VIETNAM. Die neue Religionsgesetzgebung.
Hô Chi Minh und der Kardinal
von Gianni Valente
Seit zweieinhalb Jahren ist das Büro für religiöse Angelegenheiten in Vietnam damit befaßt, eine neue Religionsgesetzgebung auszuarbeiten. Die Mühlen der Bürokratie mahlen wie immer langsam und umständlich, haben diesbezüglich schon zwanzig Entwürfe hervorgebracht. Um böse Überraschungen zu vermeiden, hat der neuernannte Kardinal von Hôchiminhville, Jean-Baptiste Pham Minh Mân, erst vor kurzem eine überraschende Initiative ergriffen. Ende Juni schrieb er einen Brief an die hohen staatlichen Behördenvertreter, einschließlich den Präsidenten der Nationalversammlung und den Generalsekretär des Zentralkomitees der kommunistischen Partei. In besagtem Brief riet er dringend dazu an, den ganzen Wust von Entwürfen „einzumotten“ und vielmehr zur ersten Verfügung zur Religion zurückzukehren, die im fernen Juni 1955 von keinem Geringeren als dem Gründervater des kommunistischen Vietnam, Präsident Hô Chi Minh, abgefaßt worden war.
Der gesamte Brief (der unter Nr. 379 der Églises d´Asie im vollkommenen Wortlaut veröffentlicht worden war, dem Bulletin der Missions étrangères de Paris) tritt für Verfügung 234 über die Religion ein, die von dem legendären Leader am Anbruch seines Epos erlassen worden war, bezeichnet sie als non plus ultra der Religionsgesetzgebung, als der aktuellen Situation in Vietnam vollkommen angepaßt. In seinem Brief spart der Erzbischof nicht mit Lob auf den „Geist der Öffnung, von dem Präsident Hô beseelt war“ und auf seine Gesetzgebung zur Religion, in der sich, auch nach Meinung namhafter Juristen, „die Vorstellungen und Haltungen unseres Staates perfekt widerspiegeln“, die „Ausdruck sind eines humanistischen Gedankengutes, das sowohl dem Gefühl als auch der Vernunft entgegenkommt und die vietnamesischen Religions-Fragen auf typisch vietnamesische Weise regelt.“ Der neuernannte Kardinal scheint die Befürchtungen zu teilen, die die Nomenklatura angesichts der sichtlich verblassenden alten ideologischen Mythen in der neuen vietnamesischen Konsumgesellschaft hegt. So schreibt er nämlich: „In dieser Epoche der Neuerungen und Anpassungen, in der Partei und Staat nicht aufhören, uns daran zu gemahnen, daß das Gedankengut Hô Chi Minhs hochgehalten werden muß, sind wir der Meinung, daß dieses vollkommen in die neue Verfügung zur Religion einfließen sollte [...]. Um eine Politik umzusetzen, die ‚sowohl das Heilige als auch das Profane begünstigt‘, raten wir dem Staat, Verfügung 234 von Präsident Hô als Grundlage für die Verfügung zu den religiösen Aktivitäten zu betrachten.“
Dieses ganze Bemühen, „zur Quelle zurückkehren“, um den Gesetzesplan „im Geist von Präsident Hô“ zu korrigieren, kann man verstehen, wenn der Erzbischof nach und nach die einzelnen Artikel der alten Verfügung darlegt. Die tatsächlich die Nicht-Einmischung der staatlichen Macht in die internen Angelegenheiten der Kirche garantierte, das freie Predigen der ausländischen Missionare, die Erlaubnis, Privatschulen zu öffnen, wo Katechismusunterricht gegeben werden konnte, wie auch Seminare, und das ohne quantitative Beschränkungen. In Artikel 13 erkannte Hô Chi Minh sogar an, daß „die Beziehungen zwischen der Kirche des Vietnam und dem Hl. Stuhl von Rom eine interne Angelegenheit des Katholizismus darstellen.“ Man muß aber auch sagen, daß es bei schönen Worten geblieben ist. Kurze Zeit nach der Veröffentlichung der Verfügung wurden die ausländischen Missionare im Norden des Vietnam ausgewiesen, die Schulen und Seminare geschlossen und die Verfolgungen eingeleitet. Aber schon die rein formale Anlehnung an die vom Vater des Vaterlandes aufgestellten Thesen hat „es der katholischen Kirche des Vietnam ermöglicht, eine andere Entwicklung durchzumachen als die Kirche Chinas“ (Églises d´Asie). Und die Umsetzung der „liberalen“ Normen des Hô Chi Minh erscheint nun gerade in der heutigen Situation, wo die Regierung das „Vetorecht“ über die Bischofsernennungen hat und die Zahl zukünftiger Priester durch die Zulassungslimits an den Seminaren eiýschränkt, als erstrebenswertes Ziel. Einschränkungen, die in den derzeitigen Gesetzesentwürfen kodifiziert werden könnten. So weist der Erzbischof in seinem Brief beispielsweise darauf hin, daß Artikel 24 des 20. Verfügungsentwurfs „die religiösen Würdenträger verpflichtet, von den zentralen oder lokalen Behörden eine schriftliche Genehmigung für ihre religiösen Aktivitäten einzuholen.“ „Eine solche Regelung,“ meint der neuernannte Kardinal, „ist nicht realistisch, macht den Klerus zu sehr von der staatlichen Macht abhängig und kann zu zahllosen Disputen führen.“
Es ist nicht das erste Mal, daß Erzbischof Pham Minh Mân in seinen Beziehungen zur Regierung auf Formeln zurückgreift, die der vietnamesischen Nomenklatura nur allzu bekannt sind. Im Dezember 2002 hatte er in einem anderen Brief scharfe Kritik an der derýeitigen vietnamesischen Gesellschaft, der Politik des politischen Leaderships geübt, seinem Bedauern darüber Ausdruck gegeben, daß man die vom VI. kommunistischen Parteikongress abgesteckten Ziele nicht umgesetzt hatte, und als Regierungskurs den Kampf gegen alle Formen der „Entfremdung“ (Angelpunkt im Denken von Karl Marx) vorgeschlagen. Ohne verdienstvolle „westliche“ Kategorien wie Gewissensfreiheit und Bürgerrechte ins Spiel zu bringen. Eine respektvolle Annäherung im derzeitigen kulturellen und politischen Rahmen, die mutatis mutandis eine vor zweitausend Jahren entwickelte Strategie nahelegt. Seit damals, als Paulus , wenn er wieder einmal Ärger mit dem Gericht hatte, daran appellierte, daß er Bürger Roms war („Civis romanus sum“), um die damals pro tempore regierende Macht daran zu gemahnen, die von ihr selbst festgelegten rechtlichen Garantien zu respektieren.
Präsident Hô Chi Minh.
Dieses ganze Bemühen, „zur Quelle zurückkehren“, um den Gesetzesplan „im Geist von Präsident Hô“ zu korrigieren, kann man verstehen, wenn der Erzbischof nach und nach die einzelnen Artikel der alten Verfügung darlegt. Die tatsächlich die Nicht-Einmischung der staatlichen Macht in die internen Angelegenheiten der Kirche garantierte, das freie Predigen der ausländischen Missionare, die Erlaubnis, Privatschulen zu öffnen, wo Katechismusunterricht gegeben werden konnte, wie auch Seminare, und das ohne quantitative Beschränkungen. In Artikel 13 erkannte Hô Chi Minh sogar an, daß „die Beziehungen zwischen der Kirche des Vietnam und dem Hl. Stuhl von Rom eine interne Angelegenheit des Katholizismus darstellen.“ Man muß aber auch sagen, daß es bei schönen Worten geblieben ist. Kurze Zeit nach der Veröffentlichung der Verfügung wurden die ausländischen Missionare im Norden des Vietnam ausgewiesen, die Schulen und Seminare geschlossen und die Verfolgungen eingeleitet. Aber schon die rein formale Anlehnung an die vom Vater des Vaterlandes aufgestellten Thesen hat „es der katholischen Kirche des Vietnam ermöglicht, eine andere Entwicklung durchzumachen als die Kirche Chinas“ (Églises d´Asie). Und die Umsetzung der „liberalen“ Normen des Hô Chi Minh erscheint nun gerade in der heutigen Situation, wo die Regierung das „Vetorecht“ über die Bischofsernennungen hat und die Zahl zukünftiger Priester durch die Zulassungslimits an den Seminaren eiýschränkt, als erstrebenswertes Ziel. Einschränkungen, die in den derzeitigen Gesetzesentwürfen kodifiziert werden könnten. So weist der Erzbischof in seinem Brief beispielsweise darauf hin, daß Artikel 24 des 20. Verfügungsentwurfs „die religiösen Würdenträger verpflichtet, von den zentralen oder lokalen Behörden eine schriftliche Genehmigung für ihre religiösen Aktivitäten einzuholen.“ „Eine solche Regelung,“ meint der neuernannte Kardinal, „ist nicht realistisch, macht den Klerus zu sehr von der staatlichen Macht abhängig und kann zu zahllosen Disputen führen.“
Es ist nicht das erste Mal, daß Erzbischof Pham Minh Mân in seinen Beziehungen zur Regierung auf Formeln zurückgreift, die der vietnamesischen Nomenklatura nur allzu bekannt sind. Im Dezember 2002 hatte er in einem anderen Brief scharfe Kritik an der derýeitigen vietnamesischen Gesellschaft, der Politik des politischen Leaderships geübt, seinem Bedauern darüber Ausdruck gegeben, daß man die vom VI. kommunistischen Parteikongress abgesteckten Ziele nicht umgesetzt hatte, und als Regierungskurs den Kampf gegen alle Formen der „Entfremdung“ (Angelpunkt im Denken von Karl Marx) vorgeschlagen. Ohne verdienstvolle „westliche“ Kategorien wie Gewissensfreiheit und Bürgerrechte ins Spiel zu bringen. Eine respektvolle Annäherung im derzeitigen kulturellen und politischen Rahmen, die mutatis mutandis eine vor zweitausend Jahren entwickelte Strategie nahelegt. Seit damals, als Paulus , wenn er wieder einmal Ärger mit dem Gericht hatte, daran appellierte, daß er Bürger Roms war („Civis romanus sum“), um die damals pro tempore regierende Macht daran zu gemahnen, die von ihr selbst festgelegten rechtlichen Garantien zu respektieren.