JESUS VON NAZARETH. Vom Einzug in Jerusalem bis zur Auferstehung
In Treue zur Erklärung Nostra aetate
Wo Benedikt XVI. in seinem jüngsten Buch über die Verantwortlichkeit für den Tod Jesu spricht, legt er mit maßgebender Lehre dar, was schon das Zweite Vatikanische Konzil feierlich erklärt hat.
Gedanken des Oberrabbiners von Rom.
von Riccardo Di Segni
Riccardo Di Segni [© Tania/Contrasto]
In diesen Tagen wurde viel über das neue Buch des Papstes gesprochen, und das ist nur recht und billig. Seltsam, wenn auch nicht ungewöhnlich ist allerdings, dass es dabei fast ausschließlich um das Kapitel ging, in dem die Verantwortlichkeit der Juden für den Tod Jesu diskutiert wird. Ungewöhnlich ist das wie gesagt nicht – schließlich neigen die Medien oft dazu, Dinge hervorheben, die unbedeutend sein mögen verglichen mit anderen, die vielleicht größere Aufmerksamkeit verdienen würden. Das können wir bei der allgemeinen Informationsweitergabe beobachten – und umso mehr natürlich dort, wo es um den Papst geht, dessen umfassende lehramtliche Positionen oft ignoriert werden, weil man sich lieber auf Details konzentriert, die die Neugier der Leute befriedigen. Das Seltsame an der Sache ist aber, dass so viel Wirbel um eine Frage gemacht wird, die mittlerweile als geklärt gelten müsste. Die Revolution in den christlich-jüdischen Beziehungen hat ihren symbolischen Bezugspunkt in einem offiziellen Text, der vom Zweiten Vatikanischen Konzil promulgiert wurde: der Erklärung Nostra aetate. Darin wird gesagt, ja feierlich erklärt, dass die Verantwortung für den Tod Jesu nicht allen Juden seiner Zeit, und noch weniger denen der nachfolgenden Generationen zugeschrieben werden kann. So fällt die schreckliche Bezichtigung des Gottesmordes weg, die sich Jahrhunderte lang halten konnte, ja die eine der Grundlagen und Rechtfertigungen für den Hass und die Verfolgung der Juden durch Christen war. Mehr als 45 Jahre nach dieser Erklärung soll nun ein Buch, das die Leidensgeschichte Jesu behandelt und die maßgebendste Persönlichkeit der katholischen Welt zum Autor hat, diese Gedanken wieder aufgreifen und auf maßgebliche Weise erklären: Genau das ist mit dem Buch des Papstes geschehen. Man hätte erstaunt sein dürfen, wenn dem nicht so gewesen wäre, wenn andere Thesen und Argumente vorgelegt worden wären. Oder wenn es ein Papst vor dem Konzil geschrieben hätte. Warum also diese Aufregung? Hierauf gibt es mehrere Antworten, die einander keineswegs ausschließen. Ich möchte auf zwei davon eingehen. Die erste ist, dass das Buch mit einer Werbekampagne lanciert werden musste, die Leser „ködern“ soll: wenn es keine aufregende Nachricht gibt, muss man sie eben erfinden. Zweitens ist nicht alles, was einfach und selbstverständlich sein sollte, auch wirklich so einfach. Die Frage des Gottesmordes scheint trotz der vielen, ins Land gegangenen Jahrzehnte, trotz aller bereits unternommenen erzieherischen Bemühungen und trotz eines echten Wandels in den christlich-jüdischen Beziehungen noch immer weitgehend ungelöst zu sein, zumindest in unserem Unterbewußtsein. Und deshalb ist es auch so notwendig, die Frage jeden Tag mit neuen Mitteln anzugehen. Das Aufsehenerregende ist nicht die Tatsache, dass der Papst eine Erklärung vorgelegt hat, sondern dass eine solche Erklärung überhaupt notwendig war. Und wenn dem wirklich so ist, sollten wir uns Sorgen machen.