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DEMOKRATISCHE REPUBLIK KONGO
Aus Nr. 12 - 2009

Kongo: der Kampf geht weiter


Im Januar 2009 schlossen die Demokratische Republik Kongo, Ruanda und Uganda diplomatische und militärische Abkommen ab. Eine Zeit des Friedens schien angebrochen – doch weit gefehlt. Und nun hat man die Kirche in Kivu im Visier, die die an der Zivilbevölkerung begangenen Verbrechen anprangert.


von Davide Malacaria


„Der Kommandant der gemeinsamen Operationen […] informiert die Öffentlichkeit, dass der Fluchtversuch des ehemaligen Generals Laurent Nkunda vereitelt wurde. Er konnte am Donnerstag, 22. Januar, um 22.30 Uhr, verhaftet werden.“ So wurde im Januar 2009 angekündigt, dass die ruandischen und kongolesischen Truppen dem Kapitel Nkunda ein Ende gesetzt hatten – jenem Kriegsherren, der die Kivu-Region im Osten der Demokratischen Republik Kongo [nachfolgend nur Kongo genannt, Anm.d.Red.] in einen Schlachthof verwandelt hatte. Nach Jahren der Feindseligkeiten schien in dem Gebiet, in dem sich in den letzten 15 Jahren einer der tragischsten Völkermorde Afrikas zugetragen hat, endlich eine Jahreszeit des Friedens angebrochen zu sein. Doch weit gefehlt.

Flüchtlinge der Stadt Kiwanja, Nord-Kivu (November 2008). [© AFP/Getty Images]

Flüchtlinge der Stadt Kiwanja, Nord-Kivu (November 2008). [© AFP/Getty Images]

Der Konflikt
Viereinhalb Millionen Opfer (wahrscheinlich aber sehr viel mehr) haben die beiden Kriege gefordert, die der Kongo von 1996 bis 2003 erlebt hat. Es waren Kriege, bei denen es um die Kontrolle der östlichen Gebiete des Landes ging.Kriege, in denen Ruanda, Uganda (und Burundi) zuerst gegen die heruntergekommenen kongolesischen Truppen kämpfen mussten, dann gegen die kriegerischsten Teile der lokalen Bevölkerung, die Mai-Mai-Milizen, und schließlich gegen die aus Mitgliedern anderer afrikanischer Nationen zusammengesetzten (besonders Angola und Namibia, Alliierte Kinshasas im letzten Konflikt). Nicht umsonst wird dieser Krieg mit dem bekanntesten Völkermord in Ruanda in Verbindung gebracht: 1994 wurden ca. 800.000 Menschen von Hutus ermordet, darunter auch Angehörige der Tutsi und des gemäßigteren Teils der Hutus. Zwei Jahre nach den Massakern beschloss die Regierung in Kigali, wo inzwischen die aus Uganda gekommenen Tutsi das Sagen hatten, die Drahtzieher des Völkermords anzugreifen. Diese hatten sich aus Furcht vor Racheakten mit einer großen Zahl flüchtender Zivilisten in die östlichen Gebiete des Kongos zurückgezogen.
Dann, nach Jahren der Massaker, Plünderungen und Vergewaltigungen, kam 2003 endlich der lang ersehnte Frieden. Im Osten aber, in den Regionen Ituri und Kivu, ging der Kampf weiter, Werk der vielen Kriegsherren, die mit den angrenzenden Ländern, besonders Ruanda und Uganda, in Verbindung standen. Einer der letzten dieser Kriegsherren, der blutrünstige Laurent Nkunda (in Wahrheit Nkundabatware, ein ruandischer Nachname, der abgekürzt wurde, um kongolesisch zu klingen) wurde, wie bereits gesagt, im Januar 2009 verhaftet. Es schien das Vorspiel zu einer Zeit der Ruhe zu sein. Zum ersten Mal nach jahrelangen Feindseligkeiten hatten Ruanda, Uganda und Kongo nicht nur ein Friedensabkommen, sondern auch eines über militärische Zusammenarbeit abgeschlossen. Ruanda wurde zugestanden, auf kongolesischem Territorium die Demokratischen Kräfte für die Befreiung Ruandas zu verfolgen, die FDRL („Forces démocratiques de libération du Rwanda“), denen vorgeworfen wird, die Drahtzieher des ruandischen Völkermords (die sogenannten Interahamwe) in ihre Reihen aufgenommen zu haben. Uganda dagegen durfte auch weiter die Rebellen der Lord‘s Resistance Army (LRA, „Widerstandsarmee des Herrn“) verfolgen. Aber die Massaker unter der Zivilbevölkerung gehen weiter. Und damit auch der Exodus von Zehntausenden von Personen, die beschlossen haben, der Gewalt zu entfliehen.
Die Kivu-Region wird nämlich von zersprengten bewaffneten Banden unsicher gemacht, die sich durch Schmuggel mit wertvollen Mineralien finanzieren. Die mächtigste und am besten organisierte ist die FDRL. Aber es gibt noch mehr: die „Rally for Unity and Democracy“ (Rud-Urunana), einige Gruppierungen der Mai-Mai; die „Front Républicain Fédéraliste“ (FRF); zu den Kräften der Nationalen Befreiungsfront (FNL) gehörende Gruppen, die beim Morden biblische Psalmen aufsagen; die patriotische „Alliance du peuple pour un Congo libre et souverain“ (APCLS), usw. „In Wahrheit stehen hinter all diesen Gruppen dieselben Personen und Interessen,“ erläutert Msgr. Melchisedec Sikuli Paluku, der Bischof von Butembo-Ben, einer Diözese in Nord-Kivu, auf seiner Durchreise in Italien. „Wir glauben, dass hinter den Kriegen, die dem Kongo einen hohen Blutzoll abfordern, ein Plan steckt, ein internationales Projekt, mit dem der Osten, die reichste Zone des Landes, vom Rest der Nation abgespalten werden soll. Dieser Plan wird auf verschiedene Weisen umgesetzt. Eine davon können wir alle beobachten: Das Territorium soll ‚unregierbar‘ gemacht werden, damit es zum Niemandsland wird, sich der Kontrolle der lokalen und nationalen Autoritäten entzieht und die Naturschätze in aller Ruhe geplündert werden können. Die letzte Stufe zielt darauf ab, die Kivu-Region zu einer autonomen Provinz zu machen, wovon natürlich vor allem die Mineralgesellschaften und die multinationalen westlichen Unternehmen profitieren würden. Man hätte die Region dann nämlich in den Einflussbereich der angrenzenden Staaten Ruanda und Uganda gebracht. Die blutigen Kriege, der Terror, zielen darauf ab, die Bevölkerung zu demoralisieren, damit die Menschen die obige Perspektive letztendlich als eine Art Befreiung sehen. Und diese Strategie hat die Bischofskonferenz des Kongo mit einem einzigen Wort definiert: Balkanisierung.“
Die Ausbeutung der Minen in Kivu erfolgt systematisch: Die bewaffneten Banden kontrollieren in ihren jeweiligen Territorien die Grabungen, schmuggeln die Mineralien dann in die angrenzenden Staaten, wo sie „gewaschen“ und an die großen multinationalen Unternehmen „abgestoßen“ werden können. Besonders an die aus dem Westen.
Komplizierter werden die Dinge dann noch durch den erbärmlichen Zustand der kongolesischen Armee, die unfähig ist, den Übergriffen ein Ende zu setzen, wenn es den jeweiligen Interessengruppen nicht in den Kram passt. Das Problem ist, dass die kongolesischen Truppen im Lauf der verschiedenen Friedensprozesse die Milizen der früheren Kriegsherren rekrutiert haben. Als besonders tragischer Fehler hat sich laut letztem UNO-Bericht die Aufnahme von ehemaligen Elementen des CNDP (Nationalkongress zur Verteidigung des Volkes, „Congrès national pour la défense du peuple“) erwiesen, der einst Nkunda unterstand. Viele ehemalige CNDP-Spitzen haben inzwischen auch hohe Ämter in der regulären Armee inne. „In dem UNO-Bericht wird erklärt, wie die verschiedenen Gruppierungen, besonders die FDLR, von der kongolesischen Armee mit Waffen ausgerüstet wurden. Besonders auffällig sind die Kontakte zwischen diesen Bewegungen und den einstigen Offizieren des CNDP. Und das wirft wiederum die Frage auf, welche Beziehungen zwischen den vermeintlichen Gegnern eigentlich wirklich bestehen...“: kommentiert Pater Loris Cattani, Mitglied des Friedensnetzes für den Kongo, einem Verband von Missionarsfamilien, die in dem zentralafrikanischen Land wirken. „In Wahrheit,“ fährt Pater Cattani fort, „ist das, was sich in Kivu abgespielt hat, gar nicht so schwer zu verstehen: Was der CNDP mit dem von Nkunda ausgelösten Krieg nicht geschafft hat, das ist ihm durch den Frieden und die Eingliederung seiner Männer in die kongolesische Armee gelungen. Mit dem Unterschied, dass vorher nur Nord-Kivu kontrolliert wurde, man den Einfluss nun aber auch auf Süd-Kivu ausweiten konnte... Im Moment scheint es, als herrsche ein Klima der Aussöhnung, das ab und zu von sporadischen Ausbrüchen von Gewalt gestört wird. Aber ich befürchte Schlimmes. Besonders der CNDP drängt darauf, dass einige seiner Mitglieder in die Zentralregierung aufgenommen werden. Und wenn sie erst einmal dort sitzen, werden sie ein Referendum über die Selbstbestimmung des Kivu vorschlagen, um eine autonome Region daraus zu machen. Das Problem ist, dass die aus vielen Ethnien zusammengesetzte Bevölkerung niemals akzeptieren wird, von einer einzigen – den Tutsi – regiert zu werden. Und damit ist der nächste Krieg schon vorprogrammiert... Das unterschätzt die internationale Gemeinschaft meiner Meinung nach sehr.“ Wie gesagt: Balkanisierung.
François Xavier Maroy Rusengo, war gezwungen, in seine Heimat zurückzukehren. Nur einen Tag später wurde auch die von den Maristenbrüdern geleitete Schule von Nyangezi angegriffen und geplündert. Im Dezember erreichten die Angriffe auf die Kirche von Bukavu ihren Höhepunkt: Am 6.12. wurde Don Daniel Cizimya vor dem Pfarrhaus von Kabare ermordet, Tags darauf das Kloster von Murhesa überfallen und Sr. Dénise Kahambu ermordet. Don Richard Mugaruka, der Diözesan-Priester, der an der Universität von Kinshasa unterrichtet, analysiert diese Verbrechen in einem Dokument, das für das Krisenkomitee der Erzdiözese Bukavu vorgesehen ist und sich mit den Ursachen der Terrorakte gegen die Erzdiözese befasst. Dort steht wiederholt zu lesen, dass diese kein Zufall sind. So heißt es: „Zeugenaussagen zufolge wurden diese wiederholten, direkten Angriffe auf Kirchenmänner und Ordensleute der Erzdiözese Bukavu meist von bewaffneten Männern in Militäruniform begangen. Das muss herausgestellt werden.“
Die Ursachen des Terrors sind also vor allem in dem Umstand zu suchen, dass „die Priester und Ordensleute unbequeme Zeugen der Raubzüge, der Massaker, der Menschenrechtsverletzungen sind, die nach 1996 in dieser Region überhand genommen haben.“ Und unbequem sind sie auch heute noch – fährt Don Mugaruka fort. Die Ortskirche, die schon immer für die Unterdrückten eingetreten ist, wird angegriffen, um „den Widerstand des Volkes gegen die ruandische Hegemonie zu brechen.“
Man hat nun also die Kirche ins Visier genommen. Priester und Nonnen werden im Kongo nämlich nicht im Namen des islamischen Fundamentalismus ermordet, sondern im Namen des Fortschritts und der multinationalen Unternehmen des Westens. Vielleicht macht das Ganze deswegen so wenig Schlagzeilen.
Dieses Klima der Einschüchterungen und Drohungen hat auch der Bischof von Butembo-Beni zu spüren bekommen. Msgr. Sikuli Paluku war oft gezwungen, sein Quartier zu wechseln. Als wir ihn aber fragen, ob er bedroht worden ist, winkt er nur ab und setzt ein verschmitztes Lächeln auf (wenn ihr nicht werdet wie die Kinder...). Der Bischof will sich offensichtlich nicht äußern. Aber wir lassen nicht locker. Und schließlich gibt er nach: „Die Kirche denkt anders über diese Dinge; sie vertraut auf die göttliche Vorsehung.“ Und da ist es wieder, dieses Lächeln, eine Mischung aus wissendem Verstehen und Sich-ins-Schicksal-Fügen. „Als man mir von diesen Drohungen erzählte, habe ich nur gesagt: Und was ist, wenn nach mir ein Bischof kommt, der die Verbrechen gegen das Volk noch mehr anprangert?“.

Die Begräbnisfeier von Msgr. Emmanuel Kataliko.

Die Begräbnisfeier von Msgr. Emmanuel Kataliko.

Die Diffamierungsstrategie
Dort, wo man unbequeme Zeugen nicht physisch eliminieren kann, gibt es immer noch das schlagkräftige Mittel der Diffamierung. Laut dem Dokument von Pater Mugaruka ist eine Kampagne im Gang, die die Religionsführer und Politiker der Region verunglimpfen, sie als Rassisten und Tutsi-Feinde darstellen soll. „Damit versucht man, den kongolesischen Volkswiderstand in Kivu zu brechen“ – und die hegemonische Politik von Kigali. Eine Manipulierung, die – so der Priester – die öffentliche Meinung im Westen durchaus vergiften kann. So ist es auch kein Zufall, wenn „die Erzdiözese Bukavu immer noch keine Finanzhilfen aus den Ländern der Europäischen Union erhält.“
Und schließlich wurde die Verleumdungsstrategie in diesem Krieg ja auch früher schon praktiziert. Man denke nur an den Fall Msgr. Emmanuel Kataliko, Nachfolger von Msgr. Christophe Munzihirwa in der Leitung der Erzdiözese Bukavu. Letzterer hatte schon in den 1990er Jahren vor der Gefahr einer Balkanisierung der Region gewarnt und war am ersten Kriegstag prompt von ruandatreuen Milizen ermordet worden. Auch Kataliko wollte nicht schweigen und versuchte, die internationale Gemeinschaft auf die im Kongo begangenen Verbrechen aufmerksam zu machen. Man schickte ihn ins Exil, weil er geschrieben hatte, dass die Kirche „allen Unterdrückten“ zur Seite stehen würde, und „falls notwendig“, auch bereit wäre, „Blutzoll zu zahlen.“ Damit hatte er den Vorwurf der Anstiftung zum Völkermord in der Tasche. Er starb nur eine Woche nach der Rückkehr aus dem Exil.
Auch die Missionare, die schon immer an der Seite der unterdrückten Bevölkerung wirken, sind inzwischen Opfer einer Verleumdungskampagne geworden. Ende November, eine Woche vor der Ermordung des Priesters und der Nonne der Erzdiözese Bukavu, wurden in italienischen Zeitungen bereits einzelne Passagen des letzten UNO-Berichts veröffentlicht. Obwohl es in dem Bericht sicher sehr viel dramatischere und wichtigere Themen gegeben hätte, sind gerade jene Teile „durchgesickert“, in denen nicht nur spanische katholische NGOs, sondern auch italienische Missionare bezichtigt werden, Beziehungen zu den Rebellen zu unterhalten. Vor allem zwei Xaverianer hat man an den Pranger gestellt: den in Kasongo tätigen Pater Pier Giorgio Lanaro und Pater Franco Bordignon, der sich in den vergangenen Jahrzehnten für die Achtung der Menschenrechte in der Region eingesetzt hat. In einem Telefongespräch dementierte der Verantwortliche der Xaverianer in Kongo jedoch kategorisch, dass die von Pater Lanaro geschickten Fonds in die Hände der Rebellen geraten seien, die sich damit Waffen beschafft haben sollen. „In dem Teil des Berichts, in dem von unserem Mitbruder die Rede ist, kann man keinen Hinweis auf Waffen finden. Weder im Bericht selbst, noch im Anhang. Man darf auch nicht vergessen, dass in diesen Zonen tätige Missionare wie Pater Lanaro mit Ausnahmesituationen konfrontiert sind. Nicht selten sind die Mitglieder der bewaffneten Banden, die oft ihre Familien im Schlepptau haben, von der geplagten Bevölkerung nicht zu unterscheiden. Zu entscheiden, wie man da am besten helfen kann, ist oft eine Gratwanderung.“ Sehr viel detaillierter fiel die offizielle Antwort der Xaverianer-Kongregation aus, die die Vorwürfe in einem Pressekomunique Punkt für Punkt ausgeräumt hat. So berichten die Xaverianer, dass Pater Lanaro einen dubiosen „Kollegen“ kennen gelernt hätte, der sich als Priester ausgab und ihn mit seinen zweifelhaften Machenschaften kompromittieren konnte. Die Missionare verweisen auch darauf, dass in besagtem Bericht eine Bank und ein Konto in Bukavu erwähnt werden, auf das Fonds geflossen sein sollen, die angeblich für die FDLR bestimmt waren. Konto und Fonds existieren aber nicht. Pater Lanaro wird auch vorgeworfen, Ignace Murwanashyaka, den Präsidenten der FDLR im Exil (in Deutschland) angerufen zu haben. Gespräche, mit denen man aber – wie es im Komunique der Xaverianer heißt – lediglich Informationen über Massaker sammeln wollte, die auf seinem Territorium verübt worden waren. Außerdem ist schon die in dem Bericht angegebene Summe lächerlich: die Rede ist von ca. 2.000 Euro, die für den Kauf von Zelten gebraucht worden wären. Pater Bordignon ist der Ökonom der Xaverianer dieser Zone: einer, der es eigentlich wissen müsste... Ein „Giftköder“ also, den man für die UNO-Experten ausgelegt hat.
Auch aus Spanien kamen Solidaritätsbezeugungen mit den spanischen NGOs, die hier durch den Fleischwolf gedreht werden. Pater Cattani macht darauf aufmerksam, dass besagte NGOs für eine Kampagne eingetreten sind, die die Morde an einigen ihrer Landsleute aufklären helfen soll. Und dass die spanische Staatsanwaltschaft auf diesen Druck hin Ermittlungen eingeleitet hat, die zum selben Ergebnis gekommen sind wie schon die französischen Ermittlungen, die zum Haftbefehl gegen den Protokollchef des ruandischen Präsidenten Paul Kagame geführt haben.

Laurent Nkunda. [© AFP/Getty Images]

Laurent Nkunda. [© AFP/Getty Images]

Internationale Interessen
Der Bericht macht vielleicht auch deshalb so perplex, weil in einem solchen Kontext nur schwer Ermittlungen angestellt werden können. Der Teil, der sich mit dem Waffenschmuggel befasst, beschränkt sich beispielsweise auf die Frage, wie sich die reguläre kongolesische Armee mit Waffen versorgt hat. An anderen Stellen wird wiederum ausführlich beschrieben, welch enge Beziehung die verschiedenen bewaffneten Banden in den angrenzenden Ländern unterhalten, die das gemeinsame Interesse am Mineralien-Schmuggel und an neuen Rekruten für ihre Truppen verbindet. Wie soll man glauben können, dass von diesen Sponsoren keine einzige Pistole gekommen ist? Auch die Rolle, die Ruanda in dem Konflikt hat, scheint sehr heruntergespielt zu werden – wo viele Dokumente doch das genaue Gegenteil beweisen. An einer Stelle wird in dem Bericht jedoch ein aufschlussreicher Hinweis gegeben: dort nämlich, wo angemerkt wird, dass Nkunda auch von seinem ruandischen Gefängnis aus noch Kontakte zu seinen Kameraden vom CNDP unterhält, ja sogar Militärversammlungen vorsteht. Und dann wäre da noch die Frage des Koltans (gebraucht zur Herstellung von Computer- und Handyteilen), dem vielleicht wertvollsten Material des Kivu (das die größten Vorkommen der Welt hat). Die über Ruanda laufenden Schmuggelgeschäfte werden so gut wie nie erwähnt, die mit anderen wertvollen Mineralien, die über andere angrenzende Staaten abgesetzt werden, dagegen schon.“ Einige dieser Aspekte wurden schon in vorherigen UNO-Berichten behandelt. Vielleicht wollte sich die diesjährige Arbeitsgruppe jetzt nicht mehr damit befassen,“ meint Pater Cattani und räumt ein: „Meiner Meinung nach hat dieses Dokument viele Vorzüge. Vor allem den, dass herausgestellt wird, was viele Beobachter schon seit geraumer Zeit wissen: die gemeinsamen Militäroperationen zur Niederschlagung der bewaffneten Banden haben nur noch mehr Leid über die Bevölkerung gebracht. Der große Einfluss, den die ehemaligen Mitglieder des CNDP in der kongolesischen Armee haben und die Beziehungen zwischen den Männern aus den Reihen Nkundas und den bewaffneten Faktionen sind gut dokumentiert. Und dem müsste die internationale Gemeinschaft Rechnung tragen. Außerdem wäre es im Grunde ganz einfach, die Geldquelle der bewaffneten Banden versiegen zu lassen: Man müsste nur den Weg der wertvollen Mineralien verfolgen, die aus dem Kongo stammen.“
In Wahrheit stehen hier sehr viele Interessen auf dem Spiel. „Das gespannte Klima im Osten der Demokratischen Republik Kongo, das weder Frieden noch Krieg ist,“ schreibt Don Mugaruka in seiner Analyse „begünstigt die illegale Ausbeutung der natürlichen und strategischen Ressourcen, an denen dieser Teil des Landes so reich ist. Die Verantwortlichen sind staatliche und nicht-staatliche Mafia-Strukturen, die Kriege schüren und ihre Stützpunkte in den angrenzenden Ländern haben, vor allem in Ruanda, Uganda und Burundi. Die verschiedenen Berichte der UNO-Experten haben gezeigt, dass diese Mafia-Netze noch immer aktiv sind, weil sie auf die Komplizenschaft der Nachbarstaaten und anderer – westlicher und asiatischer – Länder zählen können. Länder, deren Identität schon lange kein Geheimnis mehr ist.“
Starke Interessen, eine komplexe Situation. Und das alles zeigt, wie kompliziert die Dinge im Kongo stehen. Ignace Murwanashyaka, Präsident des FDLR, wurde von der deutschen Staatsanwaltschaft verhaftet. Gegen ihn werden schwere Anklagen erhoben. Eine Maßnahme, die die Aussöhnung und den Dialog zu begünstigen scheint. Obwohl vielleicht in Wahrheit – wie gut informierte Quellen der kongolesischen Zivilgesellschaft verlauten lassen – das Gegenteil der Fall ist: Seit April 2009 führte Murwanashyaka humanitäre Verhandlungen, die darauf abzielen, das Leid der in den von den Rebellen kontrollierten Zonen eingeschlossenen Zivilbevölkerung zu lindern. In der Zwischenzeit sind viele ehemaligen Spitzen des CNDP – an vorderster Front der ehemalige Oberstabschef Nkundas, der schrecklicher Verbrechen bezichtigt wird – auch weiterhin mit dem Schutz der kongolesischen Bevölkerung betraut...
Die Lage im Kongo ist verzwickt. Und die internationale Gemeinschaft muss alles in ihrer Macht Stehende tun, um sie in den Griff zu bekommen, wenn man die ohnehin tragische Situation nicht in einen neuen Völkermord ausarten lassen will. Die Namen der Verantwortlichen stehen schon jetzt in den UNO-Dokumenten geschrieben.


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