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CHINA
Aus Nr. 05 - 2010

Peking will Bischöfe, die vom Papst ernannt sind


Wie und warum sich die jüngsten Weihen chinesischer Bischöfe auf die Beziehungen zwischen Heiligem Stuhl, Kirche in China und chinesischem Regime und die Frage der Bischofsernennungen auswirken können.


von Gianni Valente


Auf dem langen Weg der Beziehungen zwischen der katholischen Kirche und China haben sich die wichtigsten Veränderungen oft in aller Stille ereignet, wurden lediglich von Ereignissen angekündigt, die entweder gar keine Beachtung fanden, oder selbst von normalerweise alles andere als zurückhaltenden Presseagenturen ohne jede Erklärung abgetan wurden. Gewisse Beobachter gaben zu verstehen, dass es jenseits der Chinesischen Mauer bald zu einem Szenenwechsel kommen könnte. Und der wird den punctum dolens der Bischofsernennungen betreffen: die Frage, die der Beziehung zwischen Hl. Stuhl und katholischer Kirche in China seit fast 60 Jahren schwer zusetzt.

Paul Meng Quinglu wird zum Bischof von Hohhot geweiht (18. April 2010). [© Ucanews]

Paul Meng Quinglu wird zum Bischof von Hohhot geweiht (18. April 2010). [© Ucanews]

Die Fakten
Seit Dezember 2007 hat es in China trotz zahlreicher Diözesen, deren Sitz entweder vakant war oder die von über achtzig jährigen Bischöfen geleitet wurden, keine Bischofsweihen mehr gegeben. Zur Unterbrechung des Blackouts kam es am 18. April. Grund: die Weihe des 47jährigen Paul Meng Quinglu zum Bischof der Diözese Hohhot, in der Mongolei, gefolgt von der des 40jährigen Joseph Shen Bin, der am 21. April zum Bischof von Haimen (Provinz Jiangsu) geweiht wurde, der Weihe des 44jährigen Joseph Cai Bingrui am 8. Mai zum Bischof von Xiamen (Fujian) und der des 52jährigen Joseph Han Yingjin am 24. Juni zum Bischof von Sanyuan (Provinz Shaanxi). Diese vier jungen Bischöfe waren allesamt vom Papst ernannt worden und hatten auch die Anerkennung der chinesischen Autoritäten erhalten. Zu diesen Weihen kam am 8. April noch die Zeremonie für die offizielle Einsetzung von Mattias Du Jiang zum Bischof der Diözese Bameng: der Bischof war bereits 2004 nach Erhalt der Approbation des Heiligen Stuhls geweiht worden, die zivilen Autoritäten hatten ihm aber verboten, sein bischöfliches Amt auszuüben. Im Laufe der Zeit änderten sie ihre Meinung jedoch und gingen zur vollen Anerkennung von Msgr. Du als Leiter der Diözese in der Mongolei über.
Einige Details dieser vier Bischofsweihen verdienen jedoch eine genauere Betrachtung. Die Konsekranten bei der Weihezeremonie waren rechtmäßige Bischöfe in voller und erklärter Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom. In einem Fall erwies sich die Nachricht, ein unrechtmäßiger Bischof wäre Hauptkonsekrant – Vinzenz Zhan Silu, der in Xiamen anwesende Bischof von Mindong ohne päpstliches Mandat – als falsch. Ein anderer unrechtmäßiger Bischof – Joseph Ma Yinglin, Vizepräsident der Patriotischen Vereinigung der chinesischen Katholiken – nahm zwar an der Einsetzungszeremonie in der Diözese Bameng teil, war aber, wie zwischen Klerus, Schwestern und anwesenden Laien mit den Regime-Funktionären besprochen, nicht Hauptzelebrant, sondern nahm bei den Priestern Platz. Bei der Weihemesse in Xiamen nahm außer den Zelebranten auch Msgr. Joseph Cheng Tsai-fa teil, emeritierter Erzbischof von Taipei. Er stammt aus Xiamen, das an der chinesischen Küste gleich vor der Insel Taiwan liegt. Die Teilnahme von Msgr. Cheng war die erste Teilnahme eines taiwanesischen Bischofs an einer Bischofsweihe in der Volksrepublik China. Der Sitz Xiamen war seit 20 Jahren vakant.
Unmittelbar nach dieser Reihe neuer Bischofsweihen wurden prompt zwei namhafte chinesische Akademiker von der Global Times interviewt, einer englischsprachigen Zeitung, die den Standpunkt der kommunistischen chinesischen Partei im Ausland verbreiten soll. In dem Interview ging es um die Weihe der Bischöfe im Kontext der Beziehungen zwischen China und dem Vatikan. Zhuo Xinping, Direktor des Instituts für die Weltreligionen der chinesischen Akademie für die Sozialwissenschaften, verwies auf die „historischen Konflikte“, die in der Vergangenheit zwischen den europäischen Staaten und der Kirche zum Thema der Bischofsernennungen entstanden waren, und richtete an das chinesische Regime die „Mindestforderung“, „dass die vom Vatikan ernannten Bischöfe vom Regime approbiert sein sollten, wie das auch bei anderen Religionen schon immer der Fall war.“ Er merkte dann noch an, dass „der Vatikan dagegen an der Überzeugung festhält, dass die Weihe der Bischöfe eine Frage der Religionsfreiheit ist.“ Liu Peng dagegen, Direktor des Pushi-Instituts für Sozialwissenschaften, gab in dem Interview mit der Global Times zu verstehen, dass die jüngsten Entwicklungen in den Beziehungen zwischen China und Vatikan zeigen, „dass das chinesische Regime den Glauben der Katholiken nun mehr respektiert und besser versteht, dass die vatikanische Ernennung der Bischöfe ein Schlüsselelement der katholischen Tradition ist.“ In den chinesisch-vatikanischen Beziehungen steht die Frage der Bischofsernennungen nun ganz oben auf der Liste der ungelösten Fragen. „Aber es ist eher eine religiöse denn eine politische Frage“, meint Liu. Und wenn ein Bischof sowohl vom Vatikan als auch von der Patriotischen Vereinigung anerkannt wird, hat er auch eine größere religiöse Autorität.“

Was sich aus den Fakten schließen lässt
In den ersten Jahrzehnten nach Gründung der Volksrepublik China zielte die Religionspolitik des kommunistischen Regimes darauf ab, jedes juridisch-kanonische Band zwischen der Kirche in China und dem Apostolischen Stuhl auszulöschen, den die Propaganda als eine Art „imperialistische Zentrale“ hinstellte. Auch zu Zeiten grausamer Verfolgungen – wie während der Kulturrevolution – mussten die von der Partei inspirierten, unter „demokratischer“ Selbstverwaltung stehenden patriotischen Organe (angefangen bei der Patriotischen Vereinigung der chinesischen Katholiken) garantieren, dass sich die Kirche an die „drei Autonomien“ hielt – Unabhängigkeit, Selbstverwaltung und Eigenfinanzierung –, was auch für die Bischofsernennungen galt, die vollkommen unabhängig vom Heiligen Stuhl zu erfolgen hatten. 1958 schritt man zu den ersten Bischofsweihen ohne päpstliches Mandat. Auch nach der von Deng Xiaoping Ende der 1970er Jahre gewollten neuen Öffnung erlaubte China, wie die Agentur Ucanews am 21. April schrieb, „die Weihe keines Bischofskandidaten, von dem man wusste, dass er ein päpstliches Mandat hatte.“ Die Gemeinschaft der Bischöfe mit dem Papst konnte nur in den Herzen der Gläubigen bestehen, sie hatte keinerlei kanonische Ausdrucksform. Das war auch der Grund, warum es Anfang der 1980er Jahre zum Aufbau eines Netzes von „Untergrund“-Bischöfen kommen konnte, die in Gemeinschaft mit Rom standen und ohne jegliche Regierungskontrolle geweiht wurden.
Vor diesem Hintergrund stellt das neue Szenarium, das sich aus dem Verhalten und den Worten der chinesischen Führungsschicht schließen lässt, eine Art kopernikanische Revolution dar. Aus den Stellungnahmen der beiden chinesischen Akademiker geht zum ersten Mal hervor, dass die Ernennung der Bischöfe durch den Papst ausdrücklich als conditio sine qua non anerkannt wird, also als unabdingbares Element in der Dynamik der rechtmäßigen Bischofsweihen der katholischen Kirche. In chinesischen Diplomatie-Kreisen erzählt man sich, dass Peking dem Vatikan eine Liste mit mehr als 15 Namen möglicher Kandidaten geschickt hat, die man sich an der Leitung von ebensovielen vakanten Bischofssitzen vorstellen kann. Und es wird gemunkelt, dass diese von China vorgeschlagenen Namen größtenteils denen entsprechen, die auch dem Heiligen Stuhl als mögliche zukünftige Bischöfe vorschweben.
So gesehen kann man die zuletzt erfolgten und die zukünftigen Bischofsweihen als eine Art Bewährungsprobe für ein mögliches Rahmenabkommen pro tempore zwischen Volksrepublik China und Vatikan sehen (in der Frage der Bischofsernennungen). Professor Liu Peng hat in oben genanntem Interview von Bischöfen gesprochen, „die von beiden Seiten approbiert werden“ und beschrieben, wie ein solches Abkommen aussehen müsste: „Wenn China beschließt, die Weihe eines Bischofs gutzuheißen“, sagte der chinesische Akademiker, „dann schickt man über einen reservierten Kanal eine Liste möglicher Kandidaten an den Papst, die dann gemeinsam ausgewählt werden.“ Eine einfache Vorgangsweise, bei der die Repräsentanten der Pfarreien mit einer Selektion betraut werden und die Liste dieser vom Regime approbierten Namen dem Heiligen Stuhl unterbreiten, der dann das letzte Wort hat. Damit wären die Zeiten, in denen die chinesische Kirche „in Eigenregie“ handelte, endgültig vorbei und keine unrechtmäßigen Bischofsweihen mehr möglich.

Zwei kleine Mädchen vor der Weihnachtsaufführung bei der Christmette in einer Pekinger Kirche. [© AFP/Getty Images]

Zwei kleine Mädchen vor der Weihnachtsaufführung bei der Christmette in einer Pekinger Kirche. [© AFP/Getty Images]

Leichter gesagt als getan
Dass der Weg zu einer allmählichen Lösung der heiklen Frage der Bischofsernennungen also abgezeichnet zu sein scheint, bedeutet aber noch lange nicht, dass es keine Stolpersteine geben wird. Jedes mögliche Abkommen muss unbedingt Garantien für die sogenannte katholische „Untergrund“-Gemeinschaft beinhalten, auf die die zivilen Autoritäten und die Polizeiapparate manchmal Druck ausüben, weil man sie als etwas betrachtet, das sich nicht im Rahmen der Legalität bewegt. Und man müsste natürlich auch die Fälle jener Bischöfe und Priester klären, die sich in Isolationshaft oder unter Hausarrest befinden. Auch die Aussicht auf ein geplantes Komitee der katholischen Repräsentanten könnte für Spannungen sorgen. Immerhin handelt es sich dabei um die höchste Instanz der Religionspolitik der katholischen Kirche gegenüber; ein Organ, das sich aus den delegierten Repräsentanten aller bei der staatlichen Verwaltung registrierten Diözesen zusammensetzt. Diese werden in regelmässigen Abständen einberufen, damit sie die Ämter in den offiziellen Organismen der Kirche in China neu vergeben können, und dazu gehört auch das Bischofskollegium, ein vom Heiligen Stuhl nicht anerkanntes Organ, in dem nur die vom Regime anerkannten chinesischen Bischöfe vertreten sind und das seit dem Tod seines Vorsitzenden Joseph Liu Yuanren ohne Leitung ist. Der unrechtmäßige Bischof von Nanjing ist im Jahr 2004 verstorben. Die neueste Entwicklung war die Herausgabe des offiziellen Kommunikees der Vatikanischen Kommission über die Kirche in China am 25. März, die die chinesischen Bischöfe nach ihrer Jahressitzung aufgefordert hat, „Gesten zu vermeiden (beispielsweise sakramentale Feiern, Bischofsweihen, Teilnahme an Versammlungen), die im Widerspruch zur Gemeinschaft mit dem Papst stehen, der sie zu Bischöfen ernannt hat. Gesten also, die in den kirchlichen Gemeinschaften für besorgniserregende Spannungen sorgen könnten.“ Viele der vom Papst approbierten Bischöfe könnten nun, wenn sie beim nächsten Komitee zu Repräsentanten ihrer Diözesen bestellt werden sollten, in eine Zwickmühle geraten. Mitte April haben drei von ihnen, die anonym bleiben wollten, der Agentur Ucanews anvertraut, dass sie die Anweisungen der Vatikanischen Kommission „in eine schwierige Lage gebracht“ haben, und dass die Teilnahme an einer unrechtmäßigen Weihe nicht als ebenso schlimm betrachtet werden könne wie eine eventuelle Teilnahme an einem Nationalkongress, der – da vom Regime einberufen – „nichts mit dem Geist der Kirche zu tun hat. „Wenn du nicht daran teilnimmst, werfen dir die Parteifunktionäre vor, deine Heimat nicht zu lieben, und das würde das Wirken der Kirche in unserem Land in der Zukunft noch schwieriger machen“, hat einer von ihnen gesagt. Ein anderer, der zugegeben hat, in passiver Weise an dem Kongress – sollte er einberufen werden – teilnehmen zu wollen, „um Raum zu gewinnen für die pastorale Arbeit und um die lokalen Funktionäre nicht in Verlegenheit zu bringen.“ „Es wäre unrealistisch, nicht hinzugehen“, fügte er an.
Es könnte also wieder einmal ein Teil der chinesischen Bischöfe, obwohl sie in Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom stehen, von jenen an den Pranger gestellt werden, die ihnen vorwerfen, zu nachgiebig zu sein und sich nicht genug gegen die Einmischung der zivilen Autoritäten in das Leben der Kirche zu wehren. Ihre Teilnahme an einer eventuellen Versammlung des Nationalkomitees der katholischen Repräsentanten könnte den Heiligen Stuhl in Verlegenheit bringen. Sollten sie aber nicht teilnehmen, könnte das widerum neue Ressentiments seitens jener Sektoren der chinesischen Nomenklatur schüren, denen die vom Vatikan eingeschlagene Linie des Dialogs ein Dorn im Auge ist.

Wie man weitere Stolpersteine ausräumen kann
Um zu verhindern, dass eine baldige Einberufung des Komitees eine neue kritische Phase in den Beziehungen zwischen Peking und dem Vatikan einleitet, kann man eventuelle Hindernisse vielleicht umgehen, indem man bei der Umsetzung der klaren Anweisungen eine wohlbewährte Flexibilität an den Tag legt und sich an die gegebenen Umstände anpasst.
Vor diesem Hintergrund lässt gerade die sichtlich veränderte Einstellung der chinesischen Führungsschicht hoffen, dass es in der Frage der Bischofsernennungen nun tatsächlich einschneidende Veränderungen geben könnte.
Es ist wohl sehr unwahrscheinlich, dass die Meinungsänderung der Erben Maos und Dengs, die nun vom Papst ernannte Bischöfe zu wollen scheinen, „Lektionen in Ekklesiologie“ zu verdanken ist: das dürfte von der Partei wohl kaum vorgesehen sein. Die neuen Führungskräfte haben einfach nur zur Kenntnis genommen, dass ein unrechtmäßiger Bischof bei den Gläubigen keine Glaubwürdigkeit besitzt. „Die Bischöfe, die zuletzt ohne päpstliches Mandat ernannt wurden“, stellt der chinesische Akademiker 30Giorni gegenüber fest, „sind isoliert, niemand will bei der Messe aus ihren Händen die Eucharistie empfangen.“ Die chinesischen Leader streben eine gesellschaftliche Kontrolle der kirchlichen Aktivitäten an. Daher ist es auch wichtig, dass die Gesprächspartner Bischöfe sind, die in der Gesellschaft respektiert und akzeptiert sind, und keine grauen und isolierten Marionetten, die jener Sektion der Partei unterstehen, die für Religionsfragen zuständig ist. Der erklärte Zweck des chinesischen Leaderships ist nicht der, die sakramentale und apostolische Natur der kirchlichen Realität in China zu untergraben. Aber gerade dieses absolute Desinteresse des Regimes an den einzigen Dingen, die die Grundlagen der Kirche bilden und sie nähren („denn die Kirche lebt kein anderes Leben als das der Gnade“, Paul VI.,