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LEO IX.
Aus Nr. 05 - 2005

Der letzte Papst in vollkommener Gemeinschaft mit Konstantinopel


Die Geschichte des heiligen Papstes, dessen Gedächtnis am 19. April begangen wird, dem Tag der Wahl von Benedikt XVI.


von Lorenzo Cappelletti


Papst Leo IX. (1049-1054), Miniatur einer griechischen Handschrift des 15. Jhs., Nationalbibliothek Palermo.

Papst Leo IX. (1049-1054), Miniatur einer griechischen Handschrift des 15. Jhs., Nationalbibliothek Palermo.

In den Medien hat man festgestellt, daß die Wahl von Papst Benedikt XVI. auf den Tag fällt, an dem die Kirche das Gedächtnis des hl. Leo IX. begeht (mit weltlichem Namen Bruno, aus dem Elsaß, dem Geschlecht der Grafen von Egisheim und Dagsburg stammend). Die einen haben daran erinnert, daß es sich um einen der zahlreichen Päpste deutscher Herkunft handelte, die es im Mittelalter gegeben hat, aber das war auch schon alles. Und schließlich schien dieser heilige Papst auf den ersten Blick nichts an sich zu haben, das eine genauere Betrachtung lohnenswert erscheinen ließ, weder, was den Namen angeht, noch die Ordnungszahl. Und das Wenige, was der ein oder andere über sein Pontifikat weiß – daß Leo IX. nämlich der Papst gewesen sein soll, der zur Zeit des Schismas mit den Griechen im Juli 1054 regierte –, ist „unglaublich, aber... falsch“. Als das Schisma vollzogen wurde, war Leo nämlich bereits seit Monaten tot – seit dem 19. April 1054. Ihm kann es also nicht in die Schuhe geschoben werden.
Wer sich in der Geschichte des Mittelalters auskennt, weiß nicht nur das, sondern muß im Zusammenhang mit diesem Papst noch an andere interessante Dinge denken, die wir gerne als nicht zufällig betrachten und die uns dazu bringen, ihn – zusammen mit dem hl. Benedikt – als Schutzheiligen des jetzigen Papstes zu betrachten.
Vor allem einmal muß daran erinnert werden, daß er – obwohl er niemals ein Benediktiner war – gerade den hl. Benedikt besonders verehrte, dem er seine Heilung zuschreibt, damals, als er noch ein Junge war und im Schloß seiner Familie sterbenskrank darniederlag. Eine Episode, mit der seine Biographie beginnt: Vita Leonis IX (PL. 143, 470-471).
Und dann ist es auch interessant festzustellen, daß Bruno, mit Kaiser Heinrich III. verwandt , der ihm den Petrusstuhl zugedacht hatte, wie es damals nicht nur üblich, sondern auch in gewisser Weise ein Recht war – wie der Jesuit und große Experte für Kirchengeschichte des Mittelalters, Friedrich Kempf, schrieb –, dem Kaiser zu verstehen gab, daß er die neue Aufgabe nur dann annehmen könne, wenn ihn die Römer einstimmig zu ihrem Bischof wählen würden (vgl. Handbuch der Kirchengeschichte, herausgegeben von H. Jedin, Bd. IV). So begab er sich nach Rom, als einfacher Pilger gekleidet, und erst nachdem er vom Klerus und vom römischen Volk am 2. Februar 1049 gewählt worden war, nahm er den Sitz Petri in Besitz. Wie im Handbuch der Kirchengeschichte beschrieben, hatte Leo keinen konstitutionellen Umbruch im Sinn, war sich aber der Unabhängigkeit der kirchlichen Rechtsordnung, und daher auch seiner Position, vollkommen bewußt.
Eine Unabhängigkeit, der er sich derart bewußt war, daß er glaubte, vor allem die Simonie bekämpfen zu müssen, was er überdies schon getan hatte, als er noch Bischof von Toul war. Aber er tat das nicht allein: „Den Kardinälen maß er große Bedeutung bei, scharte um sich eine Gruppe von Freunden und Ratgebern“ (M. Parisse, Leo IX., in Dizionario storico del papato, herausgegeben von Ph. Levillain, Bd. II, S. 854).
Von einem dogmatischen Standpunkt aus ist die Verurteilung von Irrtümern, die die Lehre der Eucharistie betreffen, ihm zuzuschreiben. Er schritt im Falle der These von Bérenger von Tours ein (für den die eucharistischen Gestalten Brot und Wein nur ein Symbol für Leib und Blut des Herrn waren) und bekräftigte, daß Christus wirklich im Sakrament anwesend, bzw. unter den sakramentalen Gestalten enthalten ist. Aber das Einschreiten von Leo IX. war überaus diskret. Da die theologische Diskussion noch offen war, waren es die Theologen, die sie vorantrieben, während Rom sich darauf beschränkte, ihren Verlauf zu überwachen (vgl. Handbuch der Kirchengeschichte, herausgegeben von H. Jedin, Bd. IV). Ohne jegliche Impulsivität und Intransigenz behandelte er auch das Problem des im Konkubinat lebenden Klerus (vgl. M. Parisse, Leo IX., in Dizionario storico del papato, herausgegeben von Ph. Levillain, Bd. II, S. 853).
Doch kommen wir wieder auf das Schisma von 1054 zurück, von dem unser Artikel seinen Ausgang genommen hat: es kann nicht nur keineswegs dem Papst zugeschrieben werden, sondern es hat auch den Anschein, daß dieGesandtschaft, die für den Beginn verantwortlich war, von ihm in freundschaftlicher Absicht nach Konstantinopel geschickt worden war. „Die Beziehungen zwischen Rom und dem Osten waren noch freundschaftlicher Art“, schrieb Pater Justo Collantes, „auch wenn man bereits an dem unheilvollen Bruch arbeitete, der sich nach dem Tod des Papstes vollziehen sollte“ (La fede della Chiesa cattolica, S. 918, Anm. 14). Leider hatte Leo – in Übereinstimmung mit Byzanz und mit Hilfe der Deutschen und der Italiener – bereits gegen gewisse Söldnertruppen mobil gemacht, Normannen im Süden Italiens. Diese nahmen ihn 1053 gefangen und ließen ihn erst wieder frei, als er ihre Besitzungen anerkannte. Er konnte im März 1053 nach Rom zurückkehren, wo er am 19. April des darauffolgenden Jahres starb. Möge der hl. Leo IX. Papst Benedikt XVI. seinen Schutz zuteil werden lassen, und gemeinsam mit der Herde für Papst Benedikt XVI. beten, dem Wunsche des Letzteren nachkommend: „Betet für mich, daß ich seine Herde – Euch, die heilige Kirche, jeden einzelnen und alle zusammen – immer mehr lieben lerne. Betet für mich, daß ich nicht furchtsam vor den Wölfen fliehe. Beten wir füreinander, daß der Herr uns trägt und daß wir durch ihn einander zu tragen lernen“ (zitiert nach L’Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 17/2005, S. 3).


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