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KIRCHENGESCHICHTE
Aus Nr. 09 - 2005

Franz von Assisi Ein Mann des Friedens, geformt von der Liturgie


Auch die Geschichte des Franz von Assisi wird – wie die eines jeden Menschen – in einem gewissen Sinne immer ein Geheimnis bleiben. Dem man dennoch, auch dank bisher erzielter Resultate, näher kommen kann. Die große Bedeutung, die die Liturgie in der Geschichte des Franziskus spielte.


von Pietro Massa


Auf diesen Seiten, Portiunkula-Ablaß (Il grande perdono di Assisi), Bildtafel des Priesters Hilarius von Viterbo (1393), 
Apsis der Portiunkula-Kirche, Basilika Santa Maria degli Angeli, Assisi. Hier oben, Franziskus verkündet den Ablaß von Assisi.

Auf diesen Seiten, Portiunkula-Ablaß (Il grande perdono di Assisi), Bildtafel des Priesters Hilarius von Viterbo (1393), Apsis der Portiunkula-Kirche, Basilika Santa Maria degli Angeli, Assisi. Hier oben, Franziskus verkündet den Ablaß von Assisi.

Wie sollte man leugnen können, daß Franz von Assisi im Vergleich zu anderen Heiligen stets eine ganz besondere, fast schon beneidenswerte Aufmerksamkeit genießen konnte: nicht genug damit, daß ihn das Time Magazine 1992 zu einem der bedeutendsten Männer des zweiten Jahrtausends erklärte: man hat ihn auch an zahlreichen weltlichen (oder auch nicht) Universitätszentren erforscht, zum Gegenstand unzähliger wissenschaftlicher Veröffentlichungen gemacht und so manchen Bericht über sein Leben veröffentlicht. Aber damit nicht genug: er lieferte auch Stoff für mehrere Filme und galt selbst für Personen verschiedener Kulturen und Religionen als idealer Bezugspunkt. Dazu kommt noch die Entscheidung Johannes Pauls II., für die Ereignisse des historischen 27. Oktober 1986 die Stadt des heiligen Franz – Assisi – zu wählen; für jenen Tag, mit dem der „Geist von Assisi“ beginnen konnte, bzw. die interreligiöse Bewegung für den Frieden. Aber der Papst kehrte auch noch andere Male hierher zurück: am 9. und am 10. Januar 1993, und – trotz der zahlreichen Vorbehalte und der darüber zum Ausdruck gebrachten Verblüffung – am 24. Januar 2002, also nach den tragischen Terrorattentaten vom 11. September 2001.
Ein überaus geschätzter heiliger Franz also, und wenn sein Geburtstag, der 4. Oktober, in Italien auch nicht Nationalfeiertag wurde, steht sein Name dennoch für den interkulturellen und interreligiösen Dialog. Aber wir alle wissen schließlich, daß sich jeder noch so große Erfolg nur allzu leicht abnützen kann, und das gilt auch für Franziskus.
Franziskanische Studien haben die Quellen seiner christlichen Erfahrung erforscht, und zahlreiche Gelehrte wollen anhand dieser Quellen nun ergründen, wer dieser Heilige wirklich war – jenseits jeder hagiographischen Vorstellung oder ideologischen Manipulation. Seine geistige und geistliche Formation hat man bereits zu ergründen versucht, kennt mehrere Aspekte davon. Beispielsweise seine Kultur als Kaufmannssohn, eine am Rittertum angelehnte Ideologie, die ihn ideologisch zu einem Ritter machte, eine höfische Kultur, die er auch nach seiner Konversion nicht ablegte, das evangelische Element, ja gar die Reminiszenz des Lebens der frühen Wüstenväter1. Nach all diesen zahlreichen Studien – die bei Paul Sabatier ihren Ausgang genommen haben – scheint man über den Mönch Franziskus von Assisi, Sohn des Kaufmanns Pietro di Bernardone, nicht mehr viel in Erfahrung bringen zu können. Aber das Bild, das die weiteste Verbreitung gefunden hat, scheint nicht nur abgenützt zu sein – manchmal hat man auch den Eindruck, daß ein wichtiger Aspekt fehlt. Natürlich wird die Geschichte des Franz von Assisi, wie die eines jeden Menschen, immer ein Geheimnis bleiben. Was aber nicht heißt, daß man dem, auch dank bisher erzielter Resultate, nicht näherkommen kann. Die große Bedeutung, die die Liturgie in der Geschichte des Franziskus spielte, ist heute zusehends anerkannt.
Oft ist selbst die Bibel, und folglich das Evangelium, in seinen Schriften gegenwärtig, in der Mittlung durch die Liturgie […]. Eine eingehendere Studie ergibt dann aber, daß er die Schrift durch die Liturgie kennengelernt hat, also durch Mittlung der Kirche.

1. EINE ZEIT DER LITURGIEREFORM
Die Zeit, in der Franziskus lebte, war von großen Veränderungen und kulturellen Umwälzungen geprägt: der Entwicklung der Gemeinden, der Geburt der Universitäten, der Blüte des Handels, dem Aufkommen neue religiöser Bedürfnisse, die nicht selten in Häresie mündeten, aber auch in die Bewegung des Pauperismus. All diese Aspekte werden normalerweise von besonneneren Gelehrten bei dem Versuch, die Geschichte des Franz von Assisi historisch einzuordnen, in Betracht gezogen. Fast vollkommen ignoriert wird dabei jedoch die Überlegung, daß jene Jahre einen der entscheidendsten Momente der Liturgiegeschichte bezeichneten. Man braucht nur irgendein Buch zur Liturgiegeschichte zur Hand zu nehmen, um feststellen zu können, daß Innozenz III. eine Reform der Liturgie der Römischen Kurie eingeleitet hatte, deren Resultate durch die Franziskaner überall Verbreitung fanden, so daß die lateinische Liturgie römischen Ritus’ noch heute das charakteristische Element darstellt.
Anfang des 13. Jahrhunderts gab es in Rom vier grundlegende Formen der Liturgie: die der Römischen Kurie, die im Lateranpalast untergebracht war, die der nahegelegenen Basilika St. Johann, die der Basilika St. Peter und die der sogenannten Urbe, also der Stadt Rom. Innozenz III. schloß die Liturgie in sein im IV. Lateran-Konzil von 1215 gipfelndes Reformprogramm ein. Eine der begrüßenswertesten Früchte der Liturgiereform war das Brevier. Indem er Texte, die vorher in verschiedenen Büchern enthalten waren, hinzufügte und dem Leben der Römischen Kurie anpasste, die oft verlegt wurde, stellte Innozenz III. gerade jenen, die oft auf Reisen waren, ein praktisches Werkzeug zur Verfügung. Und weil es so praktisch war, wurde dieses Brevier bald auch von mancher Diözese übernommen – auch der von Assisi. Damit hatten Franziskus und die fraternitas der Franziskaner Zugang zu einem liturgischen Buch, das sich schon bald als unentbehrlich erweisen sollte für eine Gruppe von „Fremden und Pilgern“2 wie ihnen, die stets unterwegs waren. So machten sich die Franziskaner das liturgische Gebet zueigen, besonders das der Römischen Kurie, also das des Papstes.

2. NICHT EINFACH NUR EINE FRAGE DES GEBETS
Es war beim besten Willen nicht gleichgültig, welches liturgische Buch man übernahm. Das hatte schon Papst Gregor VII. erkannt, der die liturgische Ungleichheit mit Sorge betrachtete, weil sie oft nicht nur zu einer jurisdiktionellen Ungleichheit, sondern auch zu einer theologischen führte, zur Häresie. Das von Innozenz III. reformierte Brevier der Römischen Kurie zu übernehmen bedeutete, die gesamte vorherige Tradition zu übernehmen. Die darin enthaltene Festlegung der Feiertage, die Wahl bestimmter Lesungen, die Zusammenstellung biblischer Texte zum Zwecke der Bildung von Antiphonen, Versen und Responsorien, das Vorhandensein zahlreicher, sowohl patristischer Texte als auch solcher aus den alten Martyrologien, waren im Großen und Ganzen das Ergebnis des kirchlichen Denkens und der – vorwiegend – monastischen Erfahrung des gesamten vorherigen Jahrtausends. Indem sich Franziskus und seine fraternitas also das Brevier zueigen machten, fügten sie sich in eine Geschichte ein, die ihnen vorausgegangen und über die Jahrhunderte hinweg überliefert worden war. Was allerdings nicht bedeutet, daß sie sich als Gefangene dieser Tradition gefühlt oder gebärdet hätten: wie nämlich eine Quelle besagt, versäumte es Franziskus nicht, seine eigene Besonderheit zu betonen, indem er einige vorherige Modelle ablehnte.
Indem sie das Breviergebet übernahmen, fügten sie sich dennoch – wie aus den Schriften der Franziskaner hervorgeht, die nur so gespickt sind mit liturgischen Reminiszenzen – in jene spirituelle und theologische Tradition ein, die über Jahrhunderte hinweg in der Kirche gereift war. Diese Reminiszenzen, die technisch gesehen als Fälle von „Intertextualität und Interdiskursivität“ definiert werden – richtiggehende Zitate also oder einfache konzeptuelle Verweise – sind oft die Weitergabe von vom hl. Franz verinnerlichten patristischen Texten. Wenn das schon überraschend erscheint, vor allem im Hinblick auf eine gewisse Hagiographie, die Franz von Assisi als den Heiligen allein des Evangeliums darstellen will – fast schon eine Art Vorläufer der protestantischen Reformation –, wie folgenreicher ist dann erst der Umstand, daß oft selbst die Bibel, und folglich das Evangelium, in seinen Schriften gegenwärtig ist, in der Mittlung durch die Liturgie. Das führt unweigerlich dazu, gewisse Beschreibungen der spirituellen Erfahrung des Franziskus zu überdenken, in denen er als jemand erscheint, der in einen unmittelbaren, keinerlei Mittlung bedürfenden Kontakt mit der Schrift getreten ist. Eine tiefer gehende Studie ergibt dann aber, daß er die Schrift durch die Liturgie kennengelernt hat, also durch Mittlung der Kirche. Und die Liturgie ist selbst eine Erklärung der Schrift, also eine Exegese: bereits die Festsetzung einer Lesung auf einen bestimmten, keinesfalls willkürlichen Feiertag, sagt etwas über den Interpretationsschlüssel und folglich auch über das Verständnis des jeweiligen Textes aus. So ist die Lesung von Kapitel 11 des Propheten Jesaja, in dem von dem Reis die Rede ist, der aus dem Baumstumpf Isais hervorwächst, im Commune von Maria, an sich schon eine diesem Text gegebene marianische Perspektive, die sich noch verstärkt, wenn anstelle von virga, also Spross – wie es eigentlich heißen sollte, virgo steht, also Jungfrau, wie das in dem Brevier des Franz von Assisi der Fall ist: „Aus dem Baumstumpf Isais wird eine Jungfrau hervorkommen, ein Spross wird hervorwachsen aus seinen Wurzeln, auf den der Geist des Herrn herabkommen wird“3.
Die Erkenntnis der Wichtigkeit der Liturgie im Leben des hl. Franz kann ein besseres Verständnis seiner Beziehung zur Kirche ermöglichen […]. Das Gebet und die Meditation früherer Texte, Ausdruck des Lebens und der Heiligkeit der Kirche über die Jahrhunderte hinweg, wurden für Franziskus zum Ort der Gemeinschaft mit der Heilsgeschichte.

3. DIE ZEUGNISSE DES
BREVIARIUM SANCTI FRANCISCI
Die Bedeutung der Liturgie bei der Franziskaner-fraternitas und in der Geschichte des Franz von Assisi wird nicht nur durch die Franziskanerregel belegt, die Papst Honorius III. im Jahr 1223 bestätigte, sondern vor allem durch eine Handschrift, die Teil der Reliquien des Klosters Santa Chiara in der gleichnamigen Basilika von Assisi ist. Durch eine handschriftliche Notiz des Mönches Leo – ein Weggefährte und damit Zeuge des Heiligen – wird belegt, daß Franziskus diesen Kodex benutzte: „Der sel. Franziskus besorgte dieses Brevier für seine Kameraden, Bruder Angelo und Bruder Leo, Denn während er in Zeiten, in denen er noch gesund war, immer selbst das Offizium beten wollte, wie von der Regel vorgesehen, wollte er ihm in den Tagen der Krankheit, als er es nicht mehr selbst halten konnte, wenigstens lauschen, und das tat er, solange er lebte“4.
Der Kodex mit dem Namen Breviarium sancti Francisci besteht hauptsächlich aus einem Brevier, dem Psalter und dem Evangeliarium; der erste Teil ist der umfassendste und besteht aus dem von Innozenz III. reformierten Brevier der Römischen Kurie. Das hohe „Alter“ des Textes, das ihn zu einem ganz besonderen Zeugen jener Reform macht und somit auch zur Geschichte der liturgischen Bücher im allgemeinen, wird durch das Vorhandensein – vor allem bei einem Hochfest wie dem Mariens oder von Heiligen, die zum Amt des Papstes in Bezug stehen wie Petrus, Paulus und Gregor der Große – von Lesungen bestätigt, die Predigten von Innozenz III. entnommen sind. Diese Lesungen wurden nach seinem Tod im Jahre 1216 auf Beschluß seines Nachfolgers, Papst Honorius III., unverbindlich und sollten schon bald ganz aus dem Brevier verschwinden5. Das Brevier des hl. Franz ist in der Tat das einzige wahre Brevier, das diese Lesungen im vollständigen Wortlaut enthält. Dieser Kodex wurde von Franziskus benützt und ließ jene – wenngleich rudimentäre – theologische Kultur in ihm wachsen, die es ihm erlaubte, seine Spiritualität und sein Denken in einigen Schriften zum Ausdruck zu bringen; drei davon sind uns noch heute als Manuskript erhalten6.
Wenn man also bedenkt, welch große Rolle die Liturgie bei der kulturellen und spirituellen Formation des Franziskus gespielt hat, muß man ihr auch die entsprechende Bedeutung beimessen, wenn man die Botschaft des Heiligen aus Assisi verstehen will. Vor allem der Inhalt des Kodexes muß immer dann herangezogen werden, wenn man sein Denken ergründen will; so wird die Rolle der Jungfrau Maria in seinem Denken in dem Maße verständlicher, in dem man beim Lesen seiner Schriften das Offizium von der Jungfrau Maria, bzw. von den vier Marienfesten in Betracht zieht, die in dem Kodex enthalten sind, also die Darstellung des Herrn, am 2. Februar; die Verkündigung des Herrn, am 25. März; Mariä Aufnahme in den Himmel mit ihrer Oktav, vom 15. bis 22. August; sowie Mariä Geburt, am 8. September. Auch wenn die ersten beiden Feste, also die Darstellung des Herrn und die Verkündigung des Herrn die beiden Geheimnisse des Lebens Jesu Christi feiern, hatten sie bereits seit Jahrhunderten eine starke marianische Akzentuierung erfahren, so sehr, daß die erste in genanntem Breviarium als Fest Mariä Reinigung bezeichnet wird7.
Franz begibt sich zur Portiunkula.

Franz begibt sich zur Portiunkula.

Die Bedeutung des Breviarium sancti Francisci wurde von Mönch Leo erkannt und bezeugt, der es der Äbtissin Benedetta vom Kloster Santa Chiara in Assisi zum Geschenk machte, damit sie es als herausragendes Zeugnis für die Heiligkeit des Franziskus aufbewahre. Bevor er es ihr jedoch übergab, kennzeichnete er im Kalender noch einige Todestage, darunter die von Innozenz III. und Gregor IX. Nachdem man es ein paar Jahre lang als liturgisches Buch benutzt hatte, wurde das Brevier des Heiligen schließlich endgültig Teil der Reliquien genannten Klosters, wo man es noch heute bewundern kann. Und gerade wegen seiner so großen Bedeutung wurde der Einband im 17. Jahrhundert mit zwei Silberdekorationen geschmückt, die den hl. Franz und die hl. Klara darstellen.
4. FRANZISKUS UND DIE KIRCHE
Eines der am meisten diskutierten Argumente in der franziskanischen Historiographie ist die Beziehung Franziskus’ zur Kirche. Nicht selten wurde er als eine Art Revolutionär beschrieben, dann wieder hat man – da die Quellen nicht widerlegt werden konnten – den Grund für seinen Gehorsam der Hierarchie gegenüber in der Wahl des Minderbruderdaseins gesehen: sowohl im einen wie auch im anderen Sinne ist seine Haltung stets eine, die wir als unbeteiligt, extrinsisch definieren können. Die Erkenntnis der Wichtigkeit der Liturgie im Leben des hl. Franz kann ein besseres Verständnis seiner Beziehung zur Kirche ermöglichen: er erlebte – auf eine sicher nicht passive Weise – die Einfügung in eine Geschichte, die ihm vorausgegangen war und die sich auch durch bestimmte liturgische Formeln ausgedrückt hatte. Das Gebet und die Meditation früherer Texte, Ausdruck des Lebens und der Heiligkeit der Kirche über die Jahrhunderte hinweg, wurden für Franziskus zum Ort der Gemeinschaft mit der Heilsgeschichte. Aus diesem Grund zeigte er sich auch jenen gegenüber so unnachgiebig, die nicht das Offizium beten wollten, wie in seinem Testament belegt ist: „Und obwohl ich einfältig und krank bin, will ich doch immer einen Kleriker haben, der mit mir das Offizium betet, wie es in der Regel steht. Und alle anderen Brüder sollen gehalten sein, ebenso ihren Guardianen zu gehorchen und das Offizium der Regel gemäß zu halten. Und sollten sich solche finden, daß sie das Offizium nicht der Regel gemäß hielten und durch eine andere Art abändern wollten oder nicht katholisch wären – alle Brüder, wo sie auch sind, sollen im Gehorsam verpflichtet sein, einen solchen, wo sie ihn auch finden, dem nächsten Kustos jenes Ortes, wo sie ihn gefunden haben, vorzuführen. Und der Kustos sei streng im Gehorsam verpflichtet, ihn bei Tag und bei Nacht wie einen Gefangenen scharf zu bewachen, so daß er seinen Händen nicht entrissen werden kann, bis er ihn in eigener Person den Händen seines Ministers übergibt. Und der Minister sei streng im Gehorsam verpflichtet, ihn durch solche Brüder zu schicken, daß sie ihn bei Tag und Nacht wie einen Gefangenen bewachen, bis sie ihn vor den Herrn von Ostia geführt haben, welcher der Herr, Beschützer und Verbesserer der ganzen Brüderschaft ist.“ Die Passage, die mit der Auslieferung an den „Herrn von Ostia“ endet, den sogenannten Beschützer des Franziskanerordens wurde als „Strenge“ von Bruder Franziskus betrachtet, der doch eigentlich als so sanftmütig gilt; und diese Strenge gilt jenen, die das Offizium nicht halten. Was bedeutete, dass dieses besondere Gebet, und folglich seine Verschmähung, direkt mit der Rechtgläubigkeit oder dem Fehlen derselben der betroffenen Person oder Gemeinschaft zu tun hatte.
Das Prinzip lex orandi, lex credendi, lex vivendi, wurde von Franziskus, wie wir feststellen können, nicht nur gelebt, sondern von ihm auch – wenn auch nicht in expliziter Weise – als einer der wichtigsten Bezugspunkte seiner christlichen Erfahrung betrachtet. Die Art und Weise, in der er betete und in der nach seinem Wunsch auch die Franziskanergemeinschaft beten sollte – das Gebet des Offiziums – ist Ausdruck seines Glaubens, dem der vom Papst repräsentierten Kirche, der sich in seiner konkreten Erfahrung gezeigt hat. Wenn man die Erfahrung des Heiligen von Assisi und sein Predigen des Friedens wirklich verstehen will (in seiner ganzen Bedeutung, den sie im Lauf der Geschichte annahmen, besonders auch dank des Pontifikats von Johannes Paul II.) darf man seinen durch das Gebet – vor allem das liturgische, und das Offizium – ausgedrückten Glauben nicht vernachlässigen.




Anmerkungen
1 J. Dalarun, Francesco: un passaggio. Donna e donne negli scritti e nelle leggende di Francesco d’Assisi, Nachwort von G. Miccoli, Rom 1994.
2 P. Messa, Un testimone dell’evoluzione liturgica della fraternitas francescana primitiva: il Breviarium sancti Francisci, in Revirescunt Chartae, codices documenta textus: miscellanea in honorem fr. Caesaris Cenci, OFM, ed. A. Cacciotti-P. Sella, Bd. I, Romae 2002, S. 5-141.
3 P. Messa, L’Officium mortuorum e l’Officium beate Marie virginis dans le Breviarium sancti Francisci, in Franciscana. Bollettino della Società internazionale di studi francescani, 4 (2002), S. 111-149.
4 Bruder Leo von Assisi , Nota al Breviario di san Francesco, in Fonti Francescane, herausgegeben von Ernesto Caroli, Padoue 2004, S. 2696.
5 P. Messa, I sermoni di Innocenzo III nel Breviarium sancti Francisci, in Archivum Franciscanum Historicum, 95 (2002), S. 249-265.
6 P. Messa, Le fonti patristiche negli scritti di Francesco di Assisi, préface de G. Miccoli, Assisi 1999.
7 P. Messa, Le feste mariane nel Breviarium sancti Francisci, in L’Immacolata Concezione. Il contributo dei francescani. Atti del Congresso mariologico francescano in occasione del 150° anniversario della proclamazione dogmatica (Santa Maria degli Angeli, Assisi, 4.-8. Dezember 2003), Vatikanstadt 2005.
8 Franz von Assisi, Testamento, 29-33, in Fonti Francescane, op. cit., SS. 125-126.



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