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ZEUGNISSE
Aus Nr. 05 - 2005

21 Kardinäle über den neuen Papst



2. Teil


Justin Francis Rigali.

Justin Francis Rigali.

VORSITZ IN DER LIEBE

von Kardinal Justin Francis Rigali
Erzbischof von Philadelphia
In seiner ersten Ansprache hat der Papst zwei Gefühle zum Ausdruck gebracht. Zunächst einmal das der Unzulänglichkeit und der menschlichen Unruhe wegen der ihm übertragenen großen Verantwortung; auf der anderen Seite aber auch seine Zuversicht „in Te speravi, Domine“: eine Zuversicht, die über die Angst überwiegt. Papst Benedikt ist zuversichtlich, daß ihn die göttliche Vorsehung durch die Wahl der Kardinäle berufen hat, aber – wie ich sagen würde – auch durch die Gebete der Kirche, der Personen, die die Kardinäle mit der Solidarität ihrer Gebete unterstützt haben.
Er ist sehr zuversichtlich, auf die Hilfe des Herrn zählen zu können, darauf, daß er in ihm – um es mit den Worten des hl. Paulus zu sagen – ein gutes Werk beginnen wird.Die Kirche ist voller Hoffnung; der Herr hat gerufen, der Herr wird Gnaden schenken, Papst Benedikt dabei helfen, die Arbeit, die er in seinem Leben, in seinem Priesteramt, begonnen hat, zuende zu führen. Wer kann schon sagen, wieviele Jahre das sein wird?Der Papst hat seinen Willen zu Ausdruck gebracht, den Weg des II. Vatikanischen Konzils fortsetzen zu wollen, und das ist sehr schön, denn schon Papst Johannes XXIII. hat zum Ausdruck gebracht, was Sinn und Zweck des Konzils war. Ich war dabei, als Papst Roncalli am 8. Oktober 1962 sagte, daß das Konzil hauptsächlich einberufen worden war, „damit das heilige Glaubensvermächtnis wirksamer gehütet und dargelegt werde.“ Das war der erste Zweck – wenn es natürlich auch noch andere, ebenfalls sehr wichtige Zwecke gab, den Ökumenismus beispielsweise.Papst Ratzinger hat große Erfahrung – nicht umsonst wollte ihn Johannes Paul II. als Präfekten der Kongregation für die Glaubenslehre, und in all diesen Jahren war er für den Glauben der Kirche tätig, darum bemüht, ihn zu hüten und noch effizienter darzulegen. Als Papst kann er nun damit fortfahren, den Glauben zu hüten, und es ist einfach für ihn, dem Konzil Treue zu versprechen, weil er in diesen Jahren die Verwirklichung des Konzils miterlebt hat. Das ist die Aufgabe, der er sich, wie er schon gesagt hat, stellen will. Auch der Ökumenismus, die Realität der sichtbaren Einheit aller Christen im Glauben und in der Liebe, wird etwas sein, für das er Sorge tragen wird, und unter der Gnade des Heiligen Geistes soll der Papst also das zu Ende führen, was Johannes Paul II. und Paul VI. so sehr am Herzen lag: denken wir nur an das Testament von Papst Montini, in dem er seine Hoffnung auf eine Fortsetzung der Arbeit des Ökumenismus zum Ausdruck brachte.Der neue Papst ist sich dessen bewußt, der Bischof von Rom zu sein, er weiß, daß es seine Aufgabe ist, „episcopus catholicae Ecclesiae“ zu sein, Bischof der katholischen Kirche, was bedeutet, Bischof aller Bischöfe zu sein: hier haben wir also die Kollegialität, die er bereits erwähnt hat. Er ist sich also durchaus dessen bewußt, daß er, als Nachfolger Petri, die Fülle der geistlichen Macht besitzt, und daß diese geistliche Macht jedoch, in geheimnisvoller Weise, auch von den Bischöfen geteilt wird: weil der Herr Seine Kirche dem Petrus gemeinsam mit den Bischöfen anvertraut hat, die Macht „cum Petro e sub Petro“ ausgeübt wird. Sein Bestreben wird – laut der gesamten Tradition, seit den Anfängen, auch vor dem Konzil – dahin gehen, den Vorsitz in der Liebe zu haben. Der Papst hegt diesen Gedanken, den Vorsitz in der Liebe – und die affektive Kollegialität mit den Bischöfen ist von großer Wichtigkeit. Wir werden die Kontinuität miterleben, werden sehen, was das Papsttum ist, weil uns die letzten Päpste gezeigt haben, was es bedeutet, den Vorsitz in der Liebe zu führen, die Bischöfe zu empfangen und das Gottesvolk zu empfangen, weshalb sich auch Millionen und Abermillionen von Katholiken hier in Rom zuhause fühlen. Dem Bischof von Rom fällt jedoch die Aufgabe zu, sie alle im Glauben und in der Liebe zu umarmen. Und so wird es sein.
Und was ist mit all den Herausforderungen, die sich in unserer Welt stellen? Wir werden sehen, daß der Papst damit fortfahren wird, die Soziallehre der Kirche zu predigen, denn das ist das, was Jesus gelehrt hat. Aber Jesus hat auch überall Gutes getan, und die Kirche hat dieses Erbe von Ihm übernommen. Johannes Paul II. hat gesagt, daß der Mensch, mit all seinen Bedürfnissen, mit all seinem Sein, der Weg für die Kirche ist, und die Kirche existiert, damit jeder Mensch die Fülle des menschlichen und christlichen Lebens hat.
Papst Benedikt hat daran erinnert, daß er sein Amt in dem Jahr beginnt, das der Eucharistie gewidmet ist, ein Jahr, in dem – laut Johannes Paul II. – wir alle die Eucharistie besser verstehen, unseren Glauben an sie erneuern können. An die Eucharistie, die die Kirche als Opfer Christi verkündet, Sakrament des Leibes und Blutes Jesu Christi. Und dann ist die Eucharistie – wie Johannes Paul II. sagte, und etwas, dessen sich sicher auch Benedikt XVI. bewußt ist – nicht nur Opfer, unsere Nahrung und unsere Gesellschaft, sondern auch Herausforderung, weil uns Jesus selbst sagt: „Liebet einander, wie ich euch geliebt habe.“ Es handelt sich um eine universale Dimension. Deshalb geht die Kirche dem Menschen und den Menschen entgegen, weil sie in allen Schwierigkeiten, jedem Leid, dem Menschen nahe ist, wie auch den Gemeinschaften und den Nationen.
Das ist die Arbeit des Papstes von Rom, ob er nun Johannes XXIII. heißt, Paul VI., Johannes Paul I., Johannes Paul II. oder Benedikt XVI.: Jesus Christus verkündigen, in absoluter Kontinuität.
Wie schön war es doch, als der Papst gewählt wurde! Nachdem er, dem Ritus entsprechend, seinen Namen gewählt hat und wir als erstes dort, in der Sixtinischen Kapelle, für ihn gebetet haben, in Erfüllung des Planes Gottes, verliest der Kardinal-Protodiakon vor dem Papst das Evangelium nach Matthäus, Kapitel 16. In diesem Moment kehrt man zu den Ursprüngen zurück, damit der Papst von allem Anfang an weiß, was ihn erwartet. Das von Petrus Jesus gegenüber gemachte Glaubensbekenntnis: „Du bist Christus, Sohn des lebendigen Gottes“; und die Antwort Jesu: „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen“. Wie schön ist das doch: alles ist klar vom ersten Moment an: Petrus muß Christus verkündigen, und Christus ist es, der ihn ruft und ihm die Gnade schenkt, die Sendung als Sein Stellvertreter zu erfüllen.
Ja, wir sind voller Hoffnung, voller Zuversicht. Gewiß, Jesus hat den Aposteln gesagt, daß es in der Welt Wirren geben würde, aber er hat auch gesagt: „Confidite“, habt Vertrauen, denn ich „habe die Welt besiegt [...] und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen“. Wir müssen uns allerdings allem, den Problemen und den Gefahren, mit der Kraft des Heiligen Geistes stellen, einer Kraft, die der Herr in das Herz des Papstes gießt, aber auch in das aller Gläubigen. Ihre Gebete sind sehr wichtig, wie auch die der Gemeinschaft, von der der Papst umgeben ist, der Bischöfe.
Das Gebet: der Herr konnte nicht mehr tun, das ist sein Heilsplan, und all das existiert, damit wir das Heil finden, in dieser Welt in Zufriedenheit und Freude leben können, in Erwartung des Ewigen Lebens.


Jean Baptiste Pham Min Man.

Jean Baptiste Pham Min Man.

MEINE HOFFNUNG
FÜR DIE KATHOLISCHE KIRCHE

von Kardinal Jean-Baptiste Pham Minh Mân
Erzbischof von Thành-Phô Hô Chí Minh

Ich hoffe, daß der neue Papst Benedikt XVI. folgendes sein wird: 1.) ein unermüdlicher Bote der Frohbotschaft Christi, um der Kirche zu helfen, Zeugin der Liebe Gottes für die ganze Menschheit zu sein; 2.) ein Hirte, der die Herde Gottes ermutigt und – sich mit der Kultur des Materialismus, des Pragmatismus und des Konsumismus konfrontierend, die im Leben der modernen Gesellschaft präsent sind – dem Reichtum des Lebens Christi entgegenführt; 3.) ein geistlicher Leader, der Gott und seiner Gesellschaft demütig dient durch das weise Bemühen darum, eine neue menschliche Gemeinschaft zu bauen, die in der Wahrheit und der Heiligkeit lebt, in der Liebe und im Frieden Christi.
Die Perspektiven und die zukünftigen Richtlinien des neuen Pontifikats sind aus der Homilie ersichtlich, die er am Mittwoch, 20. April, bei seiner ersten Messe als Papst in der Sixtinischen Kapelle gehalten hat.
Die Kirche wandelt weiterhin auf dem vom II. Vatikanischen Konzil vorgezeichneten Weg, unter dem Licht des Geistes Christi: der Gemeinschaft im Hinblick auf eine größere Einheit in einer globalisierten Welt; dem auf ein effizienteres Engagement abzielenden Dialog für ein reicheres Leben und für eine größere menschliche Würde in einer Welt, die sich, wenn sie in die Zukunft schaut, von Unsicherheit und Furcht umgeben sieht.
Die Gemeinschaft und die Einheit schenken der Kirche ein reicheres Leben und eine größere Kraft. Der Dialog und der Dienst helfen der Kirche, in effizienterer Weise ihre Sendung in der modernen Welt zu erfüllen.


Péter Erdö.

Péter Erdö.

ER LAUSCHTE AUFMERKSAM DEN MEINUNGEN ALLER

von Kardinal Péter Erdö
Erzbischof von Esztergom-Budapest

Bei den katholischen Gläubigen Ungarns, wie in der gesamten madjarischen Gesellschaft, wurde die Nachricht von der Wahl Kardinal Joseph Ratzingers auf den Petrusstuhl mit großer Freude aufgenommen. Die Intellektuellen meines Landes kennen die Werke des neuen Papstes – in ungarischer Übersetzung – sehr gut. Seine Schriften waren Beststeller. Man sprach oft von ihnen, sowohl öffentlich als auch im Privaten. Und für seine Schriften wurde dem damaligen Kardinal Ratzinger vom St.-Stephanus-Verlag, dem ältesten und renommiertesten katholischen Verlag des Landes, schließlich auch der „Stephanus“-Preis verliehen. Sein letztes Buch in Interview-Form habe ich zu Weihnachten allen Priestern unserer Diözese geschenkt. Meine teuersten Erinnerungen zur Person des Papstes ranken sich um seine Aktivität in den verschiedenen Kongregationen und Kommissionen des Hl. Stuhls. Als überaus geschätzter Kardinal lauschte er stets aufmerksam den Meinungen der anderen, und bot am Ende mit seinem Beitrag eine elegante Synthese, unter Wertschätzung aller positiven Elemente, die die Diskussion zutage gebracht hatte. Und dabei beschränkte er sich nicht etwa auf eine synthetische Darstellung der Debatte, sondern wies mit allergrößter Klarheit den Weg zu einer Lösung des Problems.


Cresenzio Sepe

Cresenzio Sepe

DER WEG DER BASILIKA ST. PAUL

von Kardinal Crescenzio Sepe
Präfekt der Kongregation für die Evangelisierung der Völker

Das Pontifikat von Papst Benedikt XVI. hat gerade erst begonnen, aber der Horizont, den es der Kirche erschlossen hat, ist ein weiter, in weite Ferne weisender.
Eine Geste hat genügt – das Gebet am Grab des Apostels Paulus –, nicht nur den großen Kurs aufzuzeigen, sondern auch auf die Wurzeln eines Petrusamtes hinzuweisen, das heute Zeichen der Hoffnung für die gesamte Menschheit ist.
In der Basilika St. Paul hat Benedikt XVI. eine Pilgerfahrt vollbracht, die – was die Distanz angeht – ebenso kurz wie – was ihre außergewöhnliche Tiefe angeht – bedeutungsvoll war. Am Grab des Völkerapostels wollte der Papst „die Gnade des Apostolats wiederbeleben“, um einer Kirche besser dienen zu können, die, am Anbruch des dritten Jahrtausends, „mit neuer Lebendigkeit spürt, daß der missionarische Auftrag Christi von besonderer Aktualität ist.“ Den Weg zur Basilika St. Paul einzuschlagen, war für den Heiligen Vater so, als würde er für sich und für die Kirche jenen missionarischen Weg einschlagen, entlang dem es keine Furcht gibt, daß auch nur ein Körnchen der Treue zu Christus verloren gehen könnte. Oft ist das – wie die beiden Gründerapostel der Kirche von Rom zeigen – auch der Weg des Martyriums; jener, der „diesen Boden tränkte“ und „die Kirche von Rom befruchtete“, „die in der universalen Gemeinschaft der Liebe den Vorsitz innehat.“ Mit dieser tief ersehnten Pilgerfahrt wollte Benedikt XVI., auf den Spuren der Väter und im Licht des II. Vatikanischen Konzils wandelnd, zu den Wurzeln der Mission zurückkehren und gleichzeitig auch die Grundzüge seines Pontifikats abstecken.
Als Sitz der Kathedra Petri ist Rom selbst der erste Angelpunkt einer weitblickenden missionarischen Sicht. Bevor der Apostel Paulus hierher kam, schrieb er an die Hauptstadt des Reiches den wichtigsten seiner Briefe, in dem er sich der Gemeinschaft Roms als „Knecht Christi Jesu“ vorstellte, „berufen zum Apostel“ (Röm 1.1).
Benedikt XVI. hat uns dabei geholfen, im offenen – und oft unerforschten – Buch unserer Zeugnisse zu lesen, alte und neue Seiten einer kirchlichen Realität, die als wichtigste Aufgabe stets die Pflicht der Verkündigung betrachtete.
„Das Zweite Ökumenische Vatikanische Konzil widmete der Missionstätigkeit das Dekret mit dem Namen Ad gentes, in dem daran erinnert wird, daß die Apostel den Spuren Christi folgend, ‚das Wort der Wahrheit verkündet und Kirchen gezeugt haben,‘“ wie Papst Benedikt XVI. feststellte (zitiert nach L’Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 18/2005, S. 7).
Das Evangelisieren war die erste Bestrebung – um nicht zu sagen apostolische Sorge – von Johannes Paul II., der die Kirche ins dritte christliche Jahrtausend geführt hat.
Papst Benedikt XVI. wandelt – in kreativer Weise – auf seinen Spuren.
Die missionarische Kirche hat jetzt unter seiner Leitung ihren Weg eingeschlagen. Und die Horizonte sind weiter denn je zuvor.


José Saraiva Martins.

José Saraiva Martins.

VOLLKOMMENE UND VERTRAUENSVOLLE ZUSTIMMUNG CHRISTUS GEGENÜBER

von Kardinal José Saraiva Martins
Präfekt der Kongregation
für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse

Die Zentralität Christi ist eines der Themen, die aus den ersten Ansprachen von Benedikt XVI. hervorgehen. Als Theologe mit Tiefgang, der er nun einmal ist, sieht er das Petrusamt, zu dem ihn die Vorsehung berufen hat, im Licht des Herrn, den er mit Nachdruck um die Kraft bittet, „ein mutiger und treuer Hirt seiner Herde“ sein und „den Eingebungen seines Geistes folgen“ zu können. Indem er sich anschickt, diesen Dienst für die universale Kirche zu übernehmen erneuert er Christus seine „vollkommene und vertrauensvolle Zustimmung“, die Worte „In Te, Domine, speravi; non confundar in aeternum“ wiederholend.
Der Christus, an den sich der Papst wendet, ist der auferstandene Christus, den die Eucharistie immer gegenwärtig setzt und „der sich uns weiterhin darbringt, indem er uns auffordert, am Gastmahl seines Leibes und seines Blutes teilzuhaben. Aus der vollen Gemeinschaft mit Ihm erwächst jedes weitere Element des Lebens der Kirche, an erster Stelle die Gemeinschaft zwischen allen Gläubigen, die Verpflichtung, das Evangelium zu verkünden und zu bezeugen, und die leidenschaftliche Liebe zu allen, besonders zu den Armen und Geringen“ (zitiert nach L’Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 17/2005, S. 9).
Gerade, weil die Eucharistie „Quelle und Höhepunkt“ des Lebens und der Sendung der Kirche ist, bittet der neue Papst, auf den Spuren seines unmittelbaren Vorgängers, darum, vor allem in den kommenden Monaten die Liebe und die Verehrung Jesu in der Eucharistie zu verstärken.
Diese bei dem feierlichen Gottesdienst mit den Kardinälen in der Sixtinischen Kapelle herausgestellte Zentralität Jesu Christi findet sich auch in seinen nachfolgenden Ansprachen. Wie beispielsweise in der Homilie der Messe zur Amtsübernahme, wo Papst Benedikt XVI. sagt, daß „die Kirche lebt, sie lebt, weil Christus lebt, weil er wirklich auferstanden ist“; daß „den Hirten die heilige Unruhe Christi beseelen muß“; daß sich die Kirche als Ganze und die Hirten „wie Christus auf den Weg machen müssen, um die Menschen aus der Wüste herauszuführen zu den Orten des Lebens – zur Freundschaft mit dem Sohn Gottes, der uns Leben schenkt, Leben in Fülle“; daß eine der Haupteigenschaft des Hirten sein muß, die ihm von Gott anvertrauten Menschen zu lieben, „wie er Christus liebt, in dessen Diensten er steht.“
Nur in der Begegnung mit Christus, dem lebendigen Gott, lernen wir das wahre Leben kennen, wie der Papst meint, bevor er fortfährt, daß „es nichts Schöneres gibt, als vom Evangelium, von Christus gefunden zu werden. Es gibt nichts Schöneres, als ihn zu kennen und anderen die Freundschaft mit ihm zu schenken.“
Und Papst Benedikt beendet seine Homilie mit den unvergesslichen und programmatischen Worten seines unmittelbaren Vorgängers: „Habt keine Angst vor Christus“, die er übernimmt, und insbesondere an die jungen Menschen richtet: „Liebe junge Menschen: Habt keine Angst vor Christus! Er nimmt nichts, und er gibt alles. Wer sich ihm gibt, der erhält alles hundertfach zurück. Ja, aprite, spalancate le porte per Cristo – dann findet ihr das wirkliche Leben. Amen“. Diese Worte werden die Hunderten von Jugendlichen die bald am Weltjugendtag im August in Köln teilnehmen werden, sicher nicht vergessen.
Dieselbe christozentrische Linie geht aus der Homilie des neuen Papstes bei seinem Besuch der Basilika St. Paul vor den Mauern hervor, am 25. April. Ein Besuch, den der Papst selbst gewissermaßen als „Pilgerfahrt zu den Wurzeln der Mission“ bezeichnete, „jener Mission, die der auferstandene Christus dem Petrus, den Aposteln und in besonderer Weise auch Paulus übertrug.“
Und Benedikt XVI. erinnert an das Motto, das der hl. Benedikt für seine Regel aufstellte, wenn er seine Mönche dazu aufforderte, „der Liebe zu Christus nichts vorzuziehen.“
Auf diesen Gedanken kam Papst Benedikt bei seiner ersten Generalaudienz auf dem Petersplatz am 27. April zurück. Er bat den Patriarchen des abendländischen Mönchstums „uns zu helfen, an der zentralen Stellung Christi in unserem Dasein festzuhalten. Er soll in unserem Denken und Handeln immer an erster Stelle stehen.“ (zitiert nach L’Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 18/2005, S. 2). Worte, die ein wahres Kompendium für spirituelle und pastorale Theologie des neuen Nachfolgers Petri sind.


Jean Lous Tauran.

Jean Lous Tauran.

FÜR DIE VERSÖHNUNG
UND DEN FRIEDEN

von Kardinal
Jean-Louis Tauran
Archivist und Bibliothekar der Heiligen Römischen Kirche

An einem Konklave teilzunehmen – noch dazu als Wähler – ist vor allem eine tiefgehende spirituelle Erfahrung. Ich persönlich war mir dessen bewußt, daß derjenige, der wählt, in Wahrheit ein Werkzeug des Wirkens Gottes in der Kirche ist, einer Kirche, die mir mehr denn je lebendig und unerhört schien.
Die Wahl von Kardinal Joseph Ratzinger zum Nachfolger von Papst Johannes Paul II. ist sicher Ausdruck einer Kontinuität, was der neue Papst des öfteren betont hat. Aber wir alle – um nicht zu sagen: die ganze Welt – haben verstanden, daß Benedikt XVI., bescheiden und lächelnd, der Papst sein könnte, der die ewige Süße Gottes verkündigt. In der harten, oft unerbittlichen Welt, die wir uns geschaffen haben, wird uns der neue Papst mit seinem Sanftmut an die Kraft der Liebe erinnern, die in der Lage ist, der Menschheit neue Wege zu erschließen. Und schließlich hat er auch durch seine Namenswahl, den Bezug auf Benedikt XV., daran erinnert, daß er seinen Dienst in das Zeichen der Versöhnung und des Friedens stellen will.
Was mich auch beeindruckt hat, war das, was ich aus dem Mund vieler Römer gehört habe: „Dieser so tiefgründige Papst formuliert alles so schön, daß wir es auch wirklich verstehen!“.
Ja, die Kirche hat wieder einmal gezeigt, daß sie – jung und lebendig – in der Lage ist, zu erstaunen und der Welt – mit Benedikt dem XVI. – zu sagen: „Habt keine Angst vor Christus! Er nimmt nichts, und er gibt alles.“
Was könnte für die Welt von heute und von morgen eine bessere Nachricht sein?


Renato Raffaele Martino

Renato Raffaele Martino

DER SCHUTZ DES MENSCHEN
VOR JEDER ART VON UNFREIHEIT

von Kardinal Renato Raffaele Martino
Präsident des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden

Am 7. Mai habe ich mit Papst Benedikt XVI. die Messe in St. Johann im Lateran konzelebriert. Die Worte seiner wunderschönen Ansprache anläßlich des Amtsbeginns als Bischof von Rom, die mich am meisten betroffen gemacht haben, waren die über den Schutz des Lebens vor jeglicher Unfreiheit, die in den „Versuchen der Anpassung, der Verwässerung des Wortes Gottes“ und in den „falschen Auslegungen der Freiheit“ wurzelt. Indem er sich an die eindeutige Haltung anschloß, die Johannes Paul II. diesbezüglich hatte, fügte er mit unmissverständlicher Klarheit an: „Die Freiheit zu töten ist keine Freiheit, sondern Tyrannei der Unfreiheit.“ Und das betrifft natürlich nicht nur die Abtreibung und die Euthanasie, sondern auch den Krieg, die Todesstrafe, den Terrorismus, die vielen Menschen, die dem Hunger oder Naturkatastrophen zum Opfer fallen.
Seit Beginn seines apostolischen Dienstes hat Benedikt XVI. – mit der Namenswahl und den ersten Ansprachen, mit den ersten Gesten seines Pontifikats – unmissverständlich zu verstehen gegeben, daß er sich für den Schutz der menschlichen Person einsetzen will, für die Vorantreibung von deren unveräußerlichen Rechten und für die Verwirklichung von Gerechtigkeit und Frieden auf der Welt.
Bei seiner ersten Generalaudienz vom Mittwoch, 27. April, als er erklärte, warum er sich für den Namen Benedikt entschieden hatte – „um geistig an den ehrwürdigen Papst Benedikt XV. anzuknüpfen“, seinen ehrwürdigen Vorgänger, Papst Giacomo della Chiesa, diesen „mutigen und wahren Propheten des Friedens“ – hat der Heilige Vater klar und deutlich gesagt: „Ich möchte mein Amt auf seinen Spuren im Dienst der Versöhnung und Harmonie unter den Menschen und Völkern fortführen in der Überzeugung, daß das große Gut des Friedens vor allem ein Geschenk Gottes, ein zerbrechliches und wertvolles Geschenk ist, das Tag für Tag durch den Beitrag aller zu erbitten, zu schützen und aufzubauen ist.“
Und schließlich hatte er schon bei dem feierlichen Gottesdienst zur Übernahme seines Petrusamtes auf dem Petersplatz am 24. April kein Blatt vor den Mund genommen, als er die Ungerechtigkeiten auflistete, die den Frieden bedrohen, wenn „die Schätze der Erde nicht mehr dem Aufbau von Gottes Garten dienen, in dem alle leben können, sondern dem Ausbau von Mächten der Zerstörung.“
All diese Worte sind erste große Gesten der Menschlichkeit, der Herzlichkeit und der Aufgeschlossenheit. Der neue Papst hat sich sofort dem Dialog mit den geteilten Brüdern gegenüber aufgeschlossen gezeigt, mit den Juden, den Muslimen, den Gläubigen anderer Religionen und allen Menschen guten Willens.
Vom Obersten Hirten ermutigt, unterstützt und geleitet, nimmt der Päpstliche Rat für Gerechtigkeit und Frieden mit neuem Elan und Enthusiasmus seine diesbezüglichen kirchlichen Initiativen wieder auf, mit einem größeren Aufgebot an Publikationen, Versammlungen, und Studientagungen, Konferenzen, Begegnungen, der Teilnahme an internationalen Versammlungen, was dieses Jahr besonders darauf abzielt, das erst vor kurzem herausgegebene Compendio della Dottrina sociale della Chiesa (Soziallehre der Kirche in der Art eines Kompendiums) zu erläutern und zu verbreiten, jenes wertvolle Werkzeug für die rechte Unterscheidung und die wirksame Präsenz, das wirksame Handeln der Katholiken in der weiten Welt der sozialen Beziehungen.


Javier Lorenzo Barragàn

Javier Lorenzo Barragàn

„WIR KENNEN UNS SEIT 1980....“

von Kardinal Javier Lozano Barragán
Präsident des Päpstlichen Rates
für die Pastoral im Krankendienst

Ich habe den damaligen Kardinal Joseph Ratzinger vor 25 Jahren kennengelernt. Und als ich ihm, nach dem Konklave, das Gehorsamsversprechen gab, sagte Papst Benedikt, noch bevor ich zu Wort kommen konnte: „Wir kennen uns seit 1980...“ Er war damals Relator der Familiensynode, und ich der Sondersekretär. Und im Rahmen dieser Tätigkeit lud er mich auch nach München ein, wo er damals Erzbischof war. Um diese erste Begegnung ranken sich viele Erinnerungen – wie sollte ich seine große Liebenswürdigkeit, aber auch seinen nicht weniger großen Scharfsinn vergessen? In Europa hatte damals gerade die Debatte um die Befreiungstheologie lebhafte Formen angenommen. Eine seiner ersten Fragen war die, was ich denn von dieser Befreiungstheologie hielte. Unsere Zusammenarbeit war damals, 1980, sehr intensiv, dauerte drei oder vier Monate. Als die Bischofsversammlung abgehalten wurde, sahen wir uns natürlich täglich. Ich kann mich noch gut daran erinnern, daß er zu mir sagte: „Sie machen diesen Teil der Arbeit, und ich den anderen.“ Sein Vertrauen zu mir war so groß, daß er nicht wollte, daß ich Entwürfe anfertigte und sie ihm zur Durchsicht vorlegte. So sparte er Zeit: wir hatten damals nämlich noch keinen Computer, alles wurde noch mit der Hand geschrieben. Er sprach damals auch noch nicht gut Italienisch, wir unterhielten uns also auf deutsch. Ich hoffe, daß es nicht anmaßend klingt, wenn ich sage, daß wir durch diese Arbeit 1980, als wir so Seite an Seite gearbeitet haben, Freunde geworden sind. Für mich war es ein großes Privileg, bei dieser Gelegenheit mit ihm zusammen zu arbeiten.
Ich kehrte dann nach Mexiko zurück, und Kardinal Ratzinger wurde nach Rom gerufen, an die Leitung der Kongregation für die Glaubenslehre. Ich befasste mich in jener Zeit intensiv mit der Befreiungstheologie und schrieb auch das ein oder andere Buch. Wann immer ich nach Rom kam, suchte ich ihn auf und brachte ihm meine Bücher. Zum Beispiel das über die Befreiungstheologie, La chiesa del popolo, teologie in conflitto, und auch das über die Sekten, mit dem Titel Perché sono cattolico, risposta alle sette. Er war immer überaus höflich und liebenswert, und unsere Gespräche waren für mich stets eine große geistliche und intellektuelle Bereicherung.
Johannes Paul II. hat mir dann die Ehre erwiesen, mir im Vatikan die Leitung des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst zu übertragen. Er hat mich auch zum Mitglied der Kongregation für die Bischöfe ernannt. So hatte ich das Glück, oft mit Kardinal Ratzinger zusammen zu treffen. Manchmal konnte ich mit ihm auch Probleme besprechen, die mit meinem Kompetenzbereich zu tun hatten, Probleme bioethischer Natur beispielsweise. Wir haben auch darüber diskutiert, ob es legitim wäre, daß Diakone die Letzte Ölung spenden, was in europäischen Ländern wie Deutschland und Frankreich, oder lateinamerikanischen wie Brasilien, ein weit verbreiteter Brauch ist. Und erst vor kurzem haben wir uns mit der Frage befaßt, ob es angebracht sei, im Kampf gegen Aids, Malaria und Tuberkulose mit dem Global Fund zusammenzuarbeiten. Ein weiteres Thema war auch die Entstehung der von Johannes Paul II. in unserem Dikasterium geschaffenen Stiftung „der gute Samariter“, die den bedürftigsten Kranken auf dieser Welt helfen will, besonders den HIV-Infizierten. In diesem Zusammenhang freut es mich besonders, daß mir Kardinal Angelo Sodano erst vor kurzem mitgeteilt hat, daß Papst Benedikt XVI. den Beitrag für das Weltgesundheitsforum per integrum gutgeheißen hat, das Mitte Mai am Sitz der WHO abgehalten werden wird und an dem auch besagte Stiftung teilnehmen wird.
Zum Abschluß möchte ich noch eine Anekdote erzählen, die sich um den Tag nach der Wahl von Benedikt XVI. rankt. Ich verließ in Begleitung zweier anderer Kardinäle nach dem Frühstück gerade das Gästehaus „Santa Marta“, als uns der Papst begegnete, ganz in weiß gekleidet. „Was für ein Zufall, Heiliger Vater!“ sagte ich zu ihm, und dann: „Heiliger Vater, haben Sie denn heute nacht überhaupt ein Auge zugetan?“. Was er bejahte, und noch anmerkte, daß es wohl schlimmere Nächte geben würde. Der zweite Kardinal, der bei mir war, sagte zu ihm: „Wir müssen uns noch daran gewöhnen, Sie jetzt immer weiß gekleidet zu sehen...“. Er lächelte, und da sagte der dritte Kardinal zu ihm: „Aber auch Sie müssen sich daran gewöhnen, sich in weiß zu sehen...“. „Gott sei Dank sehe ich mich ja nicht!“ lautete da seine Antwort.


Georges Cottier.

Georges Cottier.

ER GING AUF DEN STRASSEN ROMS SPAZIEREN, DEN ROSENKRANZ BETEND, SEINE BASKENMÜTZE
AUF DEM KOPF

von Kardinal Georges Cottier
Pro-Theologe des Päpstlichen Hauses

Was mich an Kardinal Ratzinger schon immer am meisten beeindruckt hat, war seine Einfachheit. Wie oft habe ich ihn auf der Strasse bei Porta Angelica spazierengehen sehen, den Rosenkranz betend, seine Baskenmütze auf dem Kopf. Das ist das erste Bild, das mir im Zusammenhang mit ihm in den Sinn kommt – so gar nicht das – fälschlicherweise in Umlauf gebrachte – eines Panzerkardinals. Gewiß, wenn er weiß, eine Entscheidung treffen zu müssen, dann tut er das auch ohne zu zögern. Aber das ist schließlich eine gute Eigenschaft.
Ich war viele Jahre lang Sekretär der internationalen Theologenkommission, und jedes Jahr fand eine Woche mit Plenarversammlungen statt, die verschiedenen Themen gewidmet war, die von der Kongregation für die Glaubenslehre vorgeschlagen oder von der Kommission selbst ausgewählt wurden. Dabei konnte ich stets feststellen, daß es eine große Diskussionsfreiheit gab. Kardinal Ratzinger war immer bei uns, verfolgte alle Phasen unserer Arbeit, und man konnte sehen, daß er – wenn er mit der Theologie und mit Theologen zu tun hatte – sozusagen „in seinem Element war.“ Es waren aber auch Gelegenheiten, bei denen wir uns von seinen menschlichen Fähigkeiten überzeugen konnten, von seiner Liebenswürdigkeit, seinem Zuhören-Können, aber auch von seinen intellektuellen, der Fähigkeit zur Synthese beispielsweise. Jetzt, wo ihn die Kardinäle zum Nachfolger Petri gewählt haben, haben wir einen gelehrten Mann zum Papst, einen Mann, der weiß, daß die Theologie Bestandteil der christlichen Weisheit ist, daß keine Theologie gegeben wird ohne Leben des Glaubens. Und wenn er in seiner ersten Generalaudienz an die Regel erinnerte, daß nichts höher als Christus gestellt werden dürfe – eine Regel, die der hl. Benedikt seinen Mönchen ans Herz legte –, so kann man durchaus sagen, daß sich dieses Kriterium auch in seiner Person findet, in der Art und Weise, Theologie zu machen. Und das ist das Schönste. Es hat mir sehr gefallen, daß er sich der Welt gegenüber als bescheidener Arbeiter im Weinberg des Herrn bezeichnete. Und als er in der Homilie zur Übernahme des Petrusamtes gesagt hat, nicht seine eigenen Ideen vorantreiben, sondern sich von Jesus und seinem Evangelium inspirieren lassen zu wollen. Papst Benedikt XVI. ist ein vir ecclesiasticus, ein Mann der Kirche. Er war sich immer dessen bewußt, daß ein katholischer Theologe nicht für sich persönliche Theologie betreibt, sondern als Sohn der Kirche. So hat er seine Aktivität als Theologe gelebt. In vollkommener Demut, ohne jemals der Versuchung des Hochmuts zu erliegen, die den Beruf des Theologen oft so riskant, gefährlich macht.
Ich glaube auch, daß Gott ihn auf seine jetzige Aufgabe vorbreitet hat; immerhin war Papst Ratzinger nicht nur der große Theologe, der er nun einmal ist, sondern konnte dank seiner langen Jahre als Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre auch die Erfahrung machen, im kontinuierlichen Kontakt mit vielen Bischöfen, einen weiten Horizont des Lebens der Kirche kennenzulernen. Er ist ein Papst, der eine wirklich komplexe Sicht der Probleme hat. Die großen Probleme sind heute globale Probleme, betreffen die ganze Menschheit, und von seiner Warte, von seiner Meditation aus, wurde Kardinal Ratzinger darauf vorbereitet, all das angehen zu können.


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