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IRAK
Aus Nr. 02/03 - 2010

„Der Papst tut auch aus der Ferne Gutes“


„An eines kann ich mich gut erinnern: das, was der Papst beim Angelus vom 28. Februar über uns Iraker gesagt hat. Wir haben uns alle gefreut, Christen und Muslime gleichermaßen.“ Der chaldäische Patriarch, Kardinal Emmanuel III. Delly, über seinen Besuch in Mosul.


von Patriarch Emmanuel III. Delly


Patriarch Emmanuel III. Delly. [© Associated Press/LaPresse]

Patriarch Emmanuel III. Delly. [© Associated Press/LaPresse]

Als ich nach Mosul gereist bin, wollten sich auch der Gouverneur und der Chef der Sicherheitskräfte mit mir treffen. Ich habe mich also mit meinem Mitbruder im Bischofsamt Emil Nona, dem hiesigen chaldäischen Erzbischof, zu ihnen begeben. In unserem Land leben Christen und Muslime schon seit Jahrhunderten zusammen. Wir wollen nichts anderes als Frieden, und in der Tat haben uns unsere Gesprächspartner zu verstehen gegeben, wie sehr sie bedauern, was passiert ist und auch weiterhin passiert. Und sie meinen es ernst.
Wir wissen, dass diese Gewaltakte auch vor unseren geliebten muslimischen Mitbrüdern nicht Halt machen. Es sind Ungerechtigkeiten, die das gesamte irakische Volk betreffen. In Al Kosh, einem kleinen Ort in der Nähe von Mosul, habe ich einem Kloster meinen Besuch abgestattet, wohin sich viele christliche Familien geflüchtet haben; andere Familien hatte ich bereits im Kloster Sankt Georg in Mosul getroffen. Väter, Mütter, Jugendliche und Kinder, die alles, was sie besaßen, zurücklassen mussten – alles, außer dem Glauben an den Herrn.
Die Behördenvertreter brachten ihr Bedauern zum Ausdruck, das stimmt. Aber wer verteidigt diese armen Menschen? Sie sind Opfer von Banditen, deren Identität wir nicht kennen. Aber das bedeutet nicht, dass die Christen keine Hilfe bräuchten.
Einmal hat man mir sogar gesagt: warum wird immer dann soviel Aufhebens gemacht, wenn die Gewaltakte gegen die Christen gerichtet sind? Gewiss, auch ich sage, dass das Böse im Irak alle trifft, aber eine Antwort habe ich doch: die Gewalt gegen die Christen ruft deshalb so große Empörung hervor, weil sie friedliche, wehrlose Menschen trifft. Ihre Waffen sind das Gebet und die Liebe zum Herrn. Bisher sind 425 christliche Familien aus Mosul geflohen, und sie werden kaum sagen, dass sie gegangen sind, weil sie bedroht wurden, sondern werden ihrer Angst die Schuld geben.
Sie haben zu Recht Angst, früher oder später aber werden sie zurückkehren. Das hoffe ich zumindest, und ich sage ihnen immer, dass wir, wenn diese Wellen der Gewalt erst einmal zu Ende sind, gewinnen werden. Und nicht nur wir allein, sondern gemeinsam mit dem, der uns die Kraft gibt: dem Herrn.
In Mosul habe ich bei der Messe eine Predigt gehalten. „Habt keine Angst“: so lautet die Frohbotschaft des Herrn für uns. Wir dürfen keine Angst haben. Auch wenn man uns alles Mögliche angetan hat, so lassen wir uns doch nicht zerstören, denn unser Glaube ist konkret und stark. Wir lassen uns nicht aufhalten. Das Erbe unserer Väter im Glauben wird niemals begraben, ausgelöscht sein.
Dass der Irak unsere Heimat ist, ist geschichtlich erwiesen. Und wenn wir hier geblieben sind, dann, um unsere Heimat aufzubauen. Und zwar mit allen gemeinsam, besonders mit allen Menschen guten Willens. Wir wollen nicht, dass man uns zu beruhigen versucht, uns falsche Hoffnungen macht oder Mitleid mit uns zeigt. Wir wollen auch keine Warnungen hören, die nur noch mehr Spannungen schaffen. Was wir brauchen, sind konkrete Maßnahmen, um das Problem der fehlenden Sicherheit in den Griff zu bekommen, um Brücken des Vertrauens zu bauen. Und um das Leid von den Häusern unserer Gläubigen fernzuhalten. Was wir verlangen, sind Menschlichkeit und Nächstenliebe; wir wollen, dass man uns Frieden bringt, nicht Betrug. Das Schicksal der irakischen Christen darf keine Partie sein, die in den Stadien der Politik gespielt wird.
Bei der Messe habe ich gesagt: „In Erwartung des Osterfestes harren wir aus im Beten und Fasten.“ Mögen sich die Herzen wieder auf Gott besinnen und Buße tun. Wir bitten Maria, ihre liebende und schützende Hand über unser Land zu halten. Sie ist die Mutter des Beistands, dessen wir in diesen Tagen so dringend bedürfen.
In Mosul konnte ich die sunnitischen Religionsführer treffen, die mir ihre Solidarität bekundet haben.
Und an eines kann ich mich gut erinnern: das, was der Papst beim Angelus vom Sonntag, 28. Februar, über uns Iraker gesagt hat. Wir haben uns alle gefreut, Christen und Muslime gleichermaßen.


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