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GESCHICHTE
Aus Nr. 03 - 2005

DIESE BEGEGNUNG IN MÜNSTER


Der hier veröffentlichte Brief vom November 1943 dokumentiert die Begegnung zwischen dem führenden Kopf der deutschen Widerstandsbewegung, Carl Gördeler, und dem Bischof von Münster, Clemens August von Galen. Eine Begegnung, die in der entscheidenden Vorbereitungsphase des denkwürdigen Attentats vom 20. Juli 1944 stattfand.



Links, der Bischof von Münster, Clemens August von Galen; daneben, Carl Gördeler, führender Kopf der Widerstandsbewegung.

Links, der Bischof von Münster, Clemens August von Galen; daneben, Carl Gördeler, führender Kopf der Widerstandsbewegung.

Dr. Hermann Pünder
Staatssekretär a/D
Oberbürgermeister der Stadt Köln


Sehr geehrter Monsignore!

Von Herrn Stadtdechanten B e r g h a u s hörte ich kürzlich, daß Sie mit der Abfassung einer Lebensgeschichte unseres Seligen Herrn Kardinals befasst sind. Ich glaube, Ihnen hierzu einen recht interessanten Beitrag liefern zu können, den unter den heute noch Lebenden nur noch ich kenne.

Daß unser seliger Herr Kardinal und ich uns im Leben recht nahe gestanden haben, ist Ihnen gewiß bekannt. Diese Bekanntschaft geht zurück auf unsere Berliner Zeit, wo Graf G a l e n damals in der Seelsorge des Berliner Westens tätig war und ich in der Wilhelmstraße wirkte. Wir sahen uns dann in Münster zu unserer Freude wieder, als ich als der neue Regierungspräsident und Pfarrkind von St. Lamberti alsbald meinem Pastor Besuch machte. Auch als Graf G a l e n im Jahr darauf Bischof wurde, hielten unsere engen Beziehungen an, wenn wir uns auch nun naturgemäß nicht mehr so häufig sahen. Aber jeder wußte von dem anderen, wo er stand. Erst recht galt dies von den anschließenden schweren Nazi-Jahren.
Diese Vorbemerkung ist nötig, um das nun Folgende zu verstehen. Ein sehr guter Bekannter von mir war der frühere Oberbürgermeister von Leipzig und Reichspreiskommissar a/D. Dr. G ö r d e l e r . Er war bekanntlich der zivile Mittelpunkt der Vorgänge des historischen „20. Juli“. In diese Vorgänge war ich einigermaßen eingeweiht, bin ja auch in der Nacht nach dem 20. Juli verhaftet worden, habe wegen Hochverrats vor dem Volksgerichtshof gestanden und bin nach schwersten Drangsalierungen in den verschiedensten Konzentrationslagern nur durch meine ans Wunderbare grenzende Errettung schließlich mit dem Leben davon gekommen.
Dieser Herr G ö r d e l e r hatte mich nun im November 1943 hier in Münster aufgesucht, wie er überhaupt die Verbindung mit seinem Freundeskreis der großen Gefahr wegen nur mündlich aufrecht erhielt. Bei diesem Besuch äußerte er nun den Wunsche, auch unseren Herrn Bischof kennen zu lernen. Ich suchte daraufhin zuvor Graf G a l e n auf und unterrichtete ihn über die Persönlichkeit des Besuchers. Auf meine Empfehlung hin erklärte er sich zum Empfang gern bereit. Die Aussprache hat dann am gleichen Nachmittag stattgefunden, und zwar unter 4 Augen. Mit beiden Herren habe ich hinterher gesprochen, mit Dr. G ö r d e l e r noch am gleichen Abend, da er bei mir wohnte, um der Hoteleinschreibung zu entgehen, mit dem Herrn Bischof wenige Tage darauf.
Beide Herren waren von dem Kennenlernen sehr befriedigt. Dr. G ö r d e l e r war beglückt, daß er nun auch im Bischof von Münster eine Persönlichkeit gefunden hatte, die mit der von ihm getragenen Widerstandsbewegung wärmstens sympathisierte. Ich muß aber bemerken, daß in diesem frühen Stadium von Attentatsplänen noch keine konkrete Rede war. Zwischen allen Beteiligten war selbstredend strengstens Stillschweigen verabredet. Dieses Schweigen hat Dr. G ö r d e l e r nach seiner Verhaftung leider gebrochen. Ich mache ihm, zumal er nicht mehr unter den Lebendigen weilt, dieserhalb keinen Vorwurf, da mir die Terrormethoden der GESTAPO bekannt sind. Mein eigener Leidensweg hat aber hierin seine alleinige Ursache, wie ich aus mir vorgehaltenen Aussagen des Herrn Dr. G ö r d e l e r weiß. In einem dieser Protokolle hieß es nun auch, daß er bei einem Besuche beim früheren Staatssekretär P ü n d e r in Münster auch den dortigen Bischof Graf von G a l e n aufgesucht hätte. Während meines Wissens alle übrigen von Dr. G ö r d e l e r in dieser Vorbereitungszeit aufgesuchten Freunde und Bekannten in Folge dieser Gördeler’schen Protokolle von der GESTAPO – ebenso wie ich – verhaftet und wegen Hochverrats vor den Volksgerichtshof geschleppt worden sind, hat man dies bei unserem Herrn Bischof bekanntlich nicht riskiert. Aber bei meinen qualvollen Vernehmungen sprühte der Haß der GESTAPO-Schärgen gegen unseren Bischof nur so heraus. Persönlich wurde ich über das Schicksal unseres Bischofs während dieser ganzen Zeit im unklaren gelassen. Erst sehr spät hörte ich, daß ihm Gottlob nichts geschehen war.
Ich weiß nicht, ob Ihnen bekannt ist, daß sich unser Herr Bischof alsbald nach dem Zusammenbruch bei den Besatzungsmächten sehr um meine sofortige Freilassung bemüht und mich nach meiner glücklichen Heimkehr Anfang August vorigen Jahres freundlicherweise an einem Sonntag-Nachmittag zum Kaffee eingeladen hatte. Bei dieser Gelegenheit unterhielten wir uns natürlich eingehend über die nur noch uns beiden bekannten Vorgänge aus dem November 1943. Mit mir bedauerte der Herr Bischof außerordentlich den gewaltsamen Tod des Herrn Dr. Karl G ö r d e l e r , den er damals als einen aufrechten deutschen und echt christlichen Mann kennen gelernt hatte.
Ich stelle Ihnen, sehr verehrter Monsignore, ergebenst anheim, ganz nach Ihrem Belieben von diesem Brief auszugsweise oder im Wortlaut in Ihrem geplanten Werk Gebrauch zu machen.

Mit besten Grüßen verbleibe ich

Ihr ganz ergebener
Hermann Pünder


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