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„In ihm ist nichts enthalten, das nicht die Gemüter derer, die das heiligste Opfer darbringen, zu Gott emporrichtet“
Archiv 30Tage
„In ihm ist nichts enthalten, das nicht die Gemüter derer, die das heiligste Opfer darbringen, zu Gott emporrichtet“
So heißt es im dogmatischen Dekret De sanctissimo sacrificio missae des Konzils von Trient über den Römischen Kanon.
von Lorenzo Cappelletti
Aus dem dogmatischen Dekret des Konzils von Trient
über das heiligste messopfer
„Und da Heiliges heilig verwaltet werden soll und dieses Opfer das Heiligste von allem ist, hat die katholische Kirche, damit es würdig und ehrfürchtig dargebracht und empfangen werde, vor vielen Jahrhunderten den heiligen Kanon eingeführt, der so von allem Irrtum rein ist, daß nichts in ihm enthalten ist, das nicht in höchstem Maße den Duft einer gewissen Heiligkeit und Frömmigkeit verströmen läßt und die Gemüter derer, die es darbringen, zu Gott emporrichtet. Er besteht nämlich sowohl aus den Worten des Herrn selbst als auch aus den Überlieferungen der Apostel und ferner den frommen Einrichtungen heiliger Päpste.“
Der erste Akt der XXII.
Sitzung vom 17. September 1562 in Trient, in der die Lehre und die Kanones
über das Meßopfer bestätigt werden sollten, war ein
ökumenischer Akt, der augenscheinlich nichts mit der Frage zu tun
hatte: das Verlesen der Gehorsamserklärung des Patriarchen von Mosul,
Ebed-Jesus. Er war bereits Ende des vorherigen Jahres aus dem heutigen
südlichen Irak nach Rom gekommen, um von Papst Paul IV. die
Bestätigung seiner Ernennung zu erhalten. Ebed-Jesus war kein
Geringerer als der Vorgänger von Raphael Bidawid, dem heutigen
Patriarchen der Chaldäer – nicht gerade ein Heiliger, auch
wenn er offiziell von diesem Moment an Bagdad mit Rom verband. Er
behauptete – so wissen wir von Kardinal Da Mula, der damit beauftragt
war, ihn zu empfangen –, daß mehr als 200.000 Christen zu
seinem Sitz gehörten und daß sie, die Chaldäer, ihren
Glauben von den Aposteln Thomas und Thaddäus und von Mari, deren
Jünger, erhalten hatten, daß sie alle Bücher des Alten und
Neuen Testaments besaßen und darüber hinaus noch die
Übersetzungen vieler griechischer und lateinischer Kirchenväter,
sowie andere Schriften, die den Lateinern nicht bekannt waren und auf die
apostolische Zeit zurückgingen; daß sie die Ohrenbeichte
pflegten, fast dieselben Sakramente hatten wie die Römische Kirche (iisdem fere quibus nos),
Heiligenbilder verehrten und ebenso wie die Römer für ihre
Verstorbenen beteten. Aber damit nicht genug: Sie benutzten fast denselben
Kanon, der in Rom gebräuchlich war (Canone
iisdem fere verbis in celebranda missa).
Als seine Erklärung verlesen wurde war Ebed-Jesus, mit reichen Gaben versehen (amplis muneribus), übrigens bereits wieder in seine Heimat zurückgekehrt, da, wie er sagte, seine Anwesenheit dort unbedingt notwendig war. Die Historiker dagegen sind der Meinung, daß „der wahre Grund dafür, daß er sich nicht in Trient sehen ließ der Umstand war, daß er keine der Sprachen des Abendlandes verstand“ (siehe Hubert Jedin). Er hätte also von dem, was in der Sitzung über das Meßopfer und denRömischen Kanon gesagt wurde, ohnehin kein Wort verstanden. Außerdem stellten es die Chaldäer auch gar nicht in Frage. Und so schloß Kardinal Da Mula sein oben erwähntes Vorstellungsschreiben: „Die unbegründeten Argumente der Ketzer sind schon allein deshalb widerlegt, weil die Würde der Kirche und die Heilslehre, die von Menschen, die uns nahestehen, angefochten wird, seit 1500 Jahren dieselbe geblieben ist unter Menschen, die so weit von uns entfernt sind, inmitten so vieler Veränderungen, unter so vielen verschiedenen Königen und Königreichen, unter der hartnäckigen und steten Verfolgung durch Ungerechtigkeiten und Nachstellungen von seiten der Ungläubigen, inmitten der Barbarei.“ Worte, die noch heute aktuell sind, wenn wir nur an den Irak oder an China denken.
In der Tat wollten die Protestanten diese Messe und vor allem denRömischen Kanon, der Ebed-Jesus so vertraut erschienen war, nicht anerkennen. Diese Weigerung war zu ihrem Banner geworden. Sie hatten auch ihre Gründe. Allgemein gesagt – schrieb der Benediktiner Gregory Dix in einem Werk, das auf die Zeit des 2. Weltkriegs zurückgeht, das aber nach wie vor ein Klassiker der Geschichte der Liturgie ist –, daß „der Leib Christi die Form einer großen, sehr menschlichen Heilsmaschine durch Sakramente angenommen hatte, von sehr menschlichen Menschen aus sehr menschlichen Motiven eingesetzt, im Namen und durch den Mechanismus eines abwesenden Christus. Eine Maschine, die ziemlich kompliziert geworden war. […] All ihre Kraft und Energie darauf verwandte, sich funktionsfähig zu erhalten. […] Die Maschine hat das Leben der Kirche in die Hand genommen und funktioniert immer noch, aber mehr kann man dazu nicht sagen.“ Die Verbreitung von jeder Art von Mißbrauch war die unmittelbare Konsequenz, und das ging soweit, daß das Konzil selbst eine Sonderkommission einsetzte, die – in Bezug auf die Meßfeier – Hunderte von Mißbräuchen feststellen konnte: das Geschwätz mit den Gläubigen vor der Messe und das selbstgefällige Gestikulieren der Priester, die Unsitte der Gläubigen, sich dem Priester direkt vor die Nase zu setzen, usw. Aber es war eine Sache, die Mißbräuche aufzudecken und wieder eine andere, die Präfation abzuschaffen, das Vaterunser durch eine moralistische Paraphrase zu ersetzen, und vor allem den Kanon abzuschaffen, da er angeblich den heidnischen Kult in die Kirche eingeführt hätte. Luther (siehe Formula Missae et Communionis, 1523; WA, Bd. 12, S.207) verglich den Römischen Kanon mit dem Altar, den Ahas an die Stelle des Bronzealtars im Tempel Salomons stellte (vgl. 2Könige 16, 7-18): „Der gottlose Ahas ließ den bronzenen Altar entfernen und durch einen anderen ersetzen, den er aus Damaskus kommen ließ. Ich spreche von dem lumpigen und scheußlichen Kanon, dieser Ansammlung von Auslassungen und Abfall: Da ist die Messe zu einem Opfer geworden, da wurden das Offertorium und söldnersche Gebete hinzugefügt, da wurden mitten ins Sanctus und ins Gloria in excelsis Sequenzen und Sätze eingebaut. […] Und noch nicht einmal heute hat man damit aufgehört, Anfügungen an diesen Kanon zu machen.“ Die anderen Reformatoren schrieben noch Schlimmeres.
Die Verteidigung des Römischen Kanons
Das Konzil von Trient trat für den Kanon ein. Das Konzil, oder zumindest ein Teil davon, siedelte für fast ein Jahr nach Bologna um, von 1547 bis 1548 (der Grund dafür war eine Typhusepidemie in Trient, wo das Konzil im Dezember 1545 eröffnet worden war), einer mühseligen, aber fruchtbaren Zeit. Die Theologen begannen vor allem damit, die Form der Messe, so wie sie sich historisch herausgebildet hatte, zu verteidigen, auf der Basis des (glücklicherweise nie mehr verworfenen) Leitprinzips, das ein anderer großer Liturgiker, Burkhard Neunheuser, so zusammenfaßt: „Reformieren, aber ohne den Kontakt zur vorherigen Periode zu verlieren, also in Weiterführung der mittelalterlichen Tradition.“ Ein Prinzip, das nicht einer petitio principii entsprach. In der Tat schrieb Dix, daß „die Implikationen des Textes der Liturgie in der Lehre und der Praxis der Zeit außer acht gelassen werden konnten, er aber wie in einem Schrein in sich nicht die mittelalterliche Lehre, aber tellen (obscuriora loca) – hieß es im Entwurf des Dekrets, Frucht der ersten Debatten –, die erläutert werden müssen. Aber das Konzil, das sich im Jahr 1551 wieder nach Trient verlegt hatte, wurde im April 1552 erneut unterbrochen. Die Unterbrechung sollte eigentlich zwei Jahre dauern. In Wahrheit wurde es allerdings erst nach 10 Jahren wieder aufgenommen, und dieser Text blieb also nichts weiter als ein Entwurf.
Im Sommer des Jahres 1562, als Ebed-Jesus schon lange wieder zu den Chaldäern zurückgekehrt war, nahm die Arbeit endlich konkrete Formen an. Jedin: „Man wurde sich in Trient dessen bewußt, daß die Lehre vom Meßopfer, die damals auf dem Programm stand, der Rechtfertigungslehre, die das Konzil 15 Jahre zuvor definiert hatte, an religiöser Bedeutung und kirchlicher Wichtigkeit in nichts nachstand – ja sie vielleicht sogar übertraf. Es ging darum, das zentrale Mysterium des Glaubens zu verstehen, in dem sich fortwährend die Vereinigung der Kirche mit ihrem Haupt vollzieht.“ Die am 20. Juli begonnene heftige Diskussion führte zu einem ersten „August-Entwurf“, der jedoch als zu lang beurteilt wurde. Einige Kirchenrechtler waren der Ansicht gewesen, es wäre überflüssig, die Lehre über das Meßopfer darzulegen; es bestand die Meinung, daß es ausreichte, den Meßkanon zu verteidigen, um die katholische Lehre vom Meßopfer auszusagen. Dennoch beschloß man, die Struktur des „August-Entwurfs“ beizubehalten, der in Analogie mit dem Dekret De iustificatione eine Reihe von Lehrkapiteln mit Kanones vorsah. So erhielten die Väter zwischen dem 4. und 5. September einen neuen Entwurf, den „September-Entwurf“, der in der feierlichen Sitzung vom 17. September angenommen werden sollte. Jener Sitzung, mit der unser Artikel begann und die „bis spät in die Nacht dauerte“ und nach der die Konzilsväter „hundemüde“ nach Hause gingen, wie die Chroniken besagen. Aber die Mühe hatte sich gelohnt. Der verzweifelte Ruf, mit dem der Bischof von Ventimiglia die Homilie der Eröffnungsmesse zu dieser Sitzung beendet hatte, war erhört worden: „Rette uns, Herr, wir gehen zugrunde!“
Keine überflüssige Anfügung
Zwischen dem 5. und 17. September hatte man überdies auch Anfügungen gemacht, darunter auch eine nicht unwesentliche an Kapitel IV, aufgrund des Beharrens und der Gebete so mancher Väter und Theologen zum Heiligen Geist. Kapitel IV sprach noch im letzten Entwurf vom Römischen Kanon als einer kirchlichen Institution, ohne irgendeinen Verweis auf seine frühen Wurzeln und die Überlieferung, der er entsprang. Nun dagegen, im definitiven Text, ohne auf das genaue Datum und die Teile seiner Zusammensetzung einzugehen und dabei stets seinen kirchlichen Ursprung herausstellend (Ecclesia catholica sacrum Canonem instituit), sagt das Konzil zu recht, daß der Kanon „vor vielen Jahrhunderten“ eingerichtet wurde und aus „den Worten des Herrn selbst“ besteht, aus den „Überlieferungen der Apostel“ und „den frommen Einrichtungen heiliger Päpste.“ Und aus diesem Grund (enim steht hier im lateinischen Text zu lesen), da es sich also um das Vermächtnis der Überlieferung handelt, ist er gegen jeden Fehler gefeit. Und nur auf der Grundlage dessen kann im entsprechenden Kanon 6 verurteilt werden, wer seine Abschaffung verlangt. Da er keine Irrtümer enthält („Er besteht nämlich sowohl aus den Worten des Herrn selbst als auch aus den Überlieferungen der Apostel und ferner den frommen Einrichtungen heiliger Päpste“), gerade aus diesem Grund (ideoque) kann er nicht abgeschafft werden.
Über die unklaren Stellen des Kanons und deren Erläuterungen, von denen noch im Entwurf von 1552 die Rede war, wird im endgültigen Text kein Wort mehr verloren. Warum, fragt man sich. „Aus Gründen der Kürze,“ – schreibt Jerome P. Theisen in einem postkonziliaren (1970) und doch schon überholten Artikel über den Römischen Kanon – und in seinen Worten scheint fast ein „leider!“ mitzuschwingen. Theisen beklagt sich darüber, daß das Konzil von Trient, besonders was den Kanon betrifft, eine reine Verteidigungshaltung eingenommen habe und nicht kreativ und wortreich gewesen sei, wie es heute gefällt. An dieser Stelle möchte ich den Leser auffordern, über folgende, vorkonziliare (1943) – allerdings nur dem Datum nach – Aussage von Dix nachzudenken: „Der Vorteil der Gegenreform lag darin, daß sie den Text einer Liturgie bewahrte, dessen Inhalt viel frühere Wurzeln als die mittelalterliche Entwicklung hatte, und damit jene alten Formulierungen bewahrte, in denen die wahre Lösung der mittelalterlichen Schwierigkeiten lag, auch wenn es seine Zeit dauerte, bevor sie die nachtridentinische Kirche für diesen Zweck benutzte. Die Protestanten dagegen verwarfen den gesamten Text der Liturgie und insbesondere jene Elemente darin, die ein echtes Dokument jener Urkirche waren, auf die sie sich wieder besinnen wollten. An seiner Stelle führten sie Ausdrücke ein, die in der mittelalterlichen Tradition, von der ihre eigene Bewegung herrührte, ihren Ursprung hatten und diese ausdrückten.“ Zweckheterogenese.
„Und da Heiliges heilig verwaltet werden soll und dieses Opfer das Heiligste von allem ist, hat die katholische Kirche, damit es würdig und ehrfürchtig dargebracht und empfangen werde, vor vielen Jahrhunderten den heiligen Kanon eingeführt, der so von allem Irrtum rein ist, daß nichts in ihm enthalten ist, das nicht in höchstem Maße den Duft einer gewissen Heiligkeit und Frömmigkeit verströmen läßt und die Gemüter derer, die es darbringen, zu Gott emporrichtet. Er besteht nämlich sowohl aus den Worten des Herrn selbst als auch aus den Überlieferungen der Apostel und ferner den frommen Einrichtungen heiliger Päpste.“
Anfang des Römischen Kanons, Römisches Meßbuch aus dem Jahr 1502, Kirchenschatz Sant‘Orso, Aosta.
Als seine Erklärung verlesen wurde war Ebed-Jesus, mit reichen Gaben versehen (amplis muneribus), übrigens bereits wieder in seine Heimat zurückgekehrt, da, wie er sagte, seine Anwesenheit dort unbedingt notwendig war. Die Historiker dagegen sind der Meinung, daß „der wahre Grund dafür, daß er sich nicht in Trient sehen ließ der Umstand war, daß er keine der Sprachen des Abendlandes verstand“ (siehe Hubert Jedin). Er hätte also von dem, was in der Sitzung über das Meßopfer und denRömischen Kanon gesagt wurde, ohnehin kein Wort verstanden. Außerdem stellten es die Chaldäer auch gar nicht in Frage. Und so schloß Kardinal Da Mula sein oben erwähntes Vorstellungsschreiben: „Die unbegründeten Argumente der Ketzer sind schon allein deshalb widerlegt, weil die Würde der Kirche und die Heilslehre, die von Menschen, die uns nahestehen, angefochten wird, seit 1500 Jahren dieselbe geblieben ist unter Menschen, die so weit von uns entfernt sind, inmitten so vieler Veränderungen, unter so vielen verschiedenen Königen und Königreichen, unter der hartnäckigen und steten Verfolgung durch Ungerechtigkeiten und Nachstellungen von seiten der Ungläubigen, inmitten der Barbarei.“ Worte, die noch heute aktuell sind, wenn wir nur an den Irak oder an China denken.
In der Tat wollten die Protestanten diese Messe und vor allem denRömischen Kanon, der Ebed-Jesus so vertraut erschienen war, nicht anerkennen. Diese Weigerung war zu ihrem Banner geworden. Sie hatten auch ihre Gründe. Allgemein gesagt – schrieb der Benediktiner Gregory Dix in einem Werk, das auf die Zeit des 2. Weltkriegs zurückgeht, das aber nach wie vor ein Klassiker der Geschichte der Liturgie ist –, daß „der Leib Christi die Form einer großen, sehr menschlichen Heilsmaschine durch Sakramente angenommen hatte, von sehr menschlichen Menschen aus sehr menschlichen Motiven eingesetzt, im Namen und durch den Mechanismus eines abwesenden Christus. Eine Maschine, die ziemlich kompliziert geworden war. […] All ihre Kraft und Energie darauf verwandte, sich funktionsfähig zu erhalten. […] Die Maschine hat das Leben der Kirche in die Hand genommen und funktioniert immer noch, aber mehr kann man dazu nicht sagen.“ Die Verbreitung von jeder Art von Mißbrauch war die unmittelbare Konsequenz, und das ging soweit, daß das Konzil selbst eine Sonderkommission einsetzte, die – in Bezug auf die Meßfeier – Hunderte von Mißbräuchen feststellen konnte: das Geschwätz mit den Gläubigen vor der Messe und das selbstgefällige Gestikulieren der Priester, die Unsitte der Gläubigen, sich dem Priester direkt vor die Nase zu setzen, usw. Aber es war eine Sache, die Mißbräuche aufzudecken und wieder eine andere, die Präfation abzuschaffen, das Vaterunser durch eine moralistische Paraphrase zu ersetzen, und vor allem den Kanon abzuschaffen, da er angeblich den heidnischen Kult in die Kirche eingeführt hätte. Luther (siehe Formula Missae et Communionis, 1523; WA, Bd. 12, S.207) verglich den Römischen Kanon mit dem Altar, den Ahas an die Stelle des Bronzealtars im Tempel Salomons stellte (vgl. 2Könige 16, 7-18): „Der gottlose Ahas ließ den bronzenen Altar entfernen und durch einen anderen ersetzen, den er aus Damaskus kommen ließ. Ich spreche von dem lumpigen und scheußlichen Kanon, dieser Ansammlung von Auslassungen und Abfall: Da ist die Messe zu einem Opfer geworden, da wurden das Offertorium und söldnersche Gebete hinzugefügt, da wurden mitten ins Sanctus und ins Gloria in excelsis Sequenzen und Sätze eingebaut. […] Und noch nicht einmal heute hat man damit aufgehört, Anfügungen an diesen Kanon zu machen.“ Die anderen Reformatoren schrieben noch Schlimmeres.
Die Verteidigung des Römischen Kanons
Das Konzil von Trient trat für den Kanon ein. Das Konzil, oder zumindest ein Teil davon, siedelte für fast ein Jahr nach Bologna um, von 1547 bis 1548 (der Grund dafür war eine Typhusepidemie in Trient, wo das Konzil im Dezember 1545 eröffnet worden war), einer mühseligen, aber fruchtbaren Zeit. Die Theologen begannen vor allem damit, die Form der Messe, so wie sie sich historisch herausgebildet hatte, zu verteidigen, auf der Basis des (glücklicherweise nie mehr verworfenen) Leitprinzips, das ein anderer großer Liturgiker, Burkhard Neunheuser, so zusammenfaßt: „Reformieren, aber ohne den Kontakt zur vorherigen Periode zu verlieren, also in Weiterführung der mittelalterlichen Tradition.“ Ein Prinzip, das nicht einer petitio principii entsprach. In der Tat schrieb Dix, daß „die Implikationen des Textes der Liturgie in der Lehre und der Praxis der Zeit außer acht gelassen werden konnten, er aber wie in einem Schrein in sich nicht die mittelalterliche Lehre, aber tellen (obscuriora loca) – hieß es im Entwurf des Dekrets, Frucht der ersten Debatten –, die erläutert werden müssen. Aber das Konzil, das sich im Jahr 1551 wieder nach Trient verlegt hatte, wurde im April 1552 erneut unterbrochen. Die Unterbrechung sollte eigentlich zwei Jahre dauern. In Wahrheit wurde es allerdings erst nach 10 Jahren wieder aufgenommen, und dieser Text blieb also nichts weiter als ein Entwurf.
Im Sommer des Jahres 1562, als Ebed-Jesus schon lange wieder zu den Chaldäern zurückgekehrt war, nahm die Arbeit endlich konkrete Formen an. Jedin: „Man wurde sich in Trient dessen bewußt, daß die Lehre vom Meßopfer, die damals auf dem Programm stand, der Rechtfertigungslehre, die das Konzil 15 Jahre zuvor definiert hatte, an religiöser Bedeutung und kirchlicher Wichtigkeit in nichts nachstand – ja sie vielleicht sogar übertraf. Es ging darum, das zentrale Mysterium des Glaubens zu verstehen, in dem sich fortwährend die Vereinigung der Kirche mit ihrem Haupt vollzieht.“ Die am 20. Juli begonnene heftige Diskussion führte zu einem ersten „August-Entwurf“, der jedoch als zu lang beurteilt wurde. Einige Kirchenrechtler waren der Ansicht gewesen, es wäre überflüssig, die Lehre über das Meßopfer darzulegen; es bestand die Meinung, daß es ausreichte, den Meßkanon zu verteidigen, um die katholische Lehre vom Meßopfer auszusagen. Dennoch beschloß man, die Struktur des „August-Entwurfs“ beizubehalten, der in Analogie mit dem Dekret De iustificatione eine Reihe von Lehrkapiteln mit Kanones vorsah. So erhielten die Väter zwischen dem 4. und 5. September einen neuen Entwurf, den „September-Entwurf“, der in der feierlichen Sitzung vom 17. September angenommen werden sollte. Jener Sitzung, mit der unser Artikel begann und die „bis spät in die Nacht dauerte“ und nach der die Konzilsväter „hundemüde“ nach Hause gingen, wie die Chroniken besagen. Aber die Mühe hatte sich gelohnt. Der verzweifelte Ruf, mit dem der Bischof von Ventimiglia die Homilie der Eröffnungsmesse zu dieser Sitzung beendet hatte, war erhört worden: „Rette uns, Herr, wir gehen zugrunde!“
Die Schlußsitzung des Konzils von Trient 1563, Gemälde von Nicolò Dorigati, 1692-1748.
Zwischen dem 5. und 17. September hatte man überdies auch Anfügungen gemacht, darunter auch eine nicht unwesentliche an Kapitel IV, aufgrund des Beharrens und der Gebete so mancher Väter und Theologen zum Heiligen Geist. Kapitel IV sprach noch im letzten Entwurf vom Römischen Kanon als einer kirchlichen Institution, ohne irgendeinen Verweis auf seine frühen Wurzeln und die Überlieferung, der er entsprang. Nun dagegen, im definitiven Text, ohne auf das genaue Datum und die Teile seiner Zusammensetzung einzugehen und dabei stets seinen kirchlichen Ursprung herausstellend (Ecclesia catholica sacrum Canonem instituit), sagt das Konzil zu recht, daß der Kanon „vor vielen Jahrhunderten“ eingerichtet wurde und aus „den Worten des Herrn selbst“ besteht, aus den „Überlieferungen der Apostel“ und „den frommen Einrichtungen heiliger Päpste.“ Und aus diesem Grund (enim steht hier im lateinischen Text zu lesen), da es sich also um das Vermächtnis der Überlieferung handelt, ist er gegen jeden Fehler gefeit. Und nur auf der Grundlage dessen kann im entsprechenden Kanon 6 verurteilt werden, wer seine Abschaffung verlangt. Da er keine Irrtümer enthält („Er besteht nämlich sowohl aus den Worten des Herrn selbst als auch aus den Überlieferungen der Apostel und ferner den frommen Einrichtungen heiliger Päpste“), gerade aus diesem Grund (ideoque) kann er nicht abgeschafft werden.
Über die unklaren Stellen des Kanons und deren Erläuterungen, von denen noch im Entwurf von 1552 die Rede war, wird im endgültigen Text kein Wort mehr verloren. Warum, fragt man sich. „Aus Gründen der Kürze,“ – schreibt Jerome P. Theisen in einem postkonziliaren (1970) und doch schon überholten Artikel über den Römischen Kanon – und in seinen Worten scheint fast ein „leider!“ mitzuschwingen. Theisen beklagt sich darüber, daß das Konzil von Trient, besonders was den Kanon betrifft, eine reine Verteidigungshaltung eingenommen habe und nicht kreativ und wortreich gewesen sei, wie es heute gefällt. An dieser Stelle möchte ich den Leser auffordern, über folgende, vorkonziliare (1943) – allerdings nur dem Datum nach – Aussage von Dix nachzudenken: „Der Vorteil der Gegenreform lag darin, daß sie den Text einer Liturgie bewahrte, dessen Inhalt viel frühere Wurzeln als die mittelalterliche Entwicklung hatte, und damit jene alten Formulierungen bewahrte, in denen die wahre Lösung der mittelalterlichen Schwierigkeiten lag, auch wenn es seine Zeit dauerte, bevor sie die nachtridentinische Kirche für diesen Zweck benutzte. Die Protestanten dagegen verwarfen den gesamten Text der Liturgie und insbesondere jene Elemente darin, die ein echtes Dokument jener Urkirche waren, auf die sie sich wieder besinnen wollten. An seiner Stelle führten sie Ausdrücke ein, die in der mittelalterlichen Tradition, von der ihre eigene Bewegung herrührte, ihren Ursprung hatten und diese ausdrückten.“ Zweckheterogenese.