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UNO-BERICHT
Aus Nr. 06/07 - 2004

Notizen aus dem Glaspalast

„Vatikanische“ Resolution


Die Generalversammlung hat den Status des Hl. Stuhls konsolidiert und verbessert. In einem überaus demokratischen und konstruktiven Geist.



Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat am 1. Juli eine wichtige Resolution verabschiedet, die den Status, den der Hl. Stuhl als Ständiger Beobachter genießt (siehe Kasten) bestätigt und verbessert.
Was bedeutet diese Resolution? Laut Msgr. Celestino Migliore – der heute die vatikanische Vertretung im Glaspalast leitet – stellt sie die Formalisierung eines Status dar, in dessen Genuß der Hl. Stuhl praktisch schon seit vierzig Jahren kommt. Seit Öffnung der Ständigen Vertretung wurde der Hl. Stuhl nämlich stets eingeladen, an den Arbeiten der Generalversammlung teilzunehmen, was er – zusammen mit anderen Ländern – der den Ständigen Beobachtern vorbehaltenen Prozedur entsprechend auch getan hat. Mit dieser Prozedur sind jedoch einige Modalitäten verbunden, die eine angemessene Teilnahme nicht gerade erleichtern. Z.B. die, von den regionalen Gruppen für jeden Beitrag „grünes Licht“ zu erhalten; die Unmöglichkeit, eigene Dokumente als Arbeitsdokumente der Generalversammlung in Umlauf zu bringen; das Fehlen des Rechts einer Antwort auf Beiträge, die eventuell den Hl. Stuhl betreffen. Mit erwähnter Resolution werden all diese „Stolpersteine“ nun ausgeräumt.
Wie wichtig die Generalversammlung für den Hl. Stuhl ist, ist offensichtlich. Der Generalversammlung kommt eine der wichtigsten Rollen unter den sechs Haupt-Organen der UNO zu. Sie ist nämlich das einzige Forum, in dem alle Mitgliedstaaten repräsentiert sind und gleiches Stimmrecht haben, unabhängig von ihrer geographischen oder demographischen Dimension. Sie kümmert sich um alle Fragen, die auf der Tagesordnung der Organisation stehen und behandelt sie, nach Themen eingeteilt, in sechs Generalkomitees. Darüber hinaus bietet sie den Regierungen in aller Welt ein privilegiertes Forum für den Austausch von Ideen und Informationen, sowie für eine diplomatische Harmonisierung, die sich vor allem für die Länder als nützlich erweist, die keine diplomatischen Beziehungen unterhalten oder sich im Konflikt befinden. Kurzum: die Generalversammlung ist mit einem modernen Aeropag vergleichbar, in dem sich Ideen, Vorschläge, Informationen verflechten (und ein Konsens reifen kann), Dinge, die in kurzer Zeit um die ganze Welt gehen. Der Hl. Stuhl – mehr an der Teilnahme an den Arbeiten der UNO interessiert wegen deren Aspekt einer Weltbühne denn als Sitz einer global governance – hat natürlich ein großes Interesse an der Generalversammlung und so ist es nur natürlich, daß man auch schriftlich und mit Zustimmung und Unterstützung der internationalen Gemeinschaft fixieren wollte, welche die Modalitäten für eine effiziente Teilnahme an den Arbeiten dieses Organs sind.
Wenn die Generalversammlung also für den Hl. Stuhl auch überaus wichtig ist, sollte man doch nicht vergessen, darauf hinzuweisen, daß man kein Statut einer Vollmitgliedschaft angestrebt hat. Msgr. Migliore macht vielmehr darauf aufmerksam, daß der Hl. Stuhl, in seiner Eigenschaft als souveränes Völkerrechtssubjekt mit eigener und spezifischer Physionogmie gewiß daran interessiert ist, eine aktive und effiziente Präsenz im Rahmen der Vereinten Nationen beizubehalten, was das den Nicht-UNO-Mitgliedsstaaten zugestandene Wortrecht angeht. Das Stimmrecht und die vollwertige Zugehörigkeit würde ihn dagegen in direkter Weise in Fragen politischer, militärischer und wirtschaftlicher Art miteinbeziehen, die von seinen Zwecken abweichen. Der Hl. Stuhl, der seine internationale Aktivität im Bezug auf seine Ziele entfalten will, die im wesentlichen religiösen und moralischen Charakters sind, weiß die Möglichkeit zu schätzen, in der Familie der Nationen präsent und aktiv zu sein, seinen Standpunkt zu verschiedenen, auf der Tagesordnung stehenden Themen darzulegen und so an der internationalen Debatte und am gemeinsamen Willen der Staaten Anteil zu haben.
Man hat sich des öfteren gefragt, warum diese Resolution erst heute eingeführt wird, und warum das dagegen nicht der Fall war, als der Hl. Stuhl Ständiger Beobachter bei der UNO wurde. Die Antwort ist einfach: damals gab es andere Voraussetzungen. Am Anfang zählte der Club der Beobachter-Staaten 16 Mitglieder, und in der letzten Zeit, bis 2001, befand sich der Hl. Stuhl in Gesellschaft der Schweiz. All diese Ländern zielten auf eine Vollmitgliedschaft ab und hatten kein Interesse daran, ihren Beobachter-Status zu festigen; schließlich hätte das sowohl für die internationale als auch die nationale Gemeinschaft ein Fehlsignale sein können, so als wollten sie für immer ihre Beobachterrolle beibehalten. Derzeit dagegen – zumindest im Moment – ist der Hl. Stuhl das einzige Mitglied im Club der Beobachter mit statutenmäßigem Rang und kann so reagieren, ohne daß die Notwendigkeit bestünde, anderen Staaten Erklärungen zu geben.
Viele fragen sich, ob sich der Hl. Stuhl mit diesem Schritt nicht die Vollmitgliedschaft verbaut hat. Weder der Geist noch der Buchstabe der besagten Resolution lassen auch nur irgendetwas in dieser Richtung durchscheinen, gibt Msgr. Migliore zu verstehen. Der Sinn dieses Schrittes wird dagegen klar in den letzten „Überlegungen“ der Resolutions-Präambel ausgedrückt, wo bekräftigt wird, daß der Hl. Stuhl, im Kontext der Revitalisierung der Arbeiten der Generalversammlung, seinen Beitrag mit angemessenen Teilnahme-Modalitäten anzubieten wünscht.
Der Erwerb des Status eines UNO-Mitglieds ist für die Staaten, die nach Inkrafttreten des Statuts der UNO beitreten, von Artikel 4 der UNO-Charta definiert. Die Bedingungen ziehlen auf den Status eines völkerrrechtlichen Staatssubjekts und der Erfüllung einiger Erfordernisse ab, wie dem, daß es ein Land sein muß, das den Frieden liebt, daß man die sich aus dem Statut ergebenden Verpflichtungen einhält, dazu in der Lage und auch bereit ist. Nach genauer Überprüfung ergeben sich keine völkerrechtlichen Hindernisse für eine volle UNO-Mitgliedschaft des Hl. Stuhls. Es handelt sich vielmehr um eine Bewertung der Opportunität, die viele Aspekte in Betracht ziehen muß, vor allem die im wesentlichen geistliche und moralische Sendung des Hl. Stuhls.
In den vergangenen Monaten hat der ein oder andere in den italienischen Massenmedien seine Sorge über die „höchst vertrauliche“, um nicht zu sagen „geheime“ Prozedur zum Ausdruck gebracht, die zu dieser Resolution geführt hat. Eine Fehlinformation, wie es im Vatikan heißt. Die von der UNO für derartige Fragen vorgesehene Prozedur sieht nämlich keinerlei öffentliche Ankündigung oder Debatte vor, sondern verlangt vielmehr die vorherige Information und Abstimmung mit den Führungskräften und Rechtsbüros der Organisation; die Vorlage eines Resolutionsprojekts an die 191 Mitgliedstaaten, die dann überprüfen, ob die Frage direkt von der Vollversammlung behandelt werden kann, oder ob zuerst Debatten oder Vorverhandlungen notwendig sind; schließlich die Aufnahme in die Tagesordnung einer Sitzung der Generalversammlung. Alle diese oben beschriebenen Phasen wurden eingehalten, so daß schon am 20. April alle Ständigen Vertretungen über die Initiative unterrichtet worden waren. Dank der „Vereinfachung“ – einer Prozedur, die von der UNO bei allen Resolutionen angewandt wird –, die der Präsident der Generalversammlung dem Repräsentanten Italiens anvertraute, konnte der Resolutionstext die Approbation erlangen und in vielen Fällen die ausdrückliche und wohlwollende Unterstützung seitens der Mitgliedsländer.
Msgr. Migliore gesteht, die Initiative mit großer Genugtuung vorangetrieben zu haben und bestätigt, im direkten Kontakt mit den UNO-Führungskräften und den Repräsentanten der Mitgliedsländer, viele Versicherungen der Wertschätzung und der Unterstützung der Beiträge erhalten zu haben, die der Papst und der Hl. Stuhl für die Sache des Friedens und der Sorge um die gesamte Menschheit leisten. Natürlich wurde bei der Debatte oft versucht, einige Passagen der Resolution von einem prozeduralen und juridischen Gesichtspunkt zu illustrieren oder klarer zu machen, es traten aber keine unüberwindlichen Vorbehalte oder Befürchtungen ideologischer Art zutage.
Niemand hat vergessen, daß es in jüngster Vergangenheit Initiativen und auch Unterschriftensammlungen gegeben hat, die bezweckten, die Präsenz des Hl. Stuhls in der UNO anzufechten. Auf Initiative einiger Gruppen – privater Art oder NGOs – wurde da von Zeit zu Zeit versucht (und wird noch heute versucht), der institutionellen Präsenz des Hl. Stuhls in der UNO und in den internationalen Organismen allgemein entgegenzuwirken. Diese Initiative wird unter ideologischen Vorwänden von Interessengruppen vorangetrieben, die mit den Haltungen und Überzeugungen des Hl. Stuhls zu das Leben betreffenden Fragen nicht konform gehen. Nun regelt sich der Status eines UNO-Mitglieds oder -Beobachters nach juridischen, nicht aber ideologischen Gesichtspunkten. Und das ist auch richtig so. Es ist eine demokratische Garantie, die ermöglicht, daß alle Mitglieder der internationalen Gemeinschaft an der Debatte Anteil haben, die ja schließlich oft unterschiedliche Interessen und Meinungen haben können und auch haben, aber zusammenkommen, um zu debattieren und zu verhandeln mit dem Ziel, Divergenzen und Unterschiede auf friedlichem und dem Gemeinwohl zuträglichem Wege auszuräumen. Die Resolution ist allein von dem Wunsch beseelt, die Teilnahme des Hl. Stuhls an dieser Debatte in einem demokratischen und konstruktiven Geist, inklusiver und nicht exklusiver Art, zu konsolidieren.
Wenn man sich fragte, welche Auswirkungen diese Resolution auf Präsenz und Aktivität des Hl. Stuhls in der UNO haben wird, so lautet die Antwort, daß der Hl. Stuhl seinen Beitrag zur internationalen Debatte mit einer sichtlich vereinfachten Prozedur und gewiß auch mit der ausdrücklichen Unterstützung der Mitgliedsländer anbieten wird, da seine Teilnahmerechte nun besser abgesteckt sind.
Und wie kann sich die besondere Natur des Hl. Stuhls auch in eine so spezifische Aktivität wie die im Innern der UNO einfügen? Wenn man sagt, daß Natur und Sendung des Hl. Stuhls vor allem geistlicher Art sind, dann folgt daraus, daß seine Aktivität dazu tendiert, eine besondere Sicht der Person und folglich der menschlichen Gesellschaft herauszustellen, die nicht von der Transzendenz getrennt ist: und diese Überzeugung hat klare Auswirkungen auf jede Diskussion über Menschenrechte, Entwicklung, soziale und internationale Gerechtigkeit, Frieden und Krieg, das Zusammenleben der Völker, die Religionsfreiheit. Seine universale Natur, die keine Landesgrenzen kennt, bewirkt, daß der Hl. Stuhl auch weiterhin nicht nur an den schwierigsten Fronten der internationalen Szene engagiert ist, sondern in jeder kritischen Situation, ganz besonders in denen, die leicht in Vergessenheit geraten, weil hinter ihnen keine wirtschaftlichen, politischen oder strategischen Interessen stehen. Und schließlich veranlaßt sie ihre ethische und humanitäre Natur unweigerlich dazu, in das Zentrum ihrer Sorge und ihres Handelns nicht so sehr die Institutionen, die politischen oder sozialen Systeme zu stellen, sondern die menschliche Person, wie auch – wie bei einer Art konzentrischer Kreise – die ersten Gemeinschaften, die Familien, die Schule, die Arbeit, die Bereiche gesellschaftlichen Lebens, bis hin zu den lokalen Gemeinschaften, dann den nationalen, und schließlich dem internationalen Bereich. (Zus.gestellt von Giovanni Cubeddu)


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