Versus Deum per Iesum Christum
„Zugleich wird die in den äußeren Formen nie vollständig auszudrückende innere Richtung des liturgischen Geschehens verdeutlicht, die für Priester wie für Volk gemeinsam ist: zum Herrn hin.“ Die Einleitung, die der Dekan des Kardinalskollegiums zu dem Buch von Uwe Michael Lang geschrieben hat.
von Joseph Ratzinger
Incipit des Kanons aus einem ambrosianischen Missal (Ende 11. Jh. – Anfang 12. Jh.), Ambrosianische Bibliothek, Mailand.
Dies ist eine wichtige Klärung, weil sie das Relative der äußeren symbolischen Formen ins Licht setzt und sich damit Fanatismen entgegenstellt, die in den letzten vierziger Jahren im Streit um die Liturgie leider nicht selten gewesen sind. Zugleich wird die in den äußeren Formen nie vollständig auszudrückende innere Richtung des liturgischen Geschehens verdeutlicht, die für Priester wie für Volk gemeinsam ist: zum Herrn hin – zum Vater durch Christus im Heiligen Geist. Die Antwort der Kongregation sollte damit auch ein neues, entspannteres Klima der Diskussion schaffen, in dem ohne gegenseitige Verurteilungen im sorgsamen Hören auf die anderen, aber besonders auf die innere Weisung der Liturgie selbst nach den besten Weisen praktischer Verwirklichung des Heilsgeschehens gesucht werden kann. Eilfertige Abstempelungen einzelner Positionen als „vorkonziliar“, als „reaktionär“, als „konservativ“ oder auch als „progressistisch“ oder „glaubensfremd“ sollten aus der Debatte verschwinden und einer neuen gemeinsamen Offenheit im Ringen um die beste Verwirklichung des Vermächtnisses Christi Platz machen.
Graduale des Kapitels von Santa Maria Maggiore, 16. Jh., Basilika Santa Maria Maggiore, Rom.
Erst in jüngster Zeit hat sich das Klima aufgelockert, so daß der Verdacht antikonziliarer Gesinnung nicht mehr sofort zuschlägt, wenn Fragen in der Richtung von Jungmann, Bouyer und Gamber gestellt werden. Die weitergehende historische Forschung hat den Disput objektiviert, und unter den Gläubigen hat sich das Gefühl für die Problematik einer Lösung verstärkt, in der die Öffnung der Liturgie nach vorn und nach oben kaum in Erscheinung tritt. In dieser Situation kann das wohltuend objektive und ganz unpolemische Buch von Uwe M. Lang eine wertvolle Hilfe werden. Ohne den Anspruch, große neue Einsichten zu bringen, stellt es sorgsam die Forschungsergebnisse der letzten Jahrzehnte heraus und bietet so die für ein sachliches Urteil nötigen Einsichten. Zu begrüßen ist, daß es die in Deutschland wenig bekannten Überlieferungen der Kirche von England zu dieser Frage wie auch den einschlägigen Disput in der Oxford-Bewegung des 19. Jahrhunderts darstellt, in deren Zusammenhang die Konversion von John Henry Newman gereift ist. Auf dieser Basis werden die theologischen Antworten entwickelt, die sich aus der inneren Richtung des historischen Befunds ergeben. Ich hoffe, daß dieses Buch eines jungen Gelehrten eine Hilfe werden kann für das in jeder Generation nötige Ringen um das rechte Verstehen und um das würdige Feiern der heutigen Liturgie. Ich wünsche dem Werk daher viele und aufmerksame Leser.
DAS BUCH
Der auf diesen Seiten zu lesende, in Italien bisher noch nicht veröffentlichte Text von Kardinal Joseph Ratzinger ist das Vorwort des Präfekten der Kongregation für die Glaubenslehre zu dem Buch von Uwe Michael Lang Conversi ad Dominum. Zu Geschichte und Theologie der christlichen Gebetsrichtung. Von dem letztes Jahr beim Johannes Verlag Einsiedeln erschienenen Buch wird in Kürze auch eine englische Version erhältlich sein (Turning towards the Lord: Orientation in Liturgical Prayer), herausgegeben vom Verlag Ignatius Press, San Francisco, der die Copyright-Rechte des Werkes besitzt.
Uwe Michael Lang, ein Mitglied des Oratoriums des hl. Philipp Neri in London, hat in Wien und Oxford Theologie studiert und bereits zahlreiche Texte zu patristischen Themen herausgegeben.