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LEO IX.
Aus Nr. 05 - 2005

Aus Vita Leonis IX, verfaßt im 11. Jahrhundert.

Das Wunder des hl. Benedikt



von Lorenzo Bianchi


Sein Gesicht, sein Hals und seine Brust waren derart mit Beulen übersät, er selbst schon so geschwächt, daß man die Hoffnung aufgegeben hatte, er könne jemals wieder genesen. Für seine Eltern, seine ganze Familie, waren es zwei traurige und qualvolle Monate und, da sie sicher waren, daß nichts anderes mehr folgen könne als der Tod, hatten sie sich damit abgefunden und erwarteten, unter unaufhörlichem Schluchzen und Seufzen, den Trauerzug seiner Beerdigung. Aber der gute Jesus, der in so verzweifelten Fällen zur Hilfe zu eilen pflegt, spendete seinen Eltern unverzüglich Trost, indem er ihn vollkommen heilte, und erinnerte sich, seinem Versprechen entsprechend, an seine Kirche, die durch ihn wieder erhoben werden mußte.
In diesen zwei Monaten konnte er sein Bett nie verlassen – ja, als die Krankheit weiter vorangeschritten war, seit nunmehr acht Tagen, nicht einmal mehr sprechen –, als er eines Tages, als er so auf dem Rücken dalag und die Augen öffnete, also wach war, etwas sah wie eine leuchtende Treppe, die von selbst von seiner Lagerstatt emporragte und vom Fußende seines Bettes aus durch das Fenster bis in den Himmel reichte; auf ihr stieg ein Mann von edler Gestalt in ehrwürdigem Greisenalter im Mönchsgewand herab, der in der rechten Hand ein großes Kreuz an einem langen Stab trug. Bei dem Kranken angelangt, während er mit der linken Hand die Treppe hielt, legte er ihm zuerst mit der rechten Hand das Kreuz auf den Mund, berührte dann mit demselben alle geschwollenen Stellen und zog hinter dem Ohr den giftigen Eiter heraus, und nachdem er sofort danach auf demselben Weg wieder zurückgekehrt war, den er gekommen war, ließ er einen Kranken zurück, der sich schon besser fühlte. Was derselbe dann unverzüglich Adalberon anvertraute – einem Geistlichen, der sich an sein Krankenbett gesetzt hatte, um ihm Trost zu spenden – und ihn mit der erhofften Nachricht schickte, das Wehklagen seines Elternhauses zu beenden, das schon so lange Zeit anhielt. Dann, einige Tage später, als die Haut hinter dem rechten Ohr aufgeplatzt und das ganze Gift aus der Beule herausgeflossen war, wurde er – zum allergrößten Erstaunen und der Freude aller – wieder vollkommen gesund, ohne irgendwelche Nachwirkungen. Und wann immer er in Erinnerungen schwelgt, pflegt er seinen engsten Freunden anzuvertrauen, zu wissen, daß ihm ein wahres Wunder Gottes zuteil geworden war, und mit derselben Offenheit gesteht er, sofort – an seinem Gesicht und an der Kleidung – den seligen Vater der Mönche, Benedikt, erkannt zu haben. Und bis zum heutigen Tag erinnert er sich daran, wie es ihm geschehen war, seinen Leib zu erkennen, so, als habe er ihn noch immer vor seinen fleischlichen Augen. Jene, welche die nun folgenden Dinge lesen, werden sich zweifelsohne dann nicht mehr darüber wundern, daß er seine Gesundheit dank dem hl. Benedikt, und nicht irgend einem anderen Heiligen, wiedererlangt hat, wenn ihnen im Laufe der Erzählung klar werden wird, mit welch großem Eifer frommer Liebe er die Mönche einsetzt und unterstützt.


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