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KIRCHE
Aus Nr. 08 - 2009

Begegnung von Benedikt XVI. mit Priestern, Diakonen und Seminaristen aus Südtirol (Brixen, 6. August 2008)

„Auch ich habe im Lauf der Zeit erkannt...“


„Auch ich habe im Lauf der Zeit erkannt, daß wir eher dem Vorbild des Herrn folgen müssen, der sehr offen war gegenüber den Menschen, die in jener Zeit in Israel zu den Ausgegrenzten gehörten. Er war ein Herr der Barmherzigkeit, der – für viele offizielle Autoritäten – allzu offen war gegenüber den Sündern, die er einlud oder sich von ihnen zu ihren abendlichen Mahlfeiern einladen ließ und sie auf diese Weise in die Gemeinschaft mit sich hereinnahm.“


Worte von Papst Benedikt XVI. an den Klerus der Diözese Brixen


Benedikt XVI. bei dem Gebets-und Katechestreffen mit den Erstkommunionkindern auf dem Petersplatz (15. Oktober 2005).

Benedikt XVI. bei dem Gebets-und Katechestreffen mit den Erstkommunionkindern auf dem Petersplatz (15. Oktober 2005).

„Als ich jung war, war ich eher streng. Ich sagte: Die Sakramente sind Sakramente des Glaubens, und wo kein Glaube und keine Glaubenspraxis sind, da darf auch das Sakrament nicht gespendet werden. Als ich Erzbischof von München war, kam es immer zu Diskussionen mit meinen Pfarrern: auch da gab es zwei Fraktionen, eine strenge und eine weniger strenge. Auch ich habe im Lauf der Zeit erkannt, daß wir eher dem Vorbild des Herrn folgen müssen, der sehr offen war gegenüber den Menschen, die in jener Zeit in Israel zu den Ausgegrenzten gehörten. Er war ein Herr der Barmherzigkeit, der – für viele offizielle Autoritäten – allzu offen war gegenüber den Sündern, die er einlud oder sich von ihnen zu ihren abendlichen Mahlfeiern einladen ließ und sie auf diese Weise in die Gemeinschaft mit sich hereinnahm.
Ich würde also im wesentlichen sagen, daß die Sakramente natürlich Sakramente des Glaubens sind: wo keine Glaubenssubstanz vorhanden ist, wo die Erste Heilige Kommunion nur ein Fest mit einem üppigen Mittagessen, schönen Kleidern und schönen Geschenken ist, da wäre sie kein Sakrament des Glaubens mehr. Wenn wir aber andererseits noch eine kleine Flamme des Wunsches nach Gemeinschaft mit der Kirche sehen können, auch den Wunsch dieser Kinder, die in die Gemeinschaft mit Jesus hineingenommen werden wollen, da scheint es mir berechtigt, ein wenig nachsichtiger zu sein. Selbstverständlich muß ein wichtiger Aspekt unserer Katechese darin bestehen, den Menschen zu vermitteln, daß die Kommunion, die Erste Heilige Kommunion, nicht ein „punktuelles“ Ereignis ist, sondern daß sie die ständige Pflege der Freundschaft mit Jesus erfordert und ein Weg mit Jesus ist. Ich weiß, daß die Kinder oft die Absicht und den Wunsch haben, sonntags zur Messe zu gehen, daß aber die Eltern diesem Wunsch oft nicht entsprechen. Wenn wir sehen, daß die Kinder es wollen, daß sie den Wunsch haben, zur Messe zu gehen, dann scheint mir das gleichsam ein „Begierdesakrament“ zu sein, ein „Votum“ für die Teilnahme an der sonntäglichen Meßfeier. In diesem Sinn müßten wir natürlich im Rahmen der Vorbereitung auf die Sakramente das Bestmögliche tun, um auch die Eltern zu erreichen und sozusagen auch in ihnen die Sensibilität für den Weg, den ihre Kinder zurücklegen, zu wecken. Sie sollten ihren Kindern dabei helfen, ihrem Wunsch entsprechend mit Jesus Freundschaft zu schließen, denn er verleiht dem Leben und der Zukunft Gestalt. Wenn die Eltern den Wunsch haben, daß ihre Kinder zur Ersten Heiligen Kommunion gehen, dann sollte dieser eher soziale Wunsch zu einem religiösen Wunsch werden, um den Weg mit Jesus möglich zu machen.
Ich würde also sagen, daß bei der Kinderkatechese die Arbeit mit den Eltern sehr wichtig ist. Sie ist eine jener Gelegenheiten, sich mit den Eltern zu treffen und dabei das Glaubensleben auch den Erwachsenen nahezubringen. So können sie selbst – so scheint mir – von den Kindern den Glauben neu lernen und verstehen, daß dieses große Fest nur dann einen Sinn hat und wirklich wahrhaftig und authentisch ist, wenn es im Kontext eines Weges mit Jesus, im Kontext eines Lebens aus dem Glauben heraus begangen wird. Man sollte daher mit Hilfe der Kinder die Erwachsenen ein wenig von der Notwendigkeit überzeugen, einen Weg der Vorbereitung zu gehen, der sich in der Teilnahme an den Mysterien zeigt und der dazu beiträgt, diese Mysterien lieben zu lernen. Ich würde sagen, daß diese Antwort eher unzureichend ist, aber die Pädagogik des Glaubens ist immer ein Weg. Wir müssen die heutigen Situationen annehmen, sie jedoch auf etwas Größeres hin öffnen, damit am Schluß nicht nur die Erinnerung an etwas Äußerliches bleibt, sondern das Herz wirklich angerührt werde. In dem Augenblick, in dem wir zu dieser Überzeugung gelangen, wird das Herz berührt, es verspürt ein wenig die Liebe Jesu und den Wunsch, auf dieser Linie und in dieser Richtung weiterzugehen. Dann, so scheint mir, können wir mit Fug und Recht behaupten, daß wir wahre Katechese gehalten haben. Der eigentliche Sinn der Katechese sollte nämlich darin bestehen: die Flamme der Liebe Jesu – auch wenn sie noch so klein ist – in die Herzen der Kinder zu bringen und durch die Kinder zu ihren Eltern. Auf diese Weise können wir in unserer Zeit von neuem den Zugang zu den Orten des Glaubens eröffnen.“


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