Rubriken
Aus Nr.08 - 2008


WELTGESCHEHEN.

Kissinger, Politik und Militär


Dmitrij Medvedev und Henry Kissinger. [© AP/LaPresse]

Dmitrij Medvedev und Henry Kissinger. [© AP/LaPresse]

„Was im Kaukasus passiert ist, wird verschiedene Folgen haben. Folgen wirtschaftlicher, energetischer und vor allem politischer Art. Die Vorfälle in Georgien haben gezeigt, dass die internationale Sicherheit keineswegs ein exklusives Vorrecht der Militärpolitik ist.“ So lautete der Kommentar des ehemaligen US-Außenministers Henry Kissinger zum Krieg in Georgien. In besagtem Interview (La Stampa, 5. September) antwortete er auf die Frage, was denn in einem so ungewissen Kontext die Herausforderung Amerikas wäre: „Die Fähigkeit zu haben, die Demokratie auf weltweite Ebene auszuweiten, also auf die ganze internationale Gemeinschaft ausgerichtet. Sich das politische Schicksal jedes einzelnen Landes zu Herzen zu nehmen ist eine Aufgabe, die heute, im Dritten Jahrtausend, Gefahr läuft, unsere [die der USA] Fähigkeiten zu übersteigen.“




GESCHICHTE.

Dieser sehr „britische“ Pakt mit den Nazis


Adolf Hitler. [© AP/LaPresse]

Adolf Hitler. [© AP/LaPresse]

„Eine zweigeteilte Welt: freies Feld für die Truppen des Dritten Reichs in Europa im Austausch gegen die Unverletzlichkeit der Kolonien des Britischen Imperiums. So sah das Abkommen aus, das James Lonsdales-Bryans – britischer Faschistensympathisant und Diplomat sui generis – wenige Monate nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs in extremis anstrebte, um die Interessen der Krone zu wahren. Das Ganze mit dem Segen des damaligen Außenministers, Lord Halifax. Dieses überraschende Szenarium beschreiben einige Akten, die dank dem ‚Freedom of Information Act‘ aus den britischen Staatsarchiven wieder aufgetaucht sind. Jenem Gesetz, das den Zugriff auf einstmals als top-secret erklärte Ministerialakten ermöglicht.“ So der Auftakt eines Artikels (La Stampa, 2. September 2008) mit dem Titel Quel patto molto ‚british‘ con i nazisti. In Wahrheit ist aber nicht klar, ob der von Bryans vorgeschlagene Pakt – den man in Erwartung eines Kontakts zum deutschen Außenministerium oder gar zum Führer selbst – dem deutschen Botschafter in Rom unterbreitet hatte, auch wirklich vom englischen Außenminister gutgeheißen wurde. So kann sich der Verfasser des Artikels nur fragen, was Bryans nun eigentlich wirklich war: ein „Querschläger“ oder ein „Diplomat mit einer nahezu grenzenlosen Macht.“





Die Grotte von Lourdes. [© Afp/Grazia Neri]

Die Grotte von Lourdes. [© Afp/Grazia Neri]

Kirche/1
Tauran: gute Nachrichten aus Lourdes

Am 10. September stand in Avvenire ein Interview mit Kardinal Jean-Louis Tauran zu lesen, Präsident des Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog. Auf den „Gesundheitszustand“ der Kirche Frankreichs angesprochen, gab Tauran folgende Antwort: „Die Religionspraxis ist zweifellos wenig verbreitet und der Priestermangel hat dramatische Ausmaße angenommen. Im Gegensatz zu dem, was noch immer in Italien passiert, wirkt sich das Christentum nicht auf das öffentliche Leben aus, inspiriert nicht die öffentliche Debatte. Aber kleine Hoffnungsschimmer gibt es doch. Beispielsweise den leichten Anstieg der Berufungen, der allerdings, um die Wahrheit zu sagen, bei den Traditionalisten besonders stark ist. Und diesen Sommer haben wir ja auch aus Lourdes gute Nachrichten erhalten.“ Dann fügte er an: „Zum Jahrestag der Erscheinungen konnte ein großer Pilgerstrom verzeichnet werden. Viele Jugendliche und Familien mit Kindern. Ein rührendes Glaubenszeugnis, das auch die laizistischen Massenmedien nicht ignorieren konnten, die dieses Phänomen mit neugierigem Respekt behandelt haben. Ohne die hochmütige Ironie der Vergangenheit. Was doch – und das können Sie mir glauben – für Frankreich schon an ein Wunder grenzt.“


Kirche/2
Das christliche „Kleinsein“ von Paul VI.

„Das ‚Kleinsein‘ verstand Paul VI. im christlichen Sinn. ‚Wenn ihr nicht wie die Kinder werdet... ‘ (Mt 18, 3). Niemals hätte er ‚groß‘ genannt werden wollen – zu tief war sein Bewusstsein um den Primat Christi: ‚Christus ist alles für Uns‘, schrieb er – die Worte des Ambrosius wiederholend – in seinem ersten Brief an die ambrosianische Kirche. ‚Ich fühle mich nicht überlegen; ich fühle mich als Bruder, allen unterlegen, da ich die Last aller trage,‘ vertraute er seinem Freund Jean Guitton an. Und deshalb machte er sich auch, im Sinne des Evangeliums, zum Kind. Er liebte die Kinder (man denke nur daran, wo und mit wem er im Laufe der Jahre, auch als Papst, am liebsten den Heiligen Abend verbrachte). Und mit der Einfachheit des Kindes war ihm die Gabe der Freude gegeben, die fester Bestandteil von ihm war [...]. Er starb in der Freude. Msgr. Macchi erzählt: ‚Mit einem sanften Lächeln auf den Lippen machte er eine einfache Handbewegung.‘ Er starb, und war Kind geworden, sagte : ‚Pater, Vater‘.“ Diese ungewöhnliche Beschreibung Papst Montinis stand am 6. August – seinem Todestag – in Avvenire zu lesen. Der Artikel stammt aus der Feder von Marcello Semeraro, Bischof von Albano, für den gerade in diesem Kleinsein der Schlüssel zum Pontifikat Pauls VI. liegt, dem Papst, der sich selbst als „geringsten und kleinsten Stellvertreter Christi“ definierte.


Kirche/3
Die türkische Gladio und Don Santoro

Der Corriere della Sera griff am 3. September eine Enthüllung wieder auf, die der türkische Schriftsteller Orhan Pamuk der Tageszeitung Sabah gegenüber machte. Pamuk, Gewinner des Nobelpreises für Literatur 2006, verriet, dass ihn die türkische Gladio umbringen wollte. Besagte Geheimorganisation machte – wie der Corriere della Sera schreibt – „im Juli auf sich aufmerksam, als gegen 86 Personen Anklage erhoben wurde. Darunter herausragende Persönlichkeiten aus Militär, Presse und Unternehmertum. Die Gruppe, deren Prozess am 20. September beginnt, wollte – auch durch gezielte Morde – ein Klima der Spannung schaffen und dann 2009 durch einen Staatsstreich die Macht an sich reissen. Einige dieser Morde wurden (wie man vermutet) bereits begangen, wie der an dem armenischen Journalisten Hrant Dink oder an dem italienischen Priester Andrea Santoro. Andere (noch Aufsehen erregendere) standen noch auf dem Programm.“ Don Andrea Santoro, Priester fidei donum der Diözese Rom, der im Jahr 2000 in die Türkei kam, wurde am 5. Februar 2006 in Trabzon (ehemaliges Trebisonda) ermordet.


Weltgeschehen
Der Sommer 2008 und die Krise der unipolaren Welt

„Im Sommer 2008 kristallisierte sich eine multipolare Welt heraus, in der die amerikanische Übermacht als definitiv geschwächt erscheint [...]. Zwei Imperien, eines in beständigem Aufstieg begriffen, das andere deutlich im Aufschwung, haben gezeigt, wer sie sind und ihre Karten offen auf den Tisch gelegt. Das von einer kommunistischen Dynastie regierte China, das einen Kapitalismus im eigenen Stil praktiziert (wie schon Mao, Begründer und Einiger des Imperiums, den Marxismus so anwandte, wie er ihn verstand), ist wegen seiner fehlenden Achtung der Menschenrechte ins Kreuzfeuer der Kritik der westlichen Demokraten geraten. Und zeigt gerade jetzt seine triumphale Effizienz als Gastgeberland der Olympischen Spiele. Das andere, auf den Trümmern der Sowjetunion entstandene Imperium, dem die für uns Europäer undenkbaren Gewinne aus der Gas- und Ölindustrie wieder Aufschwung gegeben haben, hat aus der Unvorsichtigkeit des kleinen Georgien Profit geschlagen und seine Panzer mobil gemacht, ohne sich um die Reaktion Amerikas zu kümmern.“ Ein Artikel (la Repubblica, 20. August) aus der Feder von Bernardo Valli, mit dem gezeigt werden soll, dass die These des Politologen Francis Fukuyama überholt ist, laut der die Welt des 21. Jahrhunderts unipolar und von der Supermacht Amerika dominiert sein würde.


Kardinäle
Kardinal Innocenti verstorben

Am 6. September verstarb der aus der Toskana stammende Kardinal Antonio Innocenti (93), emeritierter Präfekt der Kongregation für den Klerus und emeritierter Präsident der Päpstlichen Kommission „Ecclesia Dei“. 1985 hatte ihn Johannes Paul II. zum Kardinal kreiert. Am 10. September setzte sich das Kardinalskollegium folglich aus 193 Kardinälen zusammen, 116 davon wahlberechtigt. Die Zahl der italienischen Kardinäle beläuft sich auf 41, 20 davon wahlberechtigt.


Bischofssynode
Der Afrikaner Monsengwo neuer Sondersekretär. Pell neuer delegierter Präsident

Am 23. August wurde Laurent Monsengwo Pasinya (69), Erzbischof von Kinshasa, zum neuen Sondersekretär der Bischofssynode ernannt. Besagte Synode zum Thema „Das Wort Gottes im Leben und in der Sendung der Kirche“ wird vom 5.-26. Oktober im Vatikan abgehalten. Er tritt damit an die Stelle des am 16. August plötzlich verstorbenen Bischofs von Brixen-Bozen, Wilhelm Emil Egger. Er war 68 Jahre alt.
Am 9. September wurde der australische Kardinal George Pell, Erzbischof von Sydney, zum delegierten Präsidenten der Synode ernannt. Er ersetzt damit den Inder Oswald Gracias, Erzbischof von Bombay, der verhindert war. Die beiden anderen delegierten Präsidenten bleiben der amerikanische Kardinal William Joseph Levada, Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre, und der Brasilianer Odilo Pedro Kardinal Scherer, Erzbischof von São Paulo.


Vatikan
Neuer Kommandant der Schweizer Garde

Am 19. August wurde der 34. Kommandant der Päpstlichen Schweizer Garde ernannt: Daniel Rudolf Anrig. Der 36-Jährige stammt aus dem Kanton St. Gallen und war bereits Hellebardier im Vatikan (1992 –1994 und ab 2006), Hauptmann der Schweizer Armee und Generalkommandant des Polizeikorps des Kantons Glarus.


Italien
Betori Erzbischof von Florenz, Pappalardo von Siracusa

Am 8. September wurde der aus dem umbrischen Foligno stammende Giuseppe Betori (61) zum Erzbischof von Florenz ernannt. Betori, der 1970 zum Priester geweiht wurde, ist seit 2001 Bischof und Generalsekretär der italienischen Bischofskonferenz.
Am 12. September wurde Salvatore Pappalardo (63), seit 1998 Bischof von Nicosia, zum Erzbischof von Siracusa ernannt.


Diplomatie
Neue Nuntien in Albanien, in der Zentralafrikanischen Republik und in Guinea

Am 26. Juli wurde der spanische Erzbischof Ramiro Moliner Inglés (67) zum Nuntius in Albanien ernannt. 2004 wurde er Nuntius in Äthiopien und Tschibuti sowie apostolischer Delegat in Somalia. Zuvor war er bereits Nuntius in Guatemala (1997-2004), Papua-Neuguinea und auf den Salomoninseln (1993-1997).
Am 2. August erfolgte die Ernennung von Msgr. Jude Thaddeus Okolo zum Erzbischof und Apostolischen Nuntius in der Zentralafrikanischen Republik und in Tschad. Der Nigerianer Okolo (52) empfing 1983 die Priesterweihe und trat 1990 in den diplomatischen Dienst des Vatikans. Stationen seiner Laufbahn waren die Päpstlichen Vertretungen in Sri Lanka, Haiti, auf den Antillen, in der Schweiz, in Tschechien, und, zuletzt, in Australien.
Am 8. September wurde der aus Essen stammende Msgr. Martin Krebs (52) zum Erzbischof und Nuntius in Guinea und Mali ernannt. Krebs, der 1983 die Priesterweihe empfing, trat 1991 in den diplomatischen Dienst des Hl. Stuhls. Etappen seiner Laufbahn waren Burundi, Japan, Österreich, Tschechien, die Europäische Gemeinschaft und, zuletzt, die USA.
Ebenfalls am 26. Juli wurde Erzbischof Antonio Mennini (61), seit 2002 Repräsentant des Hl. Stuhls bei der Russischen Föderation, auch Apostolischer Nuntius in Usbekistan. Ein Amt, das zuvor der residierende Nuntius in Kasachstan innehatte.


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