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FALLSTUDIE
Aus Nr. 07/08 - 2005

POLEN. Die Kirchenmänner im Dienst des Ostens.

Aus einem fernen Land, um aus der Nähe zu spionieren


Laut dem polnischen Institut für das nationale Gedächtnis, das sich nun auch die Archive der Geheimpolizei des ehemaligen kommunistischen Regimes vorgenommen hat, waren Tausende von Ordensleuten und Priestern Informanten des Regimes. Interview mit dem Historiker Jan Zaryn.


Interview mit dem Historiker Jan Zaryn von Giovanni Cubeddu


Hier oben, der polnische Ordensmann Konrad Stanislaw Hejmo betrachtet am Zeitungsstand hinter den Säulen von St. Peter die Schlagzeilen über den Gesundheitszustand von Papst Wojtyla.

Hier oben, der polnische Ordensmann Konrad Stanislaw Hejmo betrachtet am Zeitungsstand hinter den Säulen von St. Peter die Schlagzeilen über den Gesundheitszustand von Papst Wojtyla.

Ende April schlug eine Nachricht aus Polen wie eine Bombe ein: einer der unmittelbaren Mitarbeiter des polnischen Papstes, der Dominikaner Konrad Stanislaw Hejmo, Organisator der Pilgerreisen nach Polen, soll seit der Zeit des kommunistischen Regimes in Polen ein Informant der Warschauer Geheimdienste gewesen sein – und leider nicht der einzige im damaligen lokalen Klerus. Mitgeteilt wurde das von Leon Kieres, Präsident des polnischen Instituts für das nationale Gedächtnis (IPN), jene unabhängige öffentliche Einrichtung, deren Statut im Dezember 1998 vom demokratischen Parlament in Warschau approbiert worden war und das die Aufgabe hatte, die historische Wahrheit über die 1939 bis 1989 von Nazis und Kommunisten praktizierten Unterdrückungsmaßnahmen in Polen aufzudecken. Zu Rate gezogen wurden dabei auch die Archive der polnischen Geheimpolizei – mit dem Ergebnis, daß so manche der Ermittlungen auch Gerichtsverfahren zur Folge haben können.
Wir haben das IPN gebeten, uns über den derzeitigen Stand der Ermittlungen zu unterrichten. Rede und Antwort stand uns Jan Zaryn, Universitätsdozent und Historiker, der für 13 Bücher und mehr als hundert wissenschaftliche Artikel – fast alle über die Geschichte der Kirche in Polen – verantwortlich zeichnet.

Auf welche Dokumente gründet sich Ihre Arbeit über die Spionageaktivität der östlichen Geheimdienste gegen die katholische Kirche und den Vatikan?
JAN ZARYN: Wenn man die polnischen Dokumente über die „Aktivität der Geheimpolizei“ aneinanderreihte, würden sie sich über ca. 90km erstrecken. Verfaßt wurden sie in den Jahren 1944 bis 1990 von Beamten der polnischen Geheimpolizei, oder „Sb“, wie man sie seit 1956 nannte (von 1944 bis 1956 dagegen „Ub“). Von 1944 bis 1989 waren in Polen bekanntlich mehr als 90 Prozent der Bevölkerung katholisch; in den Jahren 1947-1990 hat die Geheimpolizei versucht, Informationen über die katholische Kirche und die polnischen Bischöfe zusammenzutragen, weshalb die heute am Institut verfügbare Dokumentation über die Politik des kommunistischen Regimes gegen die katholische Kirche auch so umfangreich ist.
Um welche Dokumente handelt es sich?
ZARYN: Verwaltungsakte, Instruktionen von Ministerialbeamten, Dokumente der Beamten der Geheimpolizei, die mit den Informanten in Kontakt standen, aber auch Dokumente, die von den Informanten selbst verfaßt wurden. Auch persönliche Dokumente, die vom Paßamt und ähnlichen Einrichtungen ausgestellt wurden, werden genau unter die Lupe genommen.
Der Informant mit dem Decknamen Zigmunt (Sigmund) war beispielsweise ein Priester der katholischen Kirche. Er war von 1949 bis Mitte der Sechzigerjahre „im Dienst“ des Staates. Zigmunt war Mitglied wichtiger polnischer Bischofskommissionen und hat die Geheimdienste über deren Versammlungen auf dem Laufenden gehalten. Wir haben auch Dossiers über Diözesen und Pfarreien, über alle Männer- und Frauenklöster, über Seminare, über die KUL, die katholische Universität von Lublin (die in Polen als „einzige katholische Universität zwischen Berlin und Wladiwostok“ definiert wurde…). Die Geheimpolizei hat sich über alle polnischen Klöster unterrichten lassen: Dominikaner, Jesuiten, Franziskaner, vor allem aber über Dominikaner und Jesuiten, weil diese in der Jugendarbeit am engagiertesten waren.
Ab 1962 haben die Beamten der Geheimpolizei der 4. Abteilung des Innenministeriums ihre Informationen dann „personalisiert.“ Alle Priester – auch die Studenten der Seminare – wurden bis zum Jahr 1990 in detaillierten „Personalakten“ gespeichert (den sogenannten Teok; die Bischöfe hatten den Decknamen Teob, die Pfarreien Teop). In diesen Dokumenten sind aber auch viele Informationen über Priester aus anderen Abteilungen enthalten, der 3. beispielsweise, die sich mit politischem Andersdenken befaßte.
Welcher Mittel bedienten sich die östlichen Geheimdienste, um in Polen über die katholische Kirche und Solidarnosc Informationen zu erhalten?
ZARYN: Das erste System war das der Informanten. Ab dem 13. Juli 1949 bis zu den Sechzigerjahren verfaßte das Innenministerium zahlreiche „Instruktionen“ für die Ausbildung der Beamten, die auch den Umgang mit den Informanten lernen sollten. Von 1962 bis 1990 war dann die Ausbildung der zukünftigen Informanten oberstes Ziel der 4. Abteilung. Das zweite Ziel war, möglichst viele Informanten in den hohen Institutionen der Kirche zu haben, beispielsweise in der bischöflichen Kurie. Es war wünschenswert, daß ein Sb-Beamter mit einem jungen Priester in Kontakt stand, da dieser im Laufe von 5 bis 10 Jahren sicher Bischof werden würde und damit ein Informant der ersten Garde.
Wie konnte man sonst noch Informationen erhalten?
ZARYN: Man konnte Telefongespräche abhören, heimlich Fotos schießen oder den Briefverkehr kontrollieren. Auch die Korrespondenz, die das polnische Bischofssekretariat an den Vatikan schickte, wurde von der Abteilung der Geheimdienste gelesen – von der Sektion „W“ –, während sich die Sektion „T“ mit dem Abhören von Telefonaten beschäftigte. Die Sektion „W“ las diese Briefe, fotokopierte sie oder fertigte eine Steno-Abschrift davon an, steckte sie dann wieder in den Umschlag und schickte sie an den eigentlichen Empfänger weiter.
Laut internationaler Presse soll das Institut für das nationale Gedächtnis Hunderte von Seiten Information über Pater Hejmo haben.
ZARYN: Die Dokumentation über Pater Hejmo besteht aus ca. 700 Seiten. Unser von drei Historikern verfaßter Bericht – (Andrzej) Grajewski, Pawel Machcewicz und mir – umfaßt knappe siebzig Seiten. Das Dossier besteht aus drei Teilen. Der erste bezieht sich hauptsächlich auf die Gespräche zwischen dem Beamten der Geheimpolizei, Waclaw Glowacki, und Pater Hejmo, der sich damals, ab 1975, mit der Dominikaner-Monatszeitschrift W drodze, „Auf dem Vormarsch“ befasste. In Rom traf Pater Hejmo dann manchmal einen Beamten (den Sekretär „Peter“) der Botschaft des kommunistischen Polen, der auch Beamter der 1. Abteilung der Sb war, und „Lacar“, Agent des Sb, aber auch des BND, der deutschen Geheimdienste (und ohne Einblick in die deutschen Dokumente ist seine wahre Rolle unklar). Diese Dokumente zu lesen, ist überaus interessant. Hejmo hat viel geredet, um nicht zu sagen: zuviel.
Die aus Ihrem Institut ergangene Nachricht, daß in die „Kollaboration“ mit den Geheimdiensten bis zu 2.600 Priester, also 15% des polnischen Klerus, verwickelt waren, hat einiges Aufsehen erregt. Wie war das möglich?
ZARYN: Hier muß präzisiert werden, daß die Zahlen, also 2.600 Priester und 15% des polnischen Klerus, einer auf Daten des Jahres 1977 basierenden Statistik entnommen sind. In einem meiner Bücher zu diesem Thema habe ich versucht, die Zahl der mit dem Sb zusammenhängenden Priester festzulegen, wobei ich mir das Jahr 1977 zum Vorbild nahm, weil ich gute Möglichkeiten hatte, die Ziffern des Statistikbüros der Geheimpolizei (Büro „C“) mit den Zahlen der polnischen Kirche zu vergleichen. Und dann ist es meiner Meinung nach auch wichtig, daran zu erinnern, daß 1977 auch die große demokratische Opposition begann.
Die polnischen Kardinäle Stefan Wyszynski und Karol Wojtyla bei ihrer Ankunft in Rom zur Begräbnisfeier für Papst Paul VI. (August 1978).

Die polnischen Kardinäle Stefan Wyszynski und Karol Wojtyla bei ihrer Ankunft in Rom zur Begräbnisfeier für Papst Paul VI. (August 1978).

Was bedeutet das?
ZARYN: Die Oppositionsgruppen haben sich seit 1977 schlagartig vermehrt. 1980 und 1981, als Solidarnosc legal wurde, haben ca. 10 Millionen Menschen mobil gemacht. Die Geheimpolizei brauchte also sehr viel mehr Informanten, und der seit dem 13. Dezember 1981 im Land erklärte Kriegszustand hat ermöglicht, neue „anzuwerben“: 1984 waren es schon mehr als 84.000. Seit damals gab es mehr Priester, und der Sb hatte also eine viel größere Möglichkeit, auch bei den Katholiken Informationen zu sammeln. Auch in den Achtzigerjahren galten also 15% des Klerus als „Informanten“ des Sb. Meiner Meinung nach handelt es sich um eine sehr große Zahl. Aber wir müssten hier auch Identität und Effizienz eines jeden Informanten überprüfen.
Wie weit konnten die Geheimdienste in die katholische Hierarchie vordringen? Hatte die katholische Kirche keinen Verdacht, daß es Priester gab, die mit dem Regime zusammenarbeiteten?
ZARYN: Das ist eine gute Frage. Ich kann sagen, daß ich keinen Bischof, kein Mitglied des polnischen Episkopats kenne, der ein Informant gewesen wäre. Ich habe bisher keine polnischen Bischöfe ausmachen können, die mit den Kommunisten zusammenarbeiteten. Und immerhin haben wir es – wie gesagt – mit mehr als 90km Akten zu tun.
Ich habe viele Dokumente über den polnischen Primas Stefan Wyszynski vorgelegt; ein Dokument aus dem Jahr 1970 konnten die Beamten der 4. Abteilung dank Informanten abfassen, die dem Primas sehr nahestanden, in seinem Sekretariat arbeiteten. Aber man kann nur schwer Genaueres sagen: es hätte der Privatsekretär des Primas sein können, also jemand, der eng mit ihm zusammenarbeitete, oder aber auch ein Arbeiter oder Ingenieur, der – im Rahmen der Restrukturierung des Büros – gute Kontakte zu diesem Büro hatte... Es handelt sich hier jedenfalls um überaus heikle Fälle. Ich selbst kenne nur die Decknamen dieser Informanten, nicht aber ihre wirklichen Namen. Ich weiß z.B., daß ein gewisser Sibismunt für den Verlag des polnischen Episkopats zuständig war, und ein Konventualpriester hat über die Treffen der Kommission des polnischen Episkopats Bericht erstattet. Ich glaube, daß es da noch andere gab. So hat ein polnischer Historiker aus Rzeszow im Süden Polens beispielsweise Dokumente über die Kurie der Diözese Przemysl erhalten, wo kein Geringerer als Bischof Tokarczuk arbeitete, ein polnischer Nationalheld und Feind des Kommunismus. Der Historiker konnte in Erfahrung bringen, daß in den Siebzigerjahren acht Informanten in dieser Kurie tätig waren. Ein Historiker aus Krakau hat dagegen Dokumente über Informanten entdeckt, die in Sachen Warschauer Kurie aktiv waren. Tadeusz Novak z.B., der in Krakau sowohl in der Redaktion von Tygodnik Powszechny als auch als Ökonom in der Metropolitan-Kurie von Krakau tätig war. Aber ich glaube, daß man in den hohen Sphären des polnischen Klerus noch andere Informanten sitzen hatte.
Die katholische Kirche ahnte wohl, daß es regime-treue Informanten gab.
ZARYN: Ja, Primas Wyszynski und die anderen Bischöfe hatten erfahren, daß sie vom Sb ausspioniert wurden, daß man ihre Briefe las, usw. Auch als der Primas im Gefängnis war, gaben die beiden Personen, die ihm am nächsten standen, an die 11. Abteilung Informationen weiter. Aber der Primas hatte nichts zu verbergen. Das, was er über das Regime zu sagen hatte, sagte er auch in aller Öffentlichkeit.
Die Regierung dagegen wußte, daß die Priester-Informanten manchmal entlarvt wurden...
ZARYN: Die Bischöfe hatten Erfahrung in Sachen Kontakte zur Geheimpolizei, sowohl dem Ub als auch dem Sb. Es gab präzise Anweisungen seitens des polnischen Episkopats, mit denen die Bischöfe den Priestern untersagten, sich mit Beamten des Sb zu treffen. Man kann aber die Hypothese aufstellen, daß es Priester gab, die Komplizen des Sb waren und dann doch ihren Bischöfen Bericht erstatteten: Doppelagenten sozusagen. Ich kenne Beispiele dafür aus den Vierziger- und Fünfzigerjahren. Ein Priester namens Emmanuel Grim aus der Pfarrei Izdebna war ein Informant des Ub (späterer Sb). Das quälte ihn aber so sehr, daß er seinem Bischof, Stanislaw Adamski, anvertraute, gezwungen worden zu sein, Informationen über die Kirche weiterzugeben. Ein paar Monate später starb er. Vielleicht hing sein Tod mit der kritischen Situation zusammen, in der er sich befand....
Können Sie mir noch eine andere Geschichte erzählen?
ZARYN: Ja, eine aus den Fünfzigerjahren. Die Joseph Baks, Priester-Informant mit dem Pseudonym Prosty, „der Einfache“. Er war ein Mitglied der großen katholischen Caritas-Einrichtung und half den Kommunisten am 23. Januar 1950, ihre Männer in die katholischen Institutionen einzuschleusen. Als ihm Bischof Adamski ins Gewissen redete, antwortete er: „...das kommunistische Regime hat mich gebeten, das für sie zu tun, und ich habe gedacht, daß es für die Kirche gut wäre...“ Der Bischof erteilte ihm die Absolution.
Und welchen Schluß ziehen Sie daraus?
ZARYN: Es sind Beispiele. Vielleicht waren viele Priester der Meinung, daß ihre Kontakte zu den Sb-Beamten kein Geheimnis wären, der Kirche nicht schaden würden. Und auch die Sb-Beamten konnten schließlich nicht wissen, ob die Priester-Informanten nach ihren Treffen mit ihren Bischöfen sprachen oder nicht. Die Antwort auf die Frage, die sich die Kirche damals oft stellte – ob ein gewisser Priester nämlich ein Sb-Informant war oder nicht – war sehr schwer zu beantworten. Deshalb wollte ich ja auch präzisieren, daß die für 1977 angegebene Zahl der 15% Informanten auf eine Quelle des Sb zurückgeht, und nicht der Kirche.
Nach dem Attentat auf Johannes Paul II. stellten die italienischen Ermittler die Hypothese auf, es hätte auch in der Vatikanstadt Komplizen gegeben. Was sagen Ihre Dokumente zu geheimen Quellen von Kommunisten im Innern des Vatikan?
ZARYN: Da bin ich leider überfragt. Wie Sie wissen, haben wir die Dokumentation über Pater Hejmo, aus der Informationen über den Vatikan in den Achtzigerjahren hervorgehen, vor allem Informationen, die die Beziehung von Johannes Paul II. zum polnischen Episkopat betreffen.
Die Informanten im Vatikan haben erklärt, daß der Vatikan der politischen Frage in Polen große Bedeutung beimaß.
Uns liegen auch Informationen über andere Agenten vor, die den Vatikan ausspionierten, deren Namen wir aber noch nicht bekannt geben können.
Wie lange dauerte die Kollaboration mit den Geheimdiensten?
ZARYN: Das ist unterschiedlich. Pater Hejmo hat 1975 begonnen, Kontakte zu Sb-Beamten zu unterhalten. Gedauert hat das bis 1988. Nach Rom kam er 1981. Bis zum Jahr 1981 stand er unter dem Schutz eines Beamten der 4. Abteilung des Innenministeriums, danach unter dem der 1. Abteilung. Ich kann Ihnen auch die Geschichte eines Priesters erzählen, der 1949 begonnen hat, gegen die Kirche zu arbeiten – bis zu seinem Tod 1968. Und ein paar Jahre nach seinem Tod haben die Sb-Beamten alle Dokumente, alles Material verschwinden lassen, das sich in seinem „Arbeitsdossier“ befand. Zum Glück konnten die von diesem Priester zusammengestellten Berichte – in anderen Akten – wieder aufgefunden werden.
Gab es noch andere Informantendienste, die sich über einen langen Zeitraum hinzogen?
ZARYN: Pater Wladyslaw Kulczycki, der in Krakau arbeitete, war von 1948 bis zu seinem Tod 1967 als Informant tätig, und zwar unter den Pseudonymen Torano und Zagielowski. Die von ihm weitergegebenen Informationen betrafen vor allem Bischof Karol Wojtyla und sein Umfeld, die jungen Katholiken, die er in den Sechzigerjahren in Krakau traf.
Viele Priester waren dagegen nur kurze Zeit als Informanten tätig; zwei oder drei Treffen mit Sb-Beamten – danach suchten sie dann um einen Reisepaß an, um Polen verlassen zu können.
Kommen wir wieder auf das Papst-Attentat zurück. Wie beurteilen Sie, aufgrund Ihrer Erfahrung, die „bulgarische Fährte“?
ZARYN: Ich glaube, daß es keine wirklichen, schlagkräftigen Argumente gibt, mit denen eine Verwicklung des Sb in das Attentat auf den Papst vom 13. Mai 1981 bewiesen werden kann. Leider – oder zum Glück, ganz wie Sie wollen – habe ich keine Dokumente gefunden, aus denen etwas Derartiges hervorgeht.
Wir wissen, daß die Beamten der 4. Abteilung in Moskau an einer Versammlung mit den Beamten des KGB teilgenommen haben. Eine Versammlung, bei der es um ein Projekt hinsichtlich der Kirche ging, deren Resultate aber nicht bekannt sind. Und wir wissen auch mit Sicherheit, daß 1981 eine Beziehung zwischen polnischen und sowjetischen Geheimdiensten bestand. Aber es gibt keine diesbezüglichen Dokumente.
Ich stimme dem deutschen Journalisten zu, der auf ein Stasi-Dokument aus dem Jahr 1981gestoßen ist, aus dem hervorgeht, daß diese versucht hat, die öffentliche Meinung und den Westen irrezuführen und glauben zu machen, daß die Bulgaren nichts mit dem Attentat auf Johannes Paul II. zu tun hätten und daß es sich dabei lediglich um eine von den italienischen Ermittlern verbreitete Information handle. Wir wissen auch, daß Ali Agca bei den Verhören unterschiedliche Aussagen machte, daß er früher aussagen hatte wollen. Letztendlich hat er dann aber eine andere Version abgegeben, sicher unter dem von der Stasi ausgeübten Druck und entsprechenden Drohungen. „Nur ich allein wollte den Papst töten,“ sagte er. Das alles sind nur „Bruchstücke“ von Information.
Das ändert allerdings nichts daran, daß in Polen und für die Polen – das kann ich als Historiker und als Pole sagen, der sich am 13. Mai in Warschau befand – Moskau der Schuldige war.
Haben Sie die Resultate Ihrer Ermittlungen der polnischen Bischofskonferenz mitgeteilt? Konnte es zu einer fruchtbaren Kollaboration kommen?
ZARYN: Ich habe einige Kontakte zu den Bischöfen und zum Primas, die mir den Zugang zu den Geheimarchiven des polnischen Primas von 1944 bis 1989 ermöglicht haben. Es handelt sich um geschichtlich gesehen extrem wichtige Dokumente. Ich weiß nicht genau, wann ich fertig sein werde, aber ich stehe kurz vor der Veröffentlichung polnischer Dokumente, die ich beim Rat des Episkopats (Rada Glowna) erhalten habe. Ich arbeite oft mit den Bischöfen zusammen, unsere Kontakte sind überaus herzlich. Ich habe auch über die Beziehungen zwischen Staat und katholischer Kirche nach dem Zweiten Weltkrieg Bücher geschrieben. Bücher, die – wie auch andere, von meinen Kollegen zusammengestellte – von Bischöfen und Priestern gelesen werden, auch von Seminaristen, als Pflichtlektüre. Wenn ich manchmal auch über Pater Hejmo Artikel geschrieben habe, die bei den Kirchenmännern nicht gut gesehen waren... Aber ich bin schließlich nicht der „Hofhistoriker“ der Bischöfe. Wie man in Polen so schön sagt: in der Kommunistenära gab es die Hofhistoriker... wie schon einst unter Ludwig XIV...
Haben Sie in Polen Hinweise darauf gefunden, daß es zwischen östlichen und westlichen Geheimdiensten jemals zu Konflikten gekommen ist?
ZARYN: Das ist ein Thema, über das einiges zu sagen wäre; ein bißchen dazu kann ich Ihnen aber schon erzählen. Ich persönlich kenne vor allem die Dokumente der 3. Abteilung bezüglich der Vierziger- und Fünfzigerjahre. Es gab damals viele polnische politische Emigranten, die an die CIA, den britischen MI6 oder die deutschen Geheimdienste gebunden waren [die Organisation des Nazi-Generals Gahlen also, seit 1945 in den USA, von wo aus er jahrelang mit seinem Netz von Tausenden ehemaliger Nazis weiterhin gegen die Sowjetunion spionierte, Anm.d.Red.]. Viele an die Exilregierung gebundene Polen arbeiteten gegen die Kommunisten in Polen. Ihre Spionage-Aktivität betraf das sowjetische Polen, nicht die Polen. Geleitet wurden sie von der Exilregierung oder von General Wladyslaw Anders, ebenfalls im Exil. Aber auch die Kommunisten waren nicht untätig und stellten weitreichende Operationen gegen die polnischen Spione auf die Beine, beispielsweise die Operation César [1948-1952, Anm.d.Red.].
Das Attentat auf Johannes Paul II. auf dem Petersplatz (13. Mai 1981).

Das Attentat auf Johannes Paul II. auf dem Petersplatz (13. Mai 1981).

Welchen Eindruck haben Sie nun, nach Ihrer intensiven Archiv-Arbeit zur Periode der in Polen geführten ideologischen Schlacht gegen die katholische Kirche und die Religion im allgemeinen?
ZARYN: Ich kann sagen, daß die Geheimpolizei die ganze Zeit über einen Kampf gegen die katholische Kirche geführt hat, also gegen Institutionen und Einzelpersonen. Dem Sb standen viele Werkzeuge zur Verfügung – Mord, Verhaftung, Verunglimpfung – und er hat sie alle gegen den Feind eingesetzt. Allein in den Jahren 1944-1956 haben die Kommunisten fast tausend Priester verhaftet, einige Bischöfe isoliert – nicht nur Kardinal Wyszynski –, haben die griechisch-katholische Kirche aufgelöst, viele Priester nach Sibirien deportiert, die auf polnischem Territorium lebten, östlich der Ribbentrop-Molotov-Linie. Die Geheimpolizei wurde vom sowjetischen Nkwd geschaffen [dem Volkskommissariat für innere Angelegenheiten und späterem KGB, Anm.d.Red.] und hat ihre Arbeit nach dem Zweiten Weltkrieg auf den eroberten Gebieten fortgeführt.
Man muß aber auch sagen, daß die Geheimpolizei keine souveräne Einrichtung war, sondern von der machthabenden kommunistischen Partei dirigiert wurde. Die Kommunisten unterstützten den Kampf gegen die Kirche, haben die Verantwortung für die Resultate ihrer Politik übernommen, und den Kampf gegen die Kirche dann mit anderen Werkzeugen fortgeführt: politischen, wie der atheistischen Propaganda und dem Marxismus als Pflichtideologie, auch in der Schule; wirtschaftlichen, wie dem Erwerb der Kirchengüter, beispielsweise in der ehemaligen UdSSR und in Ungarn; juridischen, wie den Normen, die die Entwicklung der katholischen Kultur, der katholischen Vereinigungen, der Präsenz des Katholizismus im öffentlichen Leben, usw., verboten.
Man darf nicht vergessen, daß das polnische Volk 1945 zu neunzig Prozent katholisch war, wie auch im Jahr 1989. Und man muß auch sagen, daß die katholische Kirche vom Papst aus Polen geleitet wurde.
Auch das sind die Resultate der von den Machthabern beschlossenen Religionspolitik: Felix culpa.


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