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CHINA
Aus Nr. 05 - 2004

Nach den jüngsten Generalproben zu einem „stillschweigenden Abkommen“ zwischen Peking und Hl. Stuhl zu den Bischofsernennungen.

„Demokratisch” gewählt. Und dennoch gültig


Zum ersten Mal seit Entstehung der Volksrepublik wurden zwei Bischöfe mit Zustimmung der Regierung und nach Bekanntgabe der Ernennung durch den Papst geweiht. Aber auch die bisher ohne päpstliches Mandat erfolgten Bischofsweihen sind sakramental gültig. Wie bereits eine Untersuchung ergab, die die vatikanischen Dikasterien Mitte der Achtzigerjahre zu dieser heiklen Frage durchgeführt haben...


von Gianni Valente


Die Bischofsweihe von John Baptist Tan Yanquan, Bischofskoadjutor der Diözese Guanxi (21. Januar 2003).

Die Bischofsweihe von John Baptist Tan Yanquan, Bischofskoadjutor der Diözese Guanxi (21. Januar 2003).

Auf dem langen Weg der Beziehungen zwischen katholischer Kirche und China hat man die verschiedenen Veränderungen selten an die große Glocke gehängt. Zwei jüngst stattgefundene, nur von den Sonderpresseagenturen – ohne großes Aufhebens, versteht sich – registrierte Episoden könnten den stillen Übergang zu einer neuen Phase bezeichnen. Und zwar in Sachen delikatestem Punkt der Anomalie, die die katholische Kirche Chinas seit fast 50 Jahren lebt.
Am 6. Januar war zum ersten Mal seit der Geburt der Volksrepublik China die Weihe eines Bischofs – des 39jährigen Peter Feng Xinmao, ernannt zum Koadjutor der kleinen Diözese Hengshui, Provinz Hebei – mit Anerkennung der Regierung und gleichzeitiger öffentlicher und erklärter Zustimmung des Hl. Stuhls erfolgt. Der von den Priestern seiner Diözese ausgesuchte junge Bischof hatte den Gläubigen vor der Weihe die von Johannes Paul II. erhaltene Zustimmung bekanntgegeben. Der Umstand, daß Ende April die Weihe (auch dieses Mal mit vom Kandidaten bekanntgegebener vorheriger Ernennung und päpstlicher Zustimmung) des 38jährigen Zhang Xiawang zum Bischofskoadjutor der Diözese Jinan, Provinz Shandong erfolgte, läßt darauf schließen, daß es sich um keinen Einzelfall halten könnte.
Seit 1958, als unter dem Regime Mao die „demokratischen“ Wahlen katholischer Bischöfe unter Kontrolle der regierungstreuen patriotischen Vereinigung der katholischen Chinesen eingeführt wurden, waren die von der Regierung anerkannten Bischofsernennungen erfolgt, ohne daß es eine öffentliche Erklärung der päpstlichen Zustimmung gegeben hätte. Jahrelang und unter dem Druck der zivilen Macht hatte man bestimmt, daß bei den Weiheriten ad hoc Formeln eingefügt und einige der üblichen weggelassen wurden, um die Tatsache herauszustreichen, daß diese Bischofsweihen außerhalb der Jurisdiktion des Apostolischen Stuhls erfolgten, ohne jegliche „vatikanische Einmischung“ in das religiöse Leben des Landes, auf der Linie der Verfassung von 1982, nach der „die religiösen Gruppen und die religiösen Aktivitäten keiner ausländischen Herrschaft unterworfen sind.“
Anfang der Achtzigerjahre führte der Vatikan eine detaillierte Studie zu den chinesischen Bischofsweihen unter Regierungskontrolle durch, bei denen ohne aus Rom ergangene Zustimmung Priester geweiht wurden, die normalerweise aus den Gefängnissen oder Arbeitslagern der Kulturrevolution kamen. Eine noch heute nützliche Studie, die helfen kann zu verstehen, was wirklich alles hinter der problematischen Beziehung zwischen Hl. Stuhl und ehemaligem Reich der Mitte steckt.
Die durch den Hl. Stuhl herbeigeführte Klärung machte damals die Lösung eines recht ernsten Falles möglich. Einige Repräsentanten der katholischen Untergrundkirche Chinas, die zu keinem Kompromiß mit dem Regime bereit war, erhoben Zweifel nicht nur an der Legitimität, sondern auch an der Gültigkeit der Bischofsweihen ohne päpstliche Zustimmung. Eine Perplexität, die damals auch von namhaften katholischen Beobachtern der Kirche in China geteilt wurde.
Zu behaupten, diese Bischofsweihen seien ungültig, bedeutete, auch den von diesen Bischöfen vorgenommenen Priesterweihen ihre Gültigkeit abzusprechen und folglich auch den in den Kirchen, die das Regime nach den schrecklichen Jahren der Kulturrevolution wieder zu öffnen begann, gespendeten Sakramenten der Eucharistie und der Beichte Wert und Wirksamkeit zu nehmen. Ein Schatz der Gnade und des christlichen Trostes, zu dem viele Gläubige – die oft Verfolgungen über sich ergehen hatten lassen müssen – nun endlich wieder ohne große Probleme Zugang hatten.

Die Kirche Dongtang in Peking. Hier unten, eine Messe in der Kathedrale Fuzhou.

Die Kirche Dongtang in Peking. Hier unten, eine Messe in der Kathedrale Fuzhou.

Anfragen um Aussöhnung
Den Ausstoß zu der Studie der vatikanischen Dikasterien hatte die Anfrage eines chinesischen Bischofs gegeben, der Anfang der Achtzigerjahre ohne päpstliches Mandat geweiht worden war. Er bat Rom auf vertraulichem Weg um Anerkennung als legitimer Bischof des Apostolischen Stuhls. Die Kongregation Propaganda Fide unterbreitete die Frage Johannes Paul II. und wurde vom Papst selbst damit beauftragt, den Fall weiter zu untersuchen, „um die Zweifel zu klären, die eventuell an der Gültigkeit der Weihe bestehen könnten, da der Hauptkonsekrant und die beiden Mit-Konsekranten nicht legitim sind.“ 1983 wurde die Anfrage um lehrmäßige Klarstellung an die zuständige Kongregation für die Glaubenslehre weitergeleitet. Auf Betreiben des inzwischen verstorbenen Msgr. Jean Jérôme Hamer, damaliger Sekretär des vatikanischen Dikasteriums und späterer Kardinal, wurde ein umfassendes Dossier, fast schon wie bei einem richtigen Ermittlungsverfahren, erstellt, in dem sich viele Konsultoren des ehemaligen Heiligen Offiziums für die Gültigkeit der fraglichen Weihen aussprachen.
Nicht zuletzt auf der Grundlage dieser 1985 abgeschlossenen Studie hat der Hl. Stuhl die Bischofsweihen in China auch weiterhin als voll gültig betrachtet, entgegen jedem berechtigten (oder vorgeschobenen) Zweifel.

Die grundlegenden Bedingungen Wie bestimmt man nun aber die Gültigkeit oder Ungültigkeit einer Bischofsweihe? Die Lehre der Kirche mit den Nachrichten über die komplexe Situation in China auch aus den eigenen Archiven vergleichend, ging die Tendenz der vatikanischen Dikasterien dahin zu überprüfen, ob bei den „patriotischen“ chinesischen Weihen die für die sakramentale Gültigkeit erforderlichen Bedingungen gegeben waren. Ausgehend von dem weihenden und dem zu weihenden Subjekt.
Die Befugnis, Bischöfe zu weihen wird von der katholischen Kirche allen Bischöfen zuerkannt und vorbehalten, die ihrerseits selbst gültig geweiht sind, auch wenn sich ihre gültige Weihe als illegitim herausstellt, weil das Mandat oder die Zustimmung des Bischofs von Rom fehlt. Nur jene, die die gültige apostolische Sukzession erhalten haben, können diese auch weitergeben. Zu diesem Zweck wurde die gesamte Gruppe der Konsekranten für jede der illegitimen Weihen (also ohne päpstliches Mandat oder Akzeptanz) von 1958 bis 1982 minutiös überprüft, als Beleg dafür, daß es in der Linie der apostolischen Sukzession keine Unterbrechungen gegeben hat.
Dank der in Hongkong gebliebenen Missionare wußte man im Westen, daß bis 1964 bei fast allen Weihen die Weihenden legitime Bischöfe waren, die sich oft bereit erklärt hatten, die „demokratisch“ gewählten Bischöfe zu weihen – allerdings nicht, weil sie in ihrem Herzen den Gedanken einer „unabhängigen“, von Rom getrennten chinesischen Kirche gehegt hätten, sondern einfach nur, um die Kontinuität der kirchlichen Strukturen in Zeiten zu garantieren, die sich immer schwieriger gestalteten. Als die Kulturrevolution dann vorbei war, die so viele Jahre lang jegliche öffentliche Manifestation christlichen Lebens unterdrückt hatte, konnten ab 1979 wieder Bischofsweihen vorgenommen werden – jetzt von Bischöfen, die selbst illegitim waren. Auch alle Priester, die zu Bischöfen geweiht sind, besaßen die erforderlichen Voraussetzungen für die Gültigkeit der Weihe, mußten also gültig getauft und männlichen Geschlechts sein.
Betende Gläubige beim Marienheiligtum von She Shan, nahe Shanghai, bei der jährlichen Wallfahrt vom 24. Mai.

Betende Gläubige beim Marienheiligtum von She Shan, nahe Shanghai, bei der jährlichen Wallfahrt vom 24. Mai.


„Manipulierte“ Rituale. Aber nicht in den wesentlichen Dingen
Damit eine Bischofsweihe gültig ist, muß der Weiheritus, was Sache und Form angeht, einige wesentliche Elemente enthalten. Die apostolische Konstitution Sacramentum ordinis von Pius XII. (1947) hatte damit das Auflegen der Hände des Weihenden auf den Kandidaten gemeint, sowie das Beten der Worte des „Praefatio“ (Weihegebet), von denen nur die folgende Formel ausdrücklich als wesentlich bezeichnet und ad valorem verlangt wurde: „Comple in sacerdote tuo ministerii tui summum, et ornamentis totius glorificationis instructum coelestis unguenti rore sanctifica“ („Vollbringe in Deinem Priester die Fülle Deines Amtes, und wenn Du ihn mit der höchsten Würde bekleidet hast, heilige ihn mit dem Tau der himmlischen Salbung“).
Dann wurden noch alle durch die Missionare von Hongkong übermittelten Nachrichten und von Augenzeugen gelieferten Rekonstruktionen überprüft, die einstimmig bestätigten, daß alle Weihen „patriotischer“ chinesischer Bischöfe laut dem Pontificale Romanum, der alten Ausgabe in Lateinisch, erfolgt waren, und zwar sowohl vor als auch nach der Kulturrevolution. Aber sie bestätigten auch, daß die Umgebung dahingehend Druck ausgeübt hatte, daß einige Teile des Rituals ausgelassen oder manipuliert wurden, um die Regierungstreue der geweihten Bischöfe zum Ausdruck zu bringen und den Bezug auf irgendein juridisches Band zum Apostolischen Stuhl zu vermeiden.
Diese Veränderungen wurden von den zuständigen vatikanischen Dikasterien einer strengen Untersuchung unterzogen. Die patriotische Vereinigung der chinesischen Katholiken hatte im Jahr 1979 ein kleines Büchlein mit Erklärungen zum Ritus der feierlichen Messe zur Bischofsweihe herausgegeben. Eine Zeitschrift der Kirche in China dokumentierte die Fakten auch mit Fotos von den neuen Bischofsweihen. Aus fraglichem Büchlein war ersichtlich, welche Varianten in den Formeln und Passagen des Pontificale Romanum, vor der Reform von Paul VI., anzubringen sein würden, das immer noch bei den Liturgien und Bischofsweihen benutzt wurde.Durch einen sorgfältigen synoptischen Vergleich war es einfach, die möglichen Varianten Punkt für Punkt herauszustellen.
Feststimmung vor der Kirche von Niupidi im Dorf St. Josef, in der südöstlichen Provinz Guangdong.

Feststimmung vor der Kirche von Niupidi im Dorf St. Josef, in der südöstlichen Provinz Guangdong.

In den Anfangsformeln wurde das Verlesen des apostolischen Mandats durch Verlesen des Aktes der „demokratischen“ Wahl durch das Volk und den Diözesanklerus ersetzt. In der Eidesformel hätte jeglicher Bezug auf den Papst und die Gehorsamspflicht des neuen Bischofs dem Apostolischen Stuhl gegenüber ausgelassen werden und hätten stattdessen Formeln eingefügt werden müssen, die nationalistischen oder patriotischen Anstrich hatten („Ich garantiere, den gesamten Klerus und alle Gläubigen meiner Diözese dazu zu führen, der Regierung zu gehorchen, das Vaterland zu lieben und seine Gesetze zu beachten“), wie auch andere, die die Bemühung bekräftigten, „das Prinzip der Unabhängigkeit, der Selbstbestimmung und der Selbstverwaltung der Kirche“ aufrechtzuerhalten. Von den an den Konsekranten gerichteten interrogationes hätte man jene weglassen müssen, die den Kandidaten dazu verpflichteten, „die Dekrete des heiligen, apostolischen Stuhls“ zu unterstützen, zu lehren und zu bewahren; sowie jene, in der gesagt wird, „dem Apostel Petrus, dem regierenden Papst, seinem Stellvertreter, und seinen Nachfolgern“ Gehorsam zu leisten. Aber auch das Versprechen, den Armen besondere Zuwendung zuteil kommen zu lassen hätte wegfallen müssen – es wäre einem Affront für das kommunistische Regime gleichgekommen, das nicht tolerieren konnte, daß es in einer Nation, in der das sozialistische System herrscht, überhaupt Arme gibt. Dafür hätte allerdings eine geeignete Formel ex novo eingefügt werden müssen, in der sich der neue Bischof verpflichtete, „sich vollkommen von jeglicher Kontrolle der römischen Kurie zu befreien“ und entschlossen den Weg der Unabhängigkeit, der Selbstbestimmung und der Selbstverwaltung der Kirche zu beschreiten.
Gerade die Verfügung, diese letzte Formel in das Ritual einzufügen, machte am unmißverständlichsten klar, daß man keinerlei Jurisdiktionsbindung der chinesischen Bischöfe an den Hl. Stuhl zulassen wollte.
Andererseits bestätigte gerade diese genaue Studie der Texte, daß die omissis und willkürlichen Einfügungen, auch für den Fall ihrer effektiven Anwendung bei der konkreten Zelebration – obgleich ohne päpstliches Mandat eine illlegitime Weihe – dennoch Texte und Aspekte betroffen hätten, die für die Gültigkeit des Sakraments keine wesentliche Bedeutung hatten. Es ist kein Zufall, daß Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano bereits 1981, vielleicht einer möglichen positiven Lösung des Problems der Kirche in China vorgreifend, zu den chinesischen Bischofsweihen erklärt hatte, daß „was illegitim ist, unter gewissen Bedingungen legitimiert werden kann.“
Was die Formeln und Gesten angeht, die das Handauflegen begleiten, hielt man sich bei den Weihen der chinesischen Bischöfe ohne päpstliches Mandat, wie der umfassenden Dokumentation der Publikationen der Kirche in China zu entnehmen war, haargenau an das Pontificale Romanum. Was also Sache und Form anging, blieben alle für die Gültigkeit der Weihe wesentlichen Elemente gewahrt.

Quod facit Ecclesia
Weitere, für die Gültigkeit der Bischofsweihe notwendige Voraussetzung ist, daß die Weihe gemäß der Absicht erfolgt, das zu tun, was die Kirche tut, wenn sie einen Bischof weiht („intentio faciendi quod facit Ecclesia“).
Auf diesen Punkt konzentrierten sich die Einwände derer, die, sowohl in Kontinentalchina als auch unter Gelehrten aus Hongkong, Zweifel an der Gültigkeit der chinesischen Weihen anmeldeten. Einige waren der Meinung, daß die eventuellen ausdrücklichen Erklärungen der Unabhängigkeit von der Jurisdiktion des Hl. Stuhls und das Weglassen jeglichen Bezugs auf die Bindung an den Bischof von Rom zwar nicht die Gültigkeit der Weihe in Sachen Materie und Form zunichte machte, jedoch gegen die notwendige Voraussetzung verstieß, die Absicht zu haben, das zu tun, was die Kirche tut, wenn sie Bischofsweihen spendet. Vor allem im von legitim geweihten Bischöfen geleiteten „Untergrund“-Bereich der chinesischen Kirche – außerhalb der Kontrolle der patriotischen Vereinigung – fielen die Zweifel an der Gültigkeit der „patriotischen“ Weihen auf fruchtbaren Boden.
Kniende Gläubige bei der Kommunion in der Kirche Nantang in Peking.

Kniende Gläubige bei der Kommunion in der Kirche Nantang in Peking.

Aber auch zu diesem Punkt konnte durch die von verschiedenen Zeugen gelieferten, der Presse bekannten Informationen – verglichen mit der konsolidierten Lehre – ausgeschlossen werden, daß hier durch Berufung auf einen „Mangel in der Absicht“ Zweifel an der Gültigkeit der chinesischen Weihen erhoben werden konnten.
Besonders in der Frage der Absicht – wo der überprüfbare Bereich äußerer Fakten verlassen wurde und man sich in den subjektiven, inneren Bereich des Weihenden und des Geweihten begab – konnte man sich, wie das einige für die vatikanische Überprüfung herangezogene Experten taten, auf eine Passage in Apostolicae curae (1896) beziehen, das Apostolische Schreiben von Leo XIII. über die Ungültigkeit der anglikanischen Weihen. Darin wurde auf das Prinzip verwiesen, das besagte, daß – da hier die Kirche nicht die innere Absicht beurteilen konnte – jedes Mal, wenn die für das Spenden des Sakraments geforderte Sache und Form gewahrt blieben, davon ausgegangen wurde, daß Weihender und Geweihter die Absicht hätten, „das zu tun, was die Kirche tut“, wenn sie Bischöfe weiht. Im Falle der chinesischen Weihen, im Unterschied zu den anglikanischen, hatte es das Handauflegen gegeben, und waren die Worte der Weihepräfation des Römischen Pontificale gesprochen worden, was vorgeschriebener Form und Sache entsprach. Auch die Absicht, die Bischöfe als wahre Hirten zu weihen, war offensichtlich, dem entsprechend, was die Kirche bezüglich des Bischofsdienstes glaubt und bekennt, auch außerhalb der Jurisdiktion des Hl. Stuhls.
Auf diesen delikaten Punkt konzentrierten sich auch viele Argumente der Stellungnahmen der auf der Grundlage des gesammelten Materials hinzugezogenen Konsultoren. Einer von ihnen schrieb u.a., daß der Eid, von Seiten des Subjekts, nicht unbedingt einen vollkommenen Bruch mit dem Glauben der Kirche bedeuten müsse, wie er im Credo bekannt wird, das die „patriotischen“ Bischöfe selbst beteten und bei der Messe beten ließen, und auf diese Weise denselben Glauben der Kirche von Rom bekannten.
Um schließlich auch den letzten Zweifel am „Fall China“ auszuräumen, war es ausreichend, die in Jahrhunderten konsolidierte katholische Lehre wieder vorzuschlagen, die sich mit ähnlichen, auch jüngst vorgefallenen Fällen der Kirchengeschichte auseinandergesetzt hatte, in Sachen Gültigkeit der von häretischen oder schismatischen Amtsträgern gespendeten Sakramente. Von Gregor dem Großen bis zum II. Vatikanischen Ökumenischen Konzil, von Augustinus und Thomas von Aquin bis zum 1983 promulgierten Kodex des kanonischen Rechtes, haben das Lehramt und die klassische Theologie jene Sakramente als gültig anerkannt, wo die notwendigen Gültigkeitsvoraussetzungen gegeben waren, auf der Grundlage des Faktums, dass „die Tugend Christi, die in den Sakramenten wirkt, nicht von dem Stand der Unwürdigkeit des Weihespenders beeinträchtigt wird“, wie es in einem im Expertenbericht zitierten Text von Papst Anastasius II. heißt. Die kanonischen Sanktionen, mit denen ohne Zustimmung des Apostolischen Stuhls geweihte Bischöfe belegt werden, machen die von diesen vorgenommenen Jurisdiktions- und lehrmäßigen Handlungen ungültig. Sie können aber nicht die sakramentalen Handlungen schmälern, die kraft der potestas ordinis oder potestas sanctificandi vorgenommen werden. Diese ist „unwiderruflich“, insofern sie kraft des Sakraments ausgeübt wird und die ontologische Dimension der Person berührt. Pius XII. hatte in der Enzyklika Ad Apostolorum Principis von 1958 gerade bezüglich des Falles China bestimmt, daß die illegitim geweihten Bischöfe und ihre Konsekranten ipso facto die dem Hl. Stuhl „specialissimo modo“ vorbehaltene Exkommunizierung auf sich zogen. Die Gültigkeit dieser Weihen hatte er aber anerkannt. Und waren die Protagonisten dieser Angelegenheit denn wirklich von einer wahren schismatischen Absicht beseelt?

Kein chinesisches Schisma
Nie war ein Papst in den turbulenten Ereignissen um die chinesischen Katholiken der Meinung gewesen, daß hier ein Schisma vorlag. In der allgemeinen Unsicherheit und Verwirrung, die auch auf den Mangel an Nachrichten zurückzuführen war, ging nur Johannes XXIII. soweit, in einer berühmten Ansprache an das Konsistorium vom 15. Dezember 1958, vor der „schlimmen Gefahr eines unheilvollen Schismas“ zu warnen. Doch weiter ging er nicht.
In der Zwischenzeit hatten auch Augenzeugen wichtige Klärungen zu den chinesischen Bischofsweihen geliefert, die der vom Vatikan durchgeführten Studie überaus dienlich waren. Beispielsweise die Zeugenberichte zahlreicher Bischöfe, die gesagt hatten, die „Unabhängigkeits“-Formeln „zwar mit den Lippen, nicht aber mit dem Herzen“ gesprochen zu haben. Viele erklärten, darauf bedacht gewesen zu sein, diese Formeln zu „korrigieren“; es – mit dem Geweihten einig – in vorgetäuschter Zerstreutheit vermieden zu haben, jene Stellen auszusprechen, an denen der ausdrückliche Wunsch der Unabhängigkeit vom Apostolischen Stuhl erklärt wurde. Als Beispiel wurde die Geschichte eines Bischofs angeführt, „der den Eid nicht schwören wollte, und das auch nicht getan hat. Man einigte sich mit dem weihenden Bischof auf folgenden Kompromiß: ‚Akzeptierst Du die Kontrolle einer ausländischen Kirche?‘ wurde er gefragt. Und als er wissen wollte, was ‚ausländisch‘ bedeute, gab der Bischof, der ihn befragte, zurück: ‚Akzeptierst Du die Kontrolle und Leitung durch Taiwan?‘.“ Bei anderen Gelegenheiten dagegen kann man nicht sagen, was sich der Weihende und der Geweihte wirklich gesagt haben, weil die Kirchenorgel in dem Moment so laut spielte, daß die Worte des Eides unmöglich verstanden werden konnten.
Betende Gläubige in der Kirche St. Michael (Peking).

Betende Gläubige in der Kirche St. Michael (Peking).

Bereits Anfang der Achtzigerjahre bestätigten die immer zahlreicher in Rom eingehenden Briefe, in denen illegitime chinesische Bischöfe auf vertraulichem Wege um ihre Anerkennung durch den Hl. Stuhl baten, daß diese Angelegenheit vor dem Hintergrund der konkreten Umstände beurteilt werden müsse, in denen sie sich abspielte. Sie alle erklärten, absolut sicher zu sein, daß an der Gültigkeit ihrer Weihe kein Zweifel bestehen könne. Sie alle bekräftigten, die Weihe ohne päpstliches Mandat akzeptiert zu haben mit dem letzten Ziel, unter den gegebenen Umständen die Kontinuität der Kirche in China zu gewährleisten, in Erwartung besserer Zeiten.
In den Kreisen um die Kongregation Propaganda Fide war bekannt, daß beim Hl. Stuhl – durch Vertrauenspersonen überbrachte – lateinisch geschriebene Briefe betagter Bischöfe eingingen, die den Heiligen Vater um Vergebung baten, ihn anflehten, anerkannt, in volle Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri aufgenommen zu werden und ihm die Gründe für ihr Handeln mit dem Wunsch erklärten, das, was noch gerettet werden konnte, zu retten und die Herde nicht ohne Hirten zu lassen.
In diesem Zusammenhang befürwortete die vatikanische Studie – die Entscheidung aber natürlich der Autorität des Papstes überlassend – die Wiedereinsetzung der ansuchenden Bischöfe in ihr Bischofsamt, das sie wieder voll ausüben können sollten, da ihr letztes Kriterium die „suprema lex“, das Seelenheil, gewesen wäre. Nicht einmal der Umstand, daß diese Bischöfe mit den von der kommunistischen Partei kontrollierten „patriotischen“ Organismen zusammenarbeiten mußten, wurde als Faktum gesehen, das diese Möglichkeit ausschloß. Schon in den Achtzigerjahren bekräftigte so mancher Experte im „Fall China“, wie auch viele China-Kenner, daß es nicht richtig wäre, die nationale patriotische Vereinigung, ein politisches Kontrollorgan, mit jenem Teil der Kirche zu identifizieren, der in China diese Kontrolle akzeptierte oder einfach nur über sich ergehen ließ. Im Gegenteil: viele Experten der chinesischen kirchlichen Frage beurteilten schon damals selbst die Bezeichnung „patriotische Kirche“ als ungerecht – denn Bischöfe, Priester und Gläubige waren zwar bei der patriotischen Vereinigung registriert, erklärten sich aber als dem katholischen Glauben treu und fühlten sich als in voller Gemeinschaft mit dem Papst stehend. Die vatikanische Studie erkannte an, daß es nach der Kulturrevolution eine relative Bewegungsfreiheit gegeben hatte, die manchmal auch im Innern der patriotischen Vereinigung toleriert worden war. Es sah nicht so aus, als wäre das Leben der Kirche in China so sehr „verpolitisiert“, „daß es nicht einmal für die Bischöfe irgendeinen inneren und äußeren Freiheitsraum gegeben hätte“.
In der Tat wird seit Anfang der Achtzigerjahre – vorausgesetzt, sie haben eine Petition geschickt, und nach Erwägen, von Fall zu Fall, der jeweiligen persönlichen Situation und Sicherstellung, daß ihre Bischofswahl auch eine gültige war – eine ständig wachsende Zahl von mit dem „demokratischen“ System geweihten Bischöfen vom Hl. Stuhl als legitime Bischöfe anerkannt. Aber diese Geschichte wird 30Tage ein anderes Mal erzählen.


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