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DIE TAGE DES PAPSTES IM...
Aus Nr. 01/02 - 2005

„Niemand kann die Gewalten des Papstes einschränken“


„Solange der Papst Papst ist, können seine Gewalten von niemandem eingeschränkt werden. Nur er kann sich einschränken. Die Angemessenheit, gewisse Handlungen weiter vorzunehmen oder nicht, muß seiner Verantwortung überlassen bleiben.“ Interview mit Kardinal Mario Francesco Pompedda.


von Gianni Cardinale


Kardinal Mario Francesco Pompedda

Kardinal Mario Francesco Pompedda

_„Ich finde die Haltung des Papstes bewundernswert und erbaulich, und zwar nicht erst in diesen Tagen, sondern seitdem er leidend ist. Dieses Leiden ist, dank der Medien, und besonders des Fernsehens, sichtbar, fast schon spürbar geworden. Es ist ein tiefes Zeugnis des christlichen Verständnisses von Schmerz und Leid.“ Worte von Kardinal Mario Francesco Pompedda, eines der namhaftesten Kanonisten der Römischen Kurie, in der er so wichtige und delikate Ämter bekleidete wie das des Dekans der Römischen Rota und des Präfekten des Obersten Gerichtshofs der Apostolischen Signatur. „Er läßt sich davon nicht daran hindern, seine Sendung weiterzuführen, Tag für Tag,“ meint der sardische Kardinal. „Sogar die anstrengenden Pastoralreisen, die ihn aus Rom fortführten. Obwohl er nicht mehr so gelenkig ist, wollte er nicht auf diese Gesten pastoralen Dienstes verzichten. Wir kommen nicht umhin, dem Herrn für dieses große Vorbild zu danken, das er uns anbietet. Ein bedeutendes Geschenk besonders für all jene, die im Schmerz und im Leiden leben.“
Eminenz, als der Papst im Krankenhaus lag, wurde die Frage eines eventuellen „Rücktritts“ aufgeworfen. Wie sieht die kanonische Norm hierzu aus?
MARIO FRANCESCO POMPEDDA: Der Verzicht auf ein Kirchenamt ist eine antike Einrichtung, so alt wie die Kirche selbst. Keine Erfindung, die man sich erst vor kurzem ersonnen hat. Der derzeitige Kodex hat jedoch unmissverständlich festgelegt, daß der Verzicht freiwillig erfolgen muß, also ohne Zwang, daß er bewußt erfolgen und klar zum Ausdruck gebracht werden muß. Zu den Formalitäten dazu gibt es keine Regeln: wichtig ist, daß es öffentlich erfolgt, und definitiv. Das gilt für jedes kirchliche Amt. Diese Einrichtung gilt für jeden Dienst. Sie gilt für die Bischöfe, für die Kardinäle. Sie kann für den Papst gelten.
Einige sind der Meinung, daß die derzeitige kanonische Norm eine Lücke aufweist, in dem Fall nämlich, daß ein Papst aus Gesundheitsgründen nicht in der Lage sein sollte, sein Amt auszuüben.
POMPEDDA: Diesbezüglich gibt es keine Norm, weil es in der Kirche keine irdische Autorität über dem Papst gibt und daher keine, die das Amt eines noch lebenden Papstes für verfallen erklären könnte. In der Apostolischen Konstitution Universi Dominici gregis steht zweimal zu lesen: „Stuhl [...] aus irgendeinem Grund vakant“. Das soll einfach nur daran erinnern, daß das, was im Fall des Todes und des Verzichts des Papstes vorgesehen ist, auch in anderen Eventualitäten gelten kann, die die Vakanz einer Diözese mit sich bringen könnten und die von der kanonischen Tradition in Betracht gezogen werden, wie beispielsweise Behinderung oder erwiesene Häresie.
Bedeutet Behinderung auch, nicht mehr sprechen zu können?
POMPEDDA: Nein, keinesfalls. Man kann von einem behinderten Sitz sprechen, wenn ein Bischof ins Exil geschickt oder ins Gefängnis gesperrt wird und also – da isoliert – nicht mit der Kirche kommunizieren kann, deren Hirt er ist. Der Fall, in dem sich ein Bischof nicht in Worten ausdrücken kann, ist eine andere Sache.
Inwiefern?
Der auf dem Petersplatz aufgestellte Megabildschirm beim Angelus aus dem Gemelli-Krankenhaus

Der auf dem Petersplatz aufgestellte Megabildschirm beim Angelus aus dem Gemelli-Krankenhaus

POMPEDDA: Wichtig ist, daß ein Bischof – und analog auch ein Papst – seinen Willen klar und deutlich zum Ausdruck bringen kann. Und das kann wörtlich, schriftlich oder durch Gesten erfolgen; mit Ausdrucksformen, durch die sein Wille klar vermittelt wird. Ich habe diesbezüglich bereits auf den Kardinal von Mailand, Andrea Ferrari, hingewiesen, der im vergangenen Jahrhundert, in der letzten Phase seines Lebens, nicht mehr sprechen konnte und seine Diözese leitete, indem er seinen Willen schriftlich mitteilte.
Kardinal Jorge María Mejía hat gesagt, einen Brief des Papstes für „wünschenswert“ zu halten mit „Verfügungen“ für den Fall etwaiger „Arbeitsunfähigkeit“...
POMPEDDA: Von derartigen Dokumenten ist mir nichts bekannt. Abstrakt gesagt kann ich dazu festhalten, daß ein solches Dokument Gültigkeit hätte unter der Voraussetzung, daß es freiwillig unterzeichnet ist und kein, zu einem späteren Zeitpunkt als dem Datum des fraglichen Dokuments erfolgter – schriftlicher oder mündlicher – Widerruf vorliegt.
Im Corriere della Sera vom 6. Februar stand ein Kommentar zu lesen, in dem die Hypothese einer „Reduzierung seiner [des Papstes, Anm.d.Red.] Regierungs- und Lehramtshandlungen“ und der Möglichkeit einer Situation aufgestellt wird, die „eine Einschränkung der im Namen des Papstes vollbrachten ‚Akte‘ bedeuten könnte.“
POMPEDDA: Solange der Papst Papst ist, können seine Gewalten von niemandem eingeschränkt werden. Nur er selbst kann sich einschränken. Die Möglichkeit, bestimmte Handlungen weiter vorzunehmen oder nicht, muß seiner Verantwortung überlassen bleiben. Ich möchte also allen, Laien oder Kirchenmänner, anraten, derartige Spekulationen doch besser bleiben zu lassen.


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