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UNO
Aus Nr. 01 - 2004

Notizen aus dem Glaspalast


DIE UNO REFORMIEREN, UM SIE „UNENTBEHRLICH“ ZU MACHEN



„Immer deutlicher wird die Notwendigkeit einer neuen internationalen Ordnung spürbar, die sich die in den vergangenen Jahren von der UNO gemachten Erfahrungen und Erfolge zunutze macht“. So der Papst bei der Eucharistiefeier am 1. Januar, Hochfest Gottesmutter Maria, dem 37. Weltfriedenstag.
Das Motto, nach dem „man die UNO, wenn es sie nicht schon geben würde, erfinden müßte“, ist nicht nur bei „Insidern“, den überzeugten Verfechtern des Multilateralismus, ein Schlagwort. Sogar Präsident Bush scheint daran festzuhalten, denn, obwohl es den Anschein hat, daß er für den Alleingang plädiert – man denke nur an die amerikanische Politik in Sachen Kyoto-Protolkoll, internationaler Strafgerichtshof, Abrüstung, Irak –, macht er doch keinen Hehl daraus, die imprimatur der Vereinten Nationen und eine gewisse Kollaboration derselben beim Wiederaufbau des Irak zu brauchen.
Das einmal festgehalten, dem mehr oder weniger alle zustimmen, kann es keinen Zweifel daran geben, daß man in dem Kontext, in dem wir heute leben, an einer Reform der UNO arbeiten muß, wenn man will, daß die „unentbehrliche“ internationale Versammlung der Vereinten Nationen operativ und effizient gestaltet wird. Geboren wurde die UNO 1945 aus dem Wunsch, im Kontext des „Kalten Krieges“ Ausgewogenheit und internationale Sicherheit zu gewährleisten, sowie aus der Notwendigkeit, einen Korpus von Verhaltensregeln und internationalen Gesetzen auszuarbeiten, die das friedliche Zusammenleben der Menschheit auf der Grundlage der Menschenrechte ermöglichen sollten. Heute muß die neue politische und wirtschaftliche Weltordnung u.a. die gegenseitige Abhängigkeit in Betracht ziehen, die zwischen den Nationen besteht, Dinge wie Solidarität, aber auch die Mechanismen zur Umsetzung des reichen Erbes des Völkerrechtes.
In diesem Sinne wurde von der Generalversammlung in der gerade geschlossenen 58. Sitzung über eine Reform der Institution debattiert. Die dabei verabschiedete Resolution (A/58/L. 49) spiegelt den aktuellen Kontext der gegenseitigen Abhängigkeit wider und zielt darauf ab, der Versammlung durch Innovation der Prozeduren und Organisation der Arbeit größeres politisches Gewicht zu geben. In Wahrheit zwar nur ein kleiner Schritt nach vorn, aber doch einer, der die Entschlossenheit zeigt, sich nicht mit dem derzeitigen Stand der Dinge abfinden zu wollen. So beklagte sich der amerikanische Vertreter sogar darüber, daß der Resolutionstext „das Ziel, die Versammlung neu zu beleben, nicht vollkommen erreicht hat.“

Das wahre Problem ist allerdings nicht, wie die Resolutionen abgefaßt, sondern vielmehr, wie sie umgesetzt werden; immerhin handelt es sich um Dokumente von politischem, und nicht von juridischem Wert. In diesem Sinne sieht die hier angesprochene Resolution Maßnahmen zur Koordinierung zwischen Sicherheitsrat, Generalversammlung, sowie Wirtschafts- und Sozialrat vor. Nur schleppend will sich dabei eine klare, an Subsidiarität inspirierte Richtlinie herauskristallisieren, die sich auf Mechanismen zur Überprüfung und Kontrolle seitens regionaler Instanzen und Ländergruppen stützt, die Resolutionsvorschläge hervorbringen.
Die mutigere Reform wird im Sicherheitsrat erfolgen müssen, und zwar im Bereich von Themen wie Veto und Erweiterung auf eine effektive Länder-Repräsentanz nach geographischen und kulturellen Kriterien, wie auch denen der wirtschaftlichen Entwicklung. Eine aus 16 Experten zusammengesetzte Kommission wurde damit betraut, der nächsten Sitzung der Generalversammlung Vorschläge zu unterbreiten.
Eine weitere Reform kristallisiert sich auch im Wirtschafts- und Sozialrat heraus: spürbar ist hier die Notwendigkeit, ihn von einem mehr oder weniger „akademischen“ Organismus in einen Rat umzuwandeln, dem die politische Macht gegeben ist, großen Ungleichgewichten finanzieller, wirtschaftlicher und sozialer Art vorzubeugen und diese zu überwachen. Ungleichgewichten, die entstehen – ja, gar künstlich geschaffen werden –, wenn das Schicksal von Welt-Finanz und -Wirtschaft allein in der Hand von Experten und Akteuren liegt, die nationale oder korporative Interessen verfolgen.

Voraussetzung für die Ausübung ist der gute Wille seitens aller Länder der internationalen Gemeinschaft, ohne Ausnahme. Die unilateralen oder doch zumindest kaum gerechten und das Gemeinwohl wenig respektierenden Entscheidungen, die oft getroffen werden, rühren von einem engstirnigen, politisierten Verständnis der Landesinteressen, die, je nach dem, was gerade ansteht, von allen Ländern bis zum Äußersten verteidigt werden: große oder kleine, entwickelte oder weniger entwickelte. Auch die bürgerliche Gesellschaft, die sich immer mehr an die UNO anschließt, verstanden als fast charismatische soziale Kraft für die Auslegung der Bedürfnisse, des Konsenses und des Volkswillens und für die Umsetzung der Entscheidungen auf nationaler und internationaler Ebene, braucht ein neues Herz. Sonst droht das Abgleiten in eine „demokratische Tyrannei“ der – besser organisierten und mit besseren Ressourcen ausgestatteten – Wenigen über die Masse der Weltbevölkerung und der lokalen Regierungen.
Denn, wie der Papst am 1. Januar betonte, bedarf es einer neuen internationalen Ordnung, „die für die heutigen Probleme angemessene Lösungen zu finden weiß, die auf der Würde der menschlichen Person gründen, auf einer ganzheitlichen Entwicklung der Gesellschaft, auf der Solidarität zwischen reichen und armen Ländern, auf der Verteilung der Ressourcen und der großartigen Ergebnisse des wissenschaftlichen und technischen Fortschritts“ (zitiert nach L’Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 2/2004, S. 2).



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