Startseite > Archiv > 12 - 2010 > „Wo Benedikt noch heute durch Wunder glänzt“ Gregor der Große
BENEDIKTINERKLÖSTER IN...
Aus Nr. 12 - 2010

„Wo Benedikt noch heute durch Wunder glänzt“
Gregor der Große


Der Abt des antiken Benediktinerklosters lässt dessen Geschichte Revue passieren: die ersten Niederlassungen der Mönche Benedikts, die Kunst- und Literaturschätze, die Wallfahrten.


von Dom Mauro Meacci


Innenansicht der Oberkirche des Sacro Speco mit Fresken der senesischen Schule (2. Hälfte des 14. Jhr.). [© Massimo Quattrucci]

Innenansicht der Oberkirche des Sacro Speco mit Fresken der senesischen Schule (2. Hälfte des 14. Jhr.). [© Massimo Quattrucci]

Der hl. Benedikt wurde um 480 im italienischen Nursia geboren. Seine Familie schickte ihn nach Rom, wo er studieren sollte, um dereinst die Laufbahn eines öffentlichen Beamten einzuschlagen. Der junge Mann war jedoch schon bald angewidert vom Leben in der Stadt, das von tiefen Spannungen zwischen kirchlichen und weltlichen Belangen geprägt war. Er dagegen wollte „einzig Gott gefallen“, wie sein Biograph, der hl. Papst Gregor der Große (590-604) schrieb (Dialogorum libri II, prologus). So kam es, dass er der Ewigen Stadt kurz vor dem Jahr 500 den Rücken kehrte und das “Ödland” um Subiaco ansteuerte. Nach einer ersten Etappe in der Stadt Enfide, dem heutigen Affile, ließ er sich in der Grotte des Berges Taleo nieder, nicht weit vom Kloster des Mönchs Romanus entfernt. Hier hoffte er, durch die Meditation der Heiligen Schrift, das Gebet und die Buße, jene Weisheit zu erlangen, die ihn in den Augen der Welt als unwissend, in den Augen Gottes aber weise erscheinen lassen sollte.
Das Kloster des Mönchs Romanus, das oberhalb des Klosters Sacro Speco liegt, wurde – und wird noch heute – “San Biagio” genannt. Im Laufe der Jahrhunderte fungierte es oft als Klause; heute wird es von einer Salesianerinnen-Gemeinschaft bewohnt.
Nach ca. drei Jahren zurückgezogenen Lebens begann der hl. Benedikt, zahlreiche Jünger um sich zu scharen. Sie ließen sich in der weiter unten gelegenen Nerovilla nieder, wo später das Kloster “San Clemente” entstehen sollte. Die buntgewürfelte Schar seiner Jünger kam aus allen Gesellschaftsschichten: hier konnte man einfache Bauern ebenso finden wie die Sprösslinge römischer Patrizierfamilien, ja selbst “Barbaren”.
Als die Zahl der Mönche zunahm, beschloss der hl. Benedikt, sie der Symbolik des Apostelkollegs entsprechend in 12 kleinen Klöstern unterzubringen, in einem jeden davon 12 Ordensmänner und einen Abt.
Wir kennen die Namen dieser Klöster und wissen von fast allen, wo sie sich befanden. Mehr wissen wir über ihre Geschichte nicht, wenn wir uns auch leicht vorstellen können, dass ihre Blüte nur von kurzer Dauer war.
Eines dieser Klöster ist “Santa Maria di Morrabotte”, das die Jahrhunderte überdauerte und von Eremiten und kleinen Gruppen von Mönchen bewohnt wurde, die in engem Kontakt zum Kloster von Subiaco standen. Hier lebte im 13. Jahrhundert ein großer Eremit und Seliger: Lorenzo Loricato (†1243), berühmt für die Strenge und die Heldenhaftigkeit seines Büßerlebens. Dieser Ort, der auch als Kloster oder Klause des “Beato Lorenzo” bekannt ist, übt noch immer große Faszination aus: Nicht nur Persönlichkeiten des monastischen Lebens fanden hier Zuflucht und Inspiration für das Gebetsleben. Auch Don Giussani kam oft und gerne mit seinen Studenten hierher. Der amerikanische Maler Bill Congdon erwählte die Klause zum Ort seiner spirituellen Einkehr und holte sich hier die Anregungen für sein künstlerisches Schaffen.
Nachdem der hl. Benedikt um 529 nach Montecassino gegangen war, konzentrierte sich das monastische Leben Subiacos immer mehr auf das Kloster San Silvestro, ein Stück oberhalb von San Clemente gelegen, an einem Ort, der sonniger und weniger feucht war, und an dem es ausreichend Wasser gab. Dieses Kloster, das später den Namen St. Scholastika annehmen sollte, konnte sich immer mehr entwickeln, bis es sein heutiges Erscheinungsbild annahm. Das Wachstum des Gebäudekomplexes folgte dem Verlauf des Berges Taleo: der erste Kern des Klosters entstand dort, wo sich der heutige Innenhof “Mariä Himmelfahrt” befindet. Im 9. Jahrhundert wuchs das Gebäude talwärts in südlicher Richtung; den Abschluss dieses romanischen Kerns bildeten der 1052 auf Wunsch von Abt Umberto errichtete Glockenturm und der kosmatische Kreuzgang aus dem 12. Jahrhundert. Im 14./15. Jahrhundert breitete sich das Kloster nach Westen aus. Im 16. Jahrhundert kam noch der Renaissance-Kreuzgang des Abtes Kyrill von Montefiascone (1577-1581) dazu. Die Räume vor dem Kloster der Heiligen Scholastika wurden vollkommen neu renoviert. Heute befindet sich darin eine große Herberge. Das Wachstum dieses Gebäudes mit seinen verschiedenen architektonischen Stilen war so beeindruckend, dass auch Papst Paul VI. nur bewundernd ausrufen konnte: „Dieses Kloster ist ein wahres Architektur-Museum!“.
Die Geschichte des Klosterkomplexes in Subiaco lässt sich unmöglich in wenigen Zeilen zusammenfassen: mit Sicherheit kann man aber sagen, dass es ab dem 9. Jahrhundert in der Geschichte des Latiums eine wichtige Rolle spielte, vor allem im oberen Aniene-Tal. Die monastische Gemeinschaft und die Äbte haben die Bevölkerung nicht nur in spiritueller, sondern auch kultureller und sozialer Hinsicht nachhaltig beeinflusst. Doch werfen wir nun einen Blick auf die Bibliothek und das Archiv, die uns noch heute Aufschluss über die hier lebenden Menschen geben. Im 15. Jahrhundert besaß die Bibliothek ca. 10.000 Handschriften, davon die bedeutendsten der damaligen Zeit. Das scriptorium konnte schon damals auf ein jahrhundertealtes erfolgreiches Schaffen zurückblicken. Im Archiv wurden Tausende und Abertausende von Dokumenten gesammelt, die noch heute vom blühenden Leben des Klosters in Subiaco, von diesem so reichen und dicht bevölkerten Landstrich erzählen. So kam es, dass das Kloster schon bald auch im Ausland Interesse erweckte: 1464 kamen Konrad Sweynheym und Arnold Pannartz hierher, zwei deutsche Kleriker, die sich auf die damals noch neue Druckkunst verstanden. Ihnen haben wir es zu verdanken, dass am 29. Oktober 1465 mit dem Werk Divinae institutiones von Firmiano Lattanzi in Italien das erste Buch gedruckt werden konnte.
Den Dialoghi gregoriani folgend, die zuerst das Leben des hl. Benedikt in Montecassino beschreiben und dann wieder ins Speco zurückkehren, das „auch in unseren Tagen durch Wunder glänzt“ (Dialogorum libri II, 37), möchte auch ich wieder an jenen Ort zurückkehren, wo unser kleiner Ausflug begonnen hat.
Über das Schicksal der Grotte nach der Verlagerung der Niederlassung des hl. Benedikt in die Nerovilla ist nur wenig bekannt. Wie uns überliefert ist, ließen sich in unmittelbarer Nähe Eremiten nieder und wurden immer mehr Pilger vom Ruf der Heiligkeit dieser Stätte angezogen. Dass die Felsenwände der Grotte schon im 9. Jahrhundert mit Fresken geschmückt wurden, zeigt der nach den Hirten benannte Teil der Grotte. Um das 11. Jahrhundert begann man mit dem Bau größerer Gebäude und ab dem 13. Jahrhundert ließ sich eine kleine Gemeinde hier nieder, die mit der Santa Scolastica-Gemeinde verbunden war und unter der Leitung des Abtes von Subiaco stand. Der Gebäudekomplex hatte schon bald jenes majestätische Aussehen erlangt, das wir noch heute bewundern können. Im Laufe der Zeit kamen noch Freskenzyklen hinzu, die vom Leben und Ruhm des Heiligen aus Nursia erzählen, den wir heute als Patron Europas verehren.
Wie viele Pilger und Gläubige sind dort hinaufgestiegen! Zeugnis dafür legen die Tausenden von Graffitis ab, die die Fresken eher zieren als sie zu verunstalten, bringen sie doch den brennenden Wunsch dieser Menschen zum Ausdruck, sich unter den Schutz des hl. Benedikt zu stellen an diesem Ort, den der römische Dichter Petrarca zu Recht als “limen paradisi” beschrieben hat und der stets unter dem Schutz so bedeutender Päpste stand wie Innozenz III., dessen Bild in der Unterkirche von Subiaco zu finden ist.


Italiano Español English Français Português