Begegnung mit Botschafter Soltan Saad al-Moraikhi.
Der Frieden ist eine Investition
Das Emirat Qatar, das auch in Sachen Libanon nicht untätig war, betreibt seine Diplomatie auf weltweiter Ebene. Die Beziehung zur christlichen Gemeinschaft, die bis Ende des Jahres ihre erste Kirche haben wird.
von Giovanni Cubeddu
Der Emir von Qatar, Scheich Hamad bin Khalifa al-Thani, besucht mit dem libanesischen Ministerpräsidenten Fuad Siniora die von israelischen Bomben zerstörten Stadtviertel Beiruts (21. August 2006).
Soltan Saad al-Moraikhi hat gerade wieder eine wichtige Etappe hinter sich: der Besuch des italienischen Außenministers D’Alema in den Golfländern (Saudi-Arabien, Qatar und Vereinigte Arabische Emirate) im Januar dieses Jahres war ein weiteres Beispiel für die Aufmerksamkeit, die Italien dem Nahen Osten widmet. Al-Moraikhi ist Botschafter Qatars in Italien. Bevor er nach Rom kam, arbeitete er im königlichen Palast für Scheich Tamim bin Hamad al-Thani, Sohn des Emirs und „Kronprinz“ desselben; davor war er in Washington und Houston tätig. Es ist also nicht schwer zu durchschauen, welchen Kurs die Diplomatie Qatars einschlagen wird.
„Sie basiert auf soliden Grundprinzipien, zieht die Anliegen und Probleme sowohl der arabischen als auch der islamischen Gemeinschaft in Betracht,“ meint al-Moraikhi. „Wir haben nicht nur die Konsolidierung dessen im Auge, was der Golf-Kooperationsrat der Länder des Arabischen Golfes beschlossen hat, sondern auch die Positionen, die die Arabische Liga einnimmt.“ Wichtig ist vor allem der Akzent auf der arabisch-islamischen Zusammenarbeit. Laut al-Moraikhi erfordert diese, daß „jede mögliche Anstrengung unternommen wird, um Stabilität und Sicherheit zu konsolidieren. Das gilt ganz besonders für unsere Region, die so viele chronische Probleme hat: die Krise im Irak, Libanon, Palästina und Darfur. Stabilität und Sicherheit sind Faktoren des Friedens, ebenso wie das Engagement für eine dauerhafte Entwicklung von Gesellschaft und Wirtschaft.“
Schlagzeilen machte Qatar, als es als erster arabischer Staat ein Kontingent von 300 Soldaten für die Mission UNFIL 2 (United Nations’ Interim Force in Lebanon) zur Verfügung stellte und ein konstantes diplomatisches Engagement folgen ließ. Auch das zeigt, wie al-Moraikhi meint, eine klare Grundhaltung: „Unsere diplomatischen Bemühungen zielen auf eine Stärkung der Beziehungen zu den Ländern unserer Region wie auch der übrigen Welt ab. Unser Einsatz gilt dem Frieden und den Anliegen der Menschen, die wir in der Gerechtigkeit und Stabilität umsetzen wollen.“ Das erfordert natürlich, daß man die internationale Legalität respektiert und sich bemüht, alle eventuell entstehenden Kontroversen auf friedlichem Wege zu lösen. Das ist die Methode, nach der wir sowohl in der UNO – nun im Sicherheitsrat – als auch ‚im Kleinen‘, sprich in unseren eigenen diplomatischen Aktionen vorgehen.“
Für unseren Gesprächspartner muß die internationale Legalität vor allem in der Frage der Palästinenser gewahrt bleiben: Für die Diplomatie Qatars ein Trumpf, der an jedem Verhandlungstisch ausgespielt werden kann. So sind in Doha sowohl die al-Fatah von Abu Masen wie auch die Hamas von Khaled Meshal und Ismail Hanyeh willkommen. Laut al-Moraikhis dürfen die quälenden internen Spaltungen der palästinensischen Faktionen aber nicht von der geschichtlichen Wahrheit ablenken, daß „es dieses Problem seit mehr als 60 Jahren gibt, und bisher noch niemand eine Lösung ‚herbeizaubern‘ konnte. Das traurige Schicksal des palästinensischen Volkes, das Beharren auf der militärischen Option hilft sicher nicht, den richtigen Weg zur Lösung dieser Frage zu finden. Das Fehlen einer gerechten Lösung hat dem palästinensischen Volk nicht enden wollendes Leid beschert – unvorstellbares Leid. Es hat viele internationale Lösungen und Friedensprojekte gegeben, sowohl vor als auch nach den Osloer Abkommen. Und es gibt viele verschiedene Positionen … Eines aber dürfen wir nicht vergessen: das kontinuierliche Leid des palästinensischen Volkes, das zu einer Zuspitzung der Nahostkrise geführt hat.“ Seit 2001 ist die Situation zusehends dramatisch geworden. Der Nahost-Region geht der Atem aus, und laut al-Moraikhi „darf man sich nicht mit provisorischen Lösungen oder Teilkompromissen zufrieden geben, weil diese ganz einfach nicht ausreichen. Pflicht der internationalen Gemeinschaft ist es, das Palästinenser-Problem mit Priorität zu behandeln, stets natürlich im Einklang mit der internationalen Legalität.“
Der Außenminister von Qatar, Hamad bin Jassin bin Jabr al-Thani, mit dem Ministerpräsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, Ismail Haniyeh, in Gaza (9. Oktober 2006).
In Doha weiß man also sehr genau, welche Risiken Teheran für seine aktive Präsenz im Irak einzugehen bereit ist. Und wie gefährlich das noch zum Disput um das iranische Recht auf Atomwaffen hinzukommt. Außer den UNO-Sanktionen, direkten amerikanischen „Racheakten“ und dem von Washington auf Europa ausgeübten Druck, das eine harte Linie verfolgen soll, wurde dem Iran nun auch von israelischer Seite mit militärischen Strafmaßnahmen gedroht. Qatar unterhält aber auch zu Israel Beziehungen (offiziell rein handelsmäßiger Art, was Schimon Peres nicht davon abhalten konnte, im Januar nach Doha zu kommen). Al-Moraikhi beschreibt, wie das Emirat ein derart explosives Dossier zu handhaben gedenkt: „Wie die anderen Golfländer liegen wir geografisch ziemlich nah beim Iran, weshalb uns das Problem natürlich direkt betrifft. Die Frage der Atomproduktion hängt mit der Sicherheit der Region allgemein und mit allen Ländern einzeln zusammen. Im Golf-Kooperationsrat haben wir das Problem der iranischen Atomwaffen diskutiert; unsere politische Haltung ist klar und eindeutig. Wir hier in Qatar haben zu allen Ländern sehr gute Beziehungen, vor allem zu unseren ‚Brüdern‘ und Nachbarn. Meiner Meinung nach sollte man in Sachen Iran zu friedlichen Mitteln greifen, einen internationalen Dialog mit Teheran ankurbeln. Was die Rolle der UNO für die Lösung von Problemen und Divergenzen weltweit angeht, einschließlich der Atomfrage, liegen wir auf ein und derselben Linie: schließlich gibt es ja auch eine internationale ad hoc UNO-Agentur, die eigens für die Regelung des Atomproblems geschaffen wurde.“
Es ist kein Zufall, daß der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) und Friedensnobelpreisträger Mohammed el-Baradei beim Forum in Davos betonte, daß „ein Präventivangriff auf den Iran katastrophal wäre und nur die Position derer stärken würde, die beabsichtigen, eine Atombombe zu bauen.“
Wenn man durch die Straßen Dohas geht, kann man über die vielen offenen Baustellen und Wolkenkratzer dort nur staunen. Pulsierendes Leben eines Volkes, das nicht einmal 900.000 Menschen zählt, größtenteils Immigranten, die hoffen, in Qatar endlich eine Heimat gefunden zu haben. Die Wachstumsrate des Landes ist beeindruckend. Zu verdanken hat man das dem Öl, dem Erdgas (dessen Hauptproduzent Qatar bis 2010 sein könnte) und den Investitionen aus dem Ausland.
In dem sunnitischen Land stellt die shari’a [das islamische Gesetz, Anm.d.Red.] eine der wichtigsten Rechtsgrundlagen dar, wenn laut Zivilgerichtsbarkeit auch alle gleich sind. Der Qatar hat Gemeinderatswahlen, allgemeines Wahlrecht, einen Nationalrat, der eines Tages ein richtiges Parlament werden könnte, und eine Verfassung, die es seit 2005 gibt. All das ist das Verdienst des derzeitigen Emirs, von dem sich viele weitere Konzessionen in Sachen bürgerlicher Freiheit und Religionsfreiheit erhoffen. Hier muß angefügt werden, daß es ohnehin schon vollkommene Kultfreiheit gibt und der Emir den Christen Baugründe für neue Kirchen zur Verfügung gestellt hat.
Der Emir von Qatar mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas in Doha (27. September 2006).
Die arabischen Dichter der Antike dichteten Lobeshymnen auf die Pferde, die Kamele und die Gegenstände, die von der kleinen Halbinsel Qatar kamen. Mit den edlen Stoffen aus diesem Land schmückten sich der Prophet Muhammad und seine Gattin Aisha. Die Perlenfischer und Seefahrer, die Qatarinen, waren unter den Schiffsausrüstern der ersten islamischen Flotte zur Zeit des Propheten. Aber in Doha, Land des Islam, haben die Christen heute mehr als 30 Gebetsstätten, und sollten die Arbeiten voranschreiten wie bisher, werden die Christen noch vor nächstem Weihnachten ihre erste große katholische Kirche haben. Dank Emir Hamad Bin Khalifa al-Thani.