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VATIKAN
Aus Nr. 06 - 2003

DIPLOMATIE. Die geheimen Gespräche um GVO und Dritte Welt.

Für eine Handvoll Biotech-Mais


Die USA wollen den Hl. Stuhl nach wie vor davon überzeugen, sich für gentechnisch veränderte Organismen auszusprechen. Im Namen des Kampfes gegen den Hunger. Aber auch der Kontrolle der Märkte. Der Fall Sambia.


von Gianni Cardinale


Ngombe: Sambische Frauen transportieren vom WFP (Welternährungsprogramm) ausgegebene Getreidesäcke.

Ngombe: Sambische Frauen transportieren vom WFP (Welternährungsprogramm) ausgegebene Getreidesäcke.

Als US-Außenminister Colin Powell am 2. Juni vom Papst in Audienz empfangen wurde, wurde nicht nur über die Situation im Irak und im Heiligen Land gesprochen. Der enge Mitarbeiter von George W. Bush wollte es sich bei dieser Gelegenheit nicht nehmen lassen, das Thema GVOs anzusprechen. In dem vom Hl. Stuhl herausgegebenen Komuniqué war davon zwar keine Rede, doch das Thema der gentechnisch veränderten Organismen wurde, auf ausdrücklichen Wunsch der USA, auch in der nachfolgenden Besprechung Powells mit den Leitern des Staatssekretariats (Kardinal Angelo Sodano und Erzbischof Jean-Louis Tauran) angesprochen. Der Besuch Powells im Vatikan stellte daher sozusagen den Höhepunkt der diplomatischen „Offensive“ dar, mit der Washington den Vatikan für jene Sache zu gewinnen sucht, die man als eine Frage der Moral interpretiert, eine humanitäre Schlacht gegen den weltweiten Hunger. Eine Offensive, die ihr Ziel noch nicht erreichen konnte, da man in den Heiligen Hallen diesbezüglich allergrößte Vorsicht walten läßt.

Der Fall Sambia
Die diplomatische Aktion der USA wurde im vergangenen Sommer eingeleitet, hatte ihren Ausgang bei der schrecklichen Hungersnot in Sambia genommen. Die Regierung in Lusaka hatte sich nämlich hartnäckig geweigert, den von den USA hergestellten gentechnisch veränderten Mais anzunehmen, obwohl dieser vom World food program angeboten worden war. Unterstützt wurde die sambische Regierung in ihrer Weigerung vom „Jesuit Centre for Theological Reflection“ (JCTR) unter der Leitung des amerikanischen Jesuiten Pete Henriot, der eine umfassende Studie zu dieser Frage durchgeführt hat. Das JCTR war aus einer Reihe von Gründen gegen die Einführung der GVOs in Sambia (ihre Unschädlichkeit sei nicht ausreichend erwiesen; es bestünde das Risiko der Sterilität; ihre Aussaat würde das Terrain für andere Produkte ungeeignet machen; ihr Gebrauch Abhängigkeit von den USA bedeuten...): die klassischen Gründe der Biotech-Nahrungsmittel-Gegner eben. Motivierungen, die dem amerikanischen Außenministerium natürlich ganz und gar nicht gefallen wollten. Das sich prompt anschickte, den amerikanischen Botschafter beim Hl. Stuhl, Jim Nicholson, einzuschalten: überdies ein überzeugter Verfechter der GVOs (erst kürzlich hat er bei einer Studientagung zugegeben, als Junge selbst Hunger gelitten zu haben und deshalb für dieses Problem besonders empfänglich zu sein).
Der engagierte amerikanische Diplomat verlor keine Zeit. Und so kam es dann fast gleichzeitig mit den lebhaften Diskussionen Hl. Stuhl-USA über die heikle Frage Irak zu einem nicht weniger intensiven, mündlichen und schriftlichen, Meinungsaustausch zum Fall Sambia. Es handelte sich dabei um bisher nicht bekannt gegebenene, sozusagen hinter geschlossenen Türen geführte Unterredungen, über die 30Tage jedoch so einiges in Erfahrung bringen konnte.

Amerikanisches pressing
und vatikanische Vorsicht
Von Mitte September bis Anfang Dezember des vergangenen Jahres führte US-Botschafter Nicholson in Sachen Sambia mehrere Gespräche mit dem vatikanischen „Außenminister“ Jean-Louis Tauran, wie auch dem Substituten („Innenminister“) Erzbischof Leonardo Sandri. Darüber hinaus kam es auch zu einem regen Briefwechsel zwischen Powell und Tauran, dem zweiten Mann in der Botschaft, Brent Hardt, und dem damaligen Vize Taurans, Msgr. Celestino Migliore (heute Beobachter bei der UNO in New York), sowie zwischen Nicholson und dem Jesuiten-General Peter-Hans Kolvenbach, in dessen Eigenschaft als höchster Oberer des JCTR von Lusaka.
Ziel dieses „pressings“ war der Wunsch, vom Hl. Stuhl eine „klare und unmißveständliche“ Stellungnahme zu erwirken, eine Bestätigung der „Sicherheit der Biotech-Nahrungsmittel“, um die „in Afrika und anderswo weit verbreiteten Zweifel“ zerstreuen zu können. Eine öffentliche Stellungnahme also, ein „Gegenmittel“ gegen die Anti-GVO-Propaganda der Jesuiten in Sambia, aber auch gegen die negativen Stellungnahmen einiger Episkopate (wie der vom südafrikanischen Episkopat 2000 abgegebenen), wie auch der breiter Sektoren der katholischen Welt in Afrika und anderswo. Bisher ist es zu einer solchen Stellungnahme seitens des Hl. Stuhls jedoch nicht gekommen. Gewiß, in den Heiligen Hallen ist man über die ideologisch gegen die GVO tönenden Stimmen wie jene, die manchmal im Bereich des Umweltschutzes und der laizistischen und katholischen NGOs (Nichtregierungsorganisationen) zu vernehmen sind, nicht begeistert, war aber bisher diplomatisch genug, sich davorzu hüten, Biotech-Verfechtern grünes Licht zu geben.
Der Hl. Stuhl hat aus seiner Anerkennung des humanitären Einsatzes der USA in Afrika nie einen Hehl gemacht, aber auch zu verstehen gegeben, nicht in der Lage zu sein, zu einzelnen Produkten Stellung zu nehmen oder dazu, ob ein Land diese Art Nahrungsmittel nun verwenden soll oder nicht. Der Vatikan hat betont, Biotech-Nahrungsmittel zwar nicht „strikt abzulehnen“, aber darauf verwiesen, daß hier das „Prinzip der Vorsicht“ gelten muß, wie eben auch im Falle von Pharma-Produkten, wenn man vermeiden will, daß Menschen Schaden nehmen. Der Hl. Stuhl hält es für wichtig, daß Biotech-Nahrungsmittel, wenn sie erst einmal im Handel sind, mit „entsprechenden Etiketten“ auch als solche gekennzeichnet werden. Man meinte auch, daß der Gebrauch von GVOs in den Entwicklungsländern „in Fragen des Handels und der Wirtschaft den Prinzipien von Gerechtigkeit und Solidarität entsprechen müssen.“
Die vatikanische Antwort fiel also nicht ganz so aus, wie sich das die USA erhofft hatten. Daher der Wunsch Powells, die Frage bei der Audienz vom 2. Juni Johannes Paul II. gegenüber noch einmal anzusprechen. Und getan hat er das mit einer Bemerkung, die Nicholson am 3. Juni schmunzelnd dem Corriere della Sera anvertraute. Powell zögerte nämlich nicht, sich selbst als „Versuchskaninchen“ zur Verfügung zu stellen: „Schauen Sie mich an, Sir,“ sagte er zum Papst. „Ich esse jeden Tag gentechnisch veränderte Produkte, und ich bin doch noch ganz gut beieinander, oder?“.

Treffpunkt Sacramento
Hat Powells Appell etwas gefruchtet? Das könnte sich vielleicht Ende des Monats zeigen. Auf den 23. bis 25. Juni wurde nämlich im kalifornischen Sacramento eine Ministerial-Expo-Konferenz zum Thema „Agricultural Science and technology“ anberaumt, organisiert vom US-Landwirtschaftsministerium und gesponsert vom Außenministerium. Als Repräsentant des Vatikan wurde Erzbischof Renato Raffaele Martino eingeladen, Präsident des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden. Eine Entscheidung, die paradox erscheinen könnte: immerhin hat niemand in der Römischen Kurie die USA wegen ihrer Irak-Politik schärfer kritisiert als Martino. Doch man darf nicht vergessen, daß er sich in seiner ersten Pressekonferenz als vatikanischer Dikasterienleiter am 17. Dezember vergangenen Jahres sozusagen für die GVOs ausgesprochen hat: „Schauen Sie mich an,“ hatte er gesagt. „Ich erfreue mich, wie ich meine, bester Gesundheit. Ich war 16 Jahre in den USA [als Ständiger Beobachter bei der UNO, Anm.d.Red.], und habe alles gegessen, was der Markt dort anzubieten hatte, auch viele GVO-Nahrungsmittel. Bisher haben sich keine unerwünschten Nebenwirkungen bei mir eingestellt.“ Worte also, die denen, die Powell Johannes Paul II. gegenüber geäußert hat, sehr ähneln. In Sacramento wird Martino allerdings nicht seine eigene Meinung vertreten, sondern die des Hl. Stuhls. Und dann wird man auch sehen können, ob Powell beim Papst etwas erreichen konnte. Oder ob, und das ist wahrscheinlicher, der Hl. Stuhl immer noch der Meinung ist, daß es nicht ratsam sei, eine „klare und unmißverständliche“ offizielle Stellungnahme zugunsten der GVOs abzugeben.



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