Startseite > Archiv > 07/08 - 2011 > Spirituelle Lektüre/43
RUBRIKEN
Aus Nr. 07/08 - 2011

Spirituelle Lektüre/43




Innenansicht des Baptisteriums von Padua mit dem Taufbecken. [© Giorgio Deganello Editore]

Innenansicht des Baptisteriums von Padua mit dem Taufbecken. [© Giorgio Deganello Editore]

„Confiteor unum baptisma in remissionem peccatorum“

 

Decretum de peccato originali, can. 4

Si quis parvulos recentes ab uteris matrum baptizandos negat, etiam si fuerint a baptizatis parentibus orti, aut dicit, in remissionem quidem peccatorum eos baptizari, sed nihil ex Adam trahere originalis peccati, quod regene­rationis lavacro necesse sit expiari ad vitam aeternam consequendam, unde fit consequens, ut in eis forma baptismatis “in remissionem peccatorum” non vera, sed falsa intellegatur: anathema sit. Quoniam non aliter intellegendum est id, quod dicit Apostolus: “Per unum hominem peccatum intravit in mundum, et per peccatum mors, et ita in omnes homines mors pertransiit, in quo omnes peccaverunt“ (Röm 5, 12), nisi quemadmodum Ecclesia catholica ubique diffusa semper intellexit. Propter hanc enim regulam fidei, ex traditione Apostolorum, etiam parvuli, qui nihil peccatorum in semetipsis adhuc committere potuerunt, ideo in remissionem peccatorum veraciter baptizantur, ut in eis regeneratione mundetur, quod generatione contraxerunt. “Nisi enim quis renatus fuerit ex aqua et Spiritu Sancto, non potest introire in regnum Dei“ (Joh 3, 5) (Denzinger 1514).

 

„Ich bekenne die eine Taufe zur Vergebung der Sünden“

 

Dekret über die Ursünde, can. 4

Wer leugnet, dass kleine Kinder gleich vom Mutterleibe weg zu taufen sind, auch wenn sie von getauften Eltern stammen, oder sagt, sie würden zwar zur Vergebung der Sünden getauft, aber zögen nichts von einer Ursünde aus Adam auf sich, was durch das Bad der Wiedergeburt gesühnt werden müsste, um das ewige Leben zu erlangen, woraus folgt, dass bei ihnen die Form der Taufe zur Vergebung der Sünden nicht richtig, sondern falsch verstanden wird: der sei mit dem Anathema belegt. Denn das, was der Apostel sagt: „Durch einen Menschen ist die Sünde in die Welt gekommen, und durch die Sünde der Tod, und so ging der Tod auf alle Menschen über; in ihm haben alle gesündigt“ (Röm 5, 12), ist nicht anders zu verstehen, als wie es die überall verbreitete katholische Kirche immer verstanden hat. Wegen dieser Glaubensregel nämlich werden, nach der Überlieferung der Apostel „auch kleine Kinder, die bis dahin in sich selbst noch keine Sünde begehen konnten, deshalb wahrhaft zur Vergebung der Sünden getauft, damit in ihnen durch Wiedergeburt gereinigt werde, was sie sich durch Geburt zugezogen haben. Wer „nämlich nicht aus Wasser und Heiligem Geist wiedergeboren wurde, kann nicht in das Reich Gottes eingehen“ (Joh 3, 5).

 

 

Als Kommentar zu can. 4, Decretum de peccato originali des Konzils von Trient (Denzinger 1514), wo, getreu dem Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel folgend (Ich bekenne die eine Taufe zur Vergebung der Sünden), bekräftigt wird, dass auch die Taufe der Kinder, die keine persönliche Sünde begehen konnten, der Vergebung der Sünden dient, veröffentlichen wir hier, zur Stärkung des Glaubens und als Gebet, jene Passagen des Credos des Gottesvolkes von Paul VI., in dem diese Glaubenslehre wieder vorgeschlagen wird.
Es hat uns immer überrascht beobachten zu können, dass Augustinus dort, wo er auf den Moment anspielte, in dem der Teufel freigelassen wird (vgl. Offb 20, 3. 7) – also entfesselt ist, sich entfesselt –, als Zeichen für die Treue des Herrn zu Seiner Kirche, also als Zeichen der Hoffnung, auf den Umstand verweist, dass christliche Eltern ihre Kinder taufen lassen (vgl. De civitate De i XX, 8, 3).
Daher schlagen wir als Kommentar zu can. 4 von Decretum de peccato originali des Konzils von Trient die Lektüre der Notizen einer Vorlesung von Giacomo Tantardini über diese Passage des De civitate Dei Augustins vor. Die Notizen zur Vorlesung an der Universität San Pio V in Rom vom 5. Mai 1999 wurden an die Studenten ausgegeben in Form eines Heftes mit dem Titel Invito alla lettura di sant’Agostino. Appunti dalle lezioni di don Giacomo Tantardini alla Libera Università San Pio V di Roma su “La città di Dio e gli ordinamenti degli Stati”, [Einladung zur Lektüre des Augustinus. Notizen der Vorlesungen von Don Giacomo Tantardini an der Freien Universität “San Pio V” Rom zum Thema “Der Gottesstaat und die Ordnungen der Staaten] Akademisches Jahr -1999 (pro manuscripto), San Gabriele Stiftung, Rom.

 

 

Ursünde und Kindertaufe

 

Paul VI., Credo des Gottesvolkes

Wir glauben, dass in Adam alle gesündigt haben, was besagen will, dass die Erbschuld, die Adam beging, die menschliche Natur, die allen Menschen gemeinsam ist, in einen Zustand fallen ließ, in dem sie die Folgen dieser Schuld zu tragen hat. Und dass dieser Zustand nicht jener ist, in dem unsere Stammeltern sich zuerst befanden, da sie in Heiligkeit und Gerechtigkeit geschaffen waren und der Mensch weder das Böse noch den Tod kannte. Die menschliche Natur ist also eine gefallene Natur: beraubt der Gnade, die sie bekleidete, verwundet in ihren eigenen natürlichen Kräften und dem Reich des Todes unterworfen, der auf alle Menschen übergegangen ist. Das ist der Sinn, daß jeder Mensch in Sünde geboren wird. Wir halten also mit dem Konzil von Trient fest, daß die Erbsünde mit der menschlichen Natur übertragen wird, „nicht durch Nachahmung, sondern durch Fortpflanzung“, und „so zu einem jeden gehört“ (vgl. Denzinger 1513).

Wir glauben, dass unser Herr Jesus Christus uns durch Sein Opfer am Kreuze von der Erbsünde und von allen persönlichen Sünden, die wir begangen haben, erlöst hat, so dass nach den Worten des Apostels dort, „wo die Sünde zugenommen hat, die Gnade überreich geworden ist“ (Röm 5, 20).

Wir glauben an die Taufe, die von unserem Herrn Jesus Christus zum Nachlass der Sünden eingesetzt worden ist. Die Taufe soll auch schon den Kindern im frühen Alter gespendet werden, die sich noch keiner persönlichen Sündenschuld bewusst sind, damit sie nicht der übernatürlichen Gnade verlustig gehen und „wiedergeboren werden aus dem Wasser und dem Heiligen Geist“ zum göttlichen Leben in Jesus Christus (cfr. Denzinger 1514).

 

 

 

 

 

Notizen zur Vorlesung von Don Giacomo Tantardini
an der Freien Universität „San Pio V“ Rom, 5. Mai 1999


„Auch wenn der Teufel freigelassen wird, wird es noch Eltern geben,

die stark genug sind, ihre Kinder taufen zu lassen“
(De civitate Dei XX, 8, 3)

 

Das Tier, das das Kind verschlingen will, das die mit der Sonne bekleidete Frau geboren hat. [© Archiv Alinari, Florenz]

Das Tier, das das Kind verschlingen will, das die mit der Sonne bekleidete Frau geboren hat. [© Archiv Alinari, Florenz]

Die letzten vier Bücher des De civitate Dei beschreiben das Ende, das Ende der beiden Staaten. Die dritte Passage, die wir heute lesen, stammt aus dem 20. Buch des De civitate Dei: es ist eine der schönsten Passagen. In Kapitel 8, Buch 201 kommentiert Augustinus einige Verse der Offenbarung des Johannes. Dabei beginnt er vor allem damit, jenen Vers (Offb 20, 3) zu zitieren, in dem es heißt: „“Post haec oportet eum solvi brevi tempore” / “Danach muss er [Satan] für kurze Zeit freigelassen werden”.“ Johannes spricht von den tausend Jahren, in denen der Satan gefesselt ist; von der kurzen Zeit, für die der Satan freigelassen werden muss; von den tausend Jahren, in denen die Heiligen auf der Erde herrschen werden. Augustinus gibt diesen Bildern des Lieblingsjüngers jene Auslegung, die sich die Kirche zueigen gemacht, ja schon immer vorgeschlagen hat. Es ist interessant feststellen zu können, dass es eine umfassende kulturelle Tradition gibt, die von Joachim von Fiore ausgeht und die der Interpretation des Augustinus entgegensteht. Joseph Ratzinger hat zu diesem Thema ein sehr interessantes Buch geschrieben2. Augustinus sagt, dass zwischen der Himmelfahrt des Herrn und Seiner Wiederkunft in Herrlichkeit mit der Auferstehung der Toten und dem Jüngsten Gericht nur die Zeit der Erinnerung liegt. In dieser “kurzen Zeit”3, zwischen der Himmelfahrt des Herrn und seiner Wiederkunft in Herrlichkeit geschieht nichts anderes, nichts Bemerkenswertes4. Die Erinnerung ist nämlich nichts anderes als das als Neuanfang immer wieder neue Neu-Geschehen dieses einen definitiven Ereignisses. Daher gehören sowohl die tausend Jahre, in denen der Teufel gefesselt ist, als auch die kurze Zeit, für die er freigelassen wird, und die tausend Jahre, in denen die Heiligen regieren, zu dieser Zeit der Kirche vor dem Jüngsten Gericht und sind Ausdrücke, die die Befindlichkeiten dieser Zeit der Kirche beschreiben. Augustinus geht auf definitive Weise über den Millennarismus hinaus. Die tausend Jahre, in denen die Heiligen auf der Erde herrschen werden, werden keine andere, von der Zeit der Kirche unterschiedliche Zeit sein. Denn – wie Augustinus in einer seiner schönsten Aussagen feststellt – sie herrschen schon jetzt, dieses Reich besteht schon jetzt5. Das ist der Kontext, in dem die Worte des Augustinus angesiedelt werden müssen. Und die Interpretation des Augustinus erscheint noch realistischer, wenn man die Anregungen Prof. Eugenio Corsinis zur Lektüre der Offenbarung des Johannes aufgreift6, die sich seiner Meinung nach vor allem auf den Tod und die Auferstehung des Herrn bezieht; jene drei Tage, in denen sich ein für allemal „die Offenbarung Jesu Christi“ (Offb 1, 1) erfüllt hat. Die Zeit der Kirche lebt von der Erinnerung an dieses Ereignis und von der Erwartung seines definitiven Eintretens. Das macht die Apokalpyse zu einem Buch der Erinnerung, und weniger der Zukunftsperspektiven.
Was bedeutet es also, fragt sich Augustinus, dass der Satan für kurze Zeit losgelassen werden wird? Wird er, wenn er losgelassen ist, die Kirche verführen können?
Absit; / Niemals / numquam enim ab illo Ecclesia seducetur praedestinata et electa ante mundi constitutionem, / wird er die von Grundlegung der Welt an vorherbestimmte und auserwählte Kirche verführen, / de qua dictum est: “Novit Dominus qui sunt eius”. / von der es heißt: “Es kennt der Herr die Seinen”.
In der Fastenzeit 1995 habe ich vorgeschlagen, ein kleines Heftchen mit dem Gebet zum hl. Josef drucken zu lassen, mit dem Memorare, dem Engel des Herrn, mit einem der schönsten Sätze, die Giussani im Januar/Februar jenes Jahres gesagt hat: „Wir befinden uns in einer derartigen universalen Dekadenz, dass es nichts mehr gibt, das aufnahmebereit wäre für das Christentum, dass es nichts mehr gibt außer der rohen geschöpflichen Wirklichkeit. Daher ist es der Moment der Anfänge des Christentums, es ist der Moment, in dem das Christentum entsteht, es ist der Moment der Auferstehung des Christentums. Und die Auferstehung des Christentums hat ein einziges großes Werkzeug. Was? Das Wunder. Es ist die Zeit des Wunders. Man muss den Leuten sagen, dass sie die Heiligen anrufen sollen, denn dafür wurden sie ja gemacht.“ Selbst wenn auch andere Wunder wirken7, wurden die Heiligen dafür gemacht. Man hat mir erzählt, dass Andreotti am vergangenen Montag in der Talkshow Porta a porta, in der es um die Seligsprechung von Padre Pio ging, auf die Aussage, dass die Heiligen wegen ihrer Bildung heiliggesprochen würden, ironisch bemerkte, dass wenn dem wirklich so sein sollte, Thomas von Aquin der einzige Heilige wäre. Wegen der Wunder wurden die Heiligen zu solchen gemacht.
Auf das bereits erwähnte Heftchen zur Fastenzeit 1995 habe ich drei kurze Sätze drucken lassen. Der erste stammt aus Psalm 5: „Du lässt die Lügner zugrunde gehen. Mörder und Betrüger sind dem Herrn ein Gräuel“. Der zweite aus der Apokalypse (Offb 13, 11.16-17): „Und ich sah: Ein anderes Tier stieg aus der Erde herauf. [...] Die Kleinen und die Großen, die Reichen und die Armen, die Freien und die Sklaven, alle zwang es, auf ihrer rechten Hand oder ihrer Stirn ein Kennzeichen anzubringen…“. Der dritte Satz stammt aus dem zweiten Brief des Paulus an Timotheus (2Tim 2, 19): „Aber das feste Fundament, das Gott gelegt hat, kann nicht erschüttert werden. Es trägt als Siegel die Inschrift: Der Herr kennt die Seinen, und: Wer den Namen des Herrn nennt, meide das Unrecht.“ Dieser dritte Satz ist der, von dem Augustinus sagt, dass er vor allem in der Zeit gelte, in der der Teufel freigelassen wird.
Doch lesen wir weiter bei Augustinus: „Et tamen hic erit etiam illo tempore, quo solvendus est diabolus, / Vorhanden jedoch wird sie [die Kirche] sein zu der Zeit, da der Teufel freizulassen ist, / sicut, ex quo est instituta, hic fuit et erit omni tempore, in suis utique qui succedunt nascendo morientibus, / wie sie vorhanden war seit ihrer Gründung und zu jeder Zeit vorhanden sein wird, ich meine in ihren Angehörigen, die durch die Geburt an die Stelle der Absterbenden rücken“: die Kirche lebt in ihren Angehörigen. Es gibt keine abstrakte Kirche. Es gibt die Kirche, die in ihren Angehörigen lebt, die auf vollkommene Weise in der Frau lebt, die Seine Mutter gewesen ist. Wenn wir in jeder Messe sagen „schau nicht auf unsere Sünden, sondern auf den Glauben Deiner Kirche“, dann denke ich vor allem an die Jungfrau Maria. Weil nämlich gerade dieses junge Mädchen den Glauben Seiner Kirche auf eine vorzügliche, einfache und ausgezeichnete Weise gelebt hat, in einer Gnadenfülle, die unübertrefflich ist. Wenn es niemanden gegeben hätte, der so gelebt hat, dann wäre dieses Gebet nicht so real.
Augustinus kommentiert später noch eine andere Passage der Apokalypse (20, 9 ff), in der Johannes sagt, alle Nationen „cinxerunt castra sanctorum et dilectam civitatem, / … umzingelten das Lager der Heiligen und Gottes geliebte Stadt / et descendit ignis de caelo a Deo et comedit eos [...] / Aber Feuer fiel vom Himmel und verzehrte sie [...]“ und schickten sich an, die geliebte Stadt zu erobern ... Doch Augustinus bekräftigt, wie ich bereits angedeutet habe, in seinem Kommentar zu dieser Stelle, dass der endgültige Sieg „iam ad iudicium novissimum pertinet / … zum letzten Gericht gehört“.
Über die kurze Zeit, in der der Satan freigelassen wird, sagt Augustinus: „[...] ne quis existimet eo ipso parvo tempore, quo solvetur diabolus, in hac terra Ecclesiam non futuram, illo hic eam vel non inveniente, cum fuerit solutus, vel absumente, cum fuerit modis omnibus persecutus / [...] Ich habe es hier nur angeführt, um der Meinung vorzubeugen, als wäre auch nur in der kurzen Zeit, da der Teufel freigelassen sein wird, die Kirche auf Erden nicht vorhanden; er wird sie vielmehr antreffen hienieden während seiner Freilassung und wird sie auch nicht beseitigen bei der mit allen Mitteln durchgeführten Verfolgung.
Christus auf dem weißen Pferd, gefolgt von den himmlischen Heerscharen. [© Giorgio Deganello Editore]

Christus auf dem weißen Pferd, gefolgt von den himmlischen Heerscharen. [© Giorgio Deganello Editore]

Wenn der Teufel aber freigelassen wird, dann heißt das, dass er gefesselt ist. Was bedeutet es, dass er gefesselt ist? „[...] Sed alligatio diaboli est non permitti exserere totam temptationem quam potest / [...] vielmehr besteht die Bindung des Teufels darin, dass ihm nicht verstattet wird, die ganze Wucht der Versuchung, deren er fähig ist, zu entfalten / vel vi vel dolo ad seducendos homines / durch Gewalt oder List zur Verführung der Menschen“, um die Menschen vom Glauben zu entfernen. Das ist der höchste Ausdruck der Versuchung. Alle Versuchungen des Satans sind Versuchungen, ebenso wie alle sieben Todsünden8 Todsünden sind. Aber die Versuchung, zu der alle Versuchungen führen, geschieht dann, wenn der Satan den Glauben zerstören will. Pater Leopoldo Mandic pflegte beim Beichthören immer zu sagen: „Man muss nur den Glauben retten“9. Das ist das Kriterium für die Priester, wenn sie Beichte hören; und es ist der letzte Zweck für den, der beichtet. So ist es unsagbar tröstlich, jedwede Sünde zu beichten, damit der Glaube gerettet wird. Der Glaube ist die Wurzel aller Dinge. So wird man wieder unschuldig, klein und reinen Herzens.
„Durch Gewalt oder List zur Verführung“ schickt sich der Satan an, den Glauben zu zerstören. „Durch Gewalt oder List zur Verführung“.
Vi / durch Gewalt“. Zum Beispiel Bedrohungen. Angesichts der plötzlichen Todesfälle in den vergangenen Jahren habe ich bereits mehrfach angedeutet, dass – um sie als Bedrohung gegen jene zu benutzen, die glauben – es von einem gewissen Gesichtspunkt aus nicht wichtig ist, ob diese plötzlichen Todesfälle durch Mord erfolgt sind oder ob es sich um zufällige plötzliche Todesfälle gehandelt hat (denn zufällig sind sie im letzten Plan der göttlichen Vorsehung ja ohnehin nie). Sie können nämlich als Drohung denen gegenüber verwendet werden, die glauben, auch wenn es keine wirklichen Mordfälle sind. Angesichts gewisser plötzlicher Todesfälle kann man sich sagen: „Schau, wenn du das nicht tust, wirst du genauso enden wie diese Person da“. So werden plötzliche Todesfälle also als Drohung benutzt, auch wenn diese Todesfälle keine wirklichen Morde sind, auch wenn die Betroffenen sozusagen eines natürlichen Todes gestorben sind.
Dolo / durch List“. Der Großteil der Personen wird durch List verführt. Im modernen Sprachgebrauch könnten wir auch von Gleichmacherei durch die Werkzeuge der Massenmedien sprechen. Medienlist. Um die Menschen zu überlisten, macht sich der Teufel die Sünde des Hochmuts zunutze. Den Kleinen und den Einfachen, also den Demütigen („Qui sunt parvuli? Humiles10) schenkt der Herr Weisheit. „Die Erklärung deiner Worte bringt Erleuchtung, den Unerfahrenen schenkt sie Einsicht“ (Ps 119, 130).
Daher weist Augustinus dort, wo er von dieser Verfolgung spricht, darauf hin, wie wichtig die Weisheit ist. Also jene Klugheit, die den Moment zu erfassen versteht. An einer späteren Stelle sagt er: „Omnes insidias eius atque impetus et caverent sapientissime et patientissime sustinerent / dass sie alle Nachstellungen und Angriffe des Teufels teils mit höchster Weisheit meiden, teils mit wunderbarer Geduld ertragen würden“. Augustinus beharrt auf dieser Klugheit; auch wenn es offensichtlich ist, dass der Umstand, dass man in der Verfolgung gläubig bleibt, eine besondere Gabe ist. Vor allem wenn die Verfolgung blutig wird, wie es Giussani im April 1992, vor 7 Jahren, vorhergesehen hat11.
Augustinus fährt fort: „in partem suam cogendo violenter fraudolenterve fallendo / indem er sie auf seine Seite gewaltsam zwingt oder trügerisch lockt“. Der Teufel führt die Menschen nicht in erster Linie deshalb in Versuchung, damit sie sündigen (auch wenn er sie nur durch die Sünde auf seine Seite zwingen oder locken kann12), sondern um sie auf seine Seite zu locken. Das ist der Zweck: sie auf seine Seite zu locken. Wenn man das nicht versteht, hat man eine wesentliche Dimension der Kirchengeschichte nicht erfasst. Man kann die Kirchengeschichte nicht nur als Geschichte von Gnaden und Sünden beschreiben. Ich erinnere mich, dass ich einmal mit Giussani im Auto nach Rom gefahren bin. Bevor wir die Piazza Venezia erreichten, sagte Giussani zu mir: „Siehst Du, in der Kirchengeschichte gibt es drei Faktoren: die Gnade, die Sünde und den Antichrist. Wenn man den Antichrist nicht in Betracht zieht, kann das Verhältnis zwischen Gnade und Sünde moralistisch verstanden werden“. Der Antichrist will dich durch die Sünde auf seine Seite locken. „In partem suam cogendo violenter fraudolenterve fallendo / indem er sie auf seine Seite gewaltsam zwingt oder trügerisch lockt“.

 

Augustinus fragt sich: Warum wird der Satan freigelassen?
Hierzu eine kleine Randbemerkung. Irgendjemand hat mich auf einen Traum des hl. Giovanni Bosco hingewiesen. Don Bosco träumte – wenn ich mich recht erinnere – von einer Wette zwischen Gott und dem Teufel, bei der der Teufel zu Gott sagt, es würde ihm gelingen, den Glauben in einem Jahrhundert zu zerstören. Und der Herr entgegnet: Nun gut, ich gebe dir ein Jahrhundert, du kannst alles tun, was du willst. Dann werden wir sehen, ob es dir gelungen ist, den Glauben in meiner Kirche vollkommen zu zerstören. An solche Privatoffenbarungen, wie es die Träume von Don Bosco gewesen sein mögen, kann man glauben oder auch nicht. Ja, genau gesagt ist es nicht so, dass man an sie glaubt: man kann ihnen nur Glauben schenken, oder auch nicht. Denn sie sind nicht Gegenstand des Glaubens. Privatoffenbarungen können jedoch kluge Hypothesen für die Auslegung der Realität sein. Privatoffenbarungen, eins­chließlich der Muttergottes-Erscheinungen, können dem vom Glauben erhellten Verstand Anregungen für die Betrachtung der Realität liefern. Denken wir nur an die prophetischen Worte Pauls VI. im September 197713 und an das noch dramatischere, realistische Urteil, das Giussani im Dezember 1998 über den kleinen Rest abgegeben hat14. Eine Privatoffenbarung, an die man genau genommen nicht glaubt, sondern der man lediglich Glauben schenkt, weil der Glaube nur einer Anziehung der Gnade erwächst15, kann dennoch eine überaus nützliche Anregung dafür sein, die Realität aufmerksam und aufnahmebereit so zu betrachten, wie sie ist.

 

Warum also wird der Satan freigelassen?
Si autem numquam solveretur, minus appareret eius maligna potentia, / Würde er dagegen niemals freigelassen, so träte seine bösartige Macht weniger klar in die Erscheinung, / minus sanctae civitatis fidelissima patientia probaretur, / es würde sich die Geduld der heiligen Stadt in ihrer nie wankenden Ausdauer weniger klar erweisen, / minus denique perspiceretur, quam magno eius malo tam bene fuerit usus Omnipotens [...] / und es würde sich endlich auch nicht so deutlich erkennen lassen, wie sehr seine übergroße Bosheit nach dem Willen des Allmächtigen dem Guten dienen muß [...] / In eorum sane, qui tunc futuri sunt, sanctorum atque fidelium comparatione quid sumus? / Was sind übrigens wir im Vergleich mit den Heiligen und Gläubigen jener Endzeit [wenn der Teufel freigelassen ist]?“.
Diese Frage stellt sich Augustinus ganz spontan, immerhin lebte Augustinus in einer Zeit, in der Tausende und Abertausende von Menschen Christen wurden. So stimmt es ja auch, dass für Augustinus das offensichtliche Wunder für den Glauben an Christus die multitudo ist, die Vielzahl von Menschen, die Christen werden. Augustinus war von Tausenden und Abertausenden von Menschen umgeben, die Christen wurden. Eine multitudo von Ungebildeten und Sündern, die dem Christentum begegneten16. Die Evidenz der Wunder, die den Glauben zur Zeit des Augustinus gestärkt haben17, kann man nicht mit unserer heutigen Zeit vergleichen, in der die Kirche, wie ein Bischof aus Laos zu 30Tage einmal gesagt hat, wie ein aus den Fluten gerettetes kleines Kind ist18. Augustinus konnte sagen: „Das offensichtlichste Wunder ist, dass eure Tempel, eure Theater leer, die Kirchen aber voll sind mit Menschen.“ Heute ist das genaue Gegenteil der Fall. Deshalb kann ich diese Zeit, oder zumindest Augenblicke dieser Zeit als die Zeit oder Augenblicke der Zeit deuten, in der Satan freigelassen ist. Ich sage das von einem realistischen Standpunkt aus, als Feststellung19. Auch das Gebet von Papst Leo XIII. zum Erz­engel Michael, das vor der Liturgie-Reform am Ende der heiligen Messe gebetet wurde, suggerierte diese Hypothese, wenn es heißt: „...Oh Fürst der himmlischen Heerscharen, sei unser Verteidiger in diesem schrecklichen Krieg, den wir gegen die Fürstentümer und Mächte, gegen die Herrschenden dieser Welt des Dunkels und gegen die bösen Geister führen...“20.


[...] Usque in illum finem sine dubio convertentur; [...] / [...] denn auch jetzt [auch wenn der Teufel freigelassen ist] bekehren sich Menschen vom Unglauben; [...] / qui oderint christianos, in quorum quotidie, velut in abysso, caecis et profundis cordibus includatur / [und es folgen ihnen] Menschen, die die Christen hassen und in deren verblendeten Herzen er [Satan] täglich wie in einem Abgrund eingeschlossen wird“: ich glaube, dass es kaum ein tragischeres Urteil Augustins gibt als das über jene, die die Christen als solche hassen, also „jene, die sich in der Einfachheit der Tradition bewegen“21.
Immo vero id potius est credendum, / Man wird also vielmehr anzunehmen haben, / nec qui cadant de Ecclesia nec qui accedant Ecclesiae illo tempore defuturos, / dass es zu jener Zeit wie an Abtrünnigen so auch an Ankömmlingen der Kirche nicht fehlen wird, / sed profecto tam fortes erunt et parentes pro baptizandis parvulis suis / sicherlich werden sowohl die Eltern, die ihre Kinder taufen lassen [wie schön ist doch dieser Hinweis, gerade im Hinblick auf die Dinge, die in den letzten Jahren passiert sind!], / et hi, qui tunc primitus credituri sunt, ut illum fortem vincant etiam non ligatum, / wie auch die neu hinzutretenden Gläubigen stark genug sein, jenen Starken [den Teufel] auch in seiner Freiheit zu überwinden, / id est omnibus, qualibus antea numquam, vel artibus insidiantem vel urgentem viribus, et vigilanter intellegant et toleranter ferant; ac sic illi etiam non ligato eripiantur / d. h. seine freilich nun ganz ausbündigen Nachstellungskünste und Gewalttätigkeiten durch Wachsamkeit zu erkennen und in Geduld zu ertragen und so ihm auch in seiner Freiheit zu entrinnen“: nicht sie siegen, sondern diejenigen, die durch die Gnade Gottes sowohl der Gewalt, die bedroht, entrissen werden, als auch der Täuschung.
Im 9. Kapitel des 20. Buches22 schließlich kommentiert Augustinus die tausend Jahre, in denen die Erwählten auf der Erde herrschen werden: „Interea dum mille annis ligatus est diabolus, sancti regnant cum Christo etiam ipsi mille annis, eisdem sine dubio et eodem modo intellegendis, id est, isto iam tempore prioris eius adventus. / Unterdessen, da der Teufel tausend Jahre gebunden ist, herrschen die Heiligen mit Christus auch tausend Jahre, eben diese tausend Jahre ohne Zweifel, die auch ebenso zu verstehen sind, nämlich von der gegenwärtigen Zeit der ersten Ankunft Christi. / Excepto quippe illo regno, de quo in fine dicturus est: “Venite, benedicti Patris mei, possidete paratum vobis regnum” / Denn nicht nur in jenem zukünftigen Reiche, das der Herr am Ende der Zeiten im Auge hat, wenn er sprechen wird: “Kommet, ihr Gesegneten meines Vaters, nehmet Besitz von dem Reiche, das für euch bereitet ist”, / nisi alio aliquo modo, longe quidem impari, iam nunc regnarent cum illo sancti eius, / sondern auch jetzt schon herrschen mit ihm, freilich in ganz anderer Art [vom Paradies aus], seine Heiligen, / quibus ait: “Ecce ego vobiscum sum usque in consummationem saeculi”; / denen ja das Wort gilt: “Sehet, ich bin bei euch bis ans Ende der Welt”; / profecto non etiam nunc diceretur Ecclesia regnum eius regnumve caelorum / sonst hieße nicht jetzt schon die Kirche sein Reich oder das Himmelreich“: seine Gläubigen herrschen durch Seine Gegenwart. Denn da der Herr schon jetzt gegenwärtig ist, ist das Herrschen wie der Widerschein Seiner Gegenwart und Seines Handelns im Herzen und in den Gesten, also in den guten Werken.
[...] Ergo et nunc Ecclesia regnum Christi est regnumque caelorum. / [...] sonst hieße nicht jetzt schon die Kirche sein Reich oder das Himmelreich. / Regnant itaque cum illo etiam nunc sancti eius, / Es herrschen sonach mit ihm auch jetzt seine Heiligen, / aliter quidem quam tunc regnabunt; / freilich anders, als sie dereinst herrschen [im Paradies]; / nec tamen cum illo regnant zizania, quamvis in Ecclesia cum tritico crescant / dagegen hat keinen Anteil an der Mitherrschaft das Unkraut, obwohl es in der Kirche mitsamt dem Weizen heranwächst“. Der Unterschied in der Kirche ist gerade das Herrschen. Der Unterschied ist die Erfahrung des Staunens, den Seine Gegenwart auslöst. Der Unterschied ist es also, ob man in der Gnade Gottes steht oder nicht23. Auch das Unkraut ist in der Kirche, auch das Unkraut gehört zur Kirche, auch das Unkraut kann an den Sakramenten der Kirche Anteil haben, kann unter den Oberhäuptern der Kirche sein24, aber es herrscht nicht. Denn das Herrschen ist einfach nur der Widerschein des Wunders Seiner Gnade im Herzen und in den guten Werken: „[...] Postremo regnant cum illo, qui eo modo sunt in regno eius ut sint etiam ipsi regnum eius / [...] Mit einem Wort, es herrschen mit ihm die, die in seinem Reiche und zugleich, selbst sein Reich sind.
 

 

Anmerkungen

1 Vgl. De civitate Dei XX, 8, 1-3.
2 Vgl. J. Ratzinger, Die Geschichtstheologie des heiligen Bonaventura, München-Zürich, EOS-Verlag 1959.
3 Augustinus, In Evangelium Ioannis CI, 1.6.
4 Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Göttliche Offenbarung, Dei Verbum, Nr. 4: „Oeconomia ergo christiana, utpote foedus novum et definitivum, numquam praeteribit, et nulla iam nova revelatio publica expectanda est ante gloriosam manifestationem Domini nostri Iesu Christi / Daher ist die christliche Heilsordnung, nämlich der neue und endgültige Bund, unüberholbar, und es ist keine neue öffentliche Offenbarung mehr zu erwarten vor der Erscheinung unseres Herrn Jesus Christus in Herrlichkeit (vgl. 1 Tim 6,14 und Tit 2,13).“
5 Vgl. De civitate Dei XX, 9, 1, siehe SS. 23ff.
6 Vgl. I. de la Potterie, Die Apokalypse ist schon eingetreten, 30Tage, Nr. 9/1995, S. 70.
7 L. Giussani, Cristo è tutto in tutti, Appunti dalle meditazioni di Luigi Giussani per gli Esercizi della Fraternità di Comunione e liberazione, Rimini 1999, Beilage zu Litterae Communionis-Tracce, Nr. 7, Juli-August 1999, S. 54: „Erinnert ihr euch – wie es im zweiten Buch der Schule der Gemeinschaft beschrieben wird –, als Jesus mit seinen Aposteln über die Felder ging und nahe eines Dorfes namens Nain eine Frau sah, die bitterlich weinend hinter dem Sarg ihres Sohnes herging? Und er zu ihr ging; aber nicht zu ihr sagte: “Ich erwecke deinen Sohn”. Sondern: “Frau, weine nicht”, mit einer Zärtlichkeit, einer so unverkennbaren Zärtlichkeit und Liebe zum Menschen! Und tatsächlich gab er ihr dann später auch ihren Sohn lebend zurück. Aber das ist nicht der Punkt, denn die Wunder können auch andere wirken, das aber, das ist Liebe, diese Liebe Christi zum Menschen kann mit nichts verglichen werden!“.
8 Vgl. Wer betet, wird gerettet, 30Tage, Rom 2009, S. 18: „Die sieben Hauptsünden: 1. Stolz; 2. Habsucht; 3. Neid; 4. Zorn; 5. Unkeuschheit; 6. Unmäßigkeit; 7. Überdruss“.
9 Vgl. S. Falasca, Es ist der Herr, der wirkt, in 30Tage, Nr. 1, Januar 1999, SS. 55-59.
10 Augustinus, Sermones 67, 5, 8.
11 L. Giussani, Un avvenimento di vita, cioè una storia (Vorwort von Kardinal Joseph Ratzinger), Edit-Il Sabato, Rom 1993, S. 104: „Die Wut der Welt richtet sich heute nicht gegen das Wort Kirche, sie bleibt auch angesichts der Idee, dass sich jemand als Katholik definiert, gelassen oder angesichts der als moralische Autorität verstandenen Gestalt des Papstes. Ja, da ist eine formale, sogar ehrliche Ehrerbietung. Der Hass entlädt sich – verhalten noch, aber bald schon entfesselt – über den Katholiken, die sich als solche geben, Katholiken, die sich in der Einfachheit der Tradition bewegen.“
12Non enim nisi peccatis homines separantur a Deo / Denn nur die Sünden trennen den Menschen von Gott“ (De civitate Dei X, 22); „Non deserit, si non deseratur / Er verläßt nicht, wenn er nicht verlassen wird“ (Augustinus, De natura et gratia 26, 29); Konzil von Trient, Decretum de iustificatione, Kap. 11: De observatione mandatorum, deque illius necessitate et possibilitate, Denzinger 1536-1539, bes. 1537; Erstes Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über den katholischen Glauben, Dei Filius, Denzinger 3014.
13 Vgl. L. Giussani, Un avvenimento di vita, cioè una storia (Vorwort von Kardinal Joseph Ratzinger), Edit-Il Sabato, Rom 1993, SS. 72-73: „In den letzten Jahren wollten Sie, dass alle die Worte kennen und wiederholen, die Paul VI. am 8. September 1977 zu seinem Freund Jean Guitton sagte, als von „einem nicht-katholischen Denken“ und der Ausdauer einer „kleinen Herde“ die Rede war. Warum? Luigi Giussani: Weil es genau so geschieht. Lesen Sie mir diese Worte bitte noch einmal vor. Hier sind sie: “In diesem Moment besteht in der Welt der Kirche große Verwirrung, und was in Frage gestellt wird, ist der Glaube. Es kommt nun vor, dass ich mir den düsteren Satz Jesu im Lukas-Evangelium vorsage: “Wird der Menschensohn, wenn er kommt, noch Glauben auf Erden vorfinden?”. Es kommt vor, dass Bücher erscheinen, in denen sich der Glaube in wichtigen Fragen im Rückzug befindet, dass die Episkopate schweigen, dass man diese Bücher nicht merkwürdig findet. Manchmal lese ich das Evangelium vom Ende der Zeit wieder und stelle fest, dass in diesem Moment einige Zeichen dieses Endes zutage treten. Sind wir dem Ende nahe? Das werden wir nie wissen. Man muss allzeit bereit sein, aber es kann alles noch lange dauern. Was mich beeindruckt, wenn ich an die katholische Welt denke ist, dass im Innern des Katholizismus manchmal eine Art nicht-katholisches Denken zu überwiegen scheint, und es kann vorkommen, dass dieses nicht-katholische Denken im Innern des Katholizismus morgen das stärkere wird. Aber es wird nie das Denken der Kirche repräsentieren. Eine kleine Herde muss bestehen bleiben, auch wenn sie noch so klein ist”.
14 L. Giussani, Auch Christus ist Wirklichkeit und Teil des Wirklichen, in 30Tage, Nr. 12, Dezember 1998, S. 60: „Die Tatsache, dass Christus lebt – wer er ist, wo er ist, welcher Weg zu ihm führt – wird heute nur von wenigen gelebt, gleichsam von einem Rest Israels. Und oft sind auch diese von der vorherrschenden Mentalität beeinflusst oder blockiert“.
15 Thomas von Aquin, Summa theologiae II-II q. 4 a. 4 ad 3: „Gratia facit fidem non solum quando fides de novo incipit esse in homine, sed etiam quamdiu fides durat / Die Gnade schafft den Glauben nicht nur, wenn der Glaube in einer Person beginnt, sondern während der gesamten Zeit, die der Glaube dauert.“
16 Vgl. J. Ratzinger, Volk und Haus Gottes in Augustins Lehre von der Kirche, EOS-Verlag, St. Ottilien 1992: "Gott hat das getan [die Weisheit ein weiteres Mal Fleisch werden lassen, damit sie auch bis zu den Augen der Verblendeten durchdringt], zuerst durch die Wunder, dann durch die multitudo. Für Augustin ist die Vielzahl der zur Kirche gehörenden Völker ein sichtbares Gotteszeichen, das wirklich nur Gott selbst zu setzen vermochte" (S. 30-31).
17 Vgl. Erstes Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über den katholischen Glauben, Dei Filius, Denzinger 3009.
18 Vgl. S. M. Paci, Uns genügt ein Ave Maria, Interview mit Monsignor Jean Khamsé Vithavong, Apostolischer Vikar von Vientiane in Laos, in 30Tage, Nr. 3, März 1999, SS. 14-17.
19 Vgl. J. Ratzinger, Die Angst vor einer Abwesenheit. Meditationen zum Karsamstag, Beilage zu 30Tage, Nr. 3, März 1994.
20 Papst Leo XIII. verfasste das Gebet an den Erzengel Michael um das Jahr 1886 und ließ es dann an alle Bischöfe schicken, damit sie es am Ende jeder heiligen Messe kniend beten ließen, nachdem er von einer Vision am Ende einer Meßfeier in seinem Beisein zutiefst erschüttert worden war (vgl. Ephemerides liturgicae 69 [1955], S. 59 Anm. 9). Leo XIII. ließ das Gebet auch in einen besonderen Exorzismus im Römischen Ritual einfügen (unter Titel XII, Ausgabe von 1954).
21 Vgl. oben, Anm. 11.
22 Vgl. De civitate Dei XX, 9, 1.
23 Vgl. Zweites Ökumenisches Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen gentium, Nr. 14: “Non salvatur tamen, licet Ecclesiae incorporetur, qui in caritate non perseverans, in Ecclesiae sinu “corpore” quidem, sed non “corde” remanet. Memores autem sint omnes Ecclesiae filii condicionem suam eximiam non propriis meritis, sed peculiari gratiae Christi esse adscribendam; cui si cogitatione, verbo et opere non respondent, nedum salventur, severius iudicabunt ur / Nicht gerettet wird aber, wer, obwohl der Kirche eingegliedert, in der Liebe nicht verharrt und im Schoße der Kirche zwar “dem Leibe”, aber nicht “dem Herzen” nach verbleibt. Alle Söhne der Kirche sollen aber dessen eingedenk sein, dass ihre ausgezeichnete Stellung nicht den eigenen Verdiensten, sondern der besonderen Gnade Christi zuzuschreiben ist; wenn sie ihr im Denken, Reden und Handeln nicht entsprechen, wird ihnen statt Heil strengeres Gericht zuteil (Lk 12, 48: “Wem viel gegeben wurde, von dem wird viel zurückgefordert werden”. Vgl. Mt 5, 19-20; 7, 21-22; 25, 41-46; Jak 2, 14 ).“
24 Vgl. L. Giussani L’uomo e il suo destino. In cammino, Marietti, Genua 1999, SS. 27-28: “Hier möchte ich eine Anmerkung machen. Was wir vorhin über die Macht gesagt haben, gilt als schwindelerregender Aspekt für die Autorität, wie sie in der Kirche gelebt werden könnte. Wenn sie nicht väterlich, und folglich mütterlich ist, kann sie zur Quelle eines ungeheuren Missverständnisses werden, zum heimtückischen und zerstörerischen Instrument in der Hand der Lüge, Satans, des Vaters der Lüge (vgl. Joh 8, 44). Dabei muss der Autorität der Kirche doch stets, in erschütternder Weise, letztendlich gehorcht werden, paradoxerweise.



Italiano Español English Français Português