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MARIENHEILIGTÜMER
Aus Nr. 11 - 2005

„Ein Lichtstrahl des Heils und des Trostes in den Stürmen des Lebens“


Das Marienheiligtum der Madonna von Monte Berico ist eine der bedeutendsten Stätten der Marienverehrung Europas: hier erschien die Muttergottes in den schrecklichen Pestjahren des 15. Jahrhunderts einer alten Frau aus Vicenza.


von Pina Baglioni


Die Säulengänge, die die Stadt Vicenza mit dem Sanktuarium verbinden: die am 7. März 1746 von Architekt Francesco Muttoni erdachte Konstruktion erstreckt sich über 700m; die Zahl der Bögen entspricht der der Perlen des Rosenkranzes: 150. Sie sind in 10er-Gruppen aufgeteilt, Symbol für die 15 Rosenkranzgeheimnisse. Im Hintergrund, die Ostfassade des Heiligtums.

Die Säulengänge, die die Stadt Vicenza mit dem Sanktuarium verbinden: die am 7. März 1746 von Architekt Francesco Muttoni erdachte Konstruktion erstreckt sich über 700m; die Zahl der Bögen entspricht der der Perlen des Rosenkranzes: 150. Sie sind in 10er-Gruppen aufgeteilt, Symbol für die 15 Rosenkranzgeheimnisse. Im Hintergrund, die Ostfassade des Heiligtums.

Die Vicenzer, und nicht nur sie, haben der Muttergottes gegenüber Wort gehalten: jeden ersten Sonntag des Monats steigen mehr als 30.000 Menschen den Berg hinauf, um eine Gnade zu erbitten, für eine bereits erhaltene Dank zu sagen – oder einfach nur, um der Jungfrau Maria ihren Besuch abzustatten. Am Ende einer jeden Messe – neun am Tag – dauert es eine gute Stunde, bis die Menschenmassen die Kirche verlassen haben. Man muß sie fast schon hinausschieben,“ scherzt Pater Alessandro Bertacco. 38 Jahre hat er am Gymnasium von Vicenza Sprachen unterrichtet und ist nun, seit seiner Pensionierung, Rektor des Sanktuariums Unserer Lieben Frau von Monte Berico. Ein Mann, der sich zweifellos nicht leicht aus der Ruhe bringen läßt: normalerweise wird der Berico-Berg von Pilgern nämlich regelrecht „gestürmt“: zur großen Freude Bertaccos und seiner Mitbrüder vom Orden der Diener Mariens, die seit 1435 die Hüter des Marienheiligtums sind. „Manchmal wissen wir nicht, welchen Heiligen wir noch um Beistand bitten sollen, wenn all die vielen Leute, die hierher kommen, beichten wollen. Am ersten Sonntag des Monats nehmen wir im Durchschnitt 22.000 Beichten ab. Ich und meine Mitbrüder – insgesamt 25, davon aus Altersgründen nur 12 „im Einsatz“ – bringen nicht selten bis zu 10 Stunden im Beichtstuhl zu. Am Schönsten ist aber, daß auch sehr viele junge Menschen dieses Sakrament in Anspruch nehmen.“ So ist es nicht verwunderlich, daß 1972 neben der Basilika eine Pönitentiarie errichtet werden mußte: zwei große Kapellen mit 30 Beichtstühlen, mit denen die bereits im Innern der Basilika befindlichen ergänzt werden konnten.
Aber das ist gar nichts verglichen mit dem, was sich jeden 8. September, Fest Mariä Geburt, hier abspielt. Fast doppelt so viele Pilger wie sonst kommen dann hierher – wie auch zahlreiche hochrangige religiöse und zivile Persönlichkeiten. Tausende von Personen strömen dann nach Vicenza. Viele kommen aus den naheliegenden Städten Venetiens und der Lombardei. Sie machen sich bereits ein paar Tage vorher auf den Weg, um dann pünktlich am 8. September bei der Frühmesse um 5.30 dabei sein zu können. Viele kommen auch aus Belgien, Frankreich, England und Deutschland. Manch einer sogar aus Brasilien und den Philippinen. „Emigranten aus Venetien, die sich ihrer himmlischen Mutter verbunden fühlen,“ berichtet Pater Alessandro. „Ein Band, das auch dank unserer schon hundert Jahre alten Monatszeitschrift La Madonna di Monte Berico lebendig gehalten wird: wir haben Tausende von Abonnenten in allen Erdteilen, die uns schreiben und von ihren Problemen berichten, ihrer Liebe zu ihrer Heimat und zur Muttergottes. Jeden Monat lasse ich einen dieser Briefe veröffentlichen. Ich habe viele von ihnen auch besucht – vor allem in Europa; so sehen sie, daß sie das Marienheiligtum und die Diener Mariens stets begleiten.“
Um den ersten Sonntag des Monats und den 8. September, Fest Mariä Geburt, rankt sich also die Geschichte des Marienheiligtums der Madonna von Monte Berico, eine der wichtigsten Stätten der Marienverehrung Europas.

Monte Berico, ein paradiesisches Fleckchen Erde
„Von dem von den ersten Sonnenstrahlen erleuchteten Berg hat man einen atemberaubenden Blick auf das sattgrüne Umland mit seinen vereinzelten Herrschaftshäusern und malerischen Dörfern. In der Ferne kann man links Astico, Brenta, Bassano und Asolo erkennen, hinter denen sich majestätisch die Alpen erheben; rechts fällt der Blick auf die Euganeen, auf Padua, die königliche Lagunenstadt Venedig. Es scheint, als hätte die Jungfrau Maria gerade dieses Fleckchen Erde gewählt, um es den Menschen Venetiens zu zeigen, ihnen sozusagen Lichtstrahl und Trost zu sein in den Stürmen des Lebens.“
Dem Pilger, der diesen südöstlich über der Stadt Vicenza liegenden Berg hinaufsteigt, bietet sich das majestätische Szenarium, das der Dichter und Priester Giacomo Zanella in seiner Erzählung Alla Madonna di Monte Berico vom 2. August 1875 beschreibt. Ein feierliches Szenarium, das durch die über 700m langen Säulengänge an der Ostfassade des Sanktuariums noch betont wird. Die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nach dem Plan des Architekten Francesco Muttoni errichteten Säulengänge, die den Aufstieg erleichtern sollen, bestehen aus 150 Bögen – ebensoviele wie die Perlen des Rosenkranzes. An jedem 10. Bogen befinden sich Fresken, auf denen die 15 Rosenkranzgeheimnisse dargestellt sind. Es gibt aber auch noch einen anderen, älteren Weg zur Muttergottes: die große Treppe mit ihren 192 Stufen, die von dem majestätischen Triumphbogen ihren Ausgang nehmen, der unverkennbar die Handschrift jenes Architekten trägt, der Vicenza erst sein eigentliches Gesicht gegeben hat: Andrea Palladio.
Monte Berico ist also wirklich ein paradiesisches Fleckchen Erde. Unverkennbar gekrönt von den Konturen dieses Heiligtums, in dem Barock und Gotik zusammengeflossen sind: es besitzt drei ähnliche Barockfassaden. An die vierte Seite, die Westfassade, schließt an die Barockfassade die Gotikfassade an, die an das Sanktuarium erinnert, das nach den beiden Erscheinungen in Vicenza – die Muttergottes ist hier am 7. März 1426 und am 1. August 1428 einer alten Frau erschienen – erbaut wurde. Es waren schreckliche Jahre, in denen hier die Pest wütete. Aber auch wieder wunderschöne Jahre, durch diese Geste der Barmherzigkeit der Jungfrau Maria diesem Vicenza gegenüber, das meinte, sein Ende wäre gekommen.

1404: in Vicenza wütet die Pest
Ein wertvolles Dokument, der Codex 1430, der noch heute in der Bertolianischen Bibliothek von Vicenza eingesehen werden kann, erzählt, was sich von 1426 bis 1430 in Vicenza ereignete. Diese von den Vicenzer Stadtschreibern im November 1430 abgefaßte wichtige historische Quelle kommentiert den Processus, der von der Communitas Vincentiae und dem Richter der Gemeinde, Giovanni da Porto, eingeleitet worden war. Der Grund für die von der Stadt Vicenza gewollten Ermittlungen geht schon aus den ersten Seiten des Dokuments hervor: „Den wundervollen und herrlichen Bau der Kirche der ruhmreichen Muttergottes, der Jungfrau Maria, auf dem heilig genannten Berge und die wundersamen Ereignisse“ zu beschreiben, „die sich hier zugetragen haben.“ Wunder, die nach einer langen Periode des Leidens geschahen, die der Codex wie folgt beschreibt: „Im Jahr des Herrn 1404, bis 1428, wurde diese unglückliche Stadt von schlimmen Pestilenzen und anderen Krankheiten heimgesucht, die die Provinz schon bald vollkommen entvölkerten: wer der Ansteckung entgangen und nicht gestorben war, sah sich gezwungen, sein Zuhause zu verlassen, in das er – nach manch Leid und Entbehrung – erst viele Jahre später zurückkehren konnte.“
Dabei hatte das Jahr 1404 doch so vielversprechend begonnen: nach einer Reihe von Tyrannen – ihre Machtkämpfe hatten die Fürsten von Padua, Cangrande della Scala und Gian Galeazzo Visconti innerhalb der Vicenzer Stadtmauern ausgetragen – begaben sich die Vicenzer Adeligen Gian Pietro Proti und Giacomo Thiene, stellvertretend für alle Vicenzer Bürger, am 28. April 1404 unter den Schutz der Republik Venedig. Als Gegenleistung erhielt Vicenza eine Reihe von Privilegien wirtschaftlicher und rechtlicher Art. Doch gerade in dieser Zeit wurde die Stadt von der Pest heimgesucht, die Tod und Zerstörung brachte.
Aus anderen Archivdokumenten erfahren wir, daß von den Mönchen des Benediktinerklosters der Hll. Felice und Fortunato im Oktober 1428 nur drei übriggeblieben waren; nur neun Nonnen des Klosters St. Thomas; zwei Kamaldulenser, die Karmeliten von St. Jakob, waren in pleno et generali capitulo insgesamt nur noch zu fünft. Dasselbe Schicksal erlitten auch andere Klöster: St. Lorenz, St. Michael und St. Peter. Die Vicenzer schickten inbrünstige Gebete gen Himmel, flehten Gott um Hilfe an und taten Buße. Vergeblich. Es schien, als wäre der Himmel taub für ihr verzweifeltes Flehen, als hätte der Herr auf sie vergessen.


„Ich bin die Jungfrau Maria, die Mutter Christi...“
In Vicenza lebte damals eine 70jährige Frau, Vincenza Pasini. Jeden Morgen ging sie den Monte Berico hinauf, um ihrem Mann sein Essen zu bringen. Der eigentliche Schmied hatte hier einen kleinen Weinberg. Die beiden Alten stammten aus Sovizzo, einer kleinen Ortschaft nur wenige Kilometer von Vicenza entfernt. Sie waren ein paar Jahre zuvor in die Stadt gekommen, wohnten in Borgo Berga, an den Hängen von Monte Berico, direkt neben der Allerheiligenkirche. Der Codex berichtet, daß Vincenza eine rechtschaffene, gottesfürchtige Frau war, dem Herrn und der Muttergottes ergeben: ihre Tage standen ganz im Zeichen des Gebets und der wohltätigen Werke, der Kirche und der Liturgie, ganz besonders aber der Nächstenliebe. Sie war eine vorbildliche Christin.
Am 7. März 1426, hora quasi tertia – um 9 Uhr morgens –, als die Frau am Gipfel des Hügels angekommen war, erblickte sie dort, wie der Codex berichtet, „in forma speciosissime regine perfulgide“, eine mit herrlichen, lichtdurchfluteten Gewändern angetane Gestalt. Von der wunderschönen Frau gingen tausend Wohlgerüche aus. Soviel Schönheit war zuviel für die alte Frau: sie ließ den Proviantkorb fallen und sank kraftlos zu Boden. Da griff ihr die schöne Frau an die rechte Schulter, hieß sie aufstehen und sagte: „Ich bin die Jungfrau Maria, die Mutter Christi, der am Kreuz gestorben ist zum Heil der Menschen. Geh’ nun und sage den Vicenzern, daß sie hier mir zu Ehren eine Kirche errichten sollen, wenn sie ihr Heil wiedererlangen wollen, sonst wird die Pest weiter wüten.“ Da antwortete die tief bewegte Vincenza, die vor der Muttergottes in die Knie gesunken war, unter Tränen: „Aber das Volk wird mir nicht glauben. Und woher, ruhmreiche Mutter, sollten sie auch das Geld dafür nehmen?“. „Du mußt darauf bestehen, daß sie meinen Wunsch erfüllen, sonst werden sie niemals von der Pest befreit. Solange sie nicht gehorchen, wird ihnen mein Sohn zürnen.“ Und weiter: „Zum Beweis für das, was ich sage, wird aus dem Fels Wasser hervorsprudeln, wenn sie hier graben, und sobald sie mit dem Bau beginnen, soll es an Geld nicht fehlen.“ Und als sie das sagte, bezeichnete sie mit dem kreuzförmigen Ast eines Olivenbaums auf dem Boden die Stelle, wo die Kirche gebaut werden sollte, und sogar die Form derselben. Dann steckte sie den Ast in den Boden, genau dort, wo sich heute der Hochaltar des Sanktuariums befindet. Aber das war noch nicht alles: „All jene, welche mit Andacht diese Kirche an meinen Festen und an jedem ersten Sonntag im Monat besuchen werden, werden eine Fülle von Gnaden und der Barmherzigkeit von Gott zum Geschenk erhalten und den Segen von meiner Mutterhand.“
Die unbeschreibliche Freude Vincenza Pasinis über die Begegnung mit der Jungfrau Maria wurde von der Angst überschattet, ihren Mitbürgern Bericht erstatten zu müssen. In Vicenza, wo sie einem jeden, der ihr begegnete erzählte, was ihr widerfahren war, mußte sie schon bald feststellen, daß ihr niemand glaubte. Bei den vielen Pest-Toten hatten die Leute andere Sorgen. Und beim Bischof, Pietro Emiliani, sollte es ihr noch schlechter ergehen. Sie hatte kaum mit der Erzählung ihrer Geschichte begonnen, als sie der hohe Prälat auch schon ohne langes Federlesen hinauskomplementierte und eine Torin nannte. In der Zwischenzeit konnte die Pest weiterwüten. In Vicenza ging das gewohnte Leben weiter, die Leute gingen ihrer Arbeit nach, beteten und vollbrachten Wohltätigkeitswerke. Und an den Festtagen stiegen sie auf den Berg hinauf und beteten gerade dort, wo sie der Muttergottes begegnet war.
In dem Dokument mit den Akten des Falles steht auch, daß die Muttergottes Vincenza Parisi zwei Jahre später noch einmal er­schien: am 1. August 1428. Von Mitleid mit der arg geprüften Stadt getrieben, richtete die Muttergottes noch einmal dieselben Worte an die alte Frau. Und das Wunder geschah: dieses Mal schenkte man Vincenza, die in der Stadt ihren Mitbürgern, den Stadträten und kirchlichen Würdenträgern das Anliegen der Muttergottes unterbreitete, endlich Glauben. Die Nachricht, daß die Muttergottes ein zweites Mal auf dem Berg erschienen war, verbreitete sich in Windeseile in der Stadt, viele Menschen strömten aus Vicenza zusammen und stiegen den Berg hinauf. Und die Stadträte, der Rat der hundert und der Rat der fünfhundert, die sich zur Beratung versammelt hatten, beschlossen, sofort mit dem Bau der Kirche auf dem Monte Berico zu beginnen. Im Codex heißt es: „Nachdem der Beschluß gefaßt worden war, allein auf Gott und die Fürsprache der ruhmreichen Jungfrau vertrauend, wurde am 25. August des Jahres 1428 mit dem Bau der Kirche begonnen.“ Nur 24 Tage nach der zweiten Erscheinung.
Die Muttergottes hatte von einer aus dem Fels hervorsprudelnden Wasserquelle gesprochen; und davon, daß dort das Marienheiligtum entstehen solle. Und so war es auch: bei den Ausgrabungsarbeiten „sprudelte wundersam eine große Menge Wassers hervor…, ein Strom schon bald, der laut tosend den Berg hinunterfloß“, heißt es im Codex. Und auch der von der Gottesmutter versprochene Geldsegen stellte sich ein: im Staatsarchiv von Vicenza ist eine Reihe von Testamenten enthalten – gesammelt von Pater Giocondo Maria Todescato, mit peinlich genauer Auflistung der Namen und Daten der Erblasser –, die zeigen, wie großzügig die Vicenzer den Bau des Marienheiligtums unterstützten. Und noch ein anderes Dokument vom 15. Juli 1434 bringt Licht ins Dunkel: die Abschrift eines in der Bertolianischen Bibliothek enthaltenen Textes einer zerstörten Marmorplatte: „Nachdem am 25. August mit dem Bau begonnen worden war, ebbte die große Pestwelle zum Teil ganz ab und drei Monate später, als die Kirche fertiggestellt war, war die gesamte Provinz von dieser Geißel befreit, so daß seit jenem Tage, mit Gottes Hilfe, kein Mensch mehr an dieser Krankheit starb.“ Ein überaus wichtiges Dokument, auch, weil es zeigt, daß sich diese wundersamen Dinge unter Papst Eugen IV. zutrugen, als Francesco Foscari Doge von Venedig war.

Links, die Statue Unserer Lieben Frau von Monte Berico: für das zwischen1428 und 1430 geschaffene Kunstwerk soll Nicolò von Venedig verantwortlich zeichnen.  
Die feierliche Krönung wurde am 
25. August 1900 vom Patriarchen von Venedig,  Giuseppe Sarto – dem späteren Papst Pius X.  – vorgenommen. Nach einer Reihe von Diebstahlsversuchen wurde auf dem Haupt der Muttergottes eine Kopie der eigentlichen Krone angebracht. 
Oben, der Hochaltar und die Nische 
mit der Muttergottesstatue.

Links, die Statue Unserer Lieben Frau von Monte Berico: für das zwischen1428 und 1430 geschaffene Kunstwerk soll Nicolò von Venedig verantwortlich zeichnen. Die feierliche Krönung wurde am 25. August 1900 vom Patriarchen von Venedig, Giuseppe Sarto – dem späteren Papst Pius X. – vorgenommen. Nach einer Reihe von Diebstahlsversuchen wurde auf dem Haupt der Muttergottes eine Kopie der eigentlichen Krone angebracht. Oben, der Hochaltar und die Nische mit der Muttergottesstatue.

Die Mater misericordiae und die Madonna del Magnificat
Darüber, wie und von wem die Kirche von Monte Berico errichtet wurde, schweigen die Dokumente. Aufgrund des wenigen, das bis heute unverändert in der Barock-Basilika erhalten ist, weiß man lediglich, daß es sich um eine einfache, als Basilika erdachte Kirche handelt, die zwischen August und November des Jahres 1428 errichtet wurde. Zum Glück ist die Muttergottesstatue, die sich heute auf dem an der Südwand der Basilika stehenden Hochaltar befindet – einziger Überrest der gotischen Zeit – dieselbe, die schon in der Kirche von 1428 stand. Schon der Codex beschreibt sie wie folgt: „Eine beeindruckende, mit verschiedenen, wertvollen Farben bemalte Marmorstatue.“ Die wunderschöne Steinstatue, die Nicolò von Venedig geschaffen haben soll, ist 1,70m groß und entspricht dem klassischen Schema der Mater misericordiae. Das lächelnde Gesicht der frontal dargestellten Frauengestalt wird von lockigem Haar umrahmt, auf dem ein goldverzierter Schleier liegt. Über den Schultern trägt sie einen blauen goldverbrämten Umhang mit rotem Futter. Die Muttergottes breitet ihren Umhang über den zu ihren Füßen knienden Repräsentanten der Vicenzer Bürger aller Gesellschaftsschichten aus. Wie man an den unterschiedlichen Gewändern erkennen kann, repräsentieren die jeweils zu viert rechts und links von ihr knienden Figuren die Stadt Vicenza, die den Schutz der Gottesmutter erfleht. Auf dem Haupt der Jungfrau liegt eine Krone: am 25. August 1900 stieg der Patriarch von Venedig hier hinauf, Kardinal Giuseppe Sarto, der zukünftige Papst Pius X., um die Krönung der Muttergottes vorzunehmen. Nach einer Reihe von Diebstahlsversuchen können wir heute anstelle des Originals – ein Kleinod von unvergleichlicher Schönheit – nur noch eine Kopie bewundern. Die Original-Krone befindet sich an einem geheimen Ort.
Aber es gibt noch eine andere Mariendarstellung aus jenen Jahren, die 1932 wiederentdeckt wurde: das Fresko Madonna del Magnificat des Battista von Vicenza. Es befindet sich an der rechten Wand der heutigen Pönitentiarie und wurde wiederentdeckt, als man den Raum vor der antiken Marienstatue mit Marmor ausschmückte: auf diesem Fresko ist die Muttergottes, mit einem lila Gewand und einem blauen Umhang angetan, auf einem prächtigen Marmorstuhl sitzend, kurz vor dem Gebären dargestellt; ein Votivgemälde, das wohl in Auftrag gegeben worden war, um dem Wunsch nach Nachwuchs nachzuhelfen.

Die Diener Mariens im Marienheiligtum der Madonna von Monte Berico
Das inzwischen von der Pest befreite Vicenza war mit seinem über der Stadt thronenden Marienheiligtum nicht nur ein begehrtes Ziel für die Vicenzer selbst geworden, sondern für Pilger aus allen umliegenden Städten. Der Codex 1430 berichtet, daß die Pilger, die jeden ersten Sonntag des Monats dem Versprechen der Muttergottes treu, in die Kirche kamen, geradezu mit Gnaden überschüttet wurden. In der Zeitspanne zwischen der zweiten Marienerscheinung und dem Beginn des von den Stadtbehörden gewollten Processus über die Ereignisse am Monte Berico, starb Vincenza Pasini. Die fromme Frau, die längst zum Objekt der Volksfrömmigkeit geworden war, wurde in der Allerheiligenkirche an den Hängen des Berges beigesetzt. Ihre Gebeine wurden 1810, als man die Allerheiligenkirche abriß, in die Kirche des Marienheiligtums übertragen. Sie befinden sich heute in einer Urne aus weißem Marmor in der Krypta der Basilika.
Im Zuge all dieser Ereignisse war es notwendig geworden, ein Kloster zu errichten und einen Orden hierher zu holen, der mit der Seelsorge der hierher strömenden Menschen betraut war: die ersten, die Ende 1429 kamen, waren die Mönche des Ordens der heiligen Brigitte. Dann kamen, auf Wunsch der Gemeinde Vicenza, des neuen Bischofs von Vicenza, Francesco Malipiero, und von Papst Eugen IV, die Diener Mariens. Am 31. Mai 1435 ergriffen sie von Sanktuarium und Kloster Besitz. Die Mönche erfreuten sich schon bald großer Beliebtheit beim Volk, und das auch schon deshalb, weil sie von einem heiligen Mann geleitet wurden: Pater Antonio von Bitetto. Heute, 570 Jahre später, sind die Diener Mariens noch immer hier. Nicht zuletzt wegen Antonio von Bitetto, der im Ruf der Heiligkeit stand, erfreuten sich Monte Berico und das Heiligtum im Laufe der Jahrhunderte immer größerer Beliebtheit.

Das Sanktuarium und seine Kunstwerke
Ende des 19. Jahrhunderts war der Andrang bereits so groß, daß die Diener Mariens nicht mehr wußten, wie sie dem Strom der Pilger Herr werden sollten, die hierher kamen, um die Hilfe der Muttergottes zu erflehen. Sommer wie Winter mußte die Messe im Freien gehalten werden. Die Mönche wollten dennoch nichts von Anbauarbeiten wissen, um die Struktur der Kirche nicht zu verändern, die schließlich die Muttergottes selbst vorgegeben hatte. Erst zwischen 1450 und 1454, als sich das Sanktuarium wegen des starken Pilgerandrangs nicht mehr zu helfen wußte, begann man damit, die Kirche zu vergrößern. Als erstes wurde die Originalaula der Kirche nach Osten hin verlängert. Danach begann man damit, den Raum innerhalb der drei Kirchenschiffe auszubauen. Im Laufe der Jahre wurde ein Chor für die Mönche errichtet, die Fassade der Kirche verschönert und ein Gästehaus für die Pilger gebaut – an der Stelle, wo heute das 1954 errichtete Kloster steht. Wichtige Künstler wurden gerufen, um das Sanktuarium auszuschmücken. So kann man beispielsweise in der Sakristei die herrliche Pietà von Bartolomeo Montagna bewundern; ein Fresko, das der Maler 1500 zusammen mit einer anderen Pietà malte, die sich auf dem Altar rechts vom Hochaltar im Innern der Basilika befindet. Aber das wertvollste Gemälde des Sanktuariums thront über der Ostseite des alten Refektoriums, das heute zur Pinakothek umfunktioniert wurde: es heißt Convito di san Gregorio Magno und stammt von Paolo Veronese. Der berühmte Maler hatte es auf Auftrag seines Onkels mütterlicherseits, dem Mönch Damiano Grana, Oberer des Sanktuariums von 1571 bis 1573, im Jahr 1572 eigens für diesen Platz gemalt und seinen Onkel auch im Zentrum der Szene dargestellt. Dem Meisterwerk Veroneses sollte aber leider des öfteren übel mitgespielt werden – das letzte Mal durch die Hand der Österreicher, die das Kloster während des ersten Unabhängigkeitskrieges plünderten und das Gemälde mit Bajonetthieben in 32 Teile zerschnitten. Außer Veronese wurde im 16. Jahrhundert auch der bekannte Renaissance-Architekt Andrea Palladio nach Monte Berico gerufen und mit den Ausbauarbeiten der Kirche betraut.
Von dem berühmten „Palladinischen Anbau“, der die Basilika, von der alten südlichen Wand ausgehend in nördlicher Richtung verlängerte, ist leider nichts mehr zu sehen. Abgerissen wurde er Ende des 17. Jahrhunderts, als die Diener Mariens durch den Anbau eines „Durchgangs für die Bequemlichkeit der Besucher“ die Palladinsche Fassade „vollenden und vervollkommnen“ wollten. Die Stadt Vicenza war bereit, das Projekt großzügig zu unterstützen, unter der Bedingung allerdings, daß die von Andrea Palladio im Norden angebrachte „Verlängerung“ zu entfernen und die gesamte Kirche neu zu bauen sei, mit Ausnahme natürlich der Südseite, die die älteste Seite war, wo sich auch die Muttergottesstatue befand. Mit den Arbeiten wurde der Vicenzer Carlo Borella betraut, bedeutendster Bauherr von Vicenza, dem wir den beeindruckenden Barockbau zu verdanken haben, den wir heute sehen. Die zahlreichen Statuen, sowohl im Innern der Kirche als auch außerhalb, wurden an der Schwelle vom 17. zum 18. Jahrhundert von dem Bildhauer Orazio Marinali geschaffen. Der mittels der an der Außenfassade über der Eingangspforte angebrachten Basreliefs in drei „Akten“ die wundersamen Ereignisse darstellte, die für die Entstehung des Heiligtums ausschlaggebend waren. Eines Heiligtums, dessen ursprünglich einfache und schlichte Gestalt im Laufe der Jahre ein immer abwechslungsreiches Gesicht anzunehmen begann: so beschloß Ferdinando Gabrieli, der einige Jahre zuvor Oberer des Klosters gewesen war, im Jahr 1707 beispielsweise, auf eigene Kosten einen Gebäudetrakt restaurieren zu lassen, der sich über dem Refektorium befand, wo sich heute das Sanktuariums-Museum befindet. In einem der Säle dieses Traktes – der „Sala dei Consultori“ – kann man die Porträts der sieben Theologen aus dem Orden der Diener Mariens bewundern, die in unterschiedlichen Epochen Konsultoren der Venezianischen Republik waren, wie auch die Büsten einiger Mönche, die im Zeitraum zwischen 1653 und 1716 Obere des Ordens waren. Hier befinden sich auch mehr als 150 ex voto – Zeichen für die Jahrhunderte bewegten Lebens des Sanktuariums: die Darstellungen berichten in einfacher, ja, ein wenig naiver Weise von einer Reihe von unglückseligen Stürzen von Pferden, aus Fenstern, in einen See oder in einen Fluß. Ganz zu schweigen von Überfällen, Unfällen, gefährlichen Krankheiten oder allerlei anderer Unbill. Eine Reihe von Unglückfällen also, die dank der mütterlichen Sorge der Jungfrau Maria ein glückliches Ende finden konnten. Vielleicht ist gerade das der ergreifendste und schönste Ort des ganzen Marienheiligtums.
Nach vier Jahrhunderten, in denen sie hier einen jeden Pilger– ganz besonders die Ärmsten der Armen – herzlich aufgenommen und das Sanktuarium durch zahlreiche Projekte sichtlich verschönert hatten, mußten die Diener Mariens auf Dekret vom 11. Mai 1810 das Sanktuarium räumen. Napoleon hatte nämlich alle italienischen Orden und Kongregationen aufgelöst und ihnen befohlen, ihr Ordensgewand abzulegen. Dem Ordensklerus wurde geheißen, in ihre Herkunftsländer und -städte zurückzukehren. Die Kirche des Sanktuariums Unserer Lieben Frau von Monte Berico wurde zur Zweitkapelle der Pfarre San Silvestro umfunktioniert. In Wahrheit konnten zwei Mönche der Diener Mariens jedoch dank der Hilfe des Bischofs von Vicenza, Zaguri, ihre Arbeit am Monte Berico fortsetzen. Die anderen konnten am 26. November 1835 auf Initiative von Bischof Giuseppe Cappellari mit Zustimmung des Kaisers von Österreich zurückkehren.
Trotz dieser den Dienern Mariens auferlegten „Zwangspause“ setzten die beiden im Kloster gebliebenen Patres ihre Ausbauarbeiten im Sanktuarium fort und sorgten nicht nur für einen neuen Glockenturm, sondern auch dafür, daß der aus dem 15. Jahrhundert stammende Hochaltar ersetzt und die Marienstatue zugunsten einer besseren Sichtbarkeit in einer höher gelegenen Marmornische aufgestellt wurde. Und auch der Altar wurde erhöht, um es den Pilgern möglich zu machen, an dem Ort zu verweilen, wo die Muttergottes Vincenza Pasini erschienen war: die Szene der Erscheinung ist auf einem von zwei Marmorengeln gehaltenen Silbermedaillon dargestellt, die sich zu Füßen der Statue befinden. Die Pilger, die hierher kommen, um Maria um Gnaden zu bitten oder für bereits erhaltene zu danken, pflegen ihren Kopf kurz an das Medaillon zu legen, um einen direkten, spürbaren Kontakt zur Muttergottes herzustellen.

Die Westfassade: an die Barock-Kirche schließt die Fassade der spätgotischen Kirche an, Erinnerung an das antike Heiligtum von Monte Berico. Die Restaurierung nahm 1860-61 der Architekt Giovanni Miglioranza vor: nur die zentrale Rosette konnte dem neugotischen „Eingriff“ entgehen.
An der Barockfassade kann man eines der drei, über den Eingangspforten der Kirche angebrachten Basreliefs von Orazio Marinali erkennen: hier wird an die Grundsteinlegung des ursprünglichen Sanktuariums erinnert.

Die Westfassade: an die Barock-Kirche schließt die Fassade der spätgotischen Kirche an, Erinnerung an das antike Heiligtum von Monte Berico. Die Restaurierung nahm 1860-61 der Architekt Giovanni Miglioranza vor: nur die zentrale Rosette konnte dem neugotischen „Eingriff“ entgehen. An der Barockfassade kann man eines der drei, über den Eingangspforten der Kirche angebrachten Basreliefs von Orazio Marinali erkennen: hier wird an die Grundsteinlegung des ursprünglichen Sanktuariums erinnert.

1917: Unsere Liebe Frau von Monte Berico kommt der Stadt Vicenza noch einmal zur Hilfe
Neben dem ersten Sonntag des Monats gibt es noch einen anderen Tag, an dem Unsere Liebe Frau von Monte Berico den Pilgern gegenüber besonders wohl gesonnen ist: den 8. September, Fest Mariä Geburt. In diesem Zusammenhang ist ein Ereignis zu nennen, das sich um die Zeit des 1. Weltkriegs rankt. Am 25. Februar 1917 legte die Stadt Vicenza, bedroht von der immer näher heranrückenden Kriegsfront, Unserer Lieben Frau von Monte Berico gegenüber ein feierliches Gelübde ab und versprach, „den Tag ihrer Geburt auf ewig als hohen Feiertag in Ehren zu halten, wenn die Stadt verschont wird.“ Seit damals wird der 8. September hier als Feiertag hochgehalten, weil die Muttergottes auch in diesem Falle die Gebete der Vicenzer erhört und nicht erlaubt hat, daß Vicenza dem Krieg zum Opfer fiel. Im Jahr 1917 hatte das „Bollettino“ der Diener Mariens ausführlich über das Apostolische Schreiben von Benedikt XV. berichtet, in dem er seiner Hoffnung auf ein baldiges Ende des schrecklichen Krieges Ausdruck gegeben hatte; das Sanktuarium bekam in der Zwischenzeit einen defätistischen Pazifismus zu spüren und die Regierung ordnete an, daß die Glocken zu schweigen hatten. All das erklärt, warum dem Sanktuarium 1919, nach Ende des Krieges, eine riesige italienische Flagge zum Geschenk gemacht wurde – hergestellt von 100.000 katholischen Frauen zum Gedenken an die vielen Gefallenen. Und es erklärt auch, warum die sterbliche Hülle des Unbekannten Soldaten hier in Monte Berico „Station“ machte, als sie von Redipuglia nach Roma, zum Vaterlandsaltar, übertragen wurden. Daher der Bau des Siegesplatzes und daher auch sein Name. Der am 23. September 1924 eingeweihte Platz bietet eines der außergewöhnlichsten Panoramas Venetiens. Der Gipfel von Monte Berico, direkt gegenüber des Sanktuariums, mußte für diesen immensen Raum um 17m abgetragen werden: so entstand ein grandioses Rechteck. Durch den Einschnitt in den Berg eröffnet sich uns also ein noch besserer Blick auf das Voralpenland, Pasubio und Grappa.
Aber noch ein anderes wichtiges Datum ist mit diesem heiligen Ort eng verbunden: der 11. Januar 1978. Jener Tag, an dem Papst Paul VI. die Madonna von Monte Berico mit folgenden Worten zur Patronin der Stadt Vicenza erklärte: „In Italien, in der Diözese Vicenza, wird die ruhmreiche Mutter des göttlichen Retters seit mehr als 500 Jahren mit dem Namen Madonna von Monte Berico von Klerus und Volk gleichermaßen verehrt… Es ist unser Wunsch, daß die selige Jungfrau Maria, verehrt unter dem Namen ‚Madonna von Monte Berico‘ von nun an zur Fürsprecherin der Stadt und Diözese Vicenza erklärt werde. Wir hoffen, daß die Verehrung der Muttergottes hier immer reichere Frucht tragen möge, dem häufigen Beten förderlich sei sowie einer erneuerten Kenntnis und Nachfolge ihres Sohnes.“


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