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NOVA ET VETERA
Aus Nr. 10/11 - 2009

Archiv 30Tage

Wie ein Clown, der zu nichts taugt


Die Geschichte eines Mädchens, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts in einem Dorf vor den Toren Roms lebte und im Alter von 18 Jahren an Tuberkulose starb. Der Seligsprechungsprozess von Cecilia Eusepi ist eingeleitet. Sie gilt als die geistliche Schwester der Therese von Lisieux.


von Stefania Falasca


„... Wie ein dummer Clown, der zu nichts taugt.“ Das ist die Geschichte eines Mädchens, die Geschichte eines kurzen Lebens. Nur wenige haben es gekannt, es hat keine großartigen Werke vollbracht, nichts Aufsehenerregendes oder Besonderes getan. Trotzdem war sie für Jemanden so wertvoll, dass selbst sie sich wunderte: „Manchmal war ich ganz verwundert und fragte mich: Was konnte Jesus nur an mir finden, was war so faszinierend, dass er sich zu einem Nichts wie mir hingezogen fühlte, dass er mich so liebevoll umsorgte? Die einzige Antwort ist wohl: Meine absolute Schwachheit.“
Das kleine Mädchen ist Cecilia Eusepi. Sie lebte zu Beginn des 20. Jahrhunderts in einem Dorf vor den Toren Roms und starb im Alter von nur achtzehn Jahren an Tuberkulose. Hinterlassen hat Cecilia nur wenige Notizen über ihre Kindheitserinnerungen sowie ein Tagebuch, das sie auf Wunsch ihres Beichtvaters geschrieben hat, als sie bereits an Tuberkulose litt. Und dennoch werden wir sie in vielleicht nicht allzu langer Zeit zur Ehre der Altäre erhoben sehen. Sobald einige Wunder, die auf ihre Fürsprache geschehen sind, der strengen Prüfung durch die medizinische und theologische Kommission standgehalten haben. Der Seligsprechungsprozess, der 1928, also ein Jahr nach ihrem Tod eingeleitet wurde, kommt rasch voran. Am 1. Juli 1987 erklärte sie Papst Johannes Paul II. zur Dienerin Gottes. Heute gilt sie sogar als eine geistliche Schwester der heiligen Therese von Lisieux, deren 100. Todestag wir in diesem Jahr feiern. Cecilia Eusepi ähnelt ihr in der Tat in vielerlei Hinsicht. „Es wäre gar nicht so unangebracht, wenn man sie unsere kleine Teresina nennen würde“, meinte der Generalpostulator des Seligsprechungsprozesses, Tito Sartori. „Von den jüngsten heiligmäßigen Persönlichkeiten, deren Verehrung die Kirche erlaubt hat, hat Cecilia den ‚kleinen Weg‘ der große französischen Heiligen und Patronin der Missionen am besten eingeschlagen und ist ihm konsequent gefolgt.“

Cecilia Eusepi, links, Therese von Lisieux: beide im Alter von fünfzehn Jahren.

Cecilia Eusepi, links, Therese von Lisieux: beide im Alter von fünfzehn Jahren.

Ein Zeichen der Gnade
Nepi ist eine kleines Städtchen der Tuscia, vierzig Kilometer von Rom entfernt. Eines der vielen verschlafenen Provinzstädtchen, die einst zum ländlichen Italien gehörten. In dieser Umgebung wuchs Cecilia auf. Als letztes von elf Kindern wurde sie am 17. Februar 1910 in Monte Romano, einem Dorf bei Nepi, geboren. Mit ihrer verwitweten Mutter und ihrem Onkel mütterlicherseits lebte sie auf einem Landgut, das drei Kilometer vom Dorf entfernt war. Ihr Onkel arbeitete als Verwalter auf dem Gut des Herzogs Lante della Rovere. Cecilia war ein lebhaftes, sensibles Kind, das alle mochten. Vor allem ihr Onkel, dem sie ihr Vater vor seinem Tod anvertraut hatte, umhegte sie mit liebevoller Fürsorge. Mit sechs Jahren wurde sie wie so viele Kinder vom Land in die Schule der Zisterzienserinnen von Nepi geschickt, welche die Kriegswaisen in ihr Internat aufgenommen hatten. Aufgrund ihres großen Einfühlungsvermögens und ihrer schnellen Auffassungsgabe kam sie in der Schule gut voran, und die Schwestern hofften insgeheim, sie eines Tages eine der ihren nennen zu dürfen. Aber das Klosterleben behagte Cecilia überhaupt nicht. Nicht weit vom Kloster, nur hundert Meter entfernt, war die Pfarrkirche San Tolomeo, die den Serviten unterstand. Zur Pfarrei gehörte auch ein Missionsseminar, in dem damals viele, für die Mission bestimmte Priesteramtskandidaten lebten. Auf dem Kirchplatz der Pfarrei San Tolomeo spielte sich das Leben der Dorfjugend ab. Nach dem Unterricht verbrachte Cecilia hier ihre Freizeit. In diesem Umfeld reifte schon sehr früh und mit überraschender Klarheit ihre Berufung. Bereits mit zwölf Jahren bat Cecilia, gemeinsam mit ein paar älteren Freundinnen, als Terziarin in den Servitenorden eintreten zu dürfen. Ein Jahr später erhielt sie trotz ihres jungen Alters und der Versuche ihrer Verwandten, sie davon abzuhalten, vom Bischof die Dispens, so dass sie ihr Postulat beginnen konnte. Sie ging daraufhin in Rom, Pistoia und danach in Zara zur Schule. Aber ihr Wunsch, als Missionarin in ferne Länder reisen zu können, wurde nie erfüllt. Im Oktober 1926 erkrankte sie und war gezwungen, wieder nach Nepi zurückzukehren. Zwei Jahre später starb sie an ihrer schweren Krankheit.
Das ist die ganze kurze Geschichte. Über die einzelnen Episoden spricht Cecilia selbst in ihrer autobiographischen Erzählung Storia di un pagliaccio (Geschichte eines Clowns). Dieser satirische Titel zeigt, wie sie sich selbst einschätzte. Sie hielt sich für „eine kleine Närrin“. Ihre Geschichte schrieb sie nieder, um der Aufforderung ihres Beichtvaters, Pater Gabriele Roschini, Folge zu leisten. Im Juni 1927 überreichte sie ihm ein kleines, altes Schulheft mit den Worten: „Pater, verzeihen Sie mir, dass ich so unordentlich bin..., verzeihen Sie den Titel“, sagte sie verlegen. „Aber ich habe keinen besseren für meine Geschichte gefunden.“ Die Aufforderung, Tagebuch zu führen, kam von einem Mitglied des Servitenordens: Kardinal Alessio Lepicier, der während seines Besuchs in Nepi die Gelegenheit gehabt hatte, das anmutige Mädchen mit dem verträumten Blick kennenzulernen. Pater Roschini sagte im Prozess aus: „Eines Tages wurde ich von Seiner Eminenz in Audienz empfangen. Ich unterrichtete den Kardinal über die Krankheit und die Rückkehr von Cecilia nach Nepi. Daraufhin sagte Seine Eminenz zu mir: Dieses junge Mädchen ist ein Zeichen der Gnade Gottes. Es ist eine auserwählte Seele. Pater, Sie täten gut daran, wenn Sie es aufforderten, Tagebuch zu führen. Ich bin sicher, dass wir daraus geistlichen Nutzen ziehen werden.“ Die einfache Geschichte „einer Närrin“ beginnt mit dem Wunsch, dem Willen der Oberen nachzukommen, obwohl sie das wegen der Schmerzen, die ihr ihre Krankheit bereitete, viel Mühe kostete: „...Ich mache mich gern an die Arbeit, da ich weiß, etwas zu tun, was Jesus wohlgefällig ist. Wenn ich gehorche, wird er mir, dem kleinen, schwachen Blümchen, seine unendliche Barmherzigkeit erweisen.“

Die Kirche San Tolomeo in Nepi (Viterbo). [© Fotopoint, Nepi]

Die Kirche San Tolomeo in Nepi (Viterbo). [© Fotopoint, Nepi]

Wie die heilige Therese von Lisieux
In ihrem Tagebuch spricht sie ausführlich über die Jahre der Kindheit. Cecilia gebraucht viele rührende Bilder, die sich zu einer bewegenden Erzählung verflechten. Das ist ihr Stil. Sie scheint ein außerordentliches Gedächtnis für Gegenstände und Gefühle zu besitzen, kann sich noch an vieles aus den ersten Jahren ihrer Kindheit erinnern. Und mit der Erkenntnis ihrer Schwachheit wird ihr von Anfang an bewusst, ohne jeden persönlichen Verdienst in besonderer Weise geliebt zu sein. Manchmal muss man über die einfältige, dialektale Ausdrucksweise schmunzeln, die im offensichtlichen Gegensatz zur Weisheit ihrer Überlegungen steht. Wer ihre Erzählung liest, mag sich vielleicht über die kindliche und vertraute Art wundern, wie Cecilia über ihre Beziehung und Verbundenheit mit Jesus spricht: „Ja, ich liebe Jesus sehr. Aber wo sind die Werke? Die Werke, die Beweis dieser Liebe sind? Ich habe keine, Pater, aber das erschüttert mich nicht. Ich werde mit den Flügeln meiner großen Wünsche zu ihm fliegen, oder besser: Ich werde versuchen, ein kleines Kind zu sein, damit er mich immer im Arm trägt. Und welche Werke kann man von Kindern erwarten? Sie bekunden ihre Liebe nur durch Liebkosungen und Küsse, und sie schenken nur kleine, schlichte Feldblumen, von denen sie soviel haben können, wie sie nur wollen.“ Die ganze Weisheit der Cecilia besteht wie bei der heiligen Therese von Lisieux in diesem Kindsein, im Vertrauen auf die Gnade Gottes. Sie selbst sagt: seligen Ungläubigen. Ich hätte meinen Glauben mit dem Blut besiegelt. Die Schwestern erzählten sich Heiligenbiographien. Eines Tages bekam ich die Geschichte der heiligen Therese vom Kinde Jesus in die Hand. Ich las sie in einem Atemzug und war zu Tränen gerührt. [...] In Wirklichkeit habe ich nicht viel verstanden. [...] Aber eines habe ich sofort begriffen: dass die Heiligkeit nicht in der Größe der Abtötungen, in der Größe und Außergewöhnlichkeit der Werke und Handlungen bestand. [...] jene Heiligkeit ist nicht für alle [...]. Und ich spürte tief in meinem Herzen, dass dies der Weg ist, den ich gehen musste.“ Als Cecilia die Geschichte der Therese las, war sie noch nicht einmal zehn Jahre alt, und die Verehrung Thereses von Lisieux war noch nicht offiziell anerkannt worden. Später sollte Cecilia einmal sagen: „Ich habe nie daran gedacht, sie Schwester zu nennen, obwohl ich eine große Ähnlichkeit zwischen ihrer und meiner Seele festgestellt habe, nicht weil ich genauso wie sie der Gnade entsprochen hätte, sondern wegen der Gnadengaben, die Jesus uns gewährt hat.“
„Welch große Bedeutung die Lektüre der Heiligenbiographien einnahm, insbesondere die der französischen Heiligen, ist bei Cecilia offensichtlich“, erklärt Tito Sartori. „Die autobiographische Erzählung und ihr Tagebuch zeigen und dokumentieren eindeutig einen gewissen Einfluss. Die offensichtliche Abhängigkeit Cecilias von Therese wird in der Übernahme von Begriffen und Geistesströmungen deutlich: Das Lob auf die Barmherzigkeit des Herrn, das Bewusstsein der eigenen Schwäche, das Sich-Hingezogen-Fühlen zu Jesus. Aber darüber hinaus gibt es auch Fakten, die sie in eigentümlicher Weise miteinander verbinden: der Eintritt in den Orden in sehr jungem Alter; das Bewusstsein, von einer Todsünde bewahrt worden zu sein; das Ereignis der eigenen Bekehrung; die Schwierigkeit, geistliche Bücher zu lesen; der Wunsch, nicht zu leiden, sondern nur zu vertrauen; die Freundschaft zweier Missionare, die sie im Gebet begleiteten; die Erfahrung einer geistlichen Krise; ein sehr früher Tod, dieselbe Krankheit.“

Das Grab Cecilias in der Kirche San Tolomeo, wo der bis heute unverweste Leichnam des Mädchens aufbewahrt wird.

Das Grab Cecilias in der Kirche San Tolomeo, wo der bis heute unverweste Leichnam des Mädchens aufbewahrt wird.

Das „kleine Nichts“ Jesu
Mit der Rückkehr nach Nepi am 23. Oktober 1926 begann für Cecilia die letzte, kurze und schmerzliche Phase ihres Lebens. Ihre Krankheit, die Tuberkulose, brach nun aus und verschlimmerte sich immer mehr. Diese Zeit war für sie umso schmerzlicher, weil sie sich einsam fühlte. Sie nannte diese Zeit daher „das Exil in La massa“. Sie litt unter den Schmähungen der Gutsbesitzer und vor allem unter dem Gedanken, dass sie nun nie mehr die Gelübde ablegen konnte, da das Gut zu weit von Nepi entfernt war. Ihr einziger Trost waren ihre kindliche Verehrung der Schmerzensmutter, die sie ihr Herz nannte, und die Eucharistie, ihr „Schatz“, den ihr Pater Roschini zweimal pro Woche pünktlich brachte, es sei denn, die Witterung ließ es nicht zu. Sie erhielt aber auch häufig Besuch: Bauern, Freunde von der Katholischen Aktion, Seminaristen in Begleitung von Patres, die das kranke, einfache Mädchen nicht selten um Anregungen für ihre Predigt baten. In diesen letzten Jahren erkannte Cecilia, was der „kleine Weg“ bedeutet: „Demut, Vertrauen, Liebe.“ „Wie kostbar ist doch die Tugend des Vertrauens!“, schrieb sie. „Oh, wenn doch alle dich verstünden, würde sich die Erde in ein Vorzimmer des Himmels verwandeln! Sie lässt uns unbesorgt auf Jesu Schoß sitzen, sie lässt uns unseren Kopf an sein Herz legen und einschlafen, sie lässt uns glücklich leben, weil wir einem solchen Freund vertrauen. Wir kennen unser Geschick. Wie das kleine Kind, das nachts mit der Mutter durch einen dunklen Wald gehen muss, sich am Rockzipfel seiner Mutter festhält und sicher ist, dass sie es heil ans Ziel bringt, so ist die Seele, die Jesus vollkommen vertraut.“ Bis zu ihrem Lebensende hat sich Cecilia diese Einfachheit und Fröhlichkeit bewahrt. Als sie am 1. Oktober 1928 starb, betete sie die Mariengebete, die sie von klein auf gelernt hatte. Therese von Lisieux war am 30. September 1897 gestorben. Und am 1. Oktober 1927 – in diesem Jahr erhob Pius XI. Therese zur Patronin der Missionen – erschien Therese Cecilia im Traum und verkündete ihr, dass sie genau an diesem Tag sterben werde, wie es im Tagebuch von Cecilia heißt.
„An diesem Tag starb sie“, erinnerte sich ein Bauer, der sie gekannt hat. „Einige sagten damals: ‚Eine Heilige ist gestorben.‘ Andere hingegen wandten ein: ‚Sie war nur ein gutes Mädchen, das viel gelitten hat.‘ Und sie tadelten die ersteren, weil sie unbedingt eine Heilige aus ihr machen wollten. Ihre Beerdigung war aber ein Fest, es war, als ob man zu einer Hochzeit ging. Die Serviten gaben ihr zu Ehren ein Essen, und sie erhielten am gleichen Tag von fernen Wohltätern eine nicht unerhebliche Geldsumme, die dem löchrigen Etat des Seminars zugute kam. Genau so hatte es Cecilia vorausgesagt und gewollt.“ Cecilia wollte in der Kirche San Tolomeo begraben sein, am Fuße des Altars der Schmerzensmutter, dort, wo ihr Herz war. Und auch dieser Wunsch wurde ihr erfüllt, als die Patres ihren Leichnam während des Krieges aus Angst vor Bombenangriffen ins Innere der Kirche überführten. Bei diesem Anlass öffnete man den Sarg und stellte mit Erstaunen fest, dass ihr Leib (wie auch heute noch) unverwest und ihre Haut ganz weich“ war, wie sich der heutige Pfarrer von San Tolomeo, Pater Pietro, erinnert, „so dass sie scheinbar nur schlafend dalag. Als wir ihr wieder die Kleider anlegten, stellten wir fest, dass sie auf dem Rücken eine große Wunde hatte, so dass man die Eingeweide sehen konnte. Und zu unserem erneuten Erstaunen sahen wir, dass alle schrecklichen Zeichen der Tuberkulose verschwunden waren.“
„Alles besteht hier in der Anerkennung des eigenen Nichts“, schrieb Cecilia in ihrem Tagebuch. „Ich bin sicher, wenn Jesus irgendeiner anderen Seele die gleichen Gnaden geschenkt hätte, die er mir gewährt hat, so wäre über ihrem Kopf sofort ein Heiligenschein zu sehen gewesen. Aber Jesus beliebt es, mit seinen Geschöpfen zu scherzen; es gefällt ihm, jene überreich mit Gnaden zu erfüllen, von denen niemand es erwartet, die ihrer vielleicht nicht einmal würdig sind, jene, die in seinen Augen am armseligsten sind, um Seine Barmherzigkeit noch herrlicher erstrahlen zu lassen. Und er freut sich über ihre Verwirrung und ihr Staunen.“


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