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BISCHOFSSYNODE
Aus Nr. 10 - 2005

Eine Synode über die Ostkirchen


Dahinter steht der Gedanke, eine Synode zu haben, wo diese Kirchen vorgestellt werden, man Gelegenheit hat, sie kennenzulernen, und zu sehen, ob und wie sie dazu beitragen können, die Probleme der Kirche von heute anzugehen.


Interview mit Kardinal Lubomyr Husar von Gianni Valente


Kardinal Lubomyr Husar, Großerzbischof von Kiew-Halic, hat mit seinem Beitrag bei der Synode vom Oktober wieder einmal bezeugt, daß die katholische Kirche der Ukraine orientalischen Ritus’ auf ökumenischem Gebiet eine umstrittene und ambivalente Rolle spielt, die sich jeder allzu bequemen Klassifizierung entzieht. Und wenn die kürzlich erfolgte Verlagerung seines Metropolitansitzes von Lemberg nach Kiew noch im Sommer den Zorn des Patriarchats Moskau enflammte, so klangen die Worte, die er in der Synodenaula vor den Generalstaaten der katholischen Kirche ausgesprochen hat, für manchen doch wie ein vielleicht allzu unverhaltener Appell, zur vollen sakramentalen Einheit zwischen Katholiken und Orthodoxen zurückzukehren.

Kardinal Lubomyr Husar, Großerzbischof von Kiew-Halic

Kardinal Lubomyr Husar, Großerzbischof von Kiew-Halic

Eminenz, Sie haben vorgeschlagen, daß sich die nächste Synode mit den katholischen Ostkirchen befassen soll. Wozu wäre das gut?
LUBOMYR HUSAR: Es geht nicht darum, unsere Kirchen apologisieren zu wollen. Und auch nicht darum, eine Tribüne zu haben, auf der man darüber klagen kann, daß man sich vernachlässigt fühlt – das ist eine ständige Versuchung für uns Katholiken des Ostens. Es könnte vielmehr eine Gelegenheit sein, der universalen Kirche einen Dienst zu erweisen. Die katholischen Ostkirchen gehören mit demselben Recht zur katholischen Kirche wie die lateinische Kirche. Sie sind Träger einer Tradition von großem Wert für die gesamte Kirche. Was dahinter steht, ist der Gedanke, eine Synode zu haben, wo diese Kirchen vorgestellt werden, man Gelegenheit hat, sie kennenzulernen, und zu sehen, ob und wie diese Kirchen dazu beitragen können, die Probleme der Kirche von heute anzugehen.
Sie haben Ihren Vorschlag mit einer recht besonderen Frage eingeleitet.
HUSAR: Viele Argumente könnten – von der Perspektive der katholischen Ostkirchen ausgehend – in einem neuen Licht gesehen werden. Ein Beispiel: ich habe eine Frage aufgeworfen, ausgehend von dem bei der letzten Synode behandelten Thema. Meine Prämisse war, daß kein Zweifel daran bestehen kann, daß die Eucharistie fons et culmen des Lebens und der Sendung der Kirche ist, und daß die Liturgie regula fidei (lex orandi, lex credendi) ist. Aber das gilt auch für die orthodoxen Kirchen! Und wenn also die von den Ostkirchen in Gemeinschaft mit dem Sitz von Rom und den orthodoxen oder apostolischen Kirchen gefeierte Liturgie dieselbe ist, wenn die Anerkennung der apostolischen Sukzession der Bischöfe und – folglich – der Priester, von denen sie gefeiert wird, gegenseitig ist, dann lautet meine Frage: was braucht man für die Einheit noch? Gibt es vielleicht in der Kirche eine höhere Instanz, ein culmen et fons über der Eucharistie? Und wenn es das nicht gibt, warum ist dann die Konzelebration nicht erlaubt?
Auf Ihre Frage gab es keine Antwort. Kardinal Sodano hat gesagt, daß die Suche nach der Einheit mit den Orthodoxen keine Spaltungen unter den Katholiken auslösen dürfe.
HUSAR: Das ist seine Meinung. Aber schon allein der Beginn einer Antwort auf diese Frage würde eine vertiefte Diskussion in einer ad hoc Synode erforderlich machen. Der Beitrag des Metropoliten von Pergamon, Ioannis Zizioulas, der als brüderlicher Delegat des ökumenischen Patriarchats Konstantinopel anwesend war, hat mich sehr beeindruckt. Zizioulas hat dasselbe gesagt wie ich. Und gerade ihn wollten die Orthodoxen als Co-Präsidenten der Kommission des theologischen Dialogs zwischen Katholiken und Orthodoxen, die ihre Arbeit im nächsten Jahr wieder aufnehmen soll, um das Thema des Primats zu vertiefen. Seine eucharistische Ekklesiologie erfreut sich großer Wertschätzung. Und schließlich haben uns ja auch schon die Väter gelehrt: wenn wir glauben, daß Christus in der Eucharistie gegenwärtig ist, hat das gewisse Konsequenzen für das Leben der Kirche.
Ihr Vorschlag wurde von der Presse als Vorstellung von einer Synode dargestellt, die der Papst mit den Orthodoxen einberuft, die gerufen sind, als gleichwertige Partner teilzunehmen.
HUSAR: Das lag nicht in meiner Absicht. Ich habe an eine Synode gedachte, die den Kirchen orientalischen Ritus’ in Gemeinschaft mit Rom gewidmet ist. Aber auch die Fehlinterpretation der Presse kam mir im Grunde wie eine felix culpa vor. In dem Sinne, daß als letzter Schritt – natürlich falls das der Heilige Vater beschließen sollte – eine gemeinsame Synode mit den orthodoxen Brüdern meines Erachtens nach keineswegs eine schlechte Idee wäre.
Bei einem Vergleich der disziplinären Traditionen der lateinischen Kirche und der Ostkirchen stößt man sofort auf das Argument des Priesterzölibats. Welchen Eindruck hat die Debatte über diesen Punkt bei der Synode vom Oktober auf Sie gemacht?
HUSAR: Ich habe mich zu dieser Frage nicht geäußert. Ich wußte nicht, was ich sagen sollte. Ich habe keine feste Meinung dazu. Mein Großvater war Priester, und das waren viele andere Mitglieder meiner Familie auch, verheiratete oder auch nicht. Aber bei uns haben die verheirateten Priester schon seit den Zeiten des Seminars die Perspektive, zu heiraten. Die viri probati sind dagegen jene Männer, die zu Priestern geweiht werden, nachdem sie womöglich dreißig oder vierzig Jahre lang ein „normales“ Leben geführt haben, Tag für Tag für ihre Kinder und die Familie den Lebensunterhalt bestreiten mußten. Ein Priester sollte sein Leben eigentlich als vollkommenen Dienst an der Kirche sehen. Ich weiß nicht, ob ein derartiger mentaler habitus in fortgeschrittenem Alter erworben werden kann, von einem Mann, der lange Zeit in einer weltlichen Befindlichkeit gelebt hat. Das einmal gesagt – wenn das durch eine angemessene spirituelle Vorbereitung erfolgen sollte –, könnte eine solche Ausgangsbefindlichkeit durchaus auch von Vorteil sein.
Inwiefern?
HUSAR: Ein solcher Priester könnte sich in die Probleme seiner Pfarrkinder besser hineinversetzen. Was unseren Priestern oft fehlt, die manchmal in einer eigenen Welt zu leben scheinen.
Eine andere Frage, die bei der Synode aufgeworfen wurde, war die Möglichkeit, Christen aus anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften die Kommunion zu spenden.
HUSAR: Bei uns haben die dramatischen Ereignisse der Geschichte jene Notwendigkeit geschaffen, die den Rückgriff auf ein derartiges Brauchtum rechtfertigt. Viele von uns wurden in der Zeit der Sowjets nach Sibirien deportiert. Aber es kam auch vor, daß die Orthodoxen in die Ukraine deportiert wurden, in Gebiete, wo es keine orthodoxen Pfarreien gab. Bereits in den Dreißigerjahren hatte der Metropolit Andrzej Septyckyj Anweisungen gegeben, jenen Orthodoxen, die mit ehrlicher Absicht in unsere Pfarreien kamen, die Kommunion zu spenden. Das einzige, was man vermeiden mußte, war der Skandal.
Heute scheint die orthodoxe Kirche – auch in der Ukraine – in drei Teile gespalten. Aber die nationalistische Regierung will eine vereinte Landeskirche und übt Druck aus, um die Wiedervereinigung herbeizuführen.
HUSAR: Vor tausend Jahren entstand die Kirche in Kiew. Dann begannen die Spaltungen. Zuerst haben wir uns in Katholiken und Orthodoxe gespalten. Dann, in den letzten Jahrzehnten, haben sich die Orthodoxen in drei Sektionen gespalten. Jetzt hat Präsident Juschtschenko, wie schon sein Vorgänger Kuchma, bei verschiedenen Gelegenheiten bekräftigt, daß die Regierung gerne eine einzige vereinte orthodoxe ukrainische Kirche hätte.
Was halten Sie von diesem pressing des Präsidenten?
HUSAR: Ich sehe das überaus positiv. Ich habe bereits gesagt, daß auch wir zu dieser einzigen ukrainischen Kirche gehören möchten, unter einer Bedingung: daß das Patriarchat dieser vereinten Kirche in Gemeinschaft steht mit dem Nachfolger Petri. Als Synod haben wir verlangt, daß die Regierung keiner der derzeit gespaltenen Kirchen die Sophien-Kathedrale in Kiew übertrage. Sie sollen sie ruhig weiter als Museum behalten, bis zu dem Zeitpunkt, in dem es in Kiew eine einzige Kirche und ein einziges Patriarchat geben wird. Die Regierung hat unseren Vorschlag angenommen.
In der Zwischenzeit sorgt Ihr hartnäckiges Drängen auf Anerkennung Ihrer Kirche als Patriarchat jedenfalls weiter für Spannungen mit dem Patriarchat Moskau.
HUSAR: Unser Wunsch, als Patriarchat anerkannt zu werden, dient nicht dazu, die Möglichkeit einer Gemeinschaft mit den Orthodoxen zu versperren, sondern vielmehr den Dialog mit ihnen als gleichwertige Partner anzukurbeln. Wenn es in der Ukraine drei Patriarchate gäbe, könnten sie meiner Meinung nach besser daran arbeiten, die Einheit wieder herzustellen, die es am Anfang gegeben hat.
Sie haben erklärt, daß die Einheit der Kirche in der Ukraine die Ukrainer selbst finden müßten, da diese „weder von Moskau, noch von Rom“ kommen könne. Wie könnte eine eventuelle vereinte und in Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri stehende ukrainische Kirche zur Kirche von Rom stehen?
HUSAR: Das wäre ein anderes Argument, mit dem sich die Synode befassen könnte: zu klären, was es für eine Ostkirche bedeutet, in Gemeinschaft mit dem Sitz Petri zu stehen. So könnten die Orthodoxen gleich sehen, was sie erwartet, wenn die Einheit erst wieder herbeigeführt ist. Sehen Sie: es handelt sich auch um sehr praktische Dinge. Wenn unser Synod Kandidaten für das Bischofsamt aussucht, muß ich ein Jahr lang warten, bis sie von Rom akzeptiert werden. Ich bin sicher, daß weder Patriarch Bartholomaios noch Patriarch Alexej so etwas akzeptieren würden. Und dabei handelt es sich um ein Brauchtum, das man sehr leicht ändern könnte: es betrifft gewiß keine wesentlichen Glaubenswahrheiten.


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