zielscheibe für all jene, die – verschiedene Bereiche durcheinanderbringend – nicht mit Kritik und Vorbehalten sparten.
De Gasperi selbst sah in der politischen Zusammenarbeit der Kommunisten mit uns Katholiken eine Art Apostolats-Werkzeug. Viele aber taten es als Häresie ab – oder doch zumindest als etwas, das eine wenig konsequente Einstellung verriet. Die Maxime, dass wer den Herrn liebt stets Gutes vollbringt, ist nicht leicht zu akzeptieren.
Benedikt XVI. mit Giulio Andreotti, Präsident der Alcide-De- Gasperi-Stiftung (Sala Regia, 20. Juni 2009). [© Osservatore Romano]

Benedikt XVI. mit Giulio Andreotti, Präsident der Alcide-De- Gasperi-Stiftung (Sala Regia, 20. Juni 2009). [© Osservatore Romano]

Ich will hier nicht so weit gehen, mir die theoretische Frage zu stellen, ob die Katholiken nach diesem Erdenleben die Möglichkeit haben, die positiven Auswirkungen (oder auch nicht) dessen zu sehen, was sie in Gang gebracht haben. Hier gilt jedoch der Verweis, dass rechtschaffene Menschen eher bei den anderen Freunde finden als in den eigenen Reihen.
All das scheint heute lange zurückzuliegen; vielleicht aber auch nicht. Wir standen damals vor schwierigen Entscheidungen, und es war nicht immer einfach, alle an einem Strang ziehen zu lassen. Als besonders positiv einzuschätzen ist jedenfalls der Umstand, dass – damals wie heute – die Verschiedenheit der Meinungen als positiv betrachtet wird.
Als Denkanstoß in dieser Richtung erschienen mir auch die Worte, mit denen Papst Benedikt XVI. vor ein paar Tagen den Ehrerweis von uns unverbesserlichen „Degasperianern“ entgegennahm.
Es haben sich viele (nicht nur zweitrangige) Dinge geändert, aber es gibt Realitäten und Ziele, die nur eine mögliche Entwicklungstendenz haben. Vielleicht kann uns das Vorbild De Gasperis heute mehr denn je eine Orientierungshilfe sein. Ihn den jungen Menschen von heute nahezubringen ist unsere Sendung.


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