Startseite > Archiv > 05 - 2012 > Ein Rosenkranz für die ganze Welt
JAHR DES GLAUBENS
Aus Nr. 05 - 2012

Ein Rosenkranz für die ganze Welt


„Das Jahr des Glaubens ist vor allen Dingen ein Jahr, in dem wir für den Glauben beten und den Herrn darum bitten müssen, uns das Geschenk des Glaubens zu machen.“ Interview mit Kardinal Fernando Filoni, Präfekt der Kongregation für die Evangelisierung der Völker.

Von der Weihe chinesischer Bischöfe zur „Gebets-Kampagne“ für die Verkündigung des Evangeliums auf jedem Kontinent.
 


Interview mit Kardinal Fernando Filoni von Gianni Valente


Am 19. Februar hatte er die Ehre, Benedikt XVI. den Dank all jener auszusprechen, die beim Konsistorium am Tag zuvor zu Kardinälen kreiert worden waren. Bei dieser Gelegenheit stellte Seine Eminenz Fernando Filoni den Kardinalsdienst der neuen Purpurträger „unter den Schutz Mariens, Mutter der Gnade“. Seine „Strategie“ für das kommende Jahr des Glaubens ist das einfache Rosenkranzgebet. Ein Kranz von Gebeten, der der Verkündigung des Evangeliums auf jedem Kontinent angeboten wird. Die einfachste Art und Weise, um „vom Herrn das Geschenk des Glaubens“ zu erbitten, für sich und für die anderen. Eine die ganze Welt umspannende Gebetskampagne für die Evangelisierung, die das Jahr des Glaubens begleitet, dem Papst Benedikt XVI. am 11. Mai bei der Audienz für die Nationaldirektoren der Päpstlichen Missionswerke seinen Segen gegeben hat. Besagte Direktoren werden die Initiative in ihren Ländern vorantreiben.

Fernando Filoni, Präfekt der Kongregation für die Evangelisierung der Völker, hat die ganze Welt bereist und weiß, wie sie funktioniert. Er ist bekannt für seine Reserviertheit; dafür, dass er unempfänglich ist für Gerüchte jeder Art; dass er arbeitsam ist; jedes Problem entschlossen angeht und immer versucht, realistische Lösungen zu finden. Eigenschaften, die nicht gerade das beschreiben, was man unter einem vatikanischen „Bürokraten“ versteht, sondern vielmehr eine geistliche Weisheit und einen Blick auf die Belange der Kirche und der Welt erkennen lassen, der einfach ist und konkret. Wie die Kette eines Rosenkranzes.

30Tage hat ihn in seinem Büro im Palast der Propaganda Fide besucht, gleich beim Spanischen Platz in Rom. Der Kongregation für die Evangelisierung der Völker sind mehr als tausend Kirchensprengel unterstellt, darunter der Großteil der Diözesen Afrikas, Asiens und Ozeaniens – ganz zu schweigen von den vielen Universitäten, Seminaren, Krankenhäusern und Schulen.

 

Kardinal Filoni bei der Inbesitznahme der Diakonie „Nostra Signora di Coromoto in San Giovanni di Dio“, Rom (23. Februar 2012).

Kardinal Filoni bei der Inbesitznahme der Diakonie „Nostra Signora di Coromoto in San Giovanni di Dio“, Rom (23. Februar 2012).

Als Sie Kardinal geworden sind, stand im Osservatore Romano zu lesen, dass das Haus, in dem Sie aufgewachsen sind, „gleich neben der Dorfkirche stand“. Das hat Ihr Leben bereits in eine gewisse Bahn gelenkt…

FERNANDO FILONI: Gott gibt uns viele Möglichkeiten, und er baut unsere Geschichte auf der Grundlage dessen auf, was wir sind. Als Junge frequentierte ich die Pfarrei, habe den Priestern bei der Messe gedient, und als ich so mit ihnen am Altar stand, da konnte ich ihre Bereitschaft zum Dienst erkennen. Bis der Pfarrer uns Jungen eines Tages gefragt hat, ob denn dieses Jahr keiner von uns ins Seminar eintreten wolle. Da hob ich die Hand und sagte entschlossen: ich! Es war eine Art kindlicher Eingebung, aber da war auch der Umstand, dass meine Eltern mir in den einfachen Dingen des Alltags schon von klein auf den Glauben vorgelebt hatten.

Die Jahre Ihrer Vorbereitung auf den Priesterdienst fielen in die Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils.

Während der Mahlzeiten ließen uns unsere Oberen die Berichte über den Verlauf des Konzils verlesen. Das Fernsehen – damals noch schwarz-weiß – zeigte uns das Bild der Universalität und die ganze menschliche Bandbreite der Kirche: den Papst, die Patriarchen des Ostens und die Bischöfe, die in Prozession in den Petersdom einzogen. Weiße, Schwarze, Männer mit Bärten, aus Ost und West... Als ich anfing, am Seminar von Viterbo Theologie zu studieren, war das Konzil zu Ende. Die Bänke, die den Generalversammlungen der Konzilsväter gedient hatten, wurden den Seminaren geschenkt. Auch dem Seminar von Viterbo – sie kamen in die Aula für die Theologie-Vorlesungen. So kam es, dass wir bei den Vorlesungen auf den Bänken der Konzilsväter saßen – und uns dabei natürlich vorzustellen versuchten, wer wohl vor uns hier gesessen hatte.

Ihr Bischofsmotto lautet „Lumen gentium Christus“. Das erinnert an die ersten Worte der Dogmatischen Konstitution über die Kirche, das wichtigste Dokument, das das Konzil hervorgebracht hat.

Wir waren sehr beeindruckt von der Debatte über die Kirche, die das Herzstück des Konzils war – „Lumen gentium Christus“ – und die in drei einfachen Worten alles sagte. Der Anfang der Konzilskonstitution erinnerte an Geheimnis und Sendung der Kirche. Wenn die Kirche nicht das Licht Christi widerspiegelt, hat sie keinen Daseinsgrund. Auch wir waren gerufen, Christus zu verkündigen und Zeugnis für ihn abzulegen. Das ist die Sendung, die die Kirche auch mir anvertraut hat. Als Priester, später als Bischof und dann auch als Nuntius.

Nach der Priesterweihe haben Sie Ihre Studien in Rom fortgesetzt. Sie waren in einer Pfarrei tätig und haben an einem römischen Gymnasium unterrichtet. Welche Erinnerung haben Sie an diese Zeit?

Mein Bischof hatte mir erlaubt, nach Rom zu gehen, um meine Studien zu Ende zu führen. Ich wollte damals in eine Pfarrei gehen, nicht in ein Kolleg. Es war eine sehr schöne Zeit. Die Pfarrei war San Tito, die inzwischen nach dem hl. Leonardo Murialdo benannt ist. Ich gab Religionsunterricht am humanistischen Gymnasium Vivona, am ausgelagerten Sitz, dem späteren Sokrates-Gymnasium. Ich habe hunderte von Jungen und Mädchen kennen gelernt. Es waren die siebziger Jahre, die Zeit der Proteste. Für mich, der ich Theologie studierte, war der kontinuierliche Dialog mit ihnen eine Hilfe dabei, das, was wir studierten, mit dem konkreten Leben zu konfrontieren. Auch für junge Menschen war es, wie ich glaube, eine interessante Erfahrung, von Theologie und Kirchengeschichte zu sprechen – ohne die Banalisierungen, die man in vielen Zeitungen finden konnte.

Wie sind Sie zum diplomatischen Dienst beim Heiligen Stuhl gekommen?

Als mich mein Bischof gebeten hat, in die Diözese zurückzukehren – ich war seit 8 Jahren nicht mehr dort gewesen – sagte der Kardinal-Vikar Ugo Poletti in seiner gutmütigen, einnehmenden Art zu mir: „In deiner Diözese gibt es ohnehin schon viele Priester! Im Staatssekretariat dagegen hat man Priester angefordert…“. Es mag wie ein Zufall erscheinen. Aber ich denke doch, dass man hier den roten Faden erkennen kann, den Gott in unser aller Leben webt.

Nach dem Dienst in Sri Lanka wurden Sie in den Iran geschickt. Wie war es damals dort?

Es war die Zeit des Krieges zwischen Iran und Irak. Die Bombardierungen machten auch vor Teheran nicht Halt. Es war ein harter Krieg, der Hunderttausende von Toten forderte. Der Heilige Stuhl hatte dort eine Mission, seitdem 1629 in Isfahan eine Repräsentanz Papst Urbans VIII. eingerichtet worden war auf Anfrage von Schah Abbas dem Großen, Drahtzieher einer kulturellen und politischen Renaissance in Persien. Diese Präsenz war schon immer von Höhen und Tiefen gekennzeichnet, bis zur Anknüpfung voller diplomatischer Beziehungen zwischen Iran und demHeiligem Stuhl im Jahr 1953. Dort konnte ich das Leben der christlichen Ortsgemeinde teilen, die sich aus katholischen und orthodoxen Armeniern, lateinischen und chaldäischen Katholiken zusammensetzte. Für sie war das Leben nicht immer einfach. Aber man brachte uns großen Respekt entgegen. In diese Zeit fiel auch die Geiselnahme der Angestellten in der US-Botschaft. Aber auch diese traurige Episode hat letztendlich das Prestige der Nuntiatur nur noch erhöht, der es gelungen war, die schwierige Frage von einem humanitären Standpunkt aus anzugehen, ohne in die Politik einzugreifen. Das wurde sehr geschätzt.

Nach weiteren diplomatischen Stationen (Staatssekretariat, Brasilien) wurden Sie nach Hongkong geschickt, dem privilegierten „Beobachtungsstützpunkt“ der Volksrepublik China. Damals war man der Meinung, dass ein Großteil der Chinesen – auf Druck der zivilen Behördenvertreter – eine unabhängige Landeskirche ins Leben rufen wollte. Welche Erfahrungen haben Sie diesbezüglich gemacht?

Als ich noch Seminarist war, war ich beeindruckt von den Zeugnissen der Treue zum Evangelium, die aus China kamen. Ich hatte die Memoiren von Gaetano Pollio gelesen, dem Erzbischof von Kaifeng, der nach jahrelanger Haft in den ersten Jahren des Mao-Regimes Erzbischof von Otranto und dann von Salerno geworden war. Man brachte ihm große Bewunderung entgegen, weil er auch in der Zeit großer Leiden nie aufgehört hatte, der Kirche zu dienen. Das chinesische Volk liebte ihn sehr. Diese Dinge kamen mir in den Sinn, als man mir das Amt in Hong­kong anvertraute. Es waren die Jahre der von Deng Xiaoping gewollten Öffnung. Heute können wir nur allzu gut sehen, wie weitsichtig er gewesen war. Der Heilige Stuhl wollte nicht, dass seine internationale Haltung mit Taiwan identifiziert wurde, wo der Vatikan eine diplomatische Mission hat. So hatte man in Hong­kong eine „Studienmission“ eingerichtet, die sich mit der Volksrepublik China, der damaligen britischen Kolonie und mit Macao befassen sollte. Damals war auch die Kirche in China gerade dabei, sich neu zu organisieren. Der Heilige Stuhl wollte verstehen, wie sich die Situation entwickelte und stellte sich auf die Seite der chinesischen Katholiken, die den Wunsch äußerten, ihren Glauben in Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom leben zu dürfen. Ein Band der Gemeinschaft, das die chinesischen Bischöfe auch in der Zeit der Verfolgung nicht zerreißen ließen.

Fernando Filoni empfängt beim Konsistorium vom 18. Februar 2012 das Kardinalsbirett aus den Händen von Papst Benedikt XVI. (Konsistorium vom 18. Februar 2012). [© Paolo Galosi]

Fernando Filoni empfängt beim Konsistorium vom 18. Februar 2012 das Kardinalsbirett aus den Händen von Papst Benedikt XVI. (Konsistorium vom 18. Februar 2012). [© Paolo Galosi]

Wie haben Sie die Spaltung der chinesischen Kirche in einen „offiziellen“ und einen „im Untergrund“ wirkenden Teil beurteilt?

Diese Spaltung war nicht auf eine kirchliche Dynamik zurückzuführen, sondern auf historische und politische Umstände. Es war eine Situation des Leids und der Prüfungen. Man musste der Kirche in China helfen, ihre Situation in einer Zukunftsperspektive zu sehen, und das galt sowohl für den sogenannten „Underground“-Teil als auch jenen, der nicht ganz zutreffend „patriotisch“ genannt wurde. Ich habe die Situation des chinesischen Katholizismus damals mit einer Quelle verglichen, deren Wasserfluss an einem bestimmten Punkt blockiert wurde, so dass sie gezwungen war, sich auf zwei Ausweichwegen ihren Weg zu bahnen. Ein Teil suchte nach einem Weg, ins Freie zu fließen; der andere floss unterhalb der Erdoberfläche weiter. Die beiden Ströme, die ein und derselben Quelle entsprangen, waren jedoch dazu bestimmt, in der Einheit des Meeres wieder zusammenzufinden. Und das Meer ist – wie ich damals sagte – das Herz Gottes. Wenn die beiden kirchlichen Gemeinschaften im Glauben der Apostel geblieben wären, hätten sie sich dereinst in Christus vereint wiedergefunden. Gewiss, seit sich die beiden Ströme getrennt haben, hat es viele Komplikationen gegeben. Aber ich glaube, dass man früher oder später eine Lösung finden wird.

Als Nuntius haben Sie auch die Wende im Irak miterlebt, die Bombardierungen...

Meine Amtszeit fiel in die letzte Periode des Regimes von Saddam Hussein. Die Sanktionen, mit denen die UNO das Regime in die Knie zwingen wollte, waren sehr hart. Die Stimme der Kirche aber war prophetisch und brachte das zum Ausdruck, was wir alle sehen konnten: dass in Wahrheit nur das Volk unter den Sanktionen litt, nicht aber das Regime.

Wie beurteilen Sie heute das militärische Eingreifen im Irak und die Auswirkungen, die das auf jenen Teil der Welt und vor allem auf die dort lebenden christlichen Gemeinschaften hatte?

Der Krieg war schon an sich ein Fehler. Man kann nicht wirklich meinen, mit einem Krieg Demokratie bringen zu können. Damals gab es die nötigen Voraussetzungen für einen Verhandlungsweg. Saddam hatte auch mir gegenüber zu verstehen gegeben, dass das sein Wunsch war. Aber er war ein politischer Führer der arabischen Welt, und deshalb hätte man ihn nicht demütigen dürfen, wenn man mit ihm verhandeln wollte. Was hier gefehlt hat, war die richtige Einschätzung der Situation. Unter seinem Regime mussten die Christen, ja die ganze irakische Gesellschaft, viel Unrecht erleiden. Um den inneren Frieden zu bewahren, war das Regime allerdings auch bereit, wenigstens die Kultfreiheit zu garantieren. Der Krieg konnte vom Standpunkt der Politik und der internationalen Sicherheit nicht gerechtfertigt werden. Weil der Irak nichts mit den Attentaten vom 11. September zu tun hatte. Die Massenvernichtungswaffen waren nur ein Vorwand. Einen Monat vor Beginn der Bombardierungen hatte Saddam bei der Versammlung der Stammeshäuptlinge die Approbation des Gesetzes erwirken können, mit dem sich der Irak verpflichtete, nicht mit Massenvernichtungswaffen aufzurüsten. Alle sagten, dass das sehr wichtig sei, dass es ein Zeichen sei für seine Bereitschaft, zusammenzuarbeiten. Aber umsonst. Es war offensichtlich, dass der Krieg bereits beschlossene Sache war. Und schon damals war klar, dass es danach nur Chaos geben würde, weil der Krieg nicht nur die kleine christliche Gemeinde in Mitleidenschaft gezogen hat, sondern jeden Aspekt des Lebens des Landes; weil er tausende von Todesopfern forderte. Das können wir alle noch immer sehen.

Nach einem kurzen Intermezzo auf den Philippinen wurden Sie als Substitut im Staatssekretariat nach Rom gerufen. Was können Sie uns von Ihrer Arbeit erzählen?

Der Substitut ist einer der engsten Mitarbeiter des Papstes. Er untersteht direkt ihm und dem Staatssekretär. Für mich war es eine sehr schöne Zeit; besonders, weil ich so die Gelegenheit hatte, Benedikt XVI. aus nächster Nähe kennenzulernen, ihn häufig zu treffen: er ist ein Vater, ein Lehrmeister – und ein ganz besonders liebenswerter Mensch. Das sind die reichen Gaben, die Menschen, die sie erhalten haben, immer mit sich tragen. Und dafür kann man Gott nur Dank sagen. Die Rhythmen und Modalitäten waren zwar nicht immer einfach, aber eben auch ein Teil dieser Aufgabe.

Sie sind nun Präfekt der Kongregation für die Evangelisierung der Völker. Von welchen Kriterien lassen Sie sich bei Ihrer neuen Aufgabe leiten?

Die Kongregation „Propaganda Fide“ ist sehr geschichtsträchtig. Wer hier arbeitet, muss sich der großen Aufgabe dieses Dikasteriums bewusst sein, das für das Leben der Kirchen auf der ganzen Welt so wichtig ist. Seine Hauptaufgabe ist es, überall das Evangelium zu verkünden. Und da die Kirche auch in vielen ehemaligen Missionsgebieten verwurzelt ist, bietet diePropaganda Fide den Bischöfen, den Priestern, den Ordensleuten und den Laien dieser Teilkirchen auch weiterhin ihren Dienst an. Auf diese Weise bringt sie die „Sorge des Papstes für alle Kirchen“ zum Ausdruck: ein bezeichnender Ausdruck, der mich immer wieder beeindruckt. Mit der Zeit werden sich auch die jüngeren Kirchen konsolidieren, in den Städten und Dörfern Seminare, Niederlassungen, Schulen, Universitäten gründen können. Die Verkündigung des Evangeliums kommt auch darin zum Ausdruck, dass man den Bedürfnissen der Bevölkerung entgegenkommt. Ich sehe eine tiefeWeisheit in dem Beschluss, der Propaganda Fide den Dienst und die Sorge zugunsten der neuen Kirchen anvertraut zu haben, und zwar nicht nur, was die rein kirchlichen Aspekte angeht, sondern auch bei der Unterstützung der Päpstlichen Missionswerke, jenem Netzwerk konkreter Hilfen, das wir der Intuition von Paolina Jaricot zu verdanken haben, jener verehrungswürdigen Gläubigen, die vor 150 Jahren auf den Straßen von Lyon in Armut gestorben ist.

Kann man die Verbreitung des Glaubens mit einer kulturellen und religiösen Expansionsstrategie vergleichen?

Die Dynamik der Evangelisierung ist die, die von Christus selbst kommt. Er, der vom Vater gesandt wurde, hat seine Jünger ausgesandt, um das Evangelium zu verkünden – zuerst zu zweit, und dann, indem er ihnen diesen Auftrag vor seiner Himmelfahrt in Fülle und in definitiver Form erteilte. Expansionsstrategien haben mit einer Logik des Marktes oder der Politik zu tun. Die interne Dynamik des Glaubens dagegen kann damit nicht verglichen werden. Das zeigen uns die Evangelien: als die ersten Jünger Jesus begegneten, baten sie ihn nur darum, bei ihm bleiben, ihn kennenlernen, ihm zuhören zu dürfen: „Meister, wo wohnst du?“. „Kommt und seht“. Und da sind sie bei ihm geblieben. Dahinter steckte keine Strategie, kein Expansionsgedanke, sondern einfach nur der Wunsch, ihn kennenzulernen, weil niemand so von Gott sprach wie er. Evangelisieren ist anstrengend. Das wusste Paulus nur allzu gut, und das wissen auch unsere Missionare. Die Evangelisierung fordert jedes Jahr einen hohen Blutzoll, aber unseren Missionaren wird der Trost Gottes zuteil – wie dereinst dem Paulus, dem der Herr, nach vielen Verfolgungen, im Traum erschien und sagte: „Hab Mut! Denn so wie du in Jerusalem meine Sache bezeugt hast, sollst du auch in Rom Zeugnis ablegen“ (Apg 23, 11).

Als Präfekt der Propaganda Fide haben Sie erneut mit der Situation der Kirche in China zu tun. Die Regierungsorgane wollen weiter die Kontrolle über die Bischofsernennungen. Wie kann man dieses Problem angehen?

Man muss von dem irrigen Gedanken abkommen, dass ein Bischof ein Funktionär sei. Wenn man von dieser Logik nicht abkommt, bleibt alles auch weiterhin von einer politischen Sicht beeinflusst. Wenn man Funktionär einer Partei oder einer Regierung werden will, muss man bestimmte Kriterien erfüllen. Die, die die Wahl eines Bischofs betreffen, sind anders. Und diese Besonderheit muss respektiert werden. Was wir überall fordern – nicht nur in China – ist, dass die Bischöfe gute Bischöfe sind; Bischöfe, die des Amtes, das ihnen übertragen wird, würdig sind. Dass sie also Männer Gottes sind und fähig, das Leben ihrer Teilkirche im Blick zu behalten, um die Brüder im Glauben zu stärken und Priester zu weihen im Glauben und in der Gnade Gottes. Dazu bedarf es besonderer spiritueller Eigenschaften, einer psychologischen Reife, die auch Ausgeglichenheit und Umsicht beinhaltet. Auch bei der Wahl der Bischöfe in China sind das die Kriterien, die dem Heiligen Stuhl am Herzen liegen. Natürlich stets in dem Wissen darum, dass auch die Bischöfe Bürger ihres Landes und als solche ihrer Heimat zu Loyalität verpflichtet sind – dass sie also dem Kaiser geben müssen, was des Kaisers ist, allerdings nicht zu Lasten dessen, was Gottes ist. Als Nachfolger der Apostel müssen sie der Lehre der Kirche in allem treu sein. Das ist kein „Befehl“ des Papstes, sondern in erster Linie etwas, das alle Gläubigen wollen. Die Gläubigen sind es, die konkret beurteilen können, ob ihre Bischöfe ihres Amtes würdig und dafür geeignet sind: sie lieben sie, oder sie grenzen sie aus. Das kostbare Gut, das dem Papst und den Bischöfen Chinas am Herzen liegt, das der Herr von uns verlangt, ist die Seelsorge für das Volk Gottes, das in China über einen außergewöhnlichen sensus fidei verfügt, den Jahre der Leiden geläutert haben.

Benedikt XVI. und Kardinal Filoni bei der Audienz für die Nationaldirektoren der Päpstlichen Missionswerke (Sala Clementina,  11. Mai 2012). [© Osservatore Romano]

Benedikt XVI. und Kardinal Filoni bei der Audienz für die Nationaldirektoren der Päpstlichen Missionswerke (Sala Clementina, 11. Mai 2012). [© Osservatore Romano]

Welche Aufgabe hat der Heilige Stuhl der Kirche in China gegenüber?

Die Kirche ist eine konkrete Gemeinschaft, keine hierarchische Struktur, in der es nur darum geht, Befehle weiterzuleiten, die von oben kommen. Das Lehramt hat nicht die Aufgabe, gewisse Ideen oder Überzeugungen des Papstes oder der Bischöfe zu bekräftigen. Seine eigentliche Funktion ist das salus animarum, das Gottesvolk im Glauben und in der Treue Christus gegenüber zu bestätigen; in Gemeinschaft mit der ganzen Kirche zu leben, in Treue zum Papst. In China, wie auch andernorts, muss man eingreifen, wenn es Schwierigkeiten gibt, und – sofern nötig – korrigieren. Aber auch dabei trifft niemand allein Entscheidungen. Da ist die Mitwirkung der Gläubigen, der Konsens der Priester und der Bischöfe. Die Kirche lebt in dieser Welt und schreitet in der Geschichte voran. Es ist von wesentlicher Bedeutung, dass die Bischöfe, die Priester, die Ordensleute und die Gläubigen dem Apostolischen Stuhl auch bei den Beziehungen zu den zivilen und politischen Realitäten helfen und Beurteilungskriterien liefern. Der Nachfolger Petri darf nicht von den Bischöfen, die Priester dürfen nicht von den Bischöfen getrennt werden, sondern es gilt, die Einheit des Gottesvolkes zu erhalten. Hier kommen wir wieder zu einem Satz der Konzilskonstitution Lumen gentium: wenn die Kirche Gottesvolk und Leib Christi ist, kann man die Elemente, die sowohl zu ihrer Tradition als auch ihrer lebendigen Wirklichkeit gehören, nicht in Kontrast zueinander stellen.

Benedikt XVI. hat das Jahr des Glaubens ausgerufen. Wie werden Sie und Ihr Dikasterium auf diese Perspektive reagieren, die der Papst der ganzen Kirche vorgeschlagen hat?

Als Kongregation sehen wir das Jahr des Glaubens in der Perspektive der Erstverkündigung. Und wir glauben, dass das Jahr des Glaubens vor allen Dingen ein Jahr ist, in dem wir für den Glauben beten, also den Herrn um das Geschenk seiner selbst bitten müssen. Ohne das würden auch unsere Werke, das Netz von Hilfswerken auf der ganzen Welt, besonders die missionarischen, ihre Daseinsberechtigung verlieren. Wir haben daher an ein kleines, konkretes Zeichen gedacht: wir werden einen einfachen Rosenkranz ausgeben, in dem die Perlen zwischen den einzelnen Gesätzen verschiedene Farben haben – ein Symbol für die 5 Kontinente und dafür, dass diese Rosenkranzgesätze besonders dem Bereich der Evangelisierung und des Glaubens in diesen Kontinenten (weiß für Europa, rot für Amerika, gelb für Asien, blau für Ozeanien und grün für Afrika) gewidmet sind. Wir werden ihn auf der ganzen Welt ausgeben und auch über das Internet dafür werben. So kann jeder für die Verkündigung des Evangeliums auf jedem Kontinent zur Mutter Jesu beten. Hier fällt mir das wieder ein, was Maria in Kana in Galiläa zu den Knechten sagte: „Tut, was er euch sagt“. Wenn wir auf diese Aufforderung hören, können wir gewiss sein, dass der Herr seiner Kirche den guten Wein des Glaubens für die ganze Welt nicht vorenthalten wird.



Italiano Español English Français Português