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GESCHICHTEN EINFACHER PRIESTER
Aus Nr. 06/07 - 2008

Don Pietros ewige Ruhe


Don Pietro Pappagallo lebte fast 20 Jahre in Rom. Seine konkrete Hilfe und seinen geistlichen Beistand stellte er ganz in den Dienst einfacher Leute. Beispielsweise durch das von ihm organisierte Hilfsnetzwerk für die Juden und politisch Verfolgten zur Zeit der Besatzung Roms. Den Tod fand er bei den Fosse Ardeatine: als einziger Priester unter den 335 Italienern, die am 24. März 1944 von der SS erschossen wurden.


von Paolo Mattei


Don Pietro Pappagallo.

Don Pietro Pappagallo.

„Non sit vobis vanum mane surgere ante lucem, quia promisit Dominum coronam vigilantibus“,„Nicht vergeb’ne Müh ist es aufzustehen vor dem Morgengrauen. Denen, die wachen, hat der Herr die Krone versprochen“. Don Pietro Pappagallo ist früh aufgestanden, ante lucem, und betet das Invitatorium des Matutinum. Er betet es mit leiser Stimme, um seine noch schlafenden Kameraden nicht aufzuwecken. „Ante lucem“, noch bevor ein Lichtstrahl die dunkle Zelle mit den winzigen Fenstern in der Via Tasso erhellt, in die ohnehin so gut wie kein Licht dringt. Er kniet nahe der Eingangstür, um wenigstens das schwache, durch die Türschlitze fallende Licht der Korridore zu nutzen, die Worte von Psalm 79 murmelnd: „Introeat in conspectu tuo gemitus compeditorum“, „Das Stöhnen der Gefangenen dringe zu Dir“. Schon beim ersten Morgengrauen ist er aufgestanden, wie jeden Tag seit Beginn seiner nun schon fast zwei Monate dauernden Gefangenschaft. Seit jenem unglückseligen 29. Januar 1944, dem Tag seiner Verhaftung, hat er fast kein Auge zugetan. Unermüdlich stand er seinen Leidensgenossen bei, wenn sie nach stundenlangen Verhören und Foltern in die Zelle zurückgebracht wurden. Seine Gefängniswärter hat er nur um ein Brevier gebeten, das man ihm nach ein paar Tagen auch tatsächlich brachte. Er sollte es immer bei sich tragen, bis zum letzten Tag.
Am Morgen des 24. März 1944, dem vierten Freitag in der Osterzeit, wurden neun neue Gefangene in Zelle Nr. 13 des Gefängnisses in der Via Tasso 145 gebracht. Jenes Gebäude aus den zwanziger Jahren in der Nähe von San Giovanni, das SS-Offizier Herbert Kappler 1943 zur Kaserne umfunktioniert hatte. Ein Flügel war für die Gestapo bestimmt, ein anderer für Partisanen und politische Gefangene. Die „Neuzugänge“ jenes 24. März waren: vier Soldaten, ein Rechtsanwalt, ein Jurist, ein Maler, ein Partisane. Und jener Priester, dem man vorwarf, Dokumente gefälscht zu haben für Menschen die in der „offenen Stadt“ Rom von Faschisten und Nazis gesucht wurden: Juden, Soldaten, Durchschnittsbürger.

Ein zärtliches Mitgefühl
1944 war Don Pietro Pappagallo knappe 56 Jahre alt. Am 28. Juni 1888 war er als fünftes von acht Kindern in Terlizzi, Provinz Bari, geboren worden. Er stammte aus bescheidenen Verhältnissen: sein Vater, ein Seildreher, bearbeitete mit Hanf, Jute und Binsengras die für eine Stadt, die von dem lebt, was ihr Landwirtschaft und Meer geben, so wichtigen Taue. Die Mutter, eine Hausfrau, begann als erste zu ahnen, welche Berufung in diesem Sohn reifte, der sich in der väterlichen Werkstatt nützlich machte. Sie war es, die ihm den Eintritt ins Seminar ermöglichte. Durch den Verkauf persönlicher Gegenstände hatte sie die „Abgabe“ zusammenkratzen können, die ein Priesterkandidat damals entrichten musste. So wurde Pietros Wunsch 1915 – kurz nach Beginn des Ersten Weltkrieges – endlich wahr. Am 3. April 1915, am Karsamstag, empfing er die Priesterweihe, Tags darauf, am Ostersonntag, verteilte er die Erinnerungsbildchen seiner Primizmesse mit dem Gebet vom „Dio delle misericordie“ [Gott der Barmherzigkeit], „Re pacifico [friedliebenden König]“: dem von Benedikt XV. verfassten Gebet für den Frieden. „Als Du auf dieser Erde wandeltest, war dein Herz voll zärtlichen Mitgefühls mit dem Ungemach der Menschen,“ heißt es darin.Und dieses Motto durchzog das ganze Leben des italienischen Priesters wie ein roter Faden.Eines Priesters, dessen Priesteramt – wie Renato Brucoli in der Biographie Pappagallos (Pane e cipolla e santa libertà [Zwiebelbrot und heilige Freiheit], Teil I [1888-1939]) beobachten kann – „paradoxerweise mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs zusammenfällt und mit dem Ende des Zweiten ausklingt. Bezahlt hat er dafür mit dem Leben.“
Ein Leben, das in Rom endete, wohin Don Pietro zum ersten Mal 1925 kam, um Kirchenrecht zu studieren. In den ersten zehn Jahren seines Priesterdaseins hatte er in den Diözesen Molfetta, Giovinazzo, Terlizzi und im Seminar „Pio X“ in Catanzaro sein Organisationstalent unter Beweis stellen können. Aber der 37-jährige Priester suchte den Kontakt zu den Menschen, spürte instinktiv, dass die Ewige Stadt sein Schicksal war.

Don Pietro mit zwei Freunden auf den Stufen der Basilika Santa Maria Maggiore.

Don Pietro mit zwei Freunden auf den Stufen der Basilika Santa Maria Maggiore.

Im Dienst der Brüder und Schwestern
„Die Fabrikarbeiter müssen unter unmenschlichen Bedingungen arbeiten, schuften Tag und Nacht. Wer sich weigert, Überstunden zu machen, wird entlassen. Gearbeitet wird im Kontakt mit gesundheitsschädlichen chemischen Substanzen, die Bezahlung ist miserabel. Kurzum: die Situation der Arbeiter im Süden ist deutlich schlechter als in der Hauptstadt. Ich kann das nicht gerecht finden, und es interessiert mich wenig, wenn man sagt, es geschähe aus politischen Gründen. Ich weiß nur, dass mir mein Glaube und die Menschlichkeit gebieten, mich nicht gegen meine Brüder und Schwestern zu stellen, in deren Dienst ich stehe. Und wenn nicht auch Sie auf ihrer Seite sein sollten, sollte mich das schon sehr wundern und verwirren!“. Diese Zeilen schrieb Don Pietro an Mons. Ferdinando Baldelli, der damals (Ende der zwanziger Jahre) Kurien-Verantwortlicher für die Arbeiter-Seelsorge war. 1927 wurde dem Priester aus Süditalien eine Aufgabe übertragen, die ihm einen Einblick in die Not eines Großteils der Stadtbevölkerung ermöglichte: er wurde Seelsorger für die Arbeiter der SNIA VISCOSA, einer großen Chemiefabrik mit mehr als 2.000 Arbeitern. Die Fabrik hatte sich in der römischen Via Prenestina niedergelassen, einer Zone, die sich wegen der Nähe zum Bahnhof Termini rasch mit Menschen füllte. Don Pietros „Einsatzort“ waren die an die Fabrik angrenzenden Baracken, in denen Hunderte von süditalienischen Arbeitern untergebracht waren. Viele davon aus seiner Heimat: jene unterdrückten Opfer der unmenschlichen Arbeitsbedingungen, die der Priester in seinem Brief kritisiert hatte. Aber konnte sein Protest in einem Moment, in dem das Regime auf Expansion und Inlandsproduktion setzte, überhaupt Gehör finden? Angesichts der Pläne der Mächtigen fiel Don Pietros Kritik an der erbarmungslosen Ausbeutung der Arbeiter, die auch schon Leo XIII. angeklagt hatte (Rerum novarum), selbst im Vatikan auf taube Ohren. Ja, von dort erging sogar Order, ihn seines Amtes als Arbeitsseelsorger zu entheben.

„Wer an diesem Fluss geboren ist, wird heilig“
Don Pietro war noch nicht in der Ewigen Stadt inkardiniert, lief also Gefahr, nach Terlizzi zurück geschickt zu werden. Doch der Bischof seiner Diözese setzte sich bei der Kurie für seinen Priester ein und konnte erreichen, dass er 1928 Vikar der Patriarchalbasilika St. Johann im Lateran wurde. Seine Hauptaufgabe waren die Taufen in San Giovanni in Fonte. Don Pietro war überglücklich. Ein großer Trost bei diesem wertvollen Dienst waren ihm auch die Worte der Inschrift auf dem achtförmigen Architrav: „Nec numerus quemquam scelerum nec forma suorum terreat: hoc natus flumine sanctus erit“, „Und dass sich niemand von der Via Urbana, nahe Santa Maria Maggiore, wurde die Stelle des Kaplans und geistlichen Vaters frei. Don Pietro sagte sofort zu, auch weil er ihren Lebensstil teilte, der – so Brucoli – geprägt war „von Einfachheit, Demut, Zuversicht, Transparenz, Freude“. Auch mit der Augustinerregel, von der das Leben dieser Ordensfrauen inspiriert war, war er gut vertraut.
Ende 1929 zog Don Pietro also in die Via Urbana. Jeden Morgen um 6.30 Uhr zelebrierte er die Messe für die Schwestern, jeden Sonntagabend hielt er eine eucharistische Anbetung. Die Terrasse seiner Wohnung wurde schon bald zum beliebten Treffpunkt für seine Freunde. Seine Gastfreundschaft war bekannt. 1931 schließlich, nach seiner Ernennung zum Benefiziar der Patriarchalbasilika Santa Maria Maggiore, wurde er in der Diözese Rom inkardiniert. Damals begann seine Zusammenarbeit mit Kardinal Bonaventura Cerretti, Erzpriester der Basilika Liberiana. Cerretti übertrug ihm die heikle diplomatische Mission, bei Repräsentanten ausländischer Staaten vorzusprechen, mit denen der Hl. Stuhl Konkordatsbeziehungen anzuknüpfen begann und bat ihn, die Organisation des Pilgerandrangs zu übernehmen, der 1933 in Rom erwartet wurde: In diesem von Pius XI. ausgerufenen Außerordentlichen Heiligen Jahr zum Gedächtnis der Erlösung. Don Pietro fühlte sich endlich zuhause.

Don Pietro auf der Terrasse seiner Wohnung in der Via Urbana mit seiner Haushälterin  Maria Teresa Nallo.

Don Pietro auf der Terrasse seiner Wohnung in der Via Urbana mit seiner Haushälterin Maria Teresa Nallo.

„Wen Du liebst, den verlässt Du nicht“
„Domine, ecce quem amas infirmatur. Sufficit ut noveris: non enim amas et deseris“, „Herr, siehe, der, den Du liebst, ist krank. Es genügt, dass Du es weißt, denn wen Du liebst, den verlässt Du nicht.“ Diese Worte der Hoffnung des Augustinus – der Kommentar zum Evangelienbericht der Auferweckung des Lazarus – die er eben erst im Matutinum gebetet hat, waren Don Pietro ein Trost. Er kniete immer noch auf dem Boden der Zelle Nr. 13 des Gefängnisses in der Via Tasso, und betete mit leiser Stimme Psalm 143 des Lobpreises dieses vierten Freitags in der Osterzeit 1944: „Auditam mihi fac mane misericordiam tuam quia in te speravi“, „Wie schön ist es, dem Herrn zu danken, (...) am Morgen deine Huld zu verkünden.“ Seine Leidensgenossen in der Zelle schliefen noch. Es war früh am Morgen.
Knappe zwei Monate zuvor, am Nachmittag des 29. Januar 1944, war er in seiner Wohnung in der Via Urbana verhaftet worden. In den letzten Jahren war diese Wohnung für viele zur Zufluchtsstätte geworden. Auf der Terrasse, auf der stets eine frische Brise wehte und man den Duft frischen Basilikums und das einladende Aroma des von Teresa, seiner Haushälterin, zubereiteten Kaffees einatmen konnte, traf sich jeden Tag eine Gruppe von Freunden, um sich über die Ereignisse in Italien und Europa auszutauschen. Einige davon waren Gleichaltrige – wie Gioacchino Gesmundo, Philosophieprofessor am naturwissenschaftlichen Gymnasium Cavour und Leiter der kommunistischen Partei im Untergrund.
„Mein Onkel war ein Vollblutpriester, für den Nächstenliebe nicht nur ein Wort war. Die Mission lag ihm im Blut, viele Hilfsbedürftige klopften an seine Tür“: Worte seines Neffen Antonio. Seine Erinnerungen sind auch in den suggestiven Erzählungen enthalten, die Alessandro Portelli über die tragische Geschichte der Fosse Ardeatine gesammelt hat. Erzählungen aus erster Hand (L’ordine è già stato eseguito, Donzelli, Rom 1999 [Der Befehl wurde ausgeführt]). „Er fälschte Dokumente. ‚Ein Foto und einen Stempel, mehr braucht man nicht‘, sagte er. Einen mysteriösen neapolitanischen Stempel, der diese unglücklichen Gesuchten, die in den unheilvollen Strudel der Verfolgung geraten waren, als Vertriebene auswies.“ Die Wohnung in der Via Urbana war auch für jene zum Rettungsanker geworden, die das Regime als gefährliche Untergetauchte betrachtete. Don Pietro half allen, und wenn er letztendlich selbst in die Falle ging, dann weil er von Spionen verraten wurde, die sich als Verfolgte ausgegeben hatten und die er in seiner fast schon an Naivität grenzenden Großzügigkeit mit offenen Armen aufgenommen hatte. „Aber wie hätte ich einem Hungernden, der an meine Tür klopft, nicht zu essen geben können – muss er wohl bei sich gedacht haben –; wie hätte man einem Frierenden Kleidung verweigern, ihn abweisen können, wo man doch wusste, dass ihm die, von denen er gesucht wurde, nach dem Leben trachteten? Wie hätte man ihm nicht helfen können, wo man doch wusste, dass er kein Geld in der Tasche hatte, wie hätte man nicht den Wunsch haben können, ihn seinen Kindern, seiner Mutter, seiner Frau, seinem Vater, seinen Schwestern zurückzugeben, die jenseits der Front auf ihn warteten“: so beschreibt Antonio Lisi in seiner schönen Biographie Don Pappagallos, was dem Priester wohl in den letzten Monaten seines Lebens durch den Kopf gegangen sein muss (Don Pietro Pappagallo, martire delle Fosse Ardeatine, Tau Editrice, Todi [Perugia] 2006). „Ich betätige mich als Dokumentenfälscher, stelle gefälschte Stempel, gefälschte Ausweise her, gefälschte Passierscheine, die die Flucht möglich machen. Du Herr, weißt, warum ich das tue... Ich bin in Deiner Hand, mein Gott.“
An dem Tag, an dem sie ihn verhafteten, waren noch sechs weitere Personen bei ihm. Sechs bewaffnete Männer drangen in die Wohnung ein – drei Italiener und drei Deutsche –, durchsuchten die Zimmer nach der Liste mit den Namen von Don Pietros Schützlingen. Die konnten sie zwar nicht finden, wohl aber die Stempel, mit denen es ihm gelungen war, die gefälschten Dokumente zum Freischein in die Freiheit werden zu lassen. Alle Anwesenden wurden verhaftet. Don Pietro wurde als letzter in die Via Tasso gebracht.

Familienangehörige beten an einem improvisierten Grab bei den  Fosse Ardeatine.

Familienangehörige beten an einem improvisierten Grab bei den Fosse Ardeatine.

„Nunc dimittis“
„Nescierunt qui levant lignum sculpturae suae et rogant deum non salvantem“, „Wer hölzerne Götzen umherträgt, hat keine Erkenntnis, wer einen Gott anbetet, der niemanden rettet“: Don Pietro murmelte die Verse des Jesaja zum Lobpreis Gottes des vierten Freitags in der Osterzeit, und vielleicht musste er dabei an die Männer denken, die ihn verhaftet hatten, an ihre Vorgesetzten, die die Katastrophe, in die die Welt abglitt, auf höchster Ebene geplant haben. In diesem winzig kleinen Stückchen Welt – der Zelle, in der er betete – dachte er vielleicht auch an den Polizeibeamten, der ihn bei einem Verhör mit einer Reitgerte ins Gesicht geschlagen hatte, an die deutschen Offiziere, die sich als Folterknechte gebärdeten, mit Zangen und Eisenhämmern auf ihre wehrlosen Opfer losgingen, in dem Versuch, ihnen Geheimnisse zu erpressen, die es gar nicht gab. Vielleicht dachte er aber auch keineswegs an all diese Dinge, sondern dankte dem Herrn für die Gesellschaft, die er ihm in jenen dramatischen Tagen leistete – auch durch dieses Brevier, seinem Licht in der Dunkelheit der Zelle: „Psalterium meum, gaudium meum“, „Mein Psalterium ist meine Freude“: das galt für Don Pietro genauso wie für Augustinus.
In der Zwischenzeit war es Tag geworden, die anderen Mitgefangenen wachten auf und begrüßten den Priester, der ihnen in den nicht enden wollenden Stunden der Gefangenschaft Trost spendete; der so oft mit schwächeren und kränkeren Leidensgenossen sein ohnehin schon karges Mahl geteilt hatte; stundenlang neben einem verwundeten Kameraden betend niedergekniet war, nachdem er ihn verarztet hatte. Auch die beiden Kommunisten Aladino Govoni und Tigrino Sabatini waren inzwischen wach – jene beiden Männer, die ihn einmal gebeten hatten, ihnen die Psalmen zu erklären, die in diesem Buch zu lesen standen, von dem er sich nie trennen wollte. Auch der Partisan Oscar Cageggi war erwacht. Seine Erinnerung an die ersten Tage mit Don Pietro sind in Lisis Buch enthalten: „Zwischen uns entstand eine tiefe Freundschaft... Die Ruhe, die er ausstrahlte, seine Güte, Intelligenz und tiefe Demut, nahmen uns sofort für ihn ein. Seine Ankunft war wie die Ankunft eines Vaters.“
Gegen 14 Uhr betrat der deutsche Marschall die Zelle und schrie fünf Namen in den Raum. Als letzten den von Don Pietro. Die Genannten sollten auf Lastwägen irgendwohin in die Stadt gebracht werden. Wohin und warum, sagte man ihnen nicht. Kurze Zeit später kamen sie bei den „Cave di pozzolana“ an, zwei Kilometer von Porta San Sebastiano entfernt, an der Via Ardeatina. Viele christliche Märtyrer der ersten Jahrhunderte haben hier ihre letzte Ruhestätte gefunden. 335 Personen wurden hier erschossen – Menschen, die man aus dem Gefängnis Regina Coeli geholt hatte, aus der Via Tasso, oder einfach nur von der Straße. Die Rache für die 33 Deutschen, die bei einem Attentat am Tag zuvor getötet worden waren. Opfer dieser Vergeltungsmaßnahme waren Arbeiter und Intellektuelle, Lumpenverkäufer und Generäle, Kaufleute und Handwerker. Und ein Priester.
Als er vom Wagen stieg, blickte Don Pietro auf die lange Schlange von Lastwägen, die noch auf der Ardeatina unterwegs war: „Er erteilte den Todgeweihten die Absolution,“ berichtet Antonio Lisi und erzählt, was er noch gesagt hat: „‚Fast alle, die mit mir auf dem Wagen waren, wollten vor ihrer Hinrichtung ein letztes Mal beichten‘... Don Pietro bat Gott, den Schlächtern zu vergeben und betete: ‚Herr, vergibt ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun‘“.
Dann streckte ihn ein Nackenschuss nieder. Am Abend zuvor hatte er noch, wie immer, in der Komplet den Lobgesang des Simeon gebetet: „Nunc dimittis...“, „Nun lässt du, Herr, deinen Knecht in Frieden scheiden...“. Der Herr hat ihm seine Krone geschenkt – und die ewige Ruhe.


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