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PAULUSJAHR
Aus Nr. 06/07 - 2008

Paulus: ein von Jesus Christus geliebtes nichts (vgl. 2Kor 12, 11 und Gal 2, 20)


Zwei Auszüge aus der Predigt von Papst Benedikt XVI. bei der Vesper zur Eröffnung des Paulusjahres unter Anwesenheit des Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. (Basilika St. Paul vor den Mauern, Rom, Samstag, 28. Juni 2008)


Zwei Auszüge aus der Predigt von Papst Benedikt XVI.


Dom zu Monreale (Palermo), 12. Jh.; 
hier, Paulus.

Dom zu Monreale (Palermo), 12. Jh.; hier, Paulus.

Wir sind am Grab des hl. Paulus versammelt, der vor 2000 Jahren in Tarsus in Kilikien, in der heutigen Türkei geboren wurde [….] Fragen wir also nicht nur: Wer war Paulus? Fragen wir vor allem: Wer ist Paulus? Was sagt er mir? Ich möchte in dieser Stunde, am Anfang des „Paulusjahres“, das wir hier eröffnen, drei Texte aus dem reichen Zeugnis des Neuen Testaments herausgreifen, in denen seine innere Physiognomie, das Eigentliche seines Wesens erscheint. Im Brief an die Galater hat er uns ein ganz persönliches Glaubensbekenntnis geschenkt, in dem er vor den Lesern aller Zeiten sein Herz auftut – sagt, was die innerste Triebkraft seines Lebens ist. „… Ich lebe im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich für mich hingegeben hat“ (2, 20). Alles, was Paulus tut, geschieht von dieser Mitte her. Sein Glaube ist die Erfahrung des ganz persönlichen Geliebtseins von Jesus Christus; er ist Wissen darum, daß Christus nicht irgendwie ins Allgemeine hinein gestorben ist, sondern ihn – Paulus – geliebt hat und als Auferstandener ihn heute liebt; daß er für ihn sich gegeben hat. Sein Glaube ist das Getroffensein von der Liebe Jesu Christi, die ihn bis ins Innerste erschüttert und umwandelt. Sein Glaube ist nicht eine Theorie, nicht eine Meinung über Gott und die Welt. Sein Glaube ist das Auftreffen der Liebe Gottes in seinem Herzen. Und so ist dieser Glaube selbst Liebe zu Jesus Christus.

Auf der Suche nach der inneren Physiognomie des hl. Paulus möchte ich an zweiter Stelle an das Wort erinnern, das der auferstandene Christus auf dem Weg nach Damaskus an ihn gerichtet hat. Der Herr ruft ihm zuerst zu: „Saulus, Saulus, warum verfolgst du mich?“ Auf die Frage hin: „Wer bist du, Herr?“ erfolgt die Antwort: „Ich bin Jesus, den du verfolgst“ (Apg 9, 4f.). Indem Saulus die Kirche verfolgt, verfolgt er Jesus selbst. „Du verfolgst mich.“ Jesus identifiziert sich mit der Kirche in einem einzigen Subjekt. In diesem Ruf des Auferstandenen, der das Leben des Saulus umwandelte, ist im Grund schon die ganze Lehre von der Kirche als Leib Christi enthalten. Christus hat sich nicht in den Himmel zurückgezogen und auf Erden eine Schar von Anhängern zurückgelassen, die „seine Sache“ weiter betreiben. Die Kirche ist nicht ein Verein, der eine bestimmte Sache voranbringen will. In ihr geht es nicht um eine Sache. In ihr geht es um die Person Jesu Christi, der auch als Auferstandener Fleisch geblieben ist. Er hat „Fleisch und Knochen“ (Lk 24, 39), so sagt es der Auferstandene bei Lukas zu den Jüngern, die ihn für einen Geist gehalten hatten. Er hat Leib. Er ist selbst da in seiner Kirche, „Haupt und Leib“ ein einziges Subjekt, wird Augustinus sagen. „Wißt ihr nicht, daß eure Leiber Glieder Christi sind?“ schreibt Paulus an die Korinther (1 Kor 6, 15). Er fügt hinzu: Wie Mann und Frau nach der Genesis miteinander ein Fleisch werden, so wird Christus mit den Seinen ein Geist, das heißt ein einziges Subjekt in der neuen Welt der Auferstehung (1 Kor 6, 16ff.). In alledem scheint das eucharistische Geheimnis durch, in dem Christus immerfort seinen Leib schenkt und uns zu seinem Leib macht: „Ist das Brot, das wir brechen, nicht Teilhabe am Leib Christi? Ein Brot ist es. Darum sind wir viele ein Leib; denn wir alle haben teil an dem einen Brot“ (1 Kor 10, 16f.). Mit diesem Wort redet uns in dieser Stunde nicht nur Paulus, sondern der Herr selber an: Wie konntet ihr meinen Leib zerreißen? Vor dem Angesicht Christi wird dieses Wort zugleich zur dringlichen Bitte: Führe uns zusammen aus allen Trennungen. Laß es heute neu Wirklichkeit werden: Ein Brot ist es. Darum sind wir viele ein Leib. Das Wort von der Kirche als Leib Christi ist für Paulus nicht irgendein beliebiger Vergleich. Es geht weit über einen Vergleich hinaus. „Warum verfolgst du mich?“ Immerfort zieht uns Christus in seinen Leib hinein, baut seinen Leib von der eucharistischen Mitte her auf, die für Paulus Zentrum christlicher Existenz ist, von der aus alle und jeder einzelne ganz persönlich erfahren darf: Er hat mich geliebt und sich für mich dahingegeben.


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